SICHT N I D LAN U A H C ILMS F S G AS N I R L T T I H O C P FLÜ RA U A L AGIE E T M U O B N I I R T NG K U L AUS L E T LTURH INOKU K AUSS O R ET O N I K NOV / MM M ROGRA P 5 1 0 DEZ 2 CITIZENFOUR EVERYDAY REBELLION LETTERS FROM AL YARMOUK TINTENKILLER INHALT 03 EDITORIAL KINO.MAGAZIN 06 12 17 18 20 22 24 28 30 34 IDENTITÄTEN AM PRÜFSTANDS | GUNNAR LANDSGESELL ES GEHT UM EMOTIONALE EHRLICHKEIT DIE RIAHI BROTHERS IM GESPRÄCH | DORIS KITTLER FLÜCHTLINGE FILMEN ZUR FILMREIHE LAND IN SICHT | DORIS KITTLER ’ PORTRÄT GORAN REBIC | SILVIA BREUSS, DUŠKO DIMITROVSKI FILM NOIR RELOADED EXIL – PSYCHOANALYSE | FRANK STERN, CHRISTINA WIEDER LA PASADA – DIE ÜBERFAHRT EINE KINOBÜHNENSCHAU LAURA POITRAS’ FILMISCHE AUFKLÄRUNGSARBEIT | GUNNAR LANDSGESELL FILM NOIR RELOADED MIGRATION UND RASSISMUS | KLAUS DAVIDOWICZ, FRANK STERN KINDER DER WELT EIN FILMISCHES VERMÄCHTNIS | URSULA WOLTE KINO DER REGIONEN KINO IM MITTELAMERIKANISCHEN RAUM | CHRISTINE BEDOYA, ANICO HERBST KINO.PROGRAMM 40 60 62 65 66 67 70 72 73 74 78 80 LAND IN SICHT FLUCHT. KINO, DAS BEWEGT DAS MUSEUM GEHT INS KINO WERNER NEKES RETROSPEKTIVE CINEMA SESSIONS RÜDIGER SAFRANSKI FILM NOIR RETROSPEKTIVE LAURA POITRAS PREMIERE VARVILLA FILM + POLITIK THE PRICE WE PAY 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA FILM.EXIL.SHANGHAI SYMPOSIUM + FILMGALA MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL 86 87 AKTUELLES FILMARCHIV AUSTRIA CLUB PROGRAMMÜBERSICHT MEDIENINHABER UND HERAUSGEBER Filmarchiv Austria, Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien REDAKTION Larissa Bainschab, Silvia Breuss, Ernst Kieninger, Tomáš Mikeska BILDREDAKTION Aldijana Bečirovič BILDBEARBEITUNG Martin Benner TEXTE Christine Bedoya, Enrico Bedoya, Silvia Breuss, Klaus Davidowicz, Duško Dimitrovski, Anico Herbst, Ernst Kieninger, Doris Kittler, Gunnar Landsgesell, Tomáš Mikeska, Frank Stern, Christina Wieder, Isabel Wolte KURATORIN LAND IN SICHT Doris Kittler KURATOR FILM NOIR RELOADED Frank Stern KURATORIN RETROSPEKTIVE WERNER NEKES Ursula Richert KOPIEN BESCHAFFUNG Raimund Fritz LEKTORAT Silvia Breuss, Raimund Fritz, Doris Kieninger, Peter Spiegel COVERFOTO Filmaufnahme von Lisa Köppl und Wolfgang Weber GRAFIK Peter Chalupnik, Martin Benner; Perndl+Co DRUCK Wograndl, Mattersburg ADRESSE KINO, Programmzeitschrift des Filmarchiv Austria, Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien, Tel: 01 216 13 00, [email protected], www.filmarchiv.at DANK Arsenal-Filmverleih, Tübingen (Harald Baur) | ASIFA (Stefan Stratil) | Basis-Filmverleih, Berlin (Miriam Jost) | Gabriella Bier, Stockholm | British Film Institute, London (Fleur Buckley) | Cat‘ & docs, Paris (Maelle Guenegues) | The Danish Film Institute, Kopenhagen (Marianne Jerris) | Helmut Dworan, Strasshof | EZEF, Stuttgart (Bettina Kocher) | Sara Fattahi, Beirut | David Fedele | Film delights, Wien (Christa Auderlitzky) | Filmladen, Wien (Maria Aigelsreiter, Doris Sumereder) | Österreichisches Filmmuseum (Roland Fischer-Briand) | Golden Girls Filmproduktion, Wien (Agnes Jünemann) | Nasri Hajjaj, Wien | Hollywood Classics, London (Albina Terentjeva) | Jüdisches Filmfestival Wien (Sarah Stroß) | Doris Kittler | Lisbeth Kovacic | Literaturmuseum Wien | Lotus-Film, Wien | Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Gudrun Weiß) | ORF | Papaya Media Association (Enrico Bedoya) | Park Circus, Glasgow (Mark Truesdale) | Playground Produkcija (Sarita Matijevic) | Polyfilm Filmverleih, Wien (Stefanie Stejskal) | RAY (Gunnar Landsgesell, Andreas Ungerböck) | Goran Rebic | Arash T. und Arman T. Riahi, Wien | Rialto-Film, Berlin (Daniela Preßler) | Sammlung Kolm-Veltée | Sixpack Films, Wien (Gerald Weber) | Stadtkino Filmverleih, Wien (Georg Horvath) | Wolfgang Steininger, Linz | Thimfilm, Wien (Martina Priglinger) | Isabel und Ursula Wolte, Peking | Hanns Zischler EDITORIAL ERNST KIENINGER »V iel interessanter als ein Haufen Gleichgesinnter ist doch eine Gemeinschaft der Ungleichgesinnten.« Joseph Beuys’ Modell der »sozialen Plastik« dachte Kunst und Gesellschaft radikal zusammen und verschob die Grenzen der Kunsträume tief hinein in die Lebenswirklichkeiten des Alltags. Die aktuellen Flüchtlingsbewegungen in Europa schneiden eine Diagonale auch quer durch Österreich. Auf der einen Seite der von unendlichen Flüchtlingsbilderströmen getriebene politisch-mediale Komplex, in dem alles gezeigt und nichts gesehen wird: unendliches Kanalrauschen. Auf der anderen Seite die Zivilgesellschaft, die im Konkreten Halbinseln gegen den Strom etabliert, wie kürzlich etwa am Wiener Westbahnhof. Aus der viel zitierten Mitte der Gesellschaft heraus entstehen neue Spielräume – und auch die eine oder andere kleine Utopie. Es ist wieder Zeit, an Beuys zu erinnern und aus den Paralleluniversen auszubrechen. Im METRO Kinokulturhaus werden diese Geschichten der Flucht, Not und Vertreibung verwoben mit ersten, noch rohen Aufnahmen über das Ankommen und Hiersein. FilmemacherInnen werden zu Helfern, Flüchtlinge werden zu Filmern. Mit Open Archive startet das Filmarchiv Austria nun eine Initiative des erweiterten Blicks: Seit Mitte Oktober sind Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak direkt am Hauptstandort Augarten untergebracht und wirken mit an einer neuen Erzählung über Inklusion, Gemeinschaft und eine gesellschaftliche Praxis, die Kunst und Gesellschaft wieder zusammen denkt – im Kino und darüber hinaus. EDITORIAL Das Kino hat da längst Position bezogen und vor allem auch hierzulande mit fast schon seismografischer Qualität auf die nicht erst seit gestern relevanten großen Bewegungen reagiert. LAND IN SICHT ist ein erster Katalog, eine kinematografische Registrierung sorgfältig aufgezeichneter Gegenbilder, die auch den Blick auf das Eigene bein haltet. 3 A M . O IN K LAMPEDUSA IM WINTER N I Z A G A DHEEPAN IDENTITÄTEN AM PRÜFSTAND GESICHTER DER FLUCHT GUNNAR LANDSGESELL DRAMATURGIE DER EMOTION Auch das westliche Kino scheint sich nicht den Vorwurf der Abwesenheit machen lassen zu wollen, insbesondere seit den 1990er-Jahren hat es begonnen, sich für den großen Topos der Migration in unterschiedlichsten Facetten zu interessieren. Spannend ist, wie unser Blick auf Flüchtlinge sich in diesen Dramaturgien wiederfindet. Es gibt Filme, bei denen einem die Diskrepanz zwischen Tod und Heiligsprechung, wie sie Agambens altrömische Figur des Homo sacer aufweist, auf besonders sinnträchtige Weise begegnet: als Kombination eines besonders tugendhaften Charakters bei gleichzeitiger Aberkennung eines rechtlichen Status. Philippe Liorets Protagonist aus WELCOME (2009) ist so ein Fall. Der 17-jährige irakische Jugendliche Bilal lebt illegal in Frankreich und versucht vergebens, versteckt in einem LKW nach England zu reisen, um seine Freundin zu sehen. Möglich soll das doch noch werden, indem Bilal den Ärmelkanal schwimmend durchquert. Das Kino erschafft Geschichten, die ganz bestimmten Mythologien folgen. WELCOME rekurriert nun auf Werte wie Disziplin, Ausdauer und Demut, wenn Bilal tagtäglich Schwimmstunden bei einem Trainer absolviert und sein Leben mit jedem Meter durchpflügten Wassers zu etwas Besonderem, Vorbildhaften wird. Erzählungen wie diese weisen darauf hin, dass das Kino Geschichten erschafft, die ganz bestimmten Mythologien folgen. Ein hartnäckiger Mythos im echten Leben ist, dass Menschen, die um Asyl ansuchen, sich dieses auch erarbeiten, im Sinn von »verdienen« müssen und nicht, dass dieses in einem verbrieften Menschenrecht begründet ist. Daraus entstehen fallweise filmische Biografien, in denen Flüchtlinge immer ein bisschen heilig wirken, weil ihnen die Sympathien des Publikums sonst vielleicht nicht sicher sind. Die doppelte Viktimisierung, die sich daraus ableitet – das nackte Leben wird zugleich zum untergebenen, ohnmächtigen Leben – ist ein Verhandlungsmodus, den jüngste österreichische Produktionen nicht unbedingt verfolgen und damit ein Stück Realismus gewinnen. KINO.MAGAZIN IDENTITÄTEN AM PRÜFSTAND I mmer wieder wird, geht es um die globalen Flüchtlingsbewegungen unseres Zeitalters, auch der italienische Philosoph Giorgio Agamben ins Spiel gebracht, der den Homo sacer, den vollständig entrechteten Menschen, aus dem römischen Strafrecht in aktuelle Diskurse verschoben hat. Es geht dabei um einen Menschen, der straffrei getötet werden darf, also »vogelfrei« ist, und nicht wenige sahen in Guantanamo und den Geheimgefängnissen der CIA just jene rechtsfreien Nischen, die die Gewissheit über die Festigkeit unserer Demokratien erschüttern. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Massensterbens im Mittelmeer wurde dieser Ansatz auch auf jene Menschen ausgeweitet, die als Flüchtlinge die ungeheure Differenz zwischen Reichtum bzw. Sicherheit und dem »nackten Leben« sichtbar machen. 7 WELCOME KINO.MAGAZIN IDENTITÄTEN AM PRÜFSTAND MACONDO 8 Am auffälligsten in dieser Hinsicht ist der geradezu doku mentarisch anmutende Spielfilm der österreichischiranischen Filmemacherin Sudabeh Mortezai, die in der titelgebenden Flüchtlingssiedlung Macondo in Simmering just einem tschetschenischen Buben bei seinen täglichen Streifzügen folgt. Der elfjährige Ramasan ist das, was man ironischerweise einen unangepassten Helden nennen würde. Er stellt hier am Stadtrand zwischen Gstettn und Einkaufszentren allerhand Unsinn an, bricht mit Nachbarskindern aus der Siedlung in Baustellenhütten ein und verehrt seinen verstorbenen Vater, einen Kämpfer aus dem Tschetschenienkrieg, den er aber kaum zu kennen scheint. In diesen Szenen geht es um ein Kind, das nicht in einer ideologischen Funktion als Flüchtling abgerufen wird, sondern um einen Sinn für menschliche Handlungsweisen. An den Kontaktpunkten zwischen dem Mikrokosmos Macondo und der österreichischen Mehrheitsgesellschaft, die hier etwa als Sozialarbeiter, Polizisten oder Ladenbesitzer auftreten, blitzt die Smartness des kleinen Jungen auf. Er dolmetscht für seine Mutter oder behauptet sich auf spielerische Weise gegenüber einem unwirschen Wachmann. MACONDO ist eine Coming-of-Age-Story, die von den Adaptionsprozessen in einer neuen Welt erzählt. Das vielleicht auffälligste Merkmal von MACONDO im »Genre« des Flüchtlingsfilms ist seine offene Erzählweise. Sie scheint keiner finalen Logik verpflichtet und vollzieht die mäandernden, oftmals ungestümen Bewegungen ihres juvenilen Akteurs ganz selbstverständlich nach. In dieser Hinsicht orientiert sich Mortezais Film an dokumentarischen Erzählweisen, erinnert etwa an LITTLE ALIEN von Nina Kusturica. Auch wenn dieser Dokumentarfilm aus dem Jahr 2009 sich wesentlich stärker für die Reibungen interessiert, denen diese unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge durch die bürokratischen Mühlen des Staates ausgesetzt sind, setzt Kusturica vielfach auf Bilder, die sich einer profanen Politik der Fürsprache, einer appellativen Haltung und einem erklärenden Tonfall verweigern. Biografische Details aus der Familie, Hintergründe der Flucht oder auch politische Zusammenhänge der Herkunftsländer tauchen nur beiläufig in einigen Begegnungen auf. Eine Bemerkung über den Krieg, eine erlittene Schussverletzung am Kopf, ein ausgespähter LKW als Versteck sind Spuren, die nicht breitgetreten werden. LITTLE ALIEN entwickelt seine narrativen Energien ganz aus der Krisenhaftigkeit des Moments, in dem die Teenager ihre eigenen Strategien im Umgang mit ihrer Umwelt finden müssen. Der Flüchtling als handlungsfähiges Subjekt trotz der Verwerfungen, denen Menschen in einer Situation der Entwurzelung ausgesetzt sind, ist eines der tragenden Motive dieser Erzählung. Das Fremde, eine gängige Zuschreibung der Mehrheits MACONDO FESTUNG EUROPA Es gibt eine Reihe von Filmen, die das Verhältnis von staatlicher Definitionsmacht, den normativen Vorgaben der Mehrheitsgesellschaft und den Migranten selbst problematisieren. Dass Flucht nicht nur viele Gesichter, sondern auch viele Gründe haben kann, reflektiert der ORF-Journalist Ed Moschitz in seinem Dokumentarfilm MAMA ILLEGAL. Er begleitet drei Frauen aus Moldawien über sieben Jahre lang und zeigt, welch geringe (Arbeits)Räume und Perspektiven ihnen Länder wie Österreich oder Italien zusprechen. Wenn MAMA ILLEGAL seine Protagonistinnen in drei Müttern findet, die aus keinem Kriegsgebiet kommen, sondern aus dem vielleicht ärmsten Land Europas, dann findet sich auch ein ganz expliziter Bezug zum politischen Rahmen, in dem sich auch Filme wie dieser bewegen. Schon länger gibt es in der UNO Bestrebungen, die Genfer Flüchtlingskonvention um den Rechtsbestand der wirtschaftlichen Flucht als legitimen Asylgrund zu ergänzen. Indem Moschitz einen dramaturgischen Bogen spannt zwischen den Heimatdörfern der Frauen als Orten grenzenloser Armut und jenen, an denen sie sich illegalisiert aufhalten, klinkt er sich in Debatten wie diese ein. MAMA ILLEGAL bewegt sich dabei zwischen den Zentren und den Rändern der Festung Europa, lange Zeit ein kritisch verwendeter Begriff der Zivilgesellschaft, der durch die aktuellen Fluchtbewegungen von den Regierenden in einem verschärften Sicherheitsdiskurs neuerdings als positiv konnotierte Versprechung aufgegriffen wird. Auf einen der Außenposten dieser Festung Europa begibt sich der 2015 entstandene Dokumentarfilm LAMPEDUSA IM WINTER, der anders als MACONDO oder MAMA ILLEGAL den Blick auf die eingesessenen Bewohner dieser Insel, die nur 110 Kilometer vor Afrika zwischen Tunesien und Sizilien liegt, wirft. Bei nur 4.500 Einwohnern, viele von ihnen Fischer, hat die Kommune zeitweise Hunderte und in seltenen Fällen mehrere Tausend Flüchtlinge, die hier Asyl suchen, zu versorgen. Lampedusa taucht in den Kamerabildern von Regisseur Jakob Brossmann mit seinen furchteinflößenden, schroffen Felsküsten selbst wie eine Festung auf. Was sich in der kleinen Kommune dieser Insel hingegen ereignet, ist ein freier Widerstreit von Kräften, der zwischen Eigeninteressen und Solidarität hin und her wogt. Erstaunen mag die Bürgermeisterin Giusi Nicolini hervorrufen, die sich gerade in dieser exponierten und schwierigen Situation nicht als Verfechterin der Festung Europa entpuppt, sondern als erklärte Humanistin, die man etwa dabei beobachten kann, wie sie sich bei einer Gruppe von Flüchtlingen für KINO.MAGAZIN IDENTITÄTEN AM PRÜFSTAND gesellschaft an die Einwanderer, gerät hier zu einer Wahrnehmungsweise, die in beide Richtungen Gültigkeit hat. 9 MAMA ILLEGAL SUZIE WASHINGTON Auch wenn Flucht und Flüchtlinge primär im Kontext örtlicher Veränderung als lange und gefahrenreiche Bewegung wahrgenommen werden – siehe beliebte Wortassoziationen wie Flüchtlingsströme oder -wellen –, machen Filme wie LAMPEDUSA IM WINTER oder auch ein relativ früher, höchst spannender österreichischer Spielfilm zu diesem Thema, Kenan Kiliçs NACHTREISE (2002), klar, wie sehr gerade Stillstand Teil dieser Bewegung ist. Kiliç gibt autobiografisch motivierte Einblicke aus dem Leben und den eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten als U-Boot in Wien. Wer die Biografien von solchen Flüchtlingen liest wie etwa jene von Emmanuel Mbolela, Mein Weg vom Kongo nach Europa (Wien 2014), weiß, dass oft monate- und manchmal jahrelanges Festsitzen an bestimmten Orten zu den physischen und psychischen Grenzerfahrungen so einer Reise gehört. Ein wunderbar ironisches, lakonisch gehaltenes Kapitel dazu stellt Florian Flickers bereits 1997 entstandener Spielfilm SUZIE WASHINGTON dar. Birgit Doll verkörpert darin eine Frau aus Osteuropa, die mit gefälschten Papieren über Österreich in die USA reisen möchte, aber in der Alpenrepublik steckenbleibt. Es ist der besondere Blick durch die Augen dieser Frau, der Österreich hier so irritierend fremd wirken lässt, obwohl er doch mit lauter bekannten Sujets wie Almhütten und pittoresken Hotels am Seeufer operiert. Doll durchquert das Land getarnt als Touristin, immer in Gefahr, angesichts Geldnot und fehlender Papiere gefasst und abgeschoben zu werden. SUZIE WASHINGTON zählt damit zu jenen Filmen, die die Gewissheit der Identität gleich doppelt infrage stellen und erschüttern, die der Figur des Flüchtlings ebenso wie die der »Gastgesellschaft« mit ihren Werten, in der sie sich bewegt. Beides steht hier auf dem Prüfstand. KINO.MAGAZIN IDENTITÄTEN AM PRÜFSTAND die Gesetze der Europäischen Union entschuldigt. Die Gruppe von etwa 25 afrikanischen Migranten sitzt seit Monaten auf Lampedusa fest und protestiert gegen den blockierten Fortlauf ihrer Verfahren. Viele von ihnen haben die Haut an ihren Fingerkuppen abgerieben, um die von der EU geforderte biometrische Erfassung zu verhindern. Während die Kamera zwei Aktivisten folgt, die in gestrandeten Booten die Überreste der ehemaligen Passagiere einsammeln – ein Notizblock, eine Babyflasche, Turnschuhe –, wird deutlich, dass auf Lampedusa nur mit jenen verhandelt werden kann, die die Überfahrt überlebt haben. Die Diskussion über die Fingerabdrücke zeigt deren Entschiedenheit, diese riskante Reise noch einmal anzutreten, denn mit einer Registrierung hätten sie dazu keine Chance mehr. 11 ES GEHT UM EMOTIONALE EHRLICHKEIT DIE RIAHI BROTHERS IM GESPRÄCH DORIS KITTLER Stimmt das, dass ihr schon wie eineiige Zwillinge seid und euch nur mehr zu zweit interviewen lasst? Arman T. Riahi: Wir haben gedacht, wenn man zu zweit ein Interview macht, spart man sich was. Aber wir sind draufgekommen, dass wir dann noch mehr reden. KINO.MAGAZIN RIAHI BROTHERS »Riahi Brothers«, das klingt schon sehr cool. Arman T. Riahi: Es gibt die »Taviani Brothers«, die »Coen Brothers« – wieso soll es nicht auch iranisch-österreichische Brothers geben? Das war die Geburtsstunde der »Riahi Brothers«. Unser voller Name ist nicht gerade einfach, und »Brothers« kann man sich sogar als öster reichischer Boulevardjournalist merken. Arash T. Riahi: Wir spielen selbstironisch mit den Namen der Legenden-Brüder des Kinos. Wir heißen so seit unserem ersten gemeinsamen Langfilm EVERYDAY REBELLION, das war 2011. 12 Seit Jahren sterben schrecklich viele Menschen auf ihrer Fluchtreise, das Mittelmeer ist zum Massengrab geworden. Seit diesem Sommer ist die sogenannte »Flüchtlingsproblematik« auch in Österreich ange kommen. Ihr seid selber Anfang der 80er aus dem Iran geflüchtet und habt euch in eurer Filmarbeit schon immer mit Migration, Flucht und Asyl beschäftigt. Arash: Die Situation ist natürlich eine prekäre. Das Thema betrifft uns sehr, eben weil wir selber Flüchtlingskinder sind. Wir haben uns integriert und sind ein Teil dieser Gesellschaft geworden. Nun kann man darüber diskutieren: inwiefern ist das ein Verdienst der Gesellschaft, unserer Eltern oder von uns selbst? Als Kind, im Iran, habe ich Filme geliebt und immer versucht, so viele wie möglich zu sehen. Erst hier in der Schule bin ich aber draufgekommen, dass man Filme machen kann, weil mich ein Lehrer sehr gefördert hat. Er gab mir Möglichkeiten selbst rauszufinden, welche Talente in mir schlummern. Arman, war dein großer Bruder Vorbild für dein späteres Filmemachen? Arman: Ich hab schon als Kind ein großes popkulturelles Interesse gehabt, bin ziemlich in die Science-Fiction und Fantasy reingekippt und hab viel gelesen. Auch zu Zeichentrick hatte ich eine große Liebe. Arash hat das immer ein wenig belächelt und wollte mich eher dazu bringen, Western zu schauen. HIGH NOON fand ich aber eher langweilig und dachte: Was ist mit diesem Gary Cooper? Arash: Stimmt, als ich HIGH NOON als Kind zum ersten Mal gesehen hab, dachte ich auch: megalangweilig, da wird nur am Schluss einmal geschossen. Arman: Ich war mehr der Sergio-Leone-Typ, eher auf Spaghetti-Western. Arash hat mich durch seine Filmliebe schon sehr beeinflusst. So wurde der Western dann doch noch wichtig und ist bis heute mein Lieblingsgenre. Mit 14 hab ich zum ersten Mal gefilmt und geschnitten. Mein Wunsch, mit Film zu tun zu haben, kam mit dem Schneiden, als ich merkte, dass ich mit dieser selbstgewählten Abfolge eine Geschichte neu erzählen kann. Dein erster Film SCHWARZKOPF zeigt den Weg eines Wiener Burschen aus einer Migrationsfamilie, der sich in der Musik finden will – wohl ein sehr persönlicher Film. Arman: Ich bin in Favoriten aufgewachsen, hatte in der Schule so einen Migrationsstatus und immer Freunde mit ähnlicher Geschichte, kannte auch Nazar (Rapper und Hauptfigur, Anm.). Vielleicht interessieren mich dadurch die Außenseiter, die am Rand der Gesellschaft stehen. Arman und Arash Riahi Apropos Peripherie und Milieu: Am 11. Oktober haben in manchen Stadtteilen Wiens 60 Prozent die FPÖ gewählt. Seither haben wir einen rechtsrechten Recken mit engem Kontakt zur Neonazi-Szene als Vizebürger meister. Arman: Auf dieses Amt hat die FPÖ nach geltendem Recht leider Anspruch. Aber die ganze deutschnationale Buberlpartie um den Strache bringt mich immer wieder zum lachen, und der Gudenus ist eine unerschöpfliche ZitateQuelle. Man muss sich fast dafür bedanken, dass es ihn gibt, er ist überzeichnet, eine Karikatur. Arash: Ich seh das nicht so. Wir haben diese Leute zu lange nur belächelt. Von dieser Position sind sie zur 31-ProzentPartei geworden. Es gibt verdammt viele Leute, die sie verdammt ernst nehmen. Vielleicht muss die FP mal an die Macht kommen, damit sie Scheiße bauen, und man dann checkt, dass das, was sie sagen, einfach nicht der Realität entspricht. Das ist auch das Problem von Häupl, dass er mit seinem Sich-lustig-Machen leider sehr überheblich wirkt. Die Leute fühlen sich nicht verstanden. Wir haben die sogenannte »Asyldebatte« im Lauf der letzen 30 Jahre den Rechten überlassen. Ein Fehler? Arash: Strache und seine Partei haben nichts gemacht, was von irgendeiner Relevanz ist. Wodurch wurden sie also zur zweitstärksten Partei? Durch die Unfähigkeit der Regierenden. Strache schimpft einfach nur und wartet, bis die anderen Fehler machen. Wenn sie nicht bald die Ärmel hochkrempeln, in einer sich verändernden Gesellschaft Probleme endlich ernst nehmen und angehen, ihre Parteien verjüngen, Leute zu sich holen, an denen nicht der Mief von fünfzig Jahren Freunderlwirtschaft und Proporz klebt, dann KINO.MAGAZIN RIAHI BROTHERS Auch aufgrund unserer eigenen Familiengeschichte solidarisiere ich mich mit ihnen und dadurch interessieren mich natürlich Flucht und die nächsten Generationen, die daraus erwachsen. Die Jugendlichen sind vielleicht in einem anderen Milieu aufgewachsen, aber gerade dieser Unterschied, in welche Richtungen man sich weiterentwickelt, hat mich fasziniert. 13 wirds schwierig. Die Flüchtlingssituation bietet viele Chancen, sonst würde Merkel nicht die Grenzen offen lassen. Die macht das sicher nicht aus großer menschlicher Empathie, die Gesellschaft in Deutschland veraltet und in Zukunft werden Arbeitskräfte gebraucht. Allerdings müssen diese Menschen aufgefangen werden, und man muss sich Zeit für sie nehmen. Und damit die Einheimischen nicht Angst bekommen, darf man sie auch nicht vor vollendete Tatsachen stellen und plötzlich eine große Menge Flüchtlinge in ein Dorfwirtshaus pferchen. Man muss mit den Menschen reden, Meetings machen. Flüchtlinge können dort mit Übersetzern ihre Geschichten erzählen, dann hätten die Dorfbewohner gleich einen ganz anderen Bezug zu diesen fünfzig Fremden. Arman: Man muss diese Diskussion führen und in der Linken lächerliche Tabus loswerden, weil das einfach ex trem im Weg steht. Kulturelle Differenzen ansprechen, etwa zwischen Österreichern und Muslimen. Die Rechten kennen keine Tabus und vereinfachen die Sachen, um sie für weniger Gebildete leicht zugänglich zu machen. Man muss bei der Bildung ansetzen, dort muss Aufklärungsarbeit geleistet werden! Und Grassroots-Bewegungen müssten viel mehr unterstützt werden. KINO.MAGAZIN RIAHI BROTHERS Es geht um die mediale Verbreitung von positiven Messages, um zu motivieren statt Angst zu machen. 14 Zum Thema Grassroots: Als von den politischen Ent scheidungskräften und offiziellen Stellen, offensichtlich mit Absicht, eskalierende Situationen geschaffen und Hilfsorganisationen auch noch an der dringendsten und notwendigsten Arbeit behindert wurden, trotzte die Zivilgesellschaft von Anfang an mit ihrem überraschend intensiven Einsatz. Arash: Ich finde es großartig, mich hat das auch wirklich überrascht! Es ist toll, »Gutmensch« zu sein, auch wenn das von den Rechten in eine negative Ecke gedrängt wird. Man steht zu seiner Menschlichkeit und folgt seinen humanistischen Idealen. Das dürfen wir uns nicht schlecht reden lassen. Wir sehen, wir sind sehr viele und können uns mobilisieren! Gibts irgendeine vergleichbare rechte Demo auf der Welt? Zur Pegida kommen in Österreich 300 Demonstranten und gleichzeitig 1.000 Gegendemonstranten. Naja, in Deutschland schauts da schon schlimmer aus. Arash: Jedenfalls gibt es viele Menschen da draußen, die auf unserer Seite sind, die Gutes tun wollen für die Gesellschaft und die auch viel Zeit dafür aufwenden. Die Rechten verstecken sich hinter ihrer Weltanschauung, sind frustiert. Man muss sie ernst nehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch positive Vorbilder für Wechselwähler sein können! Die Medien verbreiten die ganze Zeit Bilder von radikalen Islamisten, die Menschen die Köpfe abschneiden. Es geht um die mediale Verbreitung von positiven Messages, um zu motivieren statt Angst zu machen. EVERYDAY REBELLION geht ja genau in diese Richtung, ihr zeigt kreativen Aktionismus, der ansteckend wirkt. Arman: Hier wird das Leben von normalen Menschen, die sich politisch engagieren, gezeigt. Das ist eigentlich das, was unsere Eltern im Iran gemacht haben: Sie haben sich für Menschenrechte, freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit, für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt. Das sind Dinge, für die auch die Protagonisten in EVERYDAY REBELLION stehen, weshalb sie große Probleme bekommen und zur Flucht gezwungen werden. Der Film ist ein Tribut an freiheitsliebende Bürger, die ihr Land nicht vor die Hunde gehen lassen und dabei zusehen wollen, wie ihre Heimat in eine Diktatur verwandelt wird. Arash: EXILE FAMILIY MOVIE oder EIN AUGENBLICK FREIHEIT handeln eindeutig von Flucht. Aber auch Filme, die versteckt mit Menschen aus fremden Ländern zu tun haben, zum Beispiel NERVEN BRUCH ZUSAMMEN, mein Film über ein Frauenhaus, in dem es um Dinge geht, die nicht so sichtbar sind. Frauen in der Obdachlosigkeit sind oft Migrantinnen. Das sind Tabus in der Gesellschaft, über die man kaum redet. Aber das passiert mitten unter uns und vor unseren Augen. Gibt es neue Projekte, die mit dem Thema zu tun haben? Arman: Zum Teil, wir arbeiten an mehreren Projekten: Ein Spielfilm handelt vom letzten Hausbesorger in einem Gemeindebau, ein zweiter beschäftigt sich mit einer dystopischen Diktatur. Auch eine Flüchtlingsfarce ist in der Ideenphase. Das muss natürlich auch finanziert werden. Ihr seid doch schon lange etabliert. Arash: Eine Carte blanche hat in Österreich zu Recht wohl nur Haneke. Alle anderen konkurrieren um den Rest, und es ist immer zu wenig da für die Vielzahl vor allem an jungen Talenten, die etwas zu erzählen haben. Wir arbeiten gerade am ersten, poetischen Spielfilm eines syrischen Flüchtlings, der seit drei Jahren in Wien ist. Ob wir die Finanzierung schaffen, ist derzeit ungewiss. Es gibt neue Förderrichtlinien der FISA, nach denen Spielfilme erst ab einem Budget von 2,3 Millionen Euro einreichberechtigt sind. Damit werden in Zukunft einfach weniger Filme gemacht. Man muss auch sagen: es gehen weniger Menschen ins Kino. Es starten im Jahr 300 bis 500 Filme, die alle anzuschauen ist unmöglich. Man könnte einen Geldtopf für Mikrofilme für weniger als 500.000 Euro aufstellen, die sich nicht an die Markt EVERYDAY REBELLION gegebenheiten wie Kollektivvertrag für ein fix engagiertes Team halten müssen. Da gibts ja genug erfolgreiche Beispiele, LA PIVELLINA etwa, mit einem Budget von zirka 150.000 Euro und über 50 Auszeichnungen. Mit dem Geld eines mittelgroßen Filmes von zwei Millionen könnte man so jährlich vier filmische Experimente wagen und damit den talentierten Nachwuchs fördern. Mir ist wichtig, dass meine Filme quasi wie Alltags gegenstände immer wieder benützt werden. KINO.MAGAZIN RIAHI BROTHERS Erwiesenermaßen brauchen wir auch Kinos, die diesen Arbeiten zwei Wochen Anlaufzeit für die nötige Mund propaganda gönnen. In manchen Ländern wie etwa Dänemark schaut die Situation für den heimischen (Dokumentar-)Film viel besser aus. Die Leute gehen ins Kino! Arman: In den USA gibts massenweise Heroes, in Österreich gibts den Brenner, aber es existieren keine Identifikationsfiguren für die Kinobesucher, für die Kids gibts null Projektionsflächen. Arash: Dänemark hat eine andere kulturelle Situation. Skandinavische Filme haben schon in der Stummfilmzeit Filmgeschichte geschrieben, das Kino hat dort einfach einen hohen Stellenwert. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass in Dänemark nicht synchronisiert wird. Also sind die einzigen Filme, die die Dänen in ihrer Sprache sehen können, die heimischen. In Österreich hatten umgekehrt Filme Erfolg, die die nationale Identität aufs Korn genommen haben, wie HINTERHOLZ 8 oder MÜLLERS BÜRO. Wir haben kein Qualitätsproblem des heimischen Arthouse-Films, denn österreichische Filme gewinnen weltweit die wichtigsten Filmpreise wie die Goldene Palme oder den Oscar. Das Problem ist, dass es nicht genug gute Genrefilme gibt. Der Genrefilm, der große Zuschauerzahlen bringt, muss gestärkt werden, damit Arthouse-Filme keine Kompromisse aufgrund von Quotenvorgaben eingehen müssen. 16 Momentan werden mit gerade angekommenen Flücht lingskindern Filme gemacht. Wer weiß, was die Zukunft fürs Kino bringt. Arash: Die Rezeption von Medien hat sich wahnsinnig verändert. Statt auf eine Kinoleinwand schaut man auf Handyscreens. Wir Filmemacher müssen auch darauf reagieren und nicht den Kopf in den Sand stecken und schmollen. Ich bin gegen alle Dogmen, religiöse oder filmische. Mir ist wichtig, dass meine Filme, quasi wie Alltagsgegenstände, immer wieder benützt werden. Wenn meine Filme nicht 100.000 Menschen ins Kino locken, bin ich trotzdem froh, dass ich sie gemacht habe, weil sie auf der Seite der medial Unterrepräsentierten sind. Wir freuen uns auch, dass die Filme seit Jahren für Unterrichts- und Bildungszwecke oder von internationalen NGOs verwendet werden. Und wenn wir sehr emotionale Nachrichten von ZuseherInnen bekommen, die schreiben, dass der Film ihr Leben verändert hat oder sie nach dem Film endlich die Situation von Flüchtlingen oder Menschen, die sich in Diktaturen erheben, verstehen, dann ist das uns extrem viel wert. Viel mehr als die launische Meinung eines zynischen Filmkritikers. Das hat uns vielleicht unsere Geschichte als Flüchtlingskinder mitge geben: dass unsere Filme nicht unbedingt eine Selbst ergötzung als große Künstler zum Ziel haben, sondern immer einen gesellschaftskritischen, politischen Anspruch. Und das geht manchmal natürlich auf Kosten des künstle rischen Purismus. Es geht uns um eine Darstellung des Lebens und nicht der Kunst. Auch in Zukunft werden wir versuchen, Filme zu machen, die nur einen einzigen gemeinsamen Nenner haben, nämlich unser Bemühen um emotionale Ehrlichkeit und Authentizität. Wenn das finanziert werden kann, haben wir Ideen für die nächsten 20 Jahre. ARASH T. RIAHI (41) ist Autor und Regisseur mehrerer Dokumentarfilme, darunter FAMILY EXILE MOVIE (2006) und NERVEN BRUCH ZUSAMMEN (2012). Sein Spielfilm EIN AUGENBLICK FREIHEIT (2008) gewann zahlreiche internationale Festivalpreise und war Österreichs Beitrag zum Oscar im Jahr 2010. Er ist Geschäftsführer der Golden Girls Filmproduktion. Sein jüngerer Bruder ARMAN (32) gewann 2011 mit der Doku SCHWARZKOPF den Diagonale-Publikumspreis. EVERYDAY REBELLION ist ihr erstes gemeinsames Projekt, ein Kinodokumentarfilm und gleichzeitig eine Cross-Media-Plattform, die sich um neue Formen des zivilen Ungehorsams in einer Zeit des globalen Umbruchs dreht. FLÜCHTLINGE FILMEN ZUR FILMREIHE LAND IN SICHT DORIS KITTLER »F lüchtlinge«. Ein Begriff, viele Bezeichnungen, von der Politik schon mal bewusst verwechselt. »Flüchtlingskrise« nennen es die Medien, was sich da seit Sommer abspielt. Flüchtlinge »strömen« und kommen in »Wellen«, jeden Tag eine neue »Flut«. Was genau ist eigentlich dieses »Fremde«, »Andere«, das »Nichtintegrierte«, was genau ist »Assimilation«? Die Antworten beziehen sich oft auf »Leitkultur«, »christliche Werte«, »Tradition«; selten höre ich »Menschenrechte«. Vielleicht deshalb, weil uns Besitz- und Eigentumsrechte irgendwie näher sind. Auch ich stieß immer wieder an Grenzen, wenn es um die Begegnung mit Fremden ging. Aus Ländern vielleicht, in denen Krieg herrscht, der auch in Wien subtil ausgetragen wird. Zwangsverheiratung, Sippenhaftung, Genitalverstümmelung – so etwas nahm ich in den Diskursen meiner Umgebung kaum wahr. Gleichzeitig war ich immer wieder mit Flüchtlingen in Kontakt, mit ihren Problemen, dem Warten, Verzweifeln, mit der Angst vor der Schubhaft. drehen. Angesichts des Elends eines Kleinkindes, das auf einer Wiese schläft, maximal mit einer Decke vor Kälte und Regen geschützt, hat das Hantieren mit einem technischen Gerät was grenzenlos Banales, ja Jämmerliches. Die Diskussion darüber, ob und wann und wie viel man filmen und zeigen darf, wird dieser Tage wieder laut. Es ist nicht immer einfach, die Kamera trotzdem draufzuhalten. Stumpfen die RezipientInnen nicht ab, wenn sie zu viel von diesen schrecklichen Bildern sehen? Ich habe mich schon lange fürs Kino entschieden, als Ort der gesellschaftlichen Spiegelung, der emotionalen Partizipation und der subjektiven Reflexion. Ich bin Voyeuristin und Chronistin. Wegzappen impossible. DORIS KITTLER ist Dokumentarfilmerin und Journalistin. Zahl reiche Filmarbeiten mit Kindern und Jugendlichen zu den Themen Interkulturalität und Mehrsprachigkeit. Als Aktivistin hat sie 2009 und 2010 die Proteste gegen die Errichtung des Konzertsaals der Wiener Sängerknaben am Wiener Augartenspitz miterlebt und filmisch dokumentiert. Derzeit arbeitet sie an einem Film über Flucht und Helfer in Wien. KINO.MAGAZIN DORIS KITTLER Was im Laufe dieses Sommers begann und plötzlich zum omnipräsenten Thema wurde, hat uns wohl alle überrollt. Als die Menschen auf dem Weg in die »Festung Europa« nicht mehr nur massenhaft im Mittelmeer ertranken, sondern buchstäblich vor unserer Haustüre starben, elend erstickten im Flucht-LKW. Überraschend war dann aber auch die anrollende Hilfe, spontan oder organisiert von Initiativen wie Train of Hope, SOSKonvoi oder Start Now. Die Zivilgesellschaft packte buchstäblich an, während die Politik sich nicht nur blind und taub stellte, sondern sogar noch in den Weg. Ich fing spontan an zu filmen, als eine gute Bekannte auf Facebook postete, dass sie gerade zwölf Neuankömmlinge – ein Somali, zwei Syrer und neun Ukrainer – bei sich zu Hause aufgenommen hat und wie sehr sie diese Erfahrung als Bereicherung erlebt. Ich folgte ihr und anderen Helfenden bis zur ungarisch-serbischen Grenze nach Röszke, wo ich eine schlaflose Nacht damit verbrachte, bei 10 Grad auf der Wiese sitzende und liegende Flüchtende und deren HelferInnen zu filmen. Als Dokumentarfilmerin ist es nicht einfach, sich permanent entscheiden zu müssen, ob man nicht doch besser helfen sollte statt zu 17 WENN DU IN EILE BIST, MACH EINEN UMWEG ’ PORTRÄT GORAN REBIC SILVIA BREUSS, DUŠKO DIMITROVSKI N KINO.MAGAZIN GORAN REBIĆ ach dem Nato-Bombardement 1999 reist Goran Rebić nach Belgrad. Er nimmt keinen Umweg, sondern geht mit der Kamera mitten hinein ins Zentrum jener vorangegangenen zehn Jugoslawien-Kriegsjahre, in denen sein Geburtsland zerfallen ist – »ein permanentes Punishment, ein permanentes Durchwandern eines endlos dunklen Tunnels, ohne Aussicht, dass man einen Ausweg hat.« Der Ex-Jugoslawe aus der Vojvodina, der in Wien aufgewachsen ist, dreht mit dem Dokumentarfilm THE PUNISHMENT (2000) keine Opferschau, die das in den Medien zur Genüge durchexerzierte Gut-Böse-Denken wiederholt, will auch kein Kriegsreporter sein, »der der Wahrheit hinterherläuft«. Rebić nimmt seit jeher den anderen Weg – um ein anderes Bild zu zeigen. 18 Seine Filme knüpfen oft direkt oder indirekt an die eigene Familiengeschichte an, handeln aber genau die Themen ab, die die Menschen immer schon beschäftigt haben und auch in Zukunft noch beschäftigen werden. Ende der 1960erJahre haben seine Eltern die Koffer schon für Amerika gepackt, als ihnen Wien dazwischenkommt. Die Stadt wird zum »Leuchtturm auf einer Insel«, von dem aus Rebić später auf den Kriegs-Balkan blickt. Dass es auch in seiner Familie »›Systemaussätzige‹ ohne Parteibuch und ohne Zukunft« gab, erfährt er viel später, beim Drehen des ersten Super-8-Films mit und über seinen Vater. Herkunft und Heimat, Freiheit und System, Identität und Identifizierung mit all den möglichen fatalen Folgen, aber auch die gerade im multinationalen Belgrad gelebten Amalgame und künstlerisch-intellektuellen Gegenkonzepte prägen seine Filme, und auch ihn selbst. Rebić sucht das Verbindende, indem er auf den ersten Blick einmal trennt. JUGOFILM, aber auch DONAU, DUNA, DUNAJ, DUNAV, DUNAREA, seine beiden, mehrfach ausgezeichneten Langfilme, führen – zufällig oder nicht – menschliche Schicksale zusammen, erzählen einfühlsam die Geschichten der Protagonisten, gleichzeitig werden sie wieder abstrahiert. Woher kommst du? Wo gehst du hin? Es sind vielschichtige, dramatische, manchmal auch skurrile und komische Reise-Berichte, in denen sich Rebić nicht nur für die individuellen Ziele und Destinationen interessiert. Er übersetzt sie auch in eine umfassende (In-)Fragestellung, etwa des nationalistischen Denkens. So hebt er für JUGOFILM die echte Herkunft seiner DarstellerInnen auf, um sie in den Rollen neu zu synthetisieren: »Ich konnte Betroffene zur Mitarbeit bewegen, die dem anderen vertrauten, Bosnier, Slowenen, Kroaten und Serben, die ihre eigenen Wirklichkeiten einbrachten, wobei es nicht darum ging, das alte Jugoslawien wiederauferstehen zu lassen, sondern an den Punkt zurückzukehren, an dem alles begonnen hat, vor dem ganzen Wahnsinn. Und bewusst besetzte ich gegen die Nationalitäten, sodass ein Georgier (Merab Ninidze) den jungen Serben spielt, eine Deutsche (Eva Mattes) seine Mutter, ein Serbe einen Kroaten, ein Kroate einen Muslim usw. JUGOFILM funktioniert wie eine Erinnerung – eine Erinnerung, von der ich nicht möchte, dass sie vergessen wird.« »Wie der Krieg Menschen verunstaltet«, veranschaulicht Rebić auch in THE PUNISHMENT, in dem er »ein breites Spektrum an anderen Stimmen von einem anderen Serbien« zu Wort kommen lässt. Er führt klischeefreie Interviews quer durch die Schichten und zeigt gerade im Es ging nicht darum, das alte Jugoslawien wiederauferstehen zu lassen, sondern an den Punkt zurückzukehren, an dem alles begonnen hat. Goran Rebić Diese Vermischung des Dokumentarischen mit Biografischem und/oder Fiktion ist für Rebićs Filmschaffen von zentraler Bedeutung und hat ihren Ursprung – in der Biografie. In Vršac, seiner Geburtsstadt in der serbischen Vojvodina, wird 1967 Aleksandar Petrovićs SKUPLJACI PERJA (ICH SAH AUCH GLÜCKLICHE ZIGEUNER) gedreht, der erste Film über die Roma und Referenz für Kusturica und viele mehr. Etliche Laiendarsteller kennt Rebić vom Sehen, er kennt sie aus der Wirklichkeit. Aus Vršac stammt auch Vasko Popa, einer der bedeutendsten Dichter Ex-Jugoslawiens. In den 70er-Jahren holt er Allen Ginsberg für eine Lesung – Rebićs Beatnik-Initiation. Auch andere Schriftsteller aus der Region prägen sich ein, allen voran Danilo Kiš, der sich jeglichem Nationalismus verweigerte und in seinem Werk ebenfalls faktische und fiktive Stränge verwob. Wien liegt an der Donau, Vršac in der Nähe des Eisernen Tors. Für Rebić ist dieser Fluss ein »beseeltes Wesen«, das nicht nur seine persönliche Geschichte trägt, sondern auch jene seiner Landsleute und Protagonisten. In DONAU, DUNA, DUNAJ, DUNAV, DUNAREA führt er sie zusammen, verbringt sie auf eine abgewrackte, rostige Arche, gleichzeitig eine Art Narrenschiff, und schickt sie gemeinsam auf eine Binnen-Odyssee, in der jeder für sich seinen Hafen sucht. In der Unaufgeregtheit, in der die Donau selbst die Schicksale schippert, die ihrerseits oft gebeutelte sind, liegt vielleicht auch ihre faszinierende Kraft. Die Anstrengungen einer Reise scheint sie fast aufzuheben, sie gibt ganz ruhig die Richtung vor. Rebić begreift sie als Strom des Lebens, als verbindendes, länderübergreifendes Element, als Antithese zur Angst vor dem Osten, die in diesen Tagen wieder die Köpfe flutet. Der geborene Serbe und sozialisierte Wiener Goran Rebić lebt heute in Berlin, in Kreuzberg unter Türken und Schwaben. Gerade aus der Distanz heraus, vom brandenburgischen Leuchtturm aus, reflektiert er über sein persönliches Heimatgefühl, inspiriert von Jean Améry, dem Wiener Schriftsteller-Exilanten. Was auch immer sich daraus für ein Bild ergibt, es wird jedenfalls ein anderes sein. Dem japanischen Zen-Satz vom Anfang fügt er noch einen hinzu: »›Der längste Umweg ist der kürzeste nach Hause‹, nach James Joyce aus Ulysses«. Beides, sagt er, trifft auf ihn zu. GORAN REBIĆ, Regisseur und Drehbuchautor, wurde 1968 im vojvodinischen Vršac geboren. Er wuchs in Wien auf und studierte an der Universität für Musik und Darstellende Kunst. Sowohl seine Dokumentarfilme (AM RANDE DER WELT, THE PUNISHMENT) als auch Spielfilme (JUGOFILM; DONAU, DUNAJ, DUNA, DUNAV, DUNAREA) liefen auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals und wurden vielfach prämiert. Lebt in Berlin. IM RAHMEN DER FILMSCHAU LAND IN SICHT WERDEN SÄMTLICHE SPIELFILME VON GORAN REBIĆ GEZEIGT. KINO.MAGAZIN GORAN REBIĆ Rekurs auf zehn Jahre Krieg, »dass Belgrad eine Metropole ist, eine Großstadt, die ihr Eigenleben hat, die eine Musikkultur hat, wo 1980 mit Bands wie Idoli und Šarlo Akrobata Yu-Punk und New-Wave als urbane, auch systemkritische Bewegungen ihren Anfang genommen haben.« Mit dem heuer verstorbenen Vlada Divljan, Frontman und Kopf von Idoli, verband Rebić nicht nur eine künstlerische Zusammenarbeit, sondern auch eine tiefe Freundschaft. 19 FILM NOIR RELOADED EXIL – PSYCHOANALYSE FRANK STERN, CHRISTINA WIEDER G KINO.MAGAZIN FILM NOIR RELOADED ehen wir ins Kino, sehen wir uns einen Film Noir an und erinnern uns an den Wiener Sigmund Freud und seine Bemerkungen über das Unheimliche. Doch zuvor sei für die LeserInnen bei dem Wort »Dichtung« zeitgemäß das Wort »Film« hinzugefügt. Freud schrieb den Text im Jahr 1919, 1949 ist das Unheimliche der Fiktion vor allem Film Noir und dem schuldet die heutige visuelle Präsenta tion des Unheimlichen unheimlich viel. 20 »Das Unheimliche der Fiktion – der Phantasie, der Dichtung [des Films] – verdient in der Tat eine gesonderte Betrachtung. Es ist vor allem weit reichhaltiger als das Unheimliche des Erlebens, es umfaßt dieses in seiner Gänze und dann noch anderes, was unter den Bedingungen des Erlebens nicht vorkommt. Der Gegensatz zwischen Verdrängtem und Überwundenem kann nicht ohne tiefgreifende Modifikation auf das Unheimliche der Dichtung [des Films] übertragen werden, denn das Reich der Phantasie hat ja zur Voraus setzung seiner Geltung, daß sein Inhalt von der Realitäts prüfung enthoben ist. Das paradox klingende Ergebnis ist, daß in der Dichtung [im Film] vieles nicht unheimlich ist, was unheimlich wäre, wenn es sich im Leben ereignete, und daß in der Dichtung [im Film] viele Möglichkeiten bestehen unheimliche Wirkungen zu erzielen, die fürs Leben wegfallen. Zu den vielen Freiheiten des Dichters [des Regisseurs] gehört auch die, seine Darstellungswelt nach Belieben so zu wählen, daß sie mit der uns vertrauten Realität zusammenfällt […]« 1 Die Filme GASLIGHT unter der Regie von Thorold Dickinson und Orson Welles’ LADY FROM SHANGHAI sind Kunstwerke, die das Unheimliche, das vermeintlich Unergründliche von Absichten, Emotionen, Wahrnehmungen, Spiegelungen des Ich und Widerspiegelungen der oder des Anderen visuell genussvoll auf die Leinwand bringen. Man spürt und riecht förmlich die Geschichte eines alten Hauses, den Angst-Atem des potenziellen Opfers und den verrauchten Duft eines Homme Fatal in GASLIGHT oder das salzige Aroma des Meeres und das verführerische Parfüm einer sympathischen Femme Fatale, der LADY FROM SHANGHAI. Ständig verdrängen die ProtagonistInnen, was sie besser fühlen oder wissen müssten, ständig liegt das überwunden Geglaubte auf der Lauer, die Realität mit dramatischen Wirkungen atmosphärisch umzugestalten. Der visuelle Stil des Film Noir erhält die narrative Ambivalenz der Handlung aufrecht, er ermöglicht den ZuschauerInnen Perspektiven wahrzunehmen, die in ihrer Absurdität und ihrer Realitätsverweigerung das Vertraute unheimlich und das Unheimliche vertraut scheinen lassen. Das allerdings hat nichts mit den Warnungen für Eltern zu tun, in denen sie auf der International Movie Data Base vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass in Orson Welles’ Film Frauen in Badeanzügen vorkommen, zu viel getrunken wird und vor allem: »Probably half of the people on the screen are smoking at any given time.«2 Davon ist aber gewiss nicht nur die LADY VON SHANGHAI betroffen, die, obgleich sie wie schon Marlene Dietrich in Joseph von Sternbergs SHANGHAI EXPRESS nie in der fernen Stadt gezeigt wird, sondern höchstens durch die Straßen von Chinatown streicht, dennoch vor allem dort von einem betörenden, exotischen Schleier umhüllt wird. Doch mit dem Rauchen hat es eine eigene Bewandtnis, was die KennerInnen des Film Noir natürlich wissen oder ahnen. Zum klassischen Film Noir der 1940er- und 1950er-Jahre gehören der sinnlich schwingende Rauch und die langsam aufglimmende Flamme eines Feuerzeugs genauso wie ein Lied an der Bar oder ein ekstatisch aufputschender Jazz, und all das verrät mehr über die Inhalte der Filme als GASLIGHT jeglicher Dialog. Wie und mit welcher Hand, mit welcher dezent-eleganten Geste der Finger, ein Streichholz oder eine Zigarette dem Mund sich nähert oder entfernt, von Mund zu Mund wechselt, oder schnell eine weitere Zigarette angeboten wird, bedächtig aus einer Schachtel gezogen, entzündet, und ein erster Zug die Lippen verlässt, muss nicht psychoanalytisch erklärt werden. Es ist ganz einfach die Zensur, der Production Code der Motion Picture Industry, die die Darstellung von Intimität, von Lust, Begehren und Sexualität untersagen. Kurz: den visuellen Erfindungsreichtum, Feuer und Rauch als erotische Hilfsmittel körperlicher Lust und Befriedigung auf die Leinwand zu bringen und damit die stupiden Vorstellungswelten von Zensoren ad absurdum zu führen, ist eine der Glanzleistungen des Film Noir. Doch auch die Brutalität der angsterfüllten Blicke, welche den verstörend umherirrenden Schatten verfolgen, in GASLIGHT etwa das Warnsignal der Flammen erkennen oder in THE LADY FROM SHANGHAI durch Spiegelungen und Widerspiegelungen die von der Dämmerung umhüllten Schrunden der menschlichen Psyche von allen Seiten beleuchten und ihre narzisstischen Abgründe erfassen, vermochte der Production Code nicht zu entziffern. Auch sie beschreiben das Unheimliche der Fiktion, das der Film Noir sich auf subtile Weise heimelig zu machen wusste. erdrückende Atmosphäre des gespenstisch-bedrohlich gezeichneten Hauses in GASLIGHT, eher an Erzählungen von Edgar Allan Poe erinnernd, reichen alleine nicht aus, doch ein wenig mehr psychologische Tiefe würde vielen heutigen Drehbüchern nicht schaden. Beispielhaft in beiden Filmen ist die Verbindung der Szenerie mit dem langsam sich ausbreitenden Rauch, dem sanften Klang der Musik, den eleganten Gesten und durchschaubar-undurchschaubaren Blicken sowie den schattendurchzogenen, ambivalenten Charakteren, die das Unheimliche im Film Noir in einer traumhaften Begegnung auf der Leinwand festhalten. Vielleicht hätte sich der Wiener Exilant Freud, hätte sein Leben in London nicht so früh geendet, den anderen Wiener Exilanten Adolf Wohlbrück trotz aller Abneigung gegen das psychoanalytische Kino doch auf der Leinwand angesehen. 1Sigmund Freud, »Das Unheimliche« (1919), in: Sigmund Freud, Der Moses des Michelangelo. Schriften über Kunst und Künstler, Frankfurt a. M. 2008, S. 169. 2 www.imdb.com/title/tt0040525/parentalguide GASLIGHT, GB 1940 (16.11., 17.11.2015) THE LADY FROM SHANGHAI, US 1948 (30.11., 4.12.2015) KINO.MAGAZIN FILM NOIR RELOADED ZU DIESEM SPECIAL WERDEN FOLGENDE FILME PRÄSENTIERT: Was muss einem eigentlich in zeitgenössischer Filmregie atmosphärisch einfallen, damit jene einmalige visuelle Eleganz, das verruchte Ambiente der nächtlichen Gassen, der düstere Beigeschmack des menschenleeren Central Parks oder der verlorene Glanz vom London des 19. Jahrhunderts im Dickicht der Bilder nicht verrauchen? Die Anlehnungen an die griechische Mythologie, die Irrfahrt des gebrochenen Mannes, der von Begierde geleitet den verführerischen Rufen der Sirene nicht widerstehen kann, oder auch die 21 LA PASADA – DIE ÜBERFAHRT EINE KINOBÜHNENSCHAU E ine der besonderen Qualitäten des neuen METRO Kinokulturhauses, das 1924 als »modernes Theater« gegründet worden ist, liegt in der Möglichkeit, hier sparten- und genreübergreifende Projekte zu realisieren. Damit kann vor allem der historische Saal zu einem Aufführungsort entwickelt werden, der die performativen Darstellungsformen von Film und Kino über die Grenzen der Leinwand hinaus zu erweitern vermag. Als Pilotprojekt dafür fungiert die von Anna Maria Krassnigg konzipierte »Kinobühnenschau« LA PASADA mit Ernie Mangold in der Filmhauptrolle. Hier wird der Versuch einer bewussten Verschmelzung von künstlerischen Techniken und Arbeits weisen des Films und des Theaters unternommen. Dieses »Zwillingsverfahren« kann dadurch idealerweise noch profiliert werden, indem die Bühnensituation in einem Haus gespielt und gedreht wird, das historisch, ästhetisch und KINO.MAGAZIN LA PASADA – DIE ÜBERFAHRT »Eine Art märchenhafter Traumnovelle des 21. Jahrhunderts.« NÖN 22 symbolisch für die gemeinsame künstlerische Tradition der beiden Sparten steht: das METRO Kinokulturhaus verbindet zwei originäre Entwicklungslinien des Kinos und schafft gleichzeitig Bewusstsein für ein historisches Sonderformat der österreichischen Filmgeschichte, das in den 1920erJahren Film und Theater in einem eigenständigen neuen Genre kombinierte. Der Reiz am formalen und inhaltlichen Experiment LA PASADA liegt nicht zuletzt darin, ein Publikum zu erreichen, das aus Film- und Theaterinteressierten besteht und das damit ein vor gut 90 Jahren in Österreich entwickeltes Kinoformat in spektakulärer Form wiederbelebt. INHALT LA PASADA – DIE ÜBERFAHRT erzählt die Geschichte eines alten Mädchens, das es gewagt hat, seinen Lebensplan rücksichtslos zu verwirklichen und eines frühreifen Jungen, der durch die Aufdeckung seiner Lebenslüge beginnt, ein Mann zu werden. LA PASADA erzählt zudem vom leidenschaftlichen Zorn einer Belogenen und der souveränen Ruhe eines Entwurzelten, der die Relativität von »Wahrheit« längst begriffen hat. Das Stück setzt brillante Einzelgänger ins Grenzland zwischen Bühne und Film, Ich und Du, Frau und Mann, Europa und Afrika, Land und Meer, Leben und Tod und verfolgt ihre tragikomischen Fluchten vor den Beschränkungen durch ein normiertes Leben, aber auch vor Verantwortung und Erinnerung. Der Übergang vom Leben in den Tod und von der tödlichen Langeweile der Pubertät ins Leben hinein, der Übergang aus dem Dunkel schützender Lügen ins Licht unbequemer Wahrheiten, vom Erstarren zum Verzeihen, vom Familienkrimi zur traumartigen Zeitreise wird inszeniert. Die große, aktuelle Frage der Vereinbarkeit von persönlicher und beruflicher weiblicher Autonomie mit der verantwortungsvollen Erziehung von Kindern wird sehr grundsätzlich aufgeworfen. FORM LA PASADA verbindet auf poetische Weise Theater und Film und zitiert damit das reizvolle, historische Genre der LA PASADA Die Drahtzieherin hinter diesem Vexierspiel ist Flora, eine Spiel-Künstlerin, die zu ihrem letzten und stärksten Mittel greift. Denn wenn die Kunst, auch der filmischen Erzählung, letztlich darin besteht, mit Lügen von der Wahrheit zu berichten, so muss Flora konsequenterweise zu den Mitteln ihrer dramatischen Kunst greifen, um ihre Wahrheit zu finden und zu teilen, in all ihrer fragilen Vielschichtigkeit. LA PASADA ist ein Spiel mit neuen Formen darstellender Kunst (durch interkreative Verbindung von Erzähltechniken und Genres) mit einem starken Ensemble rund um Erni Mangold, Doina Weber, David Wurawa, Martin Schwanda und Flavio Schily. Den Aufführungen der Bühnenschau LA PASADA wird die Fertigstellung des Spielfilms gleichen Namens, der auch mit Mitteln des Crowdfundings finanziert wurde, folgen. Die letzten Texte von Anna Poloni wurden erfolgreich in Luxemburg und Wien, am Grand Theatre de la Ville, im Salon5 und im Theater Nestroyhof uraufgeführt. LA PASADA ist eine weitere sprach-spielerische Momentaufnahme der tragikomischen Verwerfungen zwischen Frauen, Männern, Generationen und Weltanschauungen, die zu tiefen Rissen in der Gesellschaft führen können. »Kaleidoskopartig changieren Vermutungen und Emotionen in dieser Séance der Erinnerungen« APA Anna Maria Krassnigg verantwortete zahlreiche Inszenierungen im In- und Ausland, gründete und leitet das Wiener Theaterlabel Salon5, unterrichtet am Max-Reinhardt-Seminar und leitet die wort.spiele am Thalhof. Ihre Arbeiten sind von jeher durch ein hohes Ausmaß an interkreativer Verknüpfung zwischen den verschiedenen Spielarten der darstellenden Kunst, der Musik und Literatur geprägt. AUFFÜHRUNGEN PREMIERE: 17. 11., 20:00 WEITERE VORSTELLUNGEN: 18. / 25. / 26. / 27. / 28.11., 18:00 TEAM & CAST REGIE Anna Maria Krassnigg | BUCH Anna Poloni | BÜHNE, AUSSTATTUNG Lydia Hofmann | KAMERA Christoph Hochenbichler | SCHNITT UND MUSIK Christian Mair | KOSTÜME Antoaneta Stereva | MIT Erni Mangold, Doina Weber, David Wurawa, Martin Schwanda, Flavio Schily, Gioia Osthoff, Peter Mair KINO.MAGAZIN LA PASADA – DIE ÜBERFAHRT »Kinobühnenschau« oder »Bühnenschau«. Diese Form der darstellenden Kunst, welche das Medium Film dramaturgisch mit dem Live-Schauspiel verknüpft, gab es in verschiedenen Ausprägungen von der Revue bis zum expressionistischen Filmdrama und war besonders in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts überaus beliebt. Es ist ein vergessenes Kapitel der darstellenden Kunst und faszinierte vor allem durch die (ver-)doppelte Präsenz der SchauspielerInnen sowie duch die verblüffenden Effekte des Wechselbads zwischen den Erzähl- und Darstellungstechniken. Das METRO Kinokulturhaus kann seine einzigartige Wirkung als Theater und Kino entfalten, das Theater wird zum Filmset, das Kino zum Theater. 23 CITIZENFOUR BATTERIEN RAUS, KAMERA AN, SYSTEM NEU STARTEN LAURA POITRAS’ FILMISCHE AUFKLÄRUNGSARBEIT GUNNAR LANDSGESELL Erst vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum der NSA-Renegat Edward Snowden, wohl einer der spektakulärsten Whistleblower der US-Geschichte, ausgerechnet ihr seine explosiven Datensätze anvertraut hat. Snowden teilt mit Poitras gleich mehrerlei: seine kritische Haltung gegenüber dem »System«, die Erfahrung behördlicher Verfolgung, vor allem aber auch das Begehren, die Dimension des Abhörskandals nicht in Zahlen und Fakten zu ersticken, sondern dessen Konsequenzen emotional erlebbar zu machen. CITIZENFOUR ist der filmische Erfahrungsraum dazu. Das Centerpiece dieses Dokumentarfilms ist die Begegnung von Snowden mit Poitras und ihrem Journalisten-Kollegen Glenn Greenwald in einem Hotelzimmer in Hongkong. Visual Storytelling der Sonderklasse: einer der meistgesuchten Männer der USA sitzt hier als blasses Bürschchen mit übereinander geschlagenen Beinen in einem Bett. Den Kontrast des Staatsfeindes zur Person erlebt man dabei als atemberaubend und enttäuschend zugleich. Mal zieht sich Snowden eine Decke über den Kopf, um darunter sichtgeschützt das Passwort seines Computers einzugeben, oder er erteilt dem Publikum ganz nebenbei praktische Lektionen. Das Smartphone auszuschalten reicht als Abhörschutz alleine nicht, immer auch die Batterie herausnehmen. Poitras agiert in diesen Szenen, wie schon in ihren früheren Filmen, im Modus des Direct Cinema. Sie folgt dem Geschehen vor ihrer Linse, ohne zu versuchen, dieses maßgeblich zu beeinflussen. Smartphone ausschalten reicht als Abhörschutz alleine nicht, immer auch die Batterie herausnehmen. Poitras produziert Bilder, die keinem Konzept folgen, sondern ganz offensichtlich einem instinktiven Empfinden und einem historischen Moment gleichermaßen geschuldet sind. Darin liegt die filmische Qualität von CITIZENFOUR: nicht so sehr in der Präsentation neuer Fakten als vielmehr im Vermögen, ein strukturelles Problem, das der Überwachung, an ganz konkreten Akteuren spürbar zu machen. Dass Laura Poitras im Februar 2015 den Oscar für ihren Film erhielt, reicht weit über die künstlerische Bestätigung hinaus und bis in ihr Privatleben hinein. Im Juli, nur wenige Monate später, hat sie Klage gegen die US-amerikanische Regierung eingereicht. Die mittlerweile in Berlin lebende Filmemacherin spricht von »kafkaesken Schikanen« durch Sicherheitsbehörden. Mehr als 40 Mal sei es auf amerikani- KINO.MAGAZIN LAURA POITRAS 2013 ein Hearing im US-Senat: James Clapper, Direktor der Nationalen Geheimdienste, wird gefragt, ob die NSA Daten von Millionen von Amerikanern sammelt. »Yes or No?« Clapper verneint, den Blick gesenkt. Über viele Jahre hinweg hat die Filmemacherin Laura Poitras Material wie dieses gesammelt. Sie hat Interviews mit Whistleblowern geführt und Betroffene eines überschießenden Sicherheits apparats befragt. Seit den Anschlägen vom 11. September hat der Staat die Überwachung seiner Bürger massiv ausgebaut. Poitras begann sich intensiv damit zu beschäftigen, wie Freiheit zugunsten von Sicherheit eingeschränkt wurde. Wenn sie vom »System« spricht, von dem der Bürger ein Recht habe zu erfahren, wie es funktioniert, dann wird deutlich, dass sie sich nicht nur als investigative Filme macherin versteht, sondern auch als entschiedene Vertei digerin der Bürgerrechte. 25 schen und selbst ausländischen Flughäfen zu Zugriffen auf sie gekommen. KINO.MAGAZIN LAURA POITRAS Den Ruf einer kritischen Beobachterin hat sich Poitras aber nicht erst durch CITIZENFOUR erarbeitet. Der Film stellt den Abschluss einer Trilogie dar, die sich mit der Rolle des Staates im Kontext von Sicherheitsdiskursen befasst. Der erste dieser drei Filme, MY COUNTRY, MY COUNTRY, entstand 2006 während der Vorbereitungen zu den ersten freien Wahlen im Irak. Über mehrere Monate folgt Poitras mit der Kamera dem Arzt Riyadh al-Adhadh und seiner Familie in Bagdad. Während Washington diese Wahlen der Welt als demokratiepolitischen Sieg verkaufen will, verwandeln sie sich in den grimmigen Episoden, die sie in dieser Zeit auf den von Gewalt und Chaos regierten Straßen und bei den sorgenvollen Bewohnern Bagdads dreht, in etwas ganz anderes, das mit der proklamierten Befreiung und Selbstbestimmung der irakischen Bevölkerung offenbar nur sehr wenig zu tun hat. Wahlformalitäten werden, weil der Strom ausgefallen ist, im Schein einer Taschenlampe vorbereitet, Explosionen erschüttern die Stadt, während die amerikanische Präsenz angesichts von Black Hawks, Aufklärungsflugzeugen und einer abgeschotteten US-Kommandozentrale in der sogenannten »Green Zone« eher den Eindruck einer feindlichen Besetzung erweckt als den einer Befreiung durch Verbündete. 26 Auf die amerikanischen Behörden muss MY COUNTRY, MY COUNTRY geradezu wie ein aufrührerisches Stück gewirkt haben. Während die US-Administration die blühende Zukunft eines neu gestalteten Middle East zeichnet, wechselt Poitras die Perspektive und rollt das Geschehen von der irakischen Seite her auf. Es mag erstaunen, welche Bewegungsfreiheiten die Filmemacherin dabei genießt. Sie ist bei Besprechungen von GIs ebenso anwesend wie bei einer Visite ihres Protagonisten, des Arztes al-Adhadh, im berüchtigten Gefängnis von Abu Ghraib. In vielen der Szenen werden politischer Anspruch und schnöde Realität augenfällig. So muss der Arzt bei seiner Visite durch einen breit aufgezogenen Stacheldrahtzaun sprechen. Er notiert Namen und Symptome, die ihm über mehrere Meter hinweg einfach zugerufen werden. Statt vom Aufbau der Demokratie berichtet MY COUNTRY, MY COUNTRY von den Zugriffen eines Machtapparats, der vielleicht notdürftig seine selbst formulierten Kontroll- und Überwachungsaufgaben durchsetzt, der aber abseits jeder Rhetorik gerade diese demokratischen Impulse für die Zukunft schuldig bleibt. Poitras Momentaufnahmen aus dem Irak liefern viele Einsichten, die sich bis heute bestätigt und bewahrheitet haben. Die Qualitäten und Konstanten dieser Filmemacherin lassen sich auch am zweiten Film dieser dreiteiligen Reihe ablesen: THE OATH, 2010 großteils im Jemen entstanden, geht einmal mehr von den Situationen ganz konkreter Menschen aus, um größere Themen wie Demokratie, Staat und Sicherheit zu verhandeln. Es sind zwei Akteure aus dem inneren Kreis rund um den Urheber der Anschläge des 11. Septembers, Osama bin-Laden, deren Biografien Poitras hier verschränkt. Nasser al-Bahri, genannt Abu Jandal, und Salim Ahmed Hamdan arbeiteten als Chauffeure, Leibwächter und »Gastgeber« angereister Terroristen in den Camps der al-Qaida. In den USA scheiterte man bei dem Versuch, diesen Männern eine Teilnahme an den Anschlägen von al-Qaida nachzuweisen. Nach jahrelangen Verfahren wurden sie schließlich freigesprochen. Hamdans Fall machte unter dem Titel »Hamdan vs. Rumsfeld« Schlagzeilen und ging 2006 bis zum Obersten Gerichtshof. Genau hier liegt die Schnittstelle, an der sich Poitras mit ihren Filmen bewegt. In welchem Spannungs verhältnis stehen diese beiden Männer zum Justiz- und Sicherheitsapparat, und welche Rollen kommen ihnen im War on Terror zu? Insbesondere al-Bahri erweist sich in Poitras hart am Punkt geführten Gesprächen als faszinierende, ambivalente Persönlichkeit, die weiterhin Sympathien für al-Qaida signalisiert und zugleich Gewalt bereitwillig verurteilt. Lange lässt der Film für den Zuschauer offen, ob man es hier mit einem raffinierten Terroristen zu tun hat oder mit einem geläuterten Familienvater, der sich um die Sicherheit seiner Kinder sorgt. »Did you host any of the September guys?«, fragt Poitras, und kann es selbst kaum glauben, als dieser schlicht mit »All of them« antwortet und ohne zu zögern die Namen seiner ehemaligen »Gäste« und damit fast der gesamten Terrorzelle von 9/11 aufzählt. Der Blick in das Innere eines Apparats wird hier einmal mehr zur zentralen Erzählkategorie, die sich unter anderen Vorzeichen auch in MY COUNTRY, MY COUNTRY und in CITIZENFOUR findet. In THE OATH ist es der Versuch, die Wirkungsweisen von al-Qaida zu verstehen, um einer jüngeren Generation neue Angebote zu machen. Mit CITIZENFOUR wirft Poitras die Frage auf, wie der Geheimdienstapparat mit seinen Zugriffen ausgehebelt werden kann – sei es durch Verschlüsselungsprogramme oder durch juristische Mittel. LAURA POITRAS wurde 1964 in Boston geboren und ist Filme macherin und Journalistin. Ihre Filme wurden vielfach prämiert (u. a. Oscar sowie Preise der British Film Academy und Director’s Guild of America für CITIZENFOUR, Oscar-Nominierung für COUNTRY, MY COUNTRY). Sie ist Mit-Initiatorin der Freedom of the Press Foundation und Mit-Gründerin der publizistischen Website The Intercept, die sich u. a. der weiteren Aufbereitung des Materials von Edward Snowden widmet. Happy - 100 - RAY N E R E I L N U O T V A N R O G I T WIR REDAK FT DER 100. HE ZUM FILM NOIR RELOADED MIGRATION UND RASSISMUS KLAUS DAVIDOWICZ, FRANK STERN KINO.MAGAZIN FILM NOIR RELOADED U 28 nübersehbar sind die zahlreichen visuellen und narrativen Bezüge auf den klassischen Film Noir im heutigen internationalen Spielfilmschaffen. Der Film Noir als Bewegung und visueller Stil wirkt vor dem Hintergrund des europäischen Films der Zwischenkriegszeit und des in der amerikanischen Literatur verwurzelten Thrillers in das aktuelle Filmschaffen hinein. Im Rahmen der Retrospektive Migration und Rassismus sollen vergessene, selten gezeigte oder durch meist politisch motivierte Kürzungen und Synchronisationen entstellte Film-Noir-Werke der 40er- und 50er-Jahre wieder auf die Leinwand gebracht werden. Eine Handvoll äußerst sehenswerter, spannender Filme werden an drei Filmabenden gezeigt – Entdeckungen ebenso wie Kontextverschiebungen –, die im Ensemble möglicherweise Überraschendes zutage fördern; Belege einer Kurskorrektur aktueller Debatten sind sie allemal. Einige dieser Filme sind nie oder nur in unvollständiger Fassung im deutschsprachigen Raum gezeigt worden. Wahrscheinlich waren sie den Verleihern gesellschaftspolitisch zu heiß oder entsprachen nicht dem, was in den ersten Jahrzehnten nach 1945 allgemein als publikumstauglich galt. POLITISCHE DIMENSIONEN DES FILM NOIR Die Filme sollen neu und in einem komplexeren Zusammenhang gesehen werden, was dem Filmvergnügen keinen Abbruch tut – eher im Gegenteil. Es sind, was für viele der demokratisch engagierten und antifaschistischen RegisseurInnen und DrehbuchautorInnen in Hollywood selbstverständlich war, Filme mit einer Botschaft, einer gesell- schaftskritischen, emotional bewegenden und Diskussionen auslösenden Handlung. Während der deutschsprachige Film in Berlin seit 1933 und in Wien bereits vor 1938 vom Reichspropagandaministerium unter Goebbels faschistisch gleichgeschaltet wurde und seit 1939 verstärkt einen antihumanistischen, rassistischen und antisemitischen Feldzug auf der Leinwand führte, besann sich Hollywood langsam auf demokratische Werte und die Notwendigkeit antifaschistischer Aufklärung. Ab 1939 konterten die Filmstudios in Hollywood die visuelle Propaganda faschistischer europäischer Regimes zunächst zögerlich, nach dem Kriegseintritt der USA allerdings vehement. Nun war es vor allem der Krieg selbst, der ins Zentrum der Filme rückte. Es sollte gezeigt werden, dass alle GIs gleich sind und die selben Kampfziele verfolgen, egal, ob sie Todd, Ramirez, Matowski oder Feingold heißen, wie in BATAAN (1943, R: Tay Garnett). Wenige Filme befassten sich konkret mit der Situation im besetzten Europa wie Fritz Langs HANGMEN ALSO DIE (1943) oder mit der Shoah wie NONE SHALL ESCAPE (1944, R: André de Toth). Nicht wenige Filme bezogen aber auch die Realität der Vertreibung, die Verbrechen der Nazis in den besetzten Ländern, die Flucht aus Europa und das Elend der Asylsuchenden mit ein. Auf der Flucht vor dem Zugriff der Nazis klopften zahllose Flüchtlinge an die Tore der amerikanischen Grenzen, versuchten in den USA Asyl zu finden, doch deren Immi CASABLANCA Die Häfen in Portugal und Nordafrika wurden zu Transitorten und Wartesälen für diejenigen, die Europa nicht mehr haben wollte. CASABLANCA (1942) von Michael Curtiz und A LADY WITHOUT PASSPORT (1950) von Joseph H. Lewis haben dem eine bleibende kulturelle Erinnerung verschafft. Doch auch in den Häfen der Karibik warteten geflüchtete Frauen und Männer, gingen Schlepperbanden auf ihren zynischen Fang. Fred Zinnemann erarbeitete 1941 einen Film für die Shorts-Serie CRIME DOES NOT PAY, der dieses Thema so eindrucksvoll behandelte, dass er als bester Kurzfilm für den Oscar gehandelt wurde: FORBIDDEN PASSAGE. Unter den am Film Beteiligten waren auch aus Europa geflohene SchauspielerInnen. Anthony Mann führte Regie bei einem der wohl härtesten und ästhetisch gelungensten Filme über Wirtschaftsmigration, brutale Ausbeutung und kriminelle grenzüberschreitende Banden: BORDER INCIDENT (1949). Rassismus in den USA der 50er-Jahre behandelt Robert Wise in ODDS AGAINST TOMORROW (1959), dessen Geräusche so eindrücklich waren, dass Pierre Melville sie in seinem LE CERCLE ROUGE (1970) einbaute. Den Abschluss der Retrospektive bildet ein in Original fassung im deutschsprachigen Raum bisher nicht gezeigter Film von Lewis Milestone, THE NORTH STAR (1943). Dieser antifaschistische Propagandafilm ist einer der wenigen, die sich mit der Rolle der Wehrmacht nach dem Überfall auf die Sowjetunion beschäftigen. Im Rückblick stellt sich nach wie vor die Frage, welche Rolle filmische Propaganda oder Aufklärung in der Durchsetzung einer demokratischen Politik spielen können. Es geht um den Stellenwert der visuellen Kultur in unserer Gesellschaft, um das Verhältnis von individueller Verantwortung des Filmschaffenden und der Politik. Und das ist keine Frage allein der Geschichte, sondern eine Herausforderung, der sich jede Generation von neuem kreativ stellen muss. In der Retrospektive zerbrechen schnell Bilder trügerischer Sicherheiten, und dann ist es nur noch Nacht in Dramen, in der die Schatten des deutschen Expressionismus-Kinos weit hineinreichen. Spannende und oft großartig inszenierte und gespielte Noirs werden in dieser Retro an dem Ort gezeigt, wo sie ihre Wirkung am besten entfalten – im Kino. ZU DIESEM SPECIAL WERDEN FOLGENDE FILME PRÄSENTIERT: FORBIDDEN PASSAGE, US 1941, BORDER INCIDENT, US 1949 (BEIDE 20.11., 23.11) ODDS AGAINST TOMORROW, US 1959 (21.11, 24.11) KINO.MAGAZIN FILM NOIR RELOADED grationspolitik war restriktiv. So wie heute im Nahen Osten und in Europa gab es ein oft tragisches Wechselspiel zwischen legaler und illegaler Einwanderung, zwischen lebensrettender Flucht und dem Unverständnis der Regierungen potenzieller Einwanderungsländer. THE NORTH STAR, US 1943 (22.11, 25.11) 29 KINDER DER WELT EIN FILMISCHES VERMÄCHTNIS AUS DEM JÜDISCHEN EXIL IN SHANGHAI URSULA WOLTE KINO.MAGAZIN KINDER DER WELT Luise und Jakob Fleck 30 A ls Luise und Jakob Fleck 1947 aus dem Exil in Shanghai nach Wien zurückkehren, sind sie, wie viele andere Heimkehrer, zu alt für einen Neuanfang. Die Produktionslandschaft in Österreich und Deutschland hatte sich radikal verändert, und die Flecks haben kaum finanzielle Mittel. Ihre im Exil entstandene Regiearbeit KINDER DER WELT, gedreht unter den widrigen Bedingungen der japanischen Besetzung und 1941 aufgeführt, sollte deshalb ihr letztes Werk bleiben. Jakob und Luise Flecks Bedeutung für die österreichische Filmgeschichte ist vielumfassend. Gemeinsam mit dem 1922 verstorbenen Anton Kolm, Luises erstem Ehemann, gehörten sie zu den zentralen Figuren des österreichischen Films, im Grunde standen sie an dessen Beginn. Zumeist in Co-Regie drehten sie zwischen 1908 und 1941 an die 90 Filme, hauptsächlich Literaturverfilmungen. Begonnen haben die Flecks mit der Filmarbeit unter dem Markenzeichen der eigenen Wiener Kunstfilm GmbH, Anfang der 20er-Jahre folgte dann die Gründung der Vita-Film AG, aus der die bedeutendsten österreichischen Ateliers, die Rosenhügel-Studios, hervorgegangen sind. Mitte der 20erJahre übersiedelten sie nach Berlin,es folgten Jahre intensiver Produktionstätigkeit, bis in die frühen 30er-Jahre. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete schlagartig die Karriere des Juden Jakob Fleck und damit auch jene seiner nicht-jüdischen Frau. Was folgte war Exil in der Heimat, Anfeindungen, kaum Engagements. In den fünf Jahren bis zum Anschluss konnten sie nur noch zwei Filme fertigstellen. Mit viel Glück und aktiver Mithilfe des in die USA emigrierten Schauspielers und Regisseurs Wilhelm Dieterle gelang es Luise Fleck 1940, ihren 18 Monate zuvor nach Dachau und Buchenwald verschleppten Jakob freizubekommen und sich zwei Schiffskarten für Shanghai zu besorgen. Mittellos und bar jeder Kontakte kamen die Flecks im Februar 1940 dort an: »Anfangs waren wir verzweifelt, da wir die englische Sprache nicht beherrschten und Englisch hier unerlässlich ist. Ein gnädiges Geschick half uns aber über diese Schwierigkeiten hinweg. Am Morgen des zweiten Tages wurden wir von einer Frau, die ein ziemlich schlechtes Französisch sprach, angerufen und gefragt, ob wir die Filmleute wären, die mit der Biancamano angekommen waren. Mehr konnte ich nicht verstehen. Auch mit Hilfe eines Bekannten, der die Firmen der Filmbranche in Shanghai kennt, konnten wir die Französisch sprechende Frau nicht ausfindig machen; wir vermuteten nämlich, dass es sich um eine Angehörige der Filmbranche handle. Kurz entschlossen fuhren wir zu einem Filmunternehmen und wurden zu dem Direktor vorgelassen, mit dem wir uns durch einen Dolmetsch unterhielten.«1 Dieser Direktor war Fei Mu, zwar nicht der ursprünglich gesuchte Filmproduzent, aber immerhin ein Regisseur, der gerade dabei war, in seinem eben erst gegründeten Min-Hua-Studio den Kostümfilm KONFUZIUS zu drehen. Die Emigranten ließen ihr Interesse an einer filmischen Tätigkeit durchblicken. Fei Mu war mit einem Engagement zurückhaltend, doch entwickelte sich im Laufe des Jahres eine Freundschaft zwischen dem chinesischen Regisseur und seinen österreichischen Kollegen. Schließlich bot er ihnen im Frühjahr 1941 an, bei seinem zweiten Film Regie zu führen. Mitte 1941 begannen die Dreharbeiten zu KINDER DER WELT. Fei Mu verfasste das Drehbuch, Luise und ihr Mann übernahmen offiziell die Regie, doch muss man davon ausgehen, dass sich Fei Mu erheblich an der Inszenierung beteiligt, nicht zuletzt aufgrund der sprachlichen Situation, da alle Mitarbeiter Chinesen waren. Noch vor den Dreharbeiten schrieben die Flecks an den nach London emigrierten Drehbuchautor Emeric Pressburger über den geplanten Film, der zu diesem Zeitpunkt noch den Arbeitstitel Heimatlos in Shanghai trug: »Selbstverständlich wird dieser Film in englischer Sprache gedreht. Die Spezialität dieses Films ist, dass wirklich echtes Leben und Treiben, das Lachen und Weinen von Shanghai mit seinen 46 Nationen und mit seinen Emigranten in dieser aktuellen, starken Handlung gezeigt wird und bietet einen großen Einblick in das chinesische Leben, mit seinen Sitten und Gebräuchen. Wir versprechen uns von diesem Film einen großen Erfolg, da wirklich erstklassige Künstler, schöne Frauen und Männer mitwirken; Amerikaner und Chinesen. Da die Herstellungskosten dieses Films sich hier in Shanghai um 1.000 % billiger stellen als in Europa, geschweige denn in Hollywood, so ist es immer möglich an großartiger Ausstattung und an Massenszenen nichts fehlen zu lassen.«2 KINO.MAGAZIN KINDER DER WELT Resident certificate Luise Fleck 31 KINO.MAGAZIN KINDER DER WELT Am Set von CHILDREN OF THE WORLD 32 Der fertige Film erwies sich letztlich als ein ganz anderes Produkt, vielleicht kam sogar ein anderes Drehbuch als geplant zum Zuge. KINDER DER WELT war ein rein chinesischer Film geworden, es wurden keine weiteren Ausländer engagiert und keine Massenszenen gedreht, im Gegenteil, es ist ein intimes Werk über die Freundschaft von zwei Männern und zwei Frauen. Die beiden jungen Männer, die wie Brüder aufgewachsen sind, verlieben sich in dasselbe Mädchen. Die Handlung beginnt 1927, der Hauptteil der Geschichte spielt zwischen 1937 und 1941. Es ist einer der seltenen Filme dieser Zeit, die sich mit der Gegenwart auseinandersetzen, allerdings in sehr indirekter Form. Die seit 1937 bestehende Okkupation Shanghais durch die japanischen Truppen und der noch immer heftig geführte Krieg zwischen den Japanern und Chinesen wird nicht explizit erwähnt, die Andeutungen waren jedoch für das damalige Publikum unmissverständlich. Die Flecks drückten dem Film ihren Stempel auf, vielleicht nahmen sie auch Einfluss auf das Drehbuch. Europäische Bezüge sind allgegenwärtig, so ist eine Szene in einer Kirche, bei einer Weihnachtsfeier und in einer westlich gestalteten Tanzhalle angesiedelt. Die jungen Männer kleiden und benehmen sich europäisch, einer der Väter ist gerade aus Frankreich zurückgekehrt. Die Kameraführung ist für damalige chinesische Verhältnisse innovativ, die Musik des gesamten Filmes ist rein westlich ausgelegt. Am 4. Oktober 1941 gelangte der Film zur Uraufführung, in der Abendzeitung vom 6. Oktober fand sich folgende Kritik: »Unter den chinesischen Filmen gibt es wohl gute, aber diese wenigen auch sehen zu können, ist nicht leicht. Das liegt daran, dass hier in Shanghai die Filmemacher dem Geschmack des breiten Publikums folgen und es daher kaum innovative Produktionen gibt. So gibt es inmitten der derzeitigen Schwemme an Kostümfilmen leider nur einen Film, der es wert ist, hervorgehoben zu werden, das ist KINDER DER WELT. Denn KINDER DER WELT hat seinen eigenen Stil, ist eine originelle Kreation mit realem wichtigem Gehalt. Die Geschichte ist zwar sehr einfach und ohne besondere Verwicklungen, und was geschieht, scheint willkürlich. Ich beziehe mich aber nur auf die Handlung, im Gesamten gesehen ist dieser Film erfüllt von großer, selbstverständlicher Menschlichkeit, von wahrer Freundschaft, und ist nicht eine der gewöhnlichen Dreiecks-Geschichten, die man kennt. Ziel des Filmes ist es, die wahre Gestalt der Liebe darzustellen, von der Selbst- bis hin zu einer umfassenden Liebe.« Lobend hervorgehoben wurde weiters die Kameratechnik, die realistische und einfühlsame Einbeziehung von allgemein bekannten Drehorten, die symbolträchtigen Bilder, die eine Gefühlswelt der Hauptfiguren zum Vorschein bringt, die in chinesischen Filmen so ausgeprägt nicht zu finden ist. Abschließend heißt es dort: »KINDER DER WELT ist ein Gedicht, das anregt, über die Realität nachzudenken.« Nur wenige Wochen später wurde die so erfolgreich begonnene Arbeit der Flecks jäh unterbrochen. Nach dem Eintritt Japans in den Zweiten Weltkrieg und der japanischen Besetzung der Internationalen Konzessionen in Shanghai am 7. Dezember 1941 wurde der Film vom Spielplan genommen, die staatenlosen jüdischen Flüchtlinge wurden bis auf wenige Ausnahmen im Bezirk Hongkou interniert. So auch die Flecks, die von da an keine Möglichkeit mehr hatten Geld zu verdienen und nur dank der Flüchtlingsunterstützung vor Ort und der Hilfe ihres Freundes Fei Mu überleben konnten.3 Nach Kriegsende dauerte es bis 1947, bis Jakob und Luise Fleck das erforderliche Geld aufgetrieben hatten, um nach Österreich zurückkehren zu können. Zu dieser Zeit etwa schuf Fei Mu sein Meisterwerk FRÜHLING IN EINER KLEINEN STADT (1948). Plakat CHILDREN OF THE WORLD KINDER DER WELT handelt von gegenseitiger Achtung, von persönlichem Leid, von Hoffnung, Opferbereitschaft und vom Kampf für Recht und Freiheit. Die drei großen Künstler hatten sich in Kriegszeiten kennen und schätzen gelernt. Neben ihren herausragenden Leistungen und der gemeinsamen Liebe und Faszination für das Medium Film einte sie ein tiefes Verständnis für die Problematik der Menschen in Krisenzeiten. Alle hatten sie den Untergang einer Welt erlebt: die Flecks jenen des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs, Fei Mu den der traditionellen chinesischen Werte. Die alte Welt war in Aufruhr geraten, und ihre Fundamente wackelten – für alle drei gab es nur eine Antwort, um diese schweren Zeiten zu überstehen: das Ideal und Menschlichkeit. 1 Jüdisches Nachrichtenblatt, Berlin, 22.7.1940. 2Brief vom 27. Juni 1941, Schriftgutarchiv der Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin, Sammlung A. Pressburger. 3Interview von 1995 von Paul Rosdy mit Xu Buzeng während der Recherchen zu seinem Film ZUFLUCHT IN SHANGHAI. 24.11.2015: SYMPOSIUM & FILMGALA KINDER DER WELT KINO.MAGAZIN KINDER DER WELT CHILDREN OF THE WORLD 33 EL REGRESO DE LENCHO KINO DER REGIONEN KINO IM MITTELAMERIKANISCHEN RAUM CHRISTINE BEDOYA, ANICO HERBST Die audiovisuelle Produktion der mittelamerikanischen Region ist außerhalb Amerikas wenig bekannt. Ihr Ursprung liegt am Beginn des vorigen Jahrhunderts, vor allem zu dieser Zeit gab es jedoch nur mangelhafte wirtschaftliche und technische Möglichkeiten. In späteren Jahren wurde der Einfluss der Filmindustrie sowohl Nordamerikas als auch Mexikos zunehmend spürbar. Auch aus Europa kamen Tendenzen, die über die verschiedenen Kulturzentren und -institute in die Länder der Region Einzug hielten. In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts trugen die Schaffung des nationalen Instituts für Kino in Costa Rica und des Instituts für Kino im sandinistischen Nicaragua zum Entstehen eigener Strömungen bei, die sich mit der nationalen Wesensart jedes Landes identifizierten. Besonders in den letzten Jahren sind weitere lokale Initiativen entstanden, die die filmische Produktion der Region unterstützen und weiter bekannt machen sollten. Beispielhaft sind hier die Casa Comal in Guatemala und ICARO, ein Filmfestival, das jährlich in Guatemala Stadt veranstaltet wird, weiters die Initiative CINERGIA in Costa Rica oder auch das seit 2010 existierende Dokumentar- und Menschenrechtsfilmfestival Muestra de Cine Internacional Memoria Verdad Justicia in Guatemala. In Mittellateinamerika hat sich in den letzten Jahren eine kreative und anspruchsvolle Filmszene entwickelt. Diese gesamte Entwicklung hat zu einer gesteigerten Produktion von Spiel- und Kurzfilmen geführt, aber auch Dokumentar- und Trickfilme werden nun vermehrt produziert. Es ist ein neues Selbstbewusstsein entstanden. Auch wenn Mittellateinamerika kinematografisch geradezu eine unbekannte Region ist, hat sich in den letzten Jahren eine kreative und anspruchsvolle Filmszene entwickelt, die zunehmend auf internationales Interesse stößt. So waren Produktionen unter anderem auf der Berlinale, auf dem Sundance Filmfestival, dem Tribeca Festival, der Biennale in Venedig, ja sogar bei der Oscarverleihung vertreten. Trotz dieser Erfolge muss dennoch erwähnt werden, dass in der Region die notwendige institutionelle Unterstützung für Filmschaffende fehlt. Obwohl in den Ländern einzelne Filmförderungseinrichtungen existieren, ist deren finanzielle KINO.MAGAZIN KINO DER REGIONEN L ateinamerika ist »in«: nicht nur in Wien, in allen Ländern der EU wird zu lateinamerikanischer Musik getanzt, lateinamerikanische Bars und Restaurants sind beliebt wie nie und die lateinamerikanische Küche ist bestens bekannt. Aber wie sieht es mit dem lateinamerikanischen Film – speziell aus Mittelamerika – aus? Der kulturelle Reichtum findet nur in wenigen Ländern gebührende Aufnahme in das Medium Film, etwa in Kuba, Mexiko und Brasilien, wohingegen Mittelamerika in europäischen Medien lange Zeit hauptsächlich im Kontext von Gewalt, Bürgerkriegen und Naturkatastrophen aufschien. Trotzdem, er lebt – der mittelamerikanische Film! 35 ROMPIENDO DE LA OLA ABRAZOS Ein kultureller Brückenschlag, der einen realistischen Einblick in eine Teilregion des amerikanischen Kontinents ermöglichen soll. DISTANCIA Papaya Media Association organisiert seit 2007 in Zusammenarbeit mit der guatemaltekischen Casa Comal, dem mittelamerikanischen ICARO, der Filmkommission von Guatemala und mit unabhängigen ProduzentInnen und RegisseurInnen ein fünftägiges Festival in Wien, um mittelamerikanische Dokumentar-, Spiel-, Kurz- und Animationsfilme vorzustellen. Ziel dieses nun seit acht Jahren sehr erfolgreichen Konzepts ist ein kultureller Brückenschlag, der vor allem ÖsterreicherInnen einen realistischen Einblick in eine Teilregion des amerikanischen Kontinents ermöglichen soll. Die sogenannte Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika ist geprägt von eindrucksvollen Landschaften, einer bewegten Geschichte, einem großen Sprachschatz, abwechslungsreicher Kulinarik, außergewöhnlichen Künstlern und mannigfachen Kulturen verschiedener indigener Völker, aber auch von sozialer Ungerechtigkeit und alltäglicher Gewalt. Filme aus dieser Region können all das auf ihre jeweils ganz spezielle und eindrückliche Weise den Besuchern nahe bringen. Dank der besonderen Atmosphäre und der zahlreichen Gäste – ob Filmschaffende, MusikerInnen, SchriftstellerInnen oder ExpertInnen – wird ein lebendiger, internationaler Austausch und eine spannender Diskurs ermöglicht. Das Publikum kann sich über jeden Film eine Meinung bilden und diese auch abgeben. Die Informationen aus den Bewertungsbögen werden im Anschluss systematisch ausgewertet, und auf Basis dieser Bewertung werden Publikumspreise für verschiedenste Filmgenres vergeben. Auf der Website des Festivals www.centroamerica.at werden nach der Filmfestwoche Fotos der Veranstaltungen publiziert und die Preisträger bekannt gegeben. KINO.MAGAZIN KINO DER REGIONEN Ausstattung und somit die Unterstützungsmöglichkeit für Filmschaffende und Filmproduktionen nur minimal. 37 38 KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT R P . O IN EIN AUGENBLICK FREIHEIT K O R KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT M M A R G 39 KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT LAND IN SICHT FLUCHT. KINO, DAS BEWEGT 40 ACHTUNG STAATSGRENZE S. 57 AL KALB S. 45 AM RANDE DER WELT S. 55 ATLANTIC S. 58 EIN AUGENBLICK FREIHEIT S. 46 BLACK BROWN WHITE S. 54 COMA S. 55 DESTINACIJA SERBISTAN S. 50 DHEEPAN S. 43 DONAU, DUNA, DUNAJ, DUNAV, DUNAREA S. 49 EIN EINFACHES EREIGNIS S. 52 EVERYDAY REBELLION S. 44 EXILE FAMILY MOVIE S. 52 FLÜCHTLINGE FILMEN S. 46 GEMMA GÜRTELKÄFIG S. 58 IN THIS WORLD S. 44 JUGOFILM S. 48 LAMERICA S. 51 LAMPEDUSA IM WINTER S. 47 THE LAND BETWEEN S. 51 LAND IN SICHT S. 50 LETTERS FROM AL YARMOUK S. 59 LITTLE ALIEN S. 53 LOVE DURING WARTIME S. 42 LOVERS‘ NOTEBOOKS S. 45 MACONDO S. 43 MAMA ILLEGAL S. 45 MARZIA, MY FRIEND S. 41 MINOR BORDER S. 53 MOBILE PHONE FILMS S. 59 NERVEN BRUCH ZUSAMMEN S. 57 PERSEPOLIS S. 53 LA PIROGUE S. 42 THE PUNISHMENT S. 48 REISE DER HOFFNUNG S. 56 SCHWARZKOPF S. 58 START WHERE YOU ARE S. 52 SUZIE WASHINGTON S. 54 THIS HAS BEEN BOTHERING ME THE WHOLE TIME S. 46 THIS HUMAN WORLD S. 44 WELCOME S. 56 E R IE M E PR MARZIA, MY FRIEND / MARZIA, YSTÄVÄNI KIRSI MATTILA, FINNLAND 2015 BUCH Kirsi Mattila | KAMERA Sari Aaltonen, Alka Sadat, Malek Shafi’i, Kirsi Mattila, Hashim Didari | MUSIK Pessi Levanto | SCHNITT Hanna Kuirinlahti | LÄNGE 80 min | FORMAT Farbe, OmeU, DCP MONTAG, 9.11. ÖSTERREICH-PREMIERE MIT ANSCHLIESSENDEM PUBLIKUMSGESPRÄCH Marzia ist jung, intelligent und engagiert. Sie arbeitet als TV-Moderatorin und träumt von einem selbstbestimmten und unabhängigen Leben. Im Westen keineswegs ungewöhnlich für eine junge Frau, in Marzias Heimatland Afghanistan jedoch herrschen andere Gebote. Marzia muss nach und nach erkennen, dass ihre Zukunftswünsche nicht in Erfüllung gehen werden und sie sich dem traditionellen Frauenbild in Afghanistan unterordnen muss. Die finnische Regisseurin Kirsi Mattila begleitet Marzia über vier Jahre lang, in einer Zeit als die internationalen Truppen aus Afghanistan abziehen. Ein beeindruckender Film über die höchst unterschiedlichen Lebensrealitäten der Frauen in Afghanistan, dem zweit größten Herkunftsland der nach Österreich flüchtenden Menschen. MARZIA, MY FRIEND wurde mit zahlreichen Preisen aus gezeichnet, darunter der Award for Best Human Rights Feature in Association with Amnesty International (Galway Film Fleadh, Irland 2015) oder der Preis für die beste Dokumentation beim Montreal World Film Festival 2015. KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT MO 9.11., 19:30 | DI 10.11., 20:00 | MI 11.11., 18:30 | DO 12.11. 20:00 | SA 14.11., 20:00 | SO 15.11., 20:00 41 DI 10.11., 19:30 MI 11.11., 20:30 LOVE DURING WARTIME LA PIROGUE / GOOR FIT / DIE PIROGE – BOOT DER HOFFNUNG GABRIELLA BIER, S/DK 2010 BUCH Gabriella Bier | KAMERA Albin Biblom | SCHNITT Dominika Daubenbüchel, Thomas Lagerman | MUSIK El Perro del Mar, Uno Helmersson | MIT Jasmin Avissar, Menachem Avissar, Miriam Avissar, Osama Avissar | LÄNGE 92 min | FORMAT Farbe, OmU, Blue-Ray KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT LOVE DURING WARTIME ist eine reale, zeitgemäße Version von Romeo und Julia: zwei Menschen im Kampf gegen die feindliche Welt mit der einzigen Waffe, die sie haben: der Liebe. Mitten in den Trümmern und dem Rauch des weltweit wohl bekanntesten Konflikts sind der palästinensische Künstler Osama und Jasmin, die israelische Tänzerin und Tochter eines jüdischen Einwanderers. Argwohn und Drohungen der israelischen Bürokratie machen ihr Leben zum Albtraum. Alles, was sie wollen, ist, sich eine gemeinsame Zukunft aufzubauen, fernab von Politik, Religion und Geschichte. Natürlich nicht einfach in einem Land, dessen beide Gesellschaften ihnen den Rücken kehren, in Ablehnung dieser schicksalhaften Verbindung. Und so brechen sie auf und verlassen ihr Land, auf der Suche nach einem neuen Leben. 42 »Für mich handelt diese Geschichte davon, was passiert, wenn Staaten es einigen ihrer Bürger unmöglich machen zu bleiben, sie dazu zwingen, zu emigrieren. Es ist eine echte Tragödie. Israel und Palästina brauchen Menschen wie Jasmin und Osama.« (Gabriella Bier) PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DER REGISSEURIN UND DEN HAUTDARSTELLERINNEN. MOUSSA TOURÉ, SN/F/D 2012 BUCH Abasse Ndione, David Bouchet, Eric Névé | KAMERA Thomas Letellier | SCHNITT Josie Miljevic | MIT Souleymane Seye Ndiaye, Laïty Fall, Malaminé Yalenguen Dramé, Balla Diarra | LÄNGE 96 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP »Im Senegal hat sich eigentlich aus jeder Familie jemand mit einem Boot auf den Weg gemacht, um sein Glück in Europa zu suchen«, sagt Regisseur Moussa Touré über die Entstehung seines Films. LA PIROGUE erzählt von dem Fischer Baye Laye, der sich widerwillig als Kapitän anheuern lässt, um eine Gruppe von Migranten über den Atlantik zu den Kanarischen Inseln zu bringen. In einem schlichten Motorboot, das eigentlich für den Fischfang in Küstengewässern gebaut ist, mit einem Minimum an Ausrüstung und Know-how. An Bord befinden sich dreißig Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sich kaum verständigen können, darunter auch der Schlepper Lansana und Baye Layes jüngerer Bruder Abou. Sie alle haben teuer bezahlt für die Überfahrt. Sie alle haben Pläne, träumen von Karrieren als Fußballer und Musiker oder einfach nur davon, auf einer spanischen Gemüseplantage ein vernünftiges Auskommen zu finden. Und sie haben Angst. Aber nur Baye Laye kann sich vorstellen, was wirklich auf die Pirogue zukommt. DO 12.11., 19:00 | MI 18.11., 20:45 DO 12.11., 21:00 MACONDO DHEEPAN SUDABEH MORTEZAI, A 2014 JACQUES AUDIARD, F 2014 Ramasan muss viel Verantwortung übernehmen für einen Elfjährigen. In der traditionellen tschetschenischen Gesellschaft gilt er seit dem Tod seines Vaters als Mann im Haus, der sich um seine Mutter und seine zwei jüngeren Schwestern kümmern muss. Seine Welt ist in Macondo angesiedelt, einer rauen Flüchtlingssiedlung mitten im Industriegebiet am Stadtrand von Wien. Ramasan spricht viel besser Deutsch als seine Mutter Aminat und er agiert bei Amtswegen oft als Übersetzer für sie. Aminat ist auf seine Hilfe angewiesen, muss sie doch mit dem Verlust ihres Mannes, der Flucht aus Tschetschenien und dem harten Alltag als berufstätige, alleinerziehende Mutter in einer fremden Gesellschaft zurechtkommen. Ramasans enge Welt bricht auf, als Isa, ein Kriegskamerad des toten Vaters, in die Wohnsiedlung einzieht. Doch als Aminat beginnt, sich für Isa zu interessieren, beginnt für Ramasan ein emotionaler Konflikt. Er fühlt den Drang, das Bild des toten Vaters zu beschützen … MACONDO, der erste Spielfilm von Sudabeh Mortezai, feierte seine Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale 2014. BUCH Jacques Audiard, Thomas Bidegain, Noé Debré | KAMERA Eponini Momenceau | SCHNITT Juliette Welfling | MUSIK Nicolas Jaar | MIT Antonythasan Jesuthasan, Kalieaswari Srinivasan, Claudine Vinasithamby | LÄNGE 109 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP Um dem Bürgerkrieg in Sri Lanka zu entfliehen, gibt sich Dheepan, ein ehemaliger Soldat der Tamil Tigers, zusammen mit einer jungen Frau und einem neunjährigen Mädchen als Familie aus. Die Flucht nach Frankreich gelingt, und die drei finden Unterschlupf in einem der heruntergekommenen Pariser Vororte. Hier schlägt sich Dheepan erst einmal als illegaler Straßenverkäufer durch, bis er einen Job als Hauswart in einem der Wohnblocks bekommt. Doch ausgerechnet dieser entpuppt sich als Hauptquartier der lokalen Drogengang, und Dheepan, der dem Krieg entfliehen wollte, findet sich schon wieder an der Front. Jacques Audiard hat ein Gespür für die soziale Realität. Wenn der ehemalige Soldat nach Monaten als fleißiger Hauswart plötzlich in den Bandenkrieg eingreift, dann ist das einerseits plausibel, denn schließlich hat er – im Gegensatz zu den meisten der bandenkriegenden Banlieue-Kids – tatsächliche Kriegserfahrung. Andererseits ist diese Wendung überhöht und hat etwas Surreales. Bigger than life. Dieser Spagat funktioniert deshalb so gut, weil Audiard sich und seinen Laiendarstellern die Zeit gönnt, einen Alltag aufzubauen: Wie der Mann und die beiden Frauen langsam zu der Familie werden, die sie zunächst nur darstellen wollten, wie sie sich bei Rückschlägen gegenseitig daran erinnern, dass sie eine Fiktion leben, und wie der fremde Blick auf Frankreich und seine Gewohnheiten plötzlich auch für uns ein anderer wird: Das ist großartig. (Michael Sennhauser) KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT BUCH Sudabeh Mortezai | KAMERA Klemens Hufnagl | SCHNITT Oliver Neumann | TON Atanas Tchokalov | LÄNGE 85 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP 43 FR 13.11., 18:00 | DO 3.12., 20:30 FR 13.11., 21:00 EVERYDAY REBELLION IN THIS WORLD THE RIAHI BROTHERS, A/CH/D 2013 MICHAEL WINTERBOTTOM, GB 2002 BUCH Arash T. Riahi, Arman T. Riahi | KAMERA Mario Minichmayr, Arash T. Riahi, Arman T. Riahi, Dominik Spritzendorfer, Olivia Wimmer | SCHNITT Nela Märki | MUSIK Karwan Marouf | MIT Andy Bichlbaum, Mike Bonanno, Srdja Popović | LÄNGE 109 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP VORFILM THIS HUMAN WORLD THE RIAHI BROTHERS, A/CH/D 2012 LÄNGE 3 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT Das Filmdebut der Riahi Brothers ist ein Zeichen des lebendigen Widerstands, der Präsenz, des Vorhandenseins. Der Film ist eine Art Einführung in die Welt des gewaltlosen, kreativen Aufbegehrens, welcher über verschiedenste Protestbewegungen und deren Strategien informiert und uns als Zuseher eine eigene Rolle und Verantwortung in der gesellschaftlichen Mitgestaltung aufzeigt. 44 Mit Widerstandsbewegungen wie Occupy Wallstreet, Femen, Movimiento 15-M, aber auch Einzelkämpfern aus Nah und Fern führt man uns vor Augen, dass es letzten Endes in unserer Verantwortung liegt, unsere Gesellschaft mitzugestalten und zu den Veränderungen beizutragen, die wir uns wünschen. Zusammen mit der Cross-Media-Plattform Everyday Rebellion ist der Film zu einem Zeitdokument geworden für eine Gesellschaft im Wandel und in Veränderung, als Erinnerung an das, was uns schon immer zustand. Ganz klassisch David gegen Goliath – der Kleinere gewinnt! (am) FR, 13.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEN REGISSEUREN BUCH Tony Grisoni | KAMERA Marcel Zyskind | MUSIK Dario Marianelli | SCHNITT Peter Christelis | MIT Jamal Udin Torab, Enayatullah, Imran Paracha | LÄNGE 86 min | FORMAT Farbe, OmU, 35 mm Peshawar in Pakistan, eine Stadt an der afghanischen Grenze: Hier, im Flüchtlingslager Shamshatoo, leben über eine Million Flüchtlinge unter elenden Umständen, darunter auch Jamal und Enayatullah, zwei Cousins aus Afghanistan. Enayatullah soll sich bis nach London durchschlagen. So will es die Familie, die mit ihm auf ein besseres Leben hofft. Jamal, ohne Eltern und der jüngere der beiden, darf seinen Cousin begleiten, weil er ein paar Brocken Englisch spricht. Damit beginnt eine schier endlose Odyssee – in Bussen und auf Lkw-Ladeflächen, eingepfercht zwischen Schafen und hinter Obstkisten versteckt. Die Reiseroute führt zunächst über Teheran nach Istanbul. Die entscheidende Schiffs passage nach Italien verbringen beide mit einer kurdischen Familie in einem Container – über 40 Stunden eingesperrt, ohne Wasser und Nahrung. Am Ende überleben nur Jamal und ein kurdisches Baby die Tortur. Was Jamal und Enayatullah zustößt, ist universell. Es passiert täglich, IN THIS WORLD. Aber unser abstraktes Wissen über das weit entfernte Flüchtlingselend erhält plötzlich eine Stimme und ein Gesicht. Spätestens wenn Jamal in Italien zum Straßenhändler wird, der von Café zu Café zieht, um geflochtene Armbändchen an Touristen zu verkaufen, ist er uns kein Unbekannter mehr. (André Götz) N E I R Y S SA 14.11., 19:00 | DO 19.11., 20:00 SA 14.11., 16:00 LOVERS’ NOTEBOOKS MAMA ILLEGAL ALIAA KHACHOUK / EYAD ALJAROD, SYR 2015 ED MOSCHITZ, A 2011 VORFILM Sie geben den Schleppern ihre Ersparnisse und riskieren auf ihrer Reise nach Westeuropa ihr Leben: Aurica, Raia und Natasa, drei Mütter aus einem kleinen moldawischen Dorf. Sie kehren ihrem ärmlichen Heim, den kaputten Straßen, den baufälligen Schulen und den zahllosen unbewohnten Häusern den Rücken, um in Österreich und Italien als Putz- oder Pflegehilfen zu arbeiten. Hier führen sie ein Leben im Untergrund – mit einem harten Job, ohne gültige Papiere, schutzlos und ohne medizinische Versorgung – jahrelang getrennt von Kindern und Familien. Alles, was vom im Westen hart erarbeiteten Geld übrig bleibt, schicken sie nach Hause zu ihren Familien. Doch ihr Wunsch nach einer besseren Zukunft und einem schöneren Leben fordert einen hohen Preis. Die Rückkehr sieht nach all den Jahren ganz anders aus als geplant. Im Westen nicht wirklich angekommen und angenommen, stellen sie fest, dass ihnen ihre Heimat fremd geworden ist. AL KALB FARES CACHOUX, SYRIEN 2013 | KURZSPIELFILM LÄNGE: 20 min | FORMAT Farbe, OmeU, DCP Die Bewohner von Saraqeb in Syrien verarbeiten das an dauernde Leid ihres Volkes und die Veränderungen nach der Revolution mittels Graffiti-Kunst. Die Wände sind voll mit Namen von Märtyrern, Sprichworten, Gedichten, Revolutionsparolen. Der Film zeigt die Spannung zwischen durch die Revolution entfachter Energie und Verzweiflung, zwischen Verlassen und Zurückkommen, zwischen Euphorie über die Schönheit der Kunst und Angst vor dem Krieg. ALIAA KHACHOUK Geboren in Syrien. Ihre Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme laufen im arabischen Fernsehen und auf Festivals auf der ganzen Welt. EYAD ALJAROD In Saraqeb geboren. Hat die Syrische Revolution von Beginn an selbst miterlebt. BUCH Ed Moschitz | KAMERA Michael Schindegger, Michael Svec, Sandra Merseburger | SCHNITT Alexandra Löwy | MUSIK Zdob si Zdub | LÄNGE 94 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm MAMA ILLEGAL zeichnet sieben Jahre im Leben der drei Frauen nach. Die Kamera ist bei Schicksalsschlägen ebenso dabei wie bei Momenten der Freude. Ein Film über den Preis des Traumes von einem besseren Leben. KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT KAMERA Eyad Aljarod | SCHNITT Aliaa Khachouk, Eyad Aljarod | LÄNGE 55 min | FORMAT Farbe, OmeU, DCP 45 SA 14.11., 20:30 | MI 18.11., 18:30 SO 15.11., 16:00 EIN AUGENBLICK FREIHEIT / FLÜCHTLINGE FILMEN: POUR UN INSTANT, LA LIBERTÉ EIN WERKSTATTGESPRÄCH ARASH T. RIAHI, A/F 2008 DORIS KITTLER, LISA KÖPPL UND WOLFGANG WEBER PRÄSEN TIEREN UNGESCHNITTENE FILMAUFNAHMEN ÜBER FLÜCHTLINGE IN ÖSTERREICH VORFILM In dieser Werkstattpräsentation zeigen engagierte FilmemacherInnen aktuelles Material, das im Lauf der letzten Wochen an diversen Schauplätzen entstanden ist. Dazu zählen unabhängig produziertes Fernsehmaterial von WienTV sowie eine Reihe von Videos, die von Flüchtenden in deren ursprünglicher Heimat bzw. auf der Flucht mit dem Handy gefilmt wurden. Die Erschließung dieses unter extremen Umständen hergestellten Materials ist den erst vor Kurzem in Wien angekommenen Syrern und Ukrainern zu verdanken – einige von ihnen haben im Filmarchiv Austria Quartier gefunden. BUCH Arash T. Riahi | KAMERA Michi Riebl | SCHNITT Karina Ressler | MUSIK Karuan | BAUTEN Christopher Kanter | MIT Navid Akhava, Pourya MahyarI, Pares Fares, Michael Niavarani, Payam Madjlessi | LÄNGE 110 min | FORMAT Farbe, OmU, 35 mm THIS HAS BEEN BOTHERING ME THE WHOLE TIME KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT ARASH T. RIAHI, A 2013 LÄNGE 10 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP 46 Manchmal muss man Albträume durchleben, um seine Träume zu verwirklichen. In seinem ersten Spielfilm erzählt Arash T. Riahi die Odyssee mehrerer Flüchtlinge ins heilige Land der Freiheit. Alle Geschichten basieren auf wahren Begebenheiten. Im Mittelpunkt steht die abenteuerliche Reise der beiden Jugendlichen Mehrdad und Ali, die das Mädchen Azy und den Jungen Arman aus dem Iran in die Türkei begleiten, von wo aus die Kinder zu ihren Eltern in Österreich gebracht werden sollen. Mit dieser Geschichte verwoben sind die Abenteuer eines iranischen Lehrers, seiner Frau und seines Sohnes sowie des Kurden Manu und des iranischen Regimekritikers Abbas, die dem Elend und der politischen Repression durch Überlebenswillen und Humor zu entfliehen suchen. Menschen brauchen Träume – und den Mut, diesen Träumen nachzugehen, auch wenn sie sich letztendlich in Luft auflösen. SA, 14.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEM REGISSEUR Danach gibt Doris Kittler Einblicke in Material aus ihrem derzeit entstehenden Dokumentarfilm (Arbeitstitel: MY HOUSE IST BIG ENOUGH). Als scheinbar völlig unerwartet tausende Flüchtlinge nach Mitteleuropa kommen, nimmt die Wienerin Lia spontan hilfesuchende Neuankömmlinge bei sich zu Hause auf und begibt sich damit selber auf eine ungewisse Reise. Im Rahmen der Filmpräsentation findet eine Diskussion mit den Flüchtlingen, HelferInnen und FilmemacherInnen statt. SO 15.11., 19:00 SO 15.11., 20:45 LAMPEDUSA IM WINTER PODIUMSDISKUSSION FLÜCHTLINGE: BILDER UND WIRKLICHKEITEN KAMERA Serafin Spitzer, Christian Platzek | SCHNITT Nela MärkI | TON Maximilian Liebich | LÄNGE 93 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP Nach den Tragödien des Herbstes ist auf der »Flüchtlings insel« Lampedusa der Winter eingekehrt. Die Touristen haben die Insel verlassen. Die letzten Flüchtlinge kämpfen um einen Transfer auf das Festland. Ein Fährunglück isoliert die Insel. Nachdem die Flüchtlinge endlich mit dem Flugzeug verlegt werden, beginnen die Fischer einen verzweifelten Streik: Um eine Verbesserung der Fährverbindung zu erzwingen, blockieren sie den Hafen. Die Insel ist nun gänzlich isoliert, und als die Lebensmittel langsam ausgehen, entsteht Zwist unter den Protestierenden. Die winzige Gemeinschaft am Rande Europas ringt verzweifelt um ihre Würde – und um Solidarität mit den afrikanischen Bootsflüchtlingen, die viele Menschen für den Grund der andauernden Krise halten. »Der Film enthält abseits der Beschreibung konkreter Zustände und Fragestellungen auch eine essayistische Komponente. Ich bin auch immer wieder zum Gedanken verleitet, Lampedusa könnte ein Symbol für ›Europa in der Welt‹ sein. Eine Insel, die vor Fragen gestellt wird, mit denen man nicht wirklich konfrontiert werden möchte, aber denen man sich doch stellen muss. Was mich an Lampedusa berührt hat, ist der Umstand, dass es der winzigen Gemeinschaft gelingt, nicht die eigenen Probleme gegen die der anderen auszuspielen. Es wird dort der Versuch notwendig, mehrere Problemfelder gleichzeitig zu denken – und das gleichwertig und meist würdevoll.« (Jakob Brossmann) In den letzten Wochen erzeugen vor allem die über alle Kanäle rauschenden Bilderströme Vorstellungen von dem, was die Medien als »Flüchtlingskrise« bezeichnen. Die Politik scheint immer stärker in die Abhängigkeit dieser medial vermittelten Wirklichkeiten zu geraten. Vollzieht sich politisches Handeln nur mehr in einer medialen Parallelwelt? Welche Verantwortung haben JournalistInnen und FilmemacherInnen in der Konstruktion von Realität, die dann zur Grundlage auch des Politischen wird? Und gibt es noch politische Handlungsfelder jenseits der medialen Arena? Über diese und weitere Themen diskutieren: Andreas Babler (Bürgermeister von Traiskirchen) Doris Kittler (Filmemacherin) Arash T. Riahi (Filmemacher) Verena Krausneker (zivile Helferin) Nikolaus Kunrath (Die Grünen) VertreterInnen des Innenministeriums (angefragt) Moderation: Manuela Raidl KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT JAKOB BROSSMANN, A/I/CH 2015 47 SO 15.11., 18:00 | DO 26.11., 20:00 MO 16.11., 18:00 | MO 23.11., 18:00 THE PUNISHMENT JUGOFILM GORAN REBIĆ, A 2000 GORAN REBIĆ, A 1997 BUCH Goran Rebić | KAMERA Jerzy Palacz | SCHNITT Martin Matusiak | TON Radoslav Bojković, Branko Djordjević | LÄNGE 91 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm Der Film erzählt, in Stadtbildern und Interviews, von den Lebensbedingungen in Belgrad unmittelbar nach dem Nato-Bombardement: ein Film-Essay über Dissidenz und Zerstörung, über den Verlust von Hoffnung und Heimat – und über den unverstellten Blick auf die Ergebnisse eines Krieges, die in der Berichterstattung der restlichen Welt so nicht gezeigt wurden. Am Wort sind hier Dramatiker und Schulkinder, Philosophen, Wissenschaftler, Menschenrechtler und Kriegsteilnehmer – die Stimmen einer gefährdeten Opposition. Goran Rebić denkt nicht in Völkern und Ethnien, sondern in Individuen – sein Film gilt den subjektiven Wirklichkeiten, weil die »objektiven« Wahrheiten längst ihre Gültigkeit verloren haben. Er wurde auf der Diagonale 2000 mit dem Großen Preis ausgezeichnet. BUCH Goran Rebić | KAMERA Jerzy Palacz | SCHNITT Andreas Kopriva | MUSIK Andi Haller | MIT Merab Ninidze, Ljubiša Samardžić, Eva Mattes, Wolf Bachofner, Aleksandar Jovanović, Michael Jovanović, Tamara Simunović | LÄNGE 86 min | FORMAT Farbe, OmeU, 35mm »Ich weiß selbst nicht mehr, wo ich war«, erzählt Sascha, der bei einer Bahnfahrt vom im Zerfall begriffenen Jugo slawien nach Wien in die Armee eingezogen worden ist, nach seiner Heimkehr seinem kleinen Bruder Milan. Jener hofft, dass nun alles so wie früher wird, doch der Krieg erschüttert das Familienleben nachhaltig: Freundschaften gehen in die Brüche, falsche Verdächtigungen schaffen Misstrauen und der Außenseiterstatus im »fremden« Land wird durch die eigenen »ehemaligen« Landsleute noch prekärer. Saschas Versuche, wieder in die Normalität zurückzukehren, scheitern. Er bewegt sich zwischen einer Realität, die zunehmend von Ideologie und Hass geprägt ist, und traumähnlichen, magisch anmutenden Momenten, in denen er vergessen will. Die Kluft dazwischen wird jedoch immer breiter und ihm schließlich zum Verhängnis. (Claudia Slanar) KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT SO, 15.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEM REGISSEUR 48 »JUGOFILM ist ein melancholisches und eindringliches Werk, das davon erzählt, wie der Krieg auch in der Fremde die Seelen vergiftet. Goran Rebić wirft eine Frage auf, für die es keine Antwort gibt: Warum so viele Menschen bereit sind, für abstrakte Werte wie Blut und Boden und Abstammung ihre Freundschaften und ihr Lebensfundament zu zerstören.« (Gunther Baumann) MO, 16.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEM REGISSEUR T R ZE N O K MI 16.11., 20:00 | DO 3.12., 16:30 MO 16.11., 21:30 DONAU, DUNAJ, DUNA, DUNAV, DUNAREA BENEFIZKONZERT WIENER TSCHUSCHENKAPELLE, WALTHER SOYKA UND JELENA POPRŽAN BUCH Goran Rebić, Heinrich Ambrosch | KAMERA Jerzy Palacz | SCHNITT Karina Ressler | MIT Otto Sander, Robert Stadlober, Annabelle Mandeng, Svetozar Cvetković, Florin Piersic jr. | LÄNGE 90 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm Zehn Länder, fünf Schicksale, 1.927 Kilometer, ein Strom. Ein rostiges Schiff tuckert die Donau flussabwärts, von Wien in Richtung Schwarzes Meer. Neben dem brüchigen, alten Kapitän sind die unterschiedlichsten Menschen mit an Bord: ein Waisenkind, ein Deserteur, ein rumänischer Musiker, eine Fixerin. Und ein Sarg. Der letzte Wunsch einer Sterbenden bildet den Ausgangspunkt für Geschichten, die das Leben so schreibt. Entstanden ist ein »Boat movie«, eine moderne Wasser-Odyssee, die die einen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, die anderen ihren Träumen näher oder überhaupt ans Ende bringt. »Mir war es wichtig, eine Geschichte zu finden, die aus vielen Geschichten besteht, die alle zum Fluss gehören und ständig in Bewegung bleiben. So habe ich mich an die eigentliche Hauptfigur des Films gehalten, an die Donau und ihren Rhythmus. [...] Die Donau ist ein besonderer Fluss: ein absolut mythischer Ort. Ich wollte ganz explizit etwas erzählen, das in einen anderen Bereich geht, wo man sich mit der Donau treiben lassen muss, um ein Stück des fremden Bruders Ostens kennen zu lernen.« MO, 16.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEM REGISSEUR Seit über 25 Jahren betreiben sie erfolgreich musikalische Integration, ohne dabei ihre Identität zu verlieren – im Gegenteil: die Tschuschenkapelle rund um Slavko Ninić ist mittlerweile eine musikalische Institution und bringt mit ihrer balkan-türkisch-griechisch-russischen Mischkulanz die Füße zum Stampfen, die Herzen zum Lachen und (mit oder ohne Slivo) den Schmäh zum Rennen. Wienerlied ist übrigens auch dabei (schließlich heißt es ja Wiener Tschuschenkapelle). Der getanzte Beweis, wie Musik verbinden und wie Toleranz gelebt werden kann. Auf Einladung des Filmarchiv Austria treten die Wiener Tschuschenkapelle, Walther Soyka und Jelena Popržan zum ersten Mal im METRO Kinokulturhaus auf. Der Reinerlös dieses Konzerts geht an die Flüchtlingsprojekte der Caritas. EINTRITT: FREIWILLIGE SPENDE KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT GORAN REBIĆ, A 2003 49 DI 17.11., 18:00 DO 19.11., 18:00 | SA 28.11., 20:30 LAND IN SICHT DESTINACIJA SERBISTAN / DESTINATION SERBISTAN JUDITH KEIL / ANTJE KRUSKA, D 2013 BUCH Judith Keil, Antje Kruska | KAMERA Marcus Winterbauer, Eva Katharina Bühler, Dietmar Ratsch, Eugen Schlegel, Anne Misselwitz, Robert Nickolaus | SCHNITT Calle Overweg | MUSIK Michael Beckmann | LÄNGE 93 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT Etwa ein Jahr lang verfolgen Judith Keil und Antje Kruska Leben und Alltag von Abdul, Brian und Farid, die nach ihrer Flucht um die halbe Welt in einem brandenburgischen Asylwerberheim gelandet sind. Der Film begleitet sie auf sensible, aber auch ungeschönte und humorvoll-entlarvende Weise bei dem Versuch, ihren Weg in die deutsche Gesellschaft zu finden. Unterstützt werden sie dabei von der resoluten Heimleiterin Rose Dittfurth, die ihre kulturelle Aufklärungsarbeit erfrischend direkt und durchaus unkonventionell gestaltet (»This dance is not for sex, sondern for culture, ja ...!«) und einen lebendigen Eindruck davon vermittelt, wie man sich trotz unterschiedlicher Vorstellungen und Mentalitäten und der sich daraus ergebenden Missverständnisse, vor allem aber auch abseits der üblichen Betroffenheit und deren politischer Verwertung menschlich und auf Augenhöhe begegnen kann. (sb) 50 »Wir wollen in unserem Film die zweifellos problembeladene Ausgangslage von Asylbewerbern zeigen, aber diese gleichzeitig auf eine allgemein menschliche Ebene heben, die deutlich macht, dass deren Sehnsüchte, Ängste, Macken, Gedanken und Hoffnungen durchaus mit unseren zu vergleichen sind.« ŽELIMIR ŽILNIK, SRB 2015 BUCH Želimir Žilnik | KAMERA Miodrag Milošević, Orfeas Skutelis | SCHNITT Vuk Vukmirović | MUSIK Gabriella Benak, Milan Nenin, Meho Puzić | LÄNGE 94 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP Irgendwo im Niemandsland zwischen Ungarn und Serbien. Ein Mann sitzt am Feuer, ohne Schuhe. Seine Füße kaputt von den Märschen im Schnee. Er hat tausende Kilometer hinter sich, wie viele andere »Reisende« auf dem Weg in eine vermeintlich bessere, »europäische Zukunft«. Ihre Geschichten erzählt DESTINATION SERBISTAN. Auf unkonventionelle Weise lenkt Regisseur Žilnik den Blick weg vom inzwischen wieder mit Stacheldraht »gesicherten« Zentrum Europas, hin zu den Menschen an seinen Grenzen. Er enthebt sie ihres Nachrichtenstatus, verleiht ihnen eine individuelle Ausdrucksmöglichkeit: Die Flüchtlinge selbst stellen Szenen nach, schildern ihren Alltag im Transit, der sich irgendwo zwischen Angst und Hoffnung, Glauben und Resignation abspielt. Ein Spiel mit dem Leben. Und ein Leben, in dem sie jeden Tag an ihre Grenzen gehen. (sb) »Serbien hofft auf den Eintritt in die Europäische Union, die Flüchtlinge hoffen auf ein Bleiberecht in Serbien, beide vor allem auf eine Zukunft in Europa. Die Gegenwart aber hält für die Flüchtlinge nur einen Wartesaal voller Absurditäten bereit: Wer Asyl braucht, weil er keine Papiere hat, erhält ohne Papiere kein Asyl. Wörtlich bedeutet ›asylum‹ Zufluchtsort, Freistätte, aber auch Irrenhaus.« (Theresa Friedlmeier) SA 21.11., 16:00 SA 21.11., 18:30 LAMERICA THE LAND BETWEEN GIANNI AMELIO, I/F/CH 1994 DAVID FEDELE, I 2013 Albanien 1991: Nach dem Zusammenbruch des Realsozia lismus herrscht in dem einst isolierten Land das Chaos. Der italienische Geschäftemacher Fiore und sein Helfer Gino wittern eine günstige Gelegenheit zum Subventions betrug. Für den Kauf einer maroden Schuhfabrik benötigen sie jedoch vorerst einen einheimischen Strohmann. In einem ehemaligen Arbeitslager engagieren sie den greisen und verwirrten Albaner Spiro, der Albanien nach 50 Jahren Haft irrtümlich für das zerstörte Italien 1945 hält. Zunächst spielt er bereitwillig seine Rolle, doch plötzlich ist er verschwunden. Widerwillig macht sich Gino in dem ausgebluteten Land auf die Suche. Als er Spiro tatsächlich gefunden hat, wird auf der Rückreise ihr Jeep geplündert. Die beiden schließen sich einem Heer von Armutsflüchtlingen an. Der Weg führt Gino in die albanische Provinz, ein Niemandsland, in dem die ihm vertrauten Regeln keine Gültigkeit besitzen. Gino, dem man den Pass gestohlen hat, muss, um nach Italien zurückkehren zu können, zum »Albaner« werden. Zusammen mit Spiro schließt Gino sich anderen Ausreisewilligen an und besteigt das Schiff, das die illegalen Auswanderer »Lamerica« nennen. (Kurt Hofmann) BUCH/KAMERA/TON/SCHNITT David Fedele | LÄNGE 78 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP THE LAND BETWEEN gibt einen hautnahen Einblick in das Leben der subsaharischen Migranten, welche im Norden Marokkos versteckt in den Bergen von Gourougou leben. Die meisten von ihnen haben nur ein Ziel: über den hoch militarisierten Grenzzaun zu kommen, der Marokko von Melilla trennt, einer spanischen Enklave im Norden des afrikanischen Kontinents. Auf Überwachungskameras ist zu sehen, wie Menschen den Stacheldraht überwinden wollen. Sie warten auf den richtigen Moment, über den Zaun zu klettern und in ein spanisches Auffanglager zu gelangen. »THE LAND BETWEEN ist nicht nur ein exzellenter Film, sondern auch ein politischer Katalysator und verwandelt das Mitgefühl des Zusehers in Wut. In eine Art von Wut, die Veränderung möglich macht.« (Festival of Migrant Film 2014, Ljubljana, Slowenien) KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT BUCH Gianni Amelio, Andrea Porporati, Alessandro Sermoneta | KAMERA Luca Bigazzi | SCHNITT Simona Paggi | MUSIK Franco Piersanti | MIT Enrico Lo Verso, Carmelo di Mazzarelli, Michele Placido | LÄNGE 125 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm 51 SA 21.11., 21:30 | MI 24.11., 18:00 SO 22.11., 16:00 EXILE FAMILY MOVIE START WHERE YOU ARE ARASH T. RIAHI, A/F 2006 Ein gemeinsames Kurzfilmprojekt des Jüdischen Filmfestivals Wien mit Brunnenpassage (Caritas), ORF und Insider LÄNGE ca. 50 min | FORMAT Farbe, dF, DCP BUCH Arash T. Riahi | KAMERA Arash T. Riahi, Arman T. Riahi, Géza Horvath, Ilse Lahofer | MUSIK Karuan | SCHNITT Dieter Pichler, Arash T. Riahi | MIT Hamidi, Parvin, Arash T. Riahi | LÄNGE 92 min | FORMAT OmU VORFILM EIN EINFACHES EREIGNIS ARASH T. RIAHI, A 2010 LÄNGE 5 min KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT Es ist unter den Iranern in Wien die wahrscheinlich meist bekannte Geschichte: jene einer Großfamilie, die nach über zwanzig Jahren im politischen Exil, verteilt über Europa und Amerika, sich entschließt, ihre im Iran zurückgebliebenen Verwandten wiederzusehen. Auf einer abenteuerlichen und auch nicht ungefährlichen Reise nach Saudi-Arabien, das einzige Reiseziel, an dem alle Familienmitglieder zusammenkommen können, geben sich die Exil-IranInnen als muslimische PilgerInnen aus, die die heiligen Städte Medina und Mekka besuchen möchten. Trotz aller Hindernisse und Risiken kommt es schlussendlich in einem Hotelzimmer zum geheimen, lang ersehnten und vor allem tränenreichen Wiedersehen. 52 Es ist seine Großfamilie, die von Arash T. Riahi, welche er mit seiner Kamera, anfangs noch unsicher, wohin das alles führen wird, dokumentiert und begleitet. Ein Kino-Dokumentarfilm-Debut mit Riesenerfolg: bester Dokumentarfilm der Diagonale, des Chicago Filmfestivals, Max Ophüls Preis sind nur einige seiner Auszeichnungen. (am) SA, 21.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEM REGISSEUR Auf Initiative des Jüdischen Filmfestivals entstand in den Sommermonaten 2015 zum diesjährigen Themenschwerpunkt des Festivals gemeinsam mit der Brunnenpassage (Caritas), dem ORF und dem Projekt Insider ein Kurzfilm projekt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des ORF und Profis aus der Filmbranche stellten freiwillig ihr Know-how zur Verfügung, um mehr als 25 Flüchtlingen und Asylwerbern zu helfen, sich filmisch mit dem Thema »Exil« auseinander zusetzen. Der ORF stellte zudem das nötige Equipment bereit. Daraus entstanden sind sieben Kurzfilme, die die Lebensrealität der Flüchtlinge widerspiegeln. Im Anschluss an die Filmvorführung Gespräch mit den Initiatoren und Beteiligten. SO 22.11., 20:30 SO 22.11., 21:00 | SA 28.11., 16:00 LITTLE ALIEN PERSEPOLIS NINA KUSTURICA, A 2009 MARJANE SATRAPI / VINCENT PARONNAUD, F/US 2007 VORFILM MINOR BORDER LISBETH KOVACIC, A 2015 LÄNGE 25 min Juma und Hishame sind zwei Teenager, die unter lebens bedrohlichen Umständen im Fahrgestell eines LKWs nach Europa flüchten, um zu Gejagten der Grenzbehörden zu werden. Ahmed, Nura, Achmad und Asha haben die Grenzzäune bereits passiert. In Österreich angekommen, hoffen sie auf ein neues Leben. Sie kämpfen für ihr Recht auf eine ersehnt unbeschwerte Jugend. Jawid und Alem leben seit eineinhalb Jahren in Wien, auch sie hoffen auf Gewährung von Asyl. Verlust, Trauma, Sehnsucht, Hoffnung und eine Ungewissheit über die eigene Zukunft dominieren das Leben der jungen Fremden auf der Suche nach einer neuen Heimat. Was bleibt, ist der Blick nach vorne und Humor als ein Ventil. Denn auch sie sind einfach nur Jugendliche, frech, laut, im Kampf mit sich selbst und ihrer Vergangenheit, aber vor allem im Kampf um eine selbstbestimmte Zukunft. »Sie leben. Weil sie geflüchtet sind.« (littlealien.at) »Der gelungene Blick in die Welt junger Asylsuchender. [...] Zwei Jahre haben Kusturica und ihr Team an diesem Film gearbeitet. Kusturica versucht aus dem Blickwinkel einer jungen Generation das Thema Asylsuche aufzuarbeiten. Sie scheut dabei nicht beklemmende Bilder – zugleich widmet sie sich ihren jungen Protagonisten mit großer Zuneigung.« (Gerald Heidegger) BUCH Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi | SCHNITT Stéphane Roche | MUSIK Olivier Bernet | STIMMEN Chiara Mastroianni, Danielle Darrieux, Catherine Deneuve u. a. | LÄNGE 95 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm Wir sind im Iran der 70er-Jahre. Es regiert Schah Mohammad Reza Pahlavi. Gleichzeitig wächst ein junges Mädchen namens Marjane behütet in der Millionen-Metropole Teheran auf. Als dann der Schah ins Exil gedrängt wird und alle politischen Gefangenen freigelassen werden, herrscht auch bei Marjane und ihrer Familie Aufbruchstimmung, zumal der Onkel Anouche, ein Kommunist, auch aus dem Gefängnis entlassen wird. Begeistert spielt Marjane das politische Geschehen mit ihren Freunden auf der Straße nach, sie selbst sieht sich als Prophetin, die mit Gott in Kontakt steht. Doch alles kommt anders. Das neue Regime, vom Islam und seinen gesellschaftlichen Vorstellungen geprägt, machen das Leben im Iran unerträglich. Als dann auch noch der Onkel vom neuen Regime hingerichtet wird und Teheran im Golfkrieg gegen den Irak bombardiert wird, entschließen sich die Eltern, Marjane nach Österreich zu schicken. Eine herausfordernde Zeit beginnt, geprägt von Außenseitertum, kulturellen Hindernissen und einer freiwilligen Rückkehr in den Iran. Doch auch ihr Kunststudium kann sie nicht davon abhalten, trotz aller Versuche dann doch letzten Endes dem Iran für immer den Rücken zu kehren und nach Frankreich zu emigrieren. Eine herzhaft humorvolle, aber auch nachdenkliche Geschichte, die einen zutiefst persönlichen Einblick in das Leben der Filmemacherin Marjane Satrapi gewährt. (am) KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT BUCH Nina Kusturica | KAMERA: Christoph Hochenbichler | SCHNITT Julia Pontiller, Nina Kusturica | TON Ataras Tcholakow | LÄNGE 94 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm 53 MI 25.11., 18:00 DO 26.11., 18:00 BLACK, BROWN, WHITE SUZIE WASHINGTON ERWIN WAGENHOFER, A 2011 FLORIAN FLICKER, A 1998 Ein Fernfahrer am Weg nach Marokko. Eine Ladung Knoblauch und ein Hohlraum, der am Weg zurück nach Europa nicht mehr ganz so hohl ist. Das wertvolle Transportgut von Don Pedro: Gemüse. Sein ertragreichstes Transportgut: Flüchtlinge. Don Pedro ist Menschenschmuggler. Ein Geschäft mit Risiko, das ihm und seinen Partner Jimmy keine gröberen Probleme bereitet. Zumindest bis jetzt. Als eine junge Frau und ihr Sohn keinen Hohlraum füllen wollen und ihren Platz in der Fahrerkabine einnehmen, beginnt eine abenteuerliche Reise, die über viele Grenzen geht. Ein Weg bedrohlicher Begegnungen und Annäherungen, in die entfernte Freiheit, die vielleicht keine sein wird. Eine Frau unterwegs durch Österreich: Ohne Papiere, ohne Orts- und Sprachkenntnisse und mit dem fernen Ziel Los Angeles. Den Namen Suzie Washington hat sie sich von einer amerikanischen Touristin »geborgt«, später wird sie einen französischen Pass stehlen und erneut die Identität wechseln. »I’m not a criminal, I am a tourist«, sagt sie und tarnt ihre Flucht als (Durch-)Reise. Immer wieder werden aus dem Off Postkartentexte an ihren Onkel imaginiert, während sie diese pittoreske Landschaft so schnell wie möglich hinter sich lassen muss. (Aki Beckmann) BUCH Erwin Wagenhofer | KAMERA Martin Gschlacht | SCHNITT Paul M. Sedlacek | MUSIK Nifio Josele | MIT Fritz Karl, Clare-Hope Ashitey, Wotan Wilke Möhring, Francesco Garrido, Karl Markovics | LÄNGE 110 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT »Sich für andere einsetzen, auch wenn dadurch eigene Nachteile entstehen; nachhaken, wenn etwas ungerecht erscheint; oder einfach ein Zeichen setzen. Das ist Zivilcourage. [...] Und das ist auch die Botschaft von BLACK BROWN WHITE.« (ZARA Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit) 54 »Im europäischen Wirtschaftssystem gibt es selbstverständlich den Bedarf an billigen Arbeitskräften. [...] Und daher gibt es Leute, die den Menschen helfen, hierher zu kommen, und die selbst wieder Kapital daraus beziehen. Aber dahinter steht doch ein Zynismus dieses Systems Europa.« (Erwin Wagenhofer) BUCH Michael Sturminger, Florian Flicker | KAMERA Robert Neumüller | SCHNITT Monika Willi | MUSIK Andi Haller | MIT Birgit Doll, August Zirner, Karl Ferdinand Kratzl, Wolfram Berger, Nina Proll, Goran Rebić | LÄNGE 87 min | FORMAT Farbe, OmeU, 35mm »In der Geschichte des österreichischen Films haben Verlorene einen festen Platz. Florian Flickers SUZIE WASHINGTON ist ein Heimatfilm, der die Geschichte einer Verlorenen erzählt, ein Film aber, der das Genre neu zu lesen versucht und dabei zwischen politischer Stellungnahme und Unterhaltung keine klare Trennlinie mehr zieht. [...] Flicker erzählt von der Flucht einer Illegalen, gespielt von Birgit Doll, quer durch ein Österreich, dessen Grenzen dicht und dessen Menschen, zwischen Querulantentum und Anteilnahme, nicht leicht einzuschätzen sind.« (Stefan Grissemann) FR 27.11., 18:00 FR 27.11., 20:00 | MO 30.11., 20:30 AM RANDE DER WELT COMA GORAN REBIĆ, A 1992 SARA FATTAHI, SYR/LIB 2015 Schauplatz Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, 1991. Es ist das Jahr der Unabhängigkeit, zwölf Monate später herrscht Bürgerkrieg. Jahrzehntelange Unterdrückung und Isolation scheinen zunächst aufzubrechen, das Land sich endlich nach innen zu öffnen. Statuen stürzen, Plätze erhalten neue Namen, die Hoffnung auf »Freiheit« in der »Heimat« lebt. Dann kommt der Krieg und setzt dieser »Zeit der Lieder« ein jähes und brutales Ende. Drei Frauen in einer Wohnung in einem Haus in Damaskus. Drei unter Belagerung stehende Generationen, in einem Land, das von Kugeln und Bomben heimgesucht wird. Eine Großmutter, eine Mutter und eine Tochter. Alle bewegen sich wie Geister aus einer vergessenen Welt, während draußen unermüdlich ein grausamer Krieg tobt. Ein stiller und schmerzhafter Dialog über eine Welt, die zusammenbricht, zerstört von Menschen, die behaupten eine Freiheit zu verteidigen, und die mit ihrem Glauben an Gott prahlen gehen. Eine Geistergeschichte mit den Schatten von Frauen, die die dunklen Wände der Wohnung entlangschlichen und wie die Silhouetten eines nie enden wollenden Albtraums aus der Realität verstoßen wurden. Die Auseinandesetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Macht bestimmen nun das Bild von Tiflis, in den Straßen finden blutige Kämpfe statt, Bombenterror gehört zum Alltag, ebenso wie Begräbnisse. AM RANDE DER WELT folgt diesen Spuren des Todes und dokumentiert die Auswirkungen der sich unaufhaltsam drehenden Gewaltspirale auf das Leben und Schicksal Einzelner. »AM RANDE DER WELT zeigt die Veränderungen im Alltag der georgischen Hauptstadt als Verluste einer Utopie. Trümmer, Verzweiflung, Ratlosigkeit: dokumentarisches Kino als filmischer Trauergesang.« (Der Standard) BUCH, KAMERA Sara Fattah | SCHNITT Raya Yamisha | TON Raed Youman | LÄNGE 98 min | FORMAT Farbe und s/w, OmeU, DCP Ein Film, der stilistisch mit den formalen Grenzen des traditionellen Dokumentarfilms bricht und eine der größten Tragödien dieses Jahrzehnts in einem neuen, grausamen Licht erscheinen lässt: die Vernichtung Syriens. (Visions du Réel) KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT BUCH Goran Rebić | KAMERA Jerzy Palacz | SCHNITT Frank Soiron | MUSIK Tako Tsharkviani, Ludmilla Makarova | LÄNGE 90 min | FORMAT Farbe, OmU, 35 mm 55 SA 28.11., 18:00 | FR 4.12., 18:30 SO 29.11., 16:00 REISE DER HOFFNUNG WELCOME XAVIER KOLLER, CH/BRD/I/GB 1989 PHILIPPE LIORET, F 2009 BUCH Xavier Koller, Feride Çiçekoglu | KAMERA Elemér Ragályi | SCHNITT Galip Lytanir | MUSIK Jan Garbarek, Egberto Gismonti, Terie Rypdal, Arild Andersen | MIT Necmettin Çobanoglu, Nur Sürer, Emin Sivas, Dietmar Schönherr, Mathias Gnädinger | LÄNGE 110 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm Zusammen mit Mehmet Ali, dem aufgewecktesten seiner sieben Kinder, tritt das kurdische Ehepaar Haydar und Meryem in einem kleinen Dorf in der Türkei die Reise an, die aus der armen Heimat in die reiche Schweiz führen soll. Als die Einreise am Zoll nicht gelingt, fällt Haydar in Mailand Schleppern in die Hände. Beim nächtlichen Grenzübertritt am Splüngenpass wird die Familie auseinandergerissen, am folgenden Morgen stirbt der siebenjährige Sohn erschöpft in den Armen des Vaters. Allen droht nun die Abschiebung, dem Vater sogar ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung. (Kurt Hofmann) KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT »Ohne Feindbilder aufzubauen, zu ideologisieren oder zu idealisieren, lenkt der Film das Augenmerk auf Menschen, die heute in steigender Zahl ihre Heimat verlassen, weil sie in ihr keine Hoffnung mehr finden.« (Walter Auhlela) 56 REISE DER HOFFNUNG wurde mit einem Auslands-Oscar ausgezeichnet. BUCH Philippe Lioret, Emmanuel Courcol, Olivier Adam | KAMERA Laurent Dailland | SCHNITT Andrea Sedláćková | MUSIK Nicola Piovani | MIT Vincent Lindon, Firat Ayverdi, Audrey Dana, Derya Ayverdi, Thierry Godard, Selim Akgül | LÄNGE 110 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm Bilal ist 17 und stammt aus dem Irak. Er hat sein Land verlassen, nachdem seine Freundin Mina kurz zuvor nach England emigriert ist. Um sie wiederzusehen, hat Bilal auf abenteuerlichen Wegen ganz Europa durchquert. Doch nun kommt seine Reise an ihr abruptes Ende: Von Calais aus geht es nicht weiter. Bilal und Mina trennt der von starkem Nordwestwind aufgewühlte Ärmelkanal. Doch dass diese mit 500 Schiffen pro Tag meistbefahrene Schifffahrtsstraße der Welt zu überwinden ist, haben kühne Kanalschwimmer seit dem Jahre 1875 immer wieder bewiesen. Wird dies auch Bilal gelingen? Kurz entschlossen sucht der Junge das örtliche Schwimmbad auf, um das Schwimmen zu trainieren. Hier lernt er Simon kennen, dem er schließlich von seinen Absichten berichtet. Der ehemalige Top-Schwimmer zeigt sich beeindruckt von Bilals Entschlossenheit und unterstützt ihn – trotz hohem Risiko für beide. Philippe Lioret erzählt ohne Sentimentalität eine bewegende Geschichte zu einer brandaktuellen Thematik. In Frankreich löste der Film eine weit greifende öffentliche Debatte über die Flüchtlingssituation in Calais aus. SO 29.11., 18:15 SO 29.11., 20:00 | DO 3.12. 18:30 ACHTUNG STAATSGRENZE NERVEN BRUCH ZUSAMMEN SABINE DERFLINGER/BERNHARD PÖTSCHER, A 1996 ARASH T. RIAHI, A 2012 Der Alltag der Schubhäftlinge im Linzer Gefangenenhaus: Wie sie, vor Verfolgung flüchtend, ihr Land verlassen haben und sich nun als Verbrecher behandelt sehen, nicht wissend, welches Verbrechen sie begangen haben sollen. Wie sich ein feindliches Brüderpaar, das im Bosnienkrieg aufeinander geschossen hat, durch den gemeinsam erlittenen Entzug der Freiheit versöhnt. Wie die Festgehaltenen auf den Tag X warten, an dem sich das Gefängnistor für sie öffnet und sie in eine höchst ungewisse Zukunft entlassen werden. (Kurt Hofmann) Es hat schon fast etwas Magisches. Wir befinden uns im Haus Miriam, ein von der Caritas betreutes Übergangswohnheim, in dem Frauen in Notsituationen für ein bis zwei Jahre »auf Zeit« einen Unterschlupf finden, fern von all dem wwas ihnen wiederfahren ist. Das allein macht es jedoch noch nicht magisch. Zwölf Jahre nach seinem Zivildienst an genau diesem Ort ist Arash Riahi dorthin zurückgekehrt und hat ein Jahr lang mit seiner Kamera diese Frauen auf ihrem Weg begleitet. Es sind die Persönlichkeiten, die im Vordergrund stehen, und es ist diese Zurückhaltung hinter der Kamera von Arash Riahi, welche uns die Möglichkeit gibt, die Protagonisten so zu sehen wie sie wirklich sind. Sei es Rula aus Syrien, die sich emanzipiert hat und jetzt ein Kopftuch trägt, die mit Borderline diagnostizierte Johanna, oder Svetlana, eine Frau, die Stimmen hört und innigste Beziehungen mit Pflanzen führt. »Mit unserem Film gelang es erstmals, Zugang zu Frauen und Männern in einem österreichischen Schubhaftgefängnis zu erhalten, deren Situationen zu dokumentieren und die Zusammenhänge und Mechanismen zu zeigen, die es ermöglichen, dass in einem der reichsten Länder der west lichen Welt Menschen aufgrund ihrer Herkunft und strukturellen Armut bis zu sechs Monaten in der Schubhaft interniert werden.« (Sabine Derflinger) BUCH Arash T. Riahi | KAMERA Arash T. Riahi, Dominik Spitzendorfer, Mario Minichmayr | SCHNITT Nela Märki | MUSIK Karuan | LÄNGE 99 min | FORMAT Farbe, dF, DCP Einzigartige Frauen, bisher unsichtbar für den Großteil von uns, aber existent. Sei es ein »Telefonblödsinn« oder der »Nervenbruchzusammen«, der uns zum Lachen und Nachdenken bewegt, die Poesie darin ist wahrlich magisch. (am) SO, 29.11. PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DEM REGISSEUR KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT BUCH Sabine Derflinger, Bernhard Pötscher | KAMERA Bernhard Pötscher | SCHNITT Zuzana Brejcha | TON Bruno Pisek | LÄNGE 79 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm 57 DI 1.12., 18:30 DI 1.12., 20:30 ATLANTIC SCHWARZKOPF JAN-WILLEM VAN EWIJK, NL/D/F 2014 ARMAN T. RIAHI, A 2011 | DOKUMENTARFILM BUCH Abdelhadi Samih, Jan-Willem van Ewijk | KAMERA Jasper Wolf | SCHNITT Mona Bräuer | MIT Fettah Ahllamara, Thekla Reuten, Mohamed Majd | LÄNGE 94 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP BUCH Arman T. Riahi | KAMERA Dominik Spritzendorfer, Mario Minichmayr, Arman T. Riahi | SCHNITT Cordula Werner, Arman T. Riahi | LÄNGE 90 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP VORFILM KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT Der junge Fischer Fettah hat unter den europäischen Touristen, die jedes Jahr zum Windsurfen in sein kleines Dorf an der marokkanischen Atlantikküste kommen, viele Freunde gefunden. Auch er ist ein fantastischer Surfer. Doch jedes Mal, wenn seine Freunde wieder zurück in ihre Heimat ziehen, hinterlassen sie eine unerträgliche Leere, die Fettah von einem Leben weit weg von Zuhause träumen lässt. In einem Sommer verliebt sich der sensible Fettah in Alexandra, die Freundin eines holländischen Surffreunds. Obwohl sie unerreichbar für ihn scheint, bricht etwas in ihm zusammen, als Alexandra abreist. Sein wunderschönes Fischerdorf wird ihm unerträglich eng. Der Verlust gibt Fettah die Kraft, sich loszureißen. Er packt seinen Rucksack und begibt sich per Windsurfboard auf eine epische Reise entlang der Atlantikküste in Richtung Europa. Als ihn der Wind nach Norden trägt, vorbei an Casablanca und auf den Atlantik hinaus, realisiert Fettah, dass es kein Glück gibt, das keine Opfer verlangt. (RAY) 58 GEMMA GÜRTELKÄFIG DORIS KITTLER, A 2006 LÄNGE 25 min. Ardalan A. alias NAZAR ist 25 Jahre alt, Wiener, Rapper und »Schwarzkopf«. Er ist ein Mann mit Migrationshintergrund. Als er aus der vierwöchigen Untersuchungshaft entlassen wird, ist ihm klar, er steht nicht nur vor finanziellen Schwierigkeiten, denn er wird beschuldigt, einen Raubüberfall begangen zu haben. Seine Freunde Vahid und Musti stehen auf seiner Seite, doch sie haben beide sehr ähnliche Pro bleme. Ohne Perspektive, Ausbildung und Job entschließt sich Ardalan das Einzige zu machen, was er wirklich kann: Rappen. SCHWARZKOPF ist nicht nur ein Film über einen Rapper, der es geschafft hat. Es geht um Identität. Eine neue und junge Generation von Österreichern, voll von Sehnsucht und den großen Fragen des Lebens. (am) PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT ARMAN T. RIAHI UND DORIS KITTLER N E I R Y S MI 2.12., 18:30 RASAEL MEN AL YARMOUK / LETTERS FROM AL YARMOUK RASHID MASHAREWI, SYR 2014 KAMERA Niraz Saeed u. a. | SCHNITT Mohamed Nagee | LÄNGE 57 min | FORMAT Farbe, OmeU, DCP Im April 2015 bezeichnete der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge die Situation im paläs tinensischen Flüchtlingslager in Syrien, als »mehr als unmenschlich«. Der junge Fotograf Niraz Saeed lebt in diesem Lager und fleht mit seinen Bildern und Nachrichten täglich um Hilfe. Seine Bilder sind die einzige Beruhigung für Niraz’ Verlobte, die in Deutschland auf ihn wartet – nicht wissend, ob sie ihn je wiedersehen wird. MOBILE PHONE FILMS 4 Kurzfilme | LÄNGE 15 min RASHID MASHARAWI Geboren und aufgewachsen im Flüchtlingslager. Hat sich das Filmemachen selbst beigebracht. Bringt mit dem Mobile Cinema das Kino in die Flüchtlingslager. KINO.PROGRAMM LAND IN SICHT VORFILME 59 M U E S U DAS M NO KI S N I T EH G Gemeinsam mit dem Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek veranstaltet das METRO Kinokulturhaus ab Oktober 2015 die Reihe »Das Museum geht ins Kino«. In unmittelbarer Nachbarschaft zueinander gelegen, sind beide Häuser Ausstellungsorte und lebendige Räume der Auseinandersetzung in denkmalgeschütztem Ambiente. KINO.PROGRAMM DAS MUSEUM GEHT INS KINO In seiner Dauerausstellung zeigt das Literaturmuseum die Vielstimmigkeit der österreichischen Literatur nicht nur in Handschriften und Texten, sondern auch in vielen bewegten Bildern: Von Werner Schroeters Verfilmung von Ingeborg Bachmanns Roman Malina, der auf einem Drehbuch Elfriede Jelineks basiert, bis hin zu Experimentalfilmen aus dem Umfeld der Wiener Gruppe ist das Medium Film in vielen Facetten präsent. Immerhin hatte das Kino seit seiner Frühzeit große Ausstrahlungskraft auf die Literatur: Die neue »visuelle Kultur« (Béla Balázs) regte Schriftsteller zu filmischen Schreibweisen an, ihre literarischen Stoffe wiederum kamen auf die Leinwand. Autorinnen und Autoren waren und sind aber auch leidenschaftliche Kinogänger: Ilse Aichinger ist bekannt für ihre Kinobegeisterung und Josef Winklers Vorliebe für Karl May-Verfilmungen spiegelt sich in seinem Werk wider. Franz Kafka schließlich notierte die oftmals starken Eindrücke seiner Kinobesuche in seinem Tagebuch: »Im Kino gewesen. Geweint.« 60 Die Reihe »Das Museum geht ins Kino« möchte die vielen unterschiedlichen Verbindungslinien zwischen Literatur und Film mit Autoren-Lesungen, Filmvorführungen, Vorträgen und Gesprächen beleuchten. FREIER EINTRITT IM LITERATURMUSEUM UND METRO KINOKULTURHAUS MO 9.11.,19:00 Lesung im Literaturmuseum 20:00 Filmvorführung im METRO Kinokulturhaus WINNETOU III HARALD REINL, BRD / YU 1965 BUCH J. Joachim Bartsch, Harald G. Petersson | KAMERA Ernst W. Kalinke | MUSIK Martin Böttcher | SCHNITT Jutta Hering | MIT Pierre Brice, Lex Barker, Rik Battaglia, Ralf Wolter, Sophie Hardy | LÄNGE 93 min | FORMAT Farbe, dF, 35 mm Karl May war der Lektüregott des jungen Josef Winkler: »Ich nahm Winnetou III mit dem Titelbild von Sascha Schneider zur Hand, auf dem der nackte Winnetou abge bildet ist […] und begann die Sterbepassage abzutippen, das Zehnfingersystem am Tod Winnetous zu erlernen.« (Josef Winkler, Winnetou, Abel und ich, 2014) Im letzten Teil der Trilogie treten der Häuptling der Apachen und sein Blutsbruder Old Shatterhand einmal mehr gegen Outlaws an, die sich am »Krieg zwischen Roten und Weißen« bereichern wollen. Zudem muss sich Winnetou vom Verdacht eines heimtückischen Mordes reinwaschen. Der Banditen-Anführer Rollins sät Unfrieden zwischen Siedlern und Indianern, tötet den Häuptlingssohn der Jicarillos und schiebt den Mord Winnetou in die Schuhe. So sehen sich Winnetou und Shatterhand einem Kampf an zwei Fronten gegenüber – gegen die aufgehetzten Indianer auf der einen und gegen die verschlagenen Desperados auf der anderen Seite. 19:00 LESUNG UND EINFÜHRUNG MIT JOSEF WINKLER IM LITERATURMUSEUM 20:00 FILMVORFÜHRUNG UND GESPRÄCH MIT JOSEF WINKLER IM METRO KINO KULTURHAUS KAFKA VA AU CINÉMA / KAFKA GEHT INS KINO HANNS ZISCHLER, F 2002 DEN HVIDE SLAVEHANDELS SIDSTE OFFER / DIE WEISSE SKLAVIN II BUCH Hanns Zischler | KAMERA Hanns Zischler, Ute Adamczewski, Miriam Fassbender | SCHNITT Peter Sabat | STIMMEN Jeanne Balibar, Beate Jensen, Laurent Poitrenaux, Christian Standtke, Hanns Zischler | LÄNGE 54 min | FORMAT Farbe, s/w, dF, DCP AUGUST BLOM, DK 1911 Franz Kafka war ein Kinogänger. Welche Filme hat Kafka gesehen? Welche Spuren haben sie in Kafkas Werk hinterlassen? Autor und Schauspieler Hanns Zischler hat sich in seinem Buch Kafka geht ins Kino aus dem Jahr 1996 auf eine detektivische Spurensuche gemacht und die Kino-Welt Kafkas erforscht. Dem Buch folgte eine Dokumentation, in der das Vergangene im Gegenwärtigen sichtbar wird. Wie viele Schriftsteller der Generation um 1880 war Franz Kafka ein leidenschaftlicher Kinobesucher. Kino oder Kintopp galt unter Künstlern und Intellektuellen, zumindest bis 1913, als pure Attraktion und Divertissement – ohne allen künstlerischen Anspruch. Die Wahrnehmung der Kinematographie war in vielen Fällen dementsprechend oberflächlich. Wenn man sich darauf einließ, dann allenfalls herablassend; man machte Verbesserungsvorschläge – ohne die genuine Ästhetik auch nur zu erahnen. Bei Kafka liegen die Dinge anders: er war hemmungslos affiziert von den überlebensgroßen Figuren, er adoptierte sie in seine Tagträume und erweckte sie in seinem Schreiben zu neuem Leben. Am 26. August 1911 notierte Kafka in sein Tagebuch: »Ich erinnere mich noch genau an das Kinematographenstück DIE WEISSE SKLAVIN, in dem die unschuldige Heldin gleich am Bahnhofsausgang im Dunkel von fremden Männern in ein Automobil gedrängt und weggeführt wird.« BUCH Peter Christensen | KAMERA Axel Sørensen | MIT Clara Wieth, Lauritz Olsen, Thora Meincke, Otto Lagoni | LÄNGE 47 min | FORMAT s/w, OF, 35mm Der dänische Sensationsfilm DIE WEISSE SKLAVIN II (DIE FLUCHT DER SKLAVENHÄNDLER) ist einer der ersten langen Spielfilme der Kinogeschichte. Er widmet sich einem zu Beginn des 20. Jahrhunderts äußerst populären Thema: weiße Sklaverei. LIVE-MUSIK VON GERHARD GRUBER 19:00 LESUNG UND EINFÜHRUNG MIT HANNS ZISCHLER IM LITERATURMUSEUM 20:00 FILMVORFÜHRUNGEN VON FRANZ KAFKA GEHT INS KINO UND DIE WEISSE SKLAVIN IM ANSCHLUSS FILMGESPRÄCH MIT HANNS ZISCHLER KINO.PROGRAMM DAS MUSEUM GEHT INS KINO MI 2.12., 19:00 Lesung im Literaturmuseum 20:00 Filmvorführung im METRO Kinokulturhaus 61 R E N R E W IVE T K E P OS R T E R NEKES DI 10.11., 18:00 PROGRAMM 1 ULIISSES KINO.PROGRAMM WERNER NEKES WERNER NEKES, BRD 1980/82 Frei nach James Joyces Ulysses, Homers Odyssee und Neil Orams The Warp | TEAM Dore O., Bernd Upnmoor, Herbert Jeschke, Volker Bertzky, Gisela Schanzenbach, Astrid Nicklaus, Birger Bustorff | TON Anthony Moore, Helge Schneider und Musiker des »Science Fiction Theatre of Liverpool« | MIT VA Wölfl, Tabea Bloomenschein, Russel Denton, Shehzad Abbas, Sarah Antill, Jim Broadbent, Bernd Upnmoor, Werner Nekes, Dore O., Birger Bustorff | LÄNGE 94 min. | FORMAT Farbe, dF, 35mm 62 Der Film ist eine »homerische« Reise durch die Geschichte des Kinos. Werner Nekes fasst Homers Odysseus, Joyces Ulysses und Orams synthetischen Telemach/Phil zusammen und zeigt die Geschichte dieser Figuren analog zur Geschichte der »Lichteratur«, des Schreibens mit »Licht« (= Film). Hauptthema ist jedoch die visuelle Sprache selbst. Odysseus/Bloom verwandelt sich in Uli, den Fotografen, Penelope/Molly ist sein Modell, Telemach/ Stephan wird Phil, der seine »Telemachia« beginnt. Die Verknüpfung ihrer drei Lebensläufe geschieht im Ruhrgebiet, an einem Tag im September 1980, die Bundesrepublik steht gerade vor Wahlen. »Diese inhaltliche Gewebe-Struktur ist derart faszinierend, dass wir beim ersten Sehen des Films uns nur ab und zu bewusst werden, was für einen unglaublich komischen Film wir gezeigt bekommen.« (Eva M. J. Schmid, Journal Film, 4) DO 12.11., 18:00 PROGRAMM 2 DER TAG DES MALERS WERNER NEKES, D 1997 BUCH Werner Nekes | KAMERA Werner Nekes | DIGITALE BILDBEARBEITUNG Rajele Jain MUSIK Anthony Moore | MIT Kirsten Dressler, Heide Jansen, Maria Masciulli, Judith Verberne | LÄNGE 84 min. | FORMAT Farbe, dF, 35mm Der Blick des Malers auf das weibliche Modell, oder Wie sich Voyeurismus in Kultur verwandelt ... Ein erotischer Aben teuerfilm, dessen Thema der Zuschauer selbst ist. DER TAG DES MALERS zeigt, was LA BELLE NOISEUSE nicht zeigen mag: das unbekannte Meisterwerk. Ein Gang durch die Bildwelten des Malers, ein Amalgam der malerischen Ausdrucksmöglichkeiten von Film, Video und Computer. »Ungewöhnliche Zeigweisen machen den Film zu einem Abenteuerfilm für den Blick des Betrachters. Malerei und Film verschmelzen miteinander.« (Werner Nekes) SA 14.11., 18:00 PROGRAMM 3 LITTLE NIGHT WERNER NEKES, BRD 1979 LÄNGE 14 min | FORMAT Farbe, dF, 16mm Ein schlafendes Mädchen wird von wundersamen Träumen heimgesucht. Verschiedenartige Bildwelten verschmelzen zu einem verwirrenden Puzzle, das sich in Erleichterung auflöst, als das Mädchen, von der Mutter beruhigt, wieder einschlafen kann. Ein Experimentalfilm – auch für Kinder. Johnny Flash JOHNNY FLASH WERNER NEKES, BRD 1987 TEAM Peter Ritz, Bernd Upnmoor, Serge Roman, Dore O., Astrid Nicklaus, Sergej Gleitmann, Christoph Schlingensief | TON Andreas Wölki, Wolfgang Wirz MUSIK Helge Schneider | MIT Helge Schneider, Andreas Kunze, Heike Melba-Fendel, Marianne Traub | LÄNGE 80 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm »Johnny Flash ist die phantastische Geschichte von Jürgen Potzkothen und seinem wunderbaren Aufstieg zum bewunderten Schlagerstar. Doch hören wir, was Mutter Potzkothen dazu sagt: ›Merk’n Se sich jetzt ma genau den Namen JOHNNY FLASH. Johnny Flash is nämlich in Wirklichkeit Jürgen Potzkothen, ham Se dat jetzt? Wir Potzkothens sind ne alte Elektrikerfamilie, aber Jürgen, also Johnny is jetzt auf de Erfolgsleiter gestiegen. Der wollte kein Elektriker mehr sein un Bäcker auch nich un da is er eben berühmt geworden, also da is er eben noch bei, am erfolgreich werden. Wie dat alles kam, ja dat müssn Se sich ma ansehn, da werd’n Se janz schön staunen. Da sehn Se auch wat der Herr Toi vonne Künstleragentur Toi, Toi und Toi so alles tut. Un vor allen Dingens, wie sich die Schickse von Musik-SAT an meinen Jürgen ranpoussiert, un wie wir dat dann doch noch vonne Trabrennbahn in Gelsenkirchen inne Schlagerparade geschafft habn. Un wie dat alles so war, also dat is ja schon ne komische Geschichte, dat.‹ Man reibt sich die Augen, wenn man liest, dass ausgerechnet unser unermüdlicher Avantgardefilmer, Werner Nekes, für die Regie dieser Sau komik verantwortlich zeichnet.« (Die Welt) KINO.PROGRAMM WERNER NEKES Der Tag des Malers 63 Kunsthalle Wien Museumsquartier 7/11 2015 – 7/2 2016 Nobody is listening to your telephone calls. Barack Obama FR 4.12., 16:30 PROGRAMM 4 TARZANS KAMPF MIT DEM GORILLA WERNER NEKES, BRD 1968 LÄNGE 12 min. | FORMAT s/w, dF, 16mm »›Ein Dschungelfilm‹, kompiliert aus den Geräuschen, Urlauten, Bildern und Dialogen der Gattung, die vor dem Hintergrund neutraler Szenerien und Szenen ein zweites Leben entfalten: dschungelhaft wirkt weniger, was dazu veranstaltet war, als die zum Kontrast zitierte Normalsphäre aus Alltagsdialogen, in denen belanglose Konversation zum Zeremoniell gerät und ein Reigen des Einander-Vorstellens sich wie ein makabres Namenballett aus der ›Kahlen Sängerin‹ oder den ›Stühlen‹ Ionescos anhört. Dschungelhaft wirkt endlich auch die Silhouette aus Parkbäumen, der der Dschungelfilm Ton leiht: ein stehendes Panorama unaufhaltsam fortschreitender Anarchie.« (Jörg Peter Feurich, Filmkritik, 2/1970, S. 100f)) MIRADOR WERNER NEKES, BRD 1978 TEAM Dore O., Bernd Upnmoor, Herbert Jeschke, Birger Bustorff, Winfried Wolf, Harm Abrahams, Djura Ankijc | KOMPOSITIONEN Anthony Moore | MIT Günter Tuzina, Claus Böhmler, Geeske Hof-Helmers, Klaus Arp, Franz Winzenstein, Volker Meier, Ingrid Heller, Corinna Gust | LÄNGE 88 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm #Populism Ausstellung Basel Abbas & Ruanne Abou-Rahme, Lawrence Abu Hamdan, Saâdane Afif, Darren Bader, Keren Cytter, Simon Denny, Christian Falsnaes, Evgeny Granilshchikov, Flaka Haliti, Rosemary Heather, Calla Henkel & Max Pitegoff, Anna Jermolaewa, Johanna Kandl, Minouk Lim, Goshka Macuga, Jumana Manna, Mián Mián, Marcel Odenbach, Ahmet Ögüt, Trevor Paglen, Hito Steyerl, Erik Van Lieshout, Jun Yang www.kunsthallewien.at Dieser Film wendet sich gegen das Absurde und Verstiegene der in derselben Weise immer wiederkehrenden phantastischen Abenteuer und Taten der Gangster, Cowboys, Schönlinge und Monster, das Schablonenhafte und Unorganische im Aufbau und in der Intrige, gegen die SchwarzWeiß-Malerei der Charaktere, überhaupt die psychologischen Unzulänglichkeiten – mit einem Wort also gegen die Verzerrung der Gegebenheiten des Lebens wie der Gesetze der Kunst. S N O I S S MA SE CINE VARIETÉ E. A. DUPONT, D 1925 BUCH Leo Birinski, E. A. Dupont nach dem Roman Der Eid des Stefan Huller von Felix Holländer | KAMERA Karl Freund, Carl Hoffmann | MIT Emil Jannings, Lya de Putti, Warwick Ward, Maly Delschaft, Kurt Gerron, Georg John | LÄNGE 88 min | FORMAT viragiert, DCP VARIETÉ zählt zu den deutschen Filmerfolgen des Jahres 1925. Das Eifersuchtsdrama mit den Stars Emil Jannings und Lya de Putti bereitete für Regisseur E. A. Dupont und viele der Mitwirkenden den Weg nach Hollywood. Auch durch die berühmte »entfesselte Kamera« von Karl Freund genießt der Film noch heute Weltruf. VARIETÉ erzählt die tragische Geschichte des Mörders »Boss« Huller, der nach zehn Jahren Haft die Aussicht auf eine Begnadigung bekommt. Dafür muss er das Schweigen über seine Tat beenden. Gesühnt schildert er dem Gefängnisdirektor seine Geschichte, die im Film in langen Rückblenden erzählt wird: Boss, einstmals ein berühmter Trapezkünstler, ist nach einem Unfall zum Schaubudenbesitzer auf der Reeperbahn abgestiegen. Für die verführerische Tänzerin Berta-Marie verlässt er Frau und Kind. Doch diese beginnt mit dem Artisten Artinelli eine Affäre. Die digitale Neurestaurierung des UFA-Klassikers erfolgte 2015 durch das Filmarchiv Austria in Kooperation mit der Murnau Stiftung. Die Welt-Uraufführung erfolgte bei der Berlinale 2015. Mit einer Live-Vertonung von Chrono Popp und Hans Holler. CHRONO POPP Der Musiker, Komponist, Teilzeitkünstler und Autodidakt Chrono Popp war musikalischer Leiter von Phettbergs Nette Leit Show, schrieb die Musik zu vielen Theaterinszenierungen und zu so gut wie allen Filmen Kurt Palms sowie zahlreiche StummfilmBegleitungen. HANS HOLLER Der Musiker und Tontechniker Hans Holler spielte bereits »Elektronische Musik«, als diese noch unter »Synthesizer-Musik« lief – unter anderem bei Hip Hop Finger und beim Musikkreis MS 20. KINO.PROGRAMM CINEMA SESSIONS MI 11.11., 19:00 65 KI S N A R F A S R E IG RÜD FR 13.11.2015, 19:00 RÜDIGER SAFRANSKI ZEIT. WAS SIE MIT UNS MACHT. GESPRÄCH UND LESUNG METRO KINOKULTURHAUS, HISTORISCHER SAAL EINTRITT: FREIWILLIGE SPENDE Was macht die Zeit mit uns? Und was machen wir aus ihr? Der Philosoph Rüdiger Safranski ermutigt uns in seinem neuen Buch, den Reichtum der Zeiterfahrung zurückzugewinnen. Jenseits der Uhren, die uns ein objektives Zeitmaß vorgaukeln ... Facettenreich beschreibt der 70-Jährige das Spannungsfeld zwischen Vergehen und Beharren und ermuntert uns, aufmerksam mit diesem wertvollen Gut umzugehen. KINO.PROGRAMM BRÜDIGER SAFRANSKI Moderation: Philipp Blom (Hanser Verlag) 66 RÜDIGER SAFRANSKI, geboren 1945, ist Philosoph und vielfach preisgekrönter, in 30 Sprachen übersetzter Autor u. a. von großen Biografien über E. T. A. Hoffmann, Heidegger, Nietzsche, Schiller, von Büchern über die menschlichen Grundfragen, u. a. über das Böse und die Wahrheit, und zuletzt der vielgepriesenen Bücher über die Romantik (2007), über die Freundschaft von Goethe und Schiller (2009) sowie über Goethe (2013). 2014 wurde Rüdiger Safranski u. a. mit dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet. ED D A O L IR RE O N M L I F GASLIGHT THOROLD DICKINSON, GB 1940 BUCH Patrick Hamilton, A.R. Rawlinson, Bridget Boland | KAMERA Bernard Knowles | MUSIK Richard Addinsell | MIT Adolf Wohlbrück, Diana Wynyard, Frank Pettingell, Cathleen Cordell, Robert Newton | LÄNGE 89 min | FORMAT s/w, eOF, 35mm Nicht nur Hollywood war das Ziel vieler Filmschaffender in den 1930er- und 1940er-Jahren, auch London diente oft als Zwischenstation der Flucht bzw. als Sprungbrett, um in die internationale Filmbranche einzusteigen. Der gebürtige Wiener Anton Walbrook (alias Adolf Anton Wilhelm Wohlbrück) ging jedoch den umgekehrten Weg. Nach kurzer und unbefriedigender Tätigkeit in den Studios von Hollywood und trotz der fortwährenden Bedrohung durch den Nationalsozialismus kehrte er nach Europa zurück, wo er sich in London niederließ. An der Seite von Diana Wynyard übernahm er in der britischen Produktion GASLIGHT die Hauptrolle. Regie führte Thorold Dickinson, der sich schon in zahlreichen anderen Produktionen gegen faschistische Ideologien sowie den selbst für Großbritannien nicht irrelevanten und sich in breiten Teilen Europas radikalisierenden Antisemitismus positionierte. GASLIGHT ist gezeichnet von Gier, vom systematischen Einsatz von Herrschaft, welche das Tun der beherrschten Personen willkürlich erscheinen lässt sowie von der Bedrohung des Vergessens und der Notwendigkeit des Erinnerns. (cw) Mit einer Einführung von Frank Stern (Leiter des Schwerpunkts Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte am Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien) und anschließender Diskussion mit Frank Stern und Christian Cargnelli (Film wissenschaftler und Lehrbeauftragter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien; seit Anfang der 1990er-Jahre intensiv mit Filmexil und Exilfilm befasst, etwa in dem Forschungsprojekt German-speaking Emigrés and Britsh Cinema, 1925–1950). MO, 16.11, PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT FRANK STERN UND CHRISTIAN CARGNELLI KINO.PROGRAMM FILM NOIR MO 16.11., 19:00 | 17.11., 20:00 67 MO 30.11., 18:00 | FR 4.12., 20:30 FR 20.11., 19:00 | MO 23.11., 20:00 THE LADY FROM SHANGHAI / DIE LADY VON SHANGHAI BORDER INCIDENT / TÖDLICHE GRENZE ORSON WELLES, US 1948 ANTHONY MANN, US 1949 Schlechte Kritiken regnete es seinerzeit für THE LADY FROM SHANGHAI, doch wie so oft bedurfte es auch für diesen Noir von Orson Welles Zeit und Distanz, bis die Ästhetik dieser Filmkunst zu einem Klassiker wurde. Neben Rita Hayworth spielt auch Welles selbst eine Hauptrolle, dessen Charakter, Michael O’Hara, ob als Kutscher im Central Park, während des intrigendurchtränkten Segeltrips oder durch eine turbulente Rutschfahrt ins Spiegelkabinett stets auf Irrwege geführt wird. Die Musik wurde von Heinz Roemheld komponiert. Allan Roberts und Doris Fisher, die Tochter eines deutschen Komponisten, lieferten den Song Please Don’t Kiss Me. Der in Krakau geborene Rudolph Maté war neben Charles Lawton jr. für die Kamera zuständig. Als Schüler Alexander Kordas und geprägt durch die Zusammenarbeit mit Carl Theodor Dreyer, Fritz Lang oder René Clair ist es vor allem Maté, der in der für den Film Noir unumgänglichen transatlantischen Filmsprache in THE LADY FROM SHANGHAI durch die Kamera spricht. (cw) VORFILM KINO.PROGRAMM FILM NOIR BUCH Orson Welles, nach dem Roman I Die Before I Wake von Sherwood King | KAMERA Charles Lawton jr., Rudolph Maté | MUSIK Heinz Roemheld | MIT Orson Welles, Rita Hayworth, Everett Sloane, Glenn Anders | LÄNGE 86 min | FORMAT s/w, eOF, 35mm 68 PUBLIKUMSGESPRÄCH IM ANSCHLUSS AN DEN FILM. BUCH John C. Higgins | KAMERA John Alton | SCHNITT Conrad A. Nervig | MUSIK André Previn | MIT Ricardo Montalban, George Murphy, Howard da Silva | LÄNGE 94 min | FORMAT s/w, eOF, 35mm A CRIME DOES NOT PAY: FORBIDDEN PASSAGE FRED ZINNEMANN, US 1941 LÄNGE 21 min | FORMAT s/w, eOF, 35mm Illegale Einwanderung und brutale, menschenunwürdige Ausbeutung, die auch vor Mord an denen nicht zurückschreckt, die Arbeit jenseits der Grenze suchen. Der Film ist ein antirassistisches Statement, indem er zwei UndercoverProtagonisten zeigt, einen Mexikaner und einen weißen US-Amerikaner, die versuchen, den scheinbar ehrenhaften Menschenhändlern das Handwerk zu legen. Kameraführung und realistische Härte geben dem Spielfilm von Anthony Mann ein dokumentarisches Profil. Die emotionale Kraft der Landschaftsaufnahmen nimmt Manns in den folgenden Jahren produzierte Western vorweg. Mann und der Kameramann John Alton galten als »Duo of Darkness« und haben vier Noir-Filme produziert, u. a. T-MEN und HE WALKED AT NIGHT. (fs) SA 21.11., 19:00 | DI 24.11., 20:00 SO 22.11., 19:00 | MI 25.11., 20:00 ODDS AGAINST TOMORROW / THE NORTH STAR WENIG CHANCEN FÜR MORGEN LEWIS MILESTONE, US 1943 BUCH Abraham Polonsky, Nelson Gidding, nach dem gleichnamigen Roman von William P. McGivern | KAMERA Joseph C. Brun | MUSIK John Lewis, Harry Belafonte | MIT Harry Belafonte, Robert Ryan, Shelley Winters, Gloria Grahame | LÄNGE 96 min | FORMAT s/w, eOF, 35mm In vielfältigen Kombinationen von Genre und Stil befasste sich Robert Wise in seinen Regiearbeiten mit in Konflikt zueinander stehenden Kulturen und den damit einhergehenden Formen von Diskriminierung. ODDS AGAINST TOMORROW widmet sich in der ästhetischen Tradition des Film Noir ohne Ausschweifungen den Abgründen des New Yorker Alltagsrassismus, welcher der Black Community klare Grenzen und Klassenzugehörigkeiten auferlegt und sie auf ein von Jazzklängen getragenes, verruchtes Milieu reduziert. John Lewis moderne Jazzkompositionen lassen die allgegenwärtige Präsenz von willkürlichen Rassismen unausweichlich werden und unterstreichen so auch akustisch die schlussendlich kulminierende Absurdität von ansozia lisierter Differenz. (cw) BUCH Lillian Hellman | KAMERA James Wong Howe | MUSIK Aaron Copland, Ira Gershwin | MIT Anne Baxter, Dana Andrews, Walter Brennan, Erich von Stroheim, Ann Harding | LÄNGE 108 min | FORMAT s/w, OF, 35mm Lewis Milestone inszenierte mit THE NORTH STAR einen der wenigen amerikanischen »Pro-Sowjet«-Kriegsfilme. Der Anfang idealisiert eine idyllische Kolchose mit Bildern wie im Musical Oklahoma, und Walter Brennan erinnert an Tevje, den Milchmann aus Anatevka. Aber der Angriff der Nazis zerstört sehr schnell die friedliche Gemeinschaft, die im weiteren Verlauf des Films verzweifelt ums Überleben kämpft. Aus der großartigen Besetzungsliste ragt Erich von Stroheim als gewissenloser Nazi-Doktor heraus. THE NORTH STAR war für sechs Oscars nominiert und wurde in der Zeit des Kalten Krieges rigoros gekürzt und umgeschnitten, was natürlich alle pro-sowjetischen Szenen betraf. Unter dem Titel ARMORED ATTACK kam er 1957 nochmals in die Kinos, ergänzt um einen anti-sowjetischen Epilog rund um den Ungarn-Aufstand 1956. (kd) KINO.PROGRAMM FILM NOIR ROBERT WISE, US 1959 69 AS R T I O RA P U A L E V PEKTI S RETRO DO 19.11.2015, 19:00 | SA 21.11., 16:30 CITIZENFOUR LAURA POITRAS, US/D 2014 KINO.PROGRAMM LAURA POITRAS KAMERA Kirsten Johnson, Trevor Paglen, Laura Poitras, Katy Scoggin | SCHNITT Mathilde Bonnefoy | MIT Edward Snowden, Glenn Greenwald, William Binney, Jacob Appelbaum | LÄNGE 114 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP 70 Während Laura Poitras an einem Film über Überwachungsprogramme arbeitet, die von Geheimdiensten seit dem 11. September entwickelt werden, erhält sie ein E-Mail von einem ihr unbekannten Mann, der sich »Citizenfour« nennt. Er teilt ihr mit, dass er Belege für die illegale Abhörtätigkeit der National Security Agency hat. Poitras trifft den Mann mit zwei Journalistenkollegen in einem Hotelzimmer in Hongkong. Sie führen vier Tage lang ein Gespräch mit Edward Snowden, in denen dieser einiges über die Praktiken der NSA erzählt. Als die Journalisten Snowdens Identität auf dessen Wunsch der Öffentlichkeit mitteilen, fordern die USA dessen Auslieferung. Snowden erhält in Russland vorübergehend Aufenthalt. Poitras lässt Politiker, Geheimdienstler und andere Insider zu Wort kommen und zeichnet das Bild eines entfesselten Staates, der Bürgerrechte unter dem Vorwand der Sicherheit abbaut. Snowdens Enthüllungen ziehen weite Kreise und diplomatische Krisen bis nach Deutschland nach sich. CITIZENFOUR endet mit einem Besuch Poitras und ihrer Kollegen bei Snowden in Russland, wo er sich bis heute aufhält. DO 19.11., 21:30 | SO 22.11., 18:30 SA 21.11., 20:45 | SO 22.11., 16:30 MY COUNTRY, MY COUNTRY THE OATH LAURA POITRAS, US 2006 LAURA POITRAS, US 2010 Im Jahr 2005 soll der Irak erstmals unter den Augen des US-amerikanischen Militärs in freien Wahlen ein Parlament bestimmen. Laura Poitras begleitet über sechs Monate die Vorbereitungen dazu und trifft auf ein Land, das von Krieg, Zerstörung und Chaos schwer gezeichnet ist. Die Gesellschaft ist von scheinbar unüberbrückbaren Gräben durchzogen: Sunniten, Schiiten und Kurden verfolgen jeweils ihre eigenen Interessen. In dem Arzt Dr. Riyadh al-Adhadh und seiner Familie in Bagdad findet Poitras das emotionale Zentrum dieses Films. Während al-Adhadh im Krankenhaus seine Patienten betreut und zu bestärken versucht, bricht in den eigenen vier Wänden sein ganzer Pessimismus heraus, was seine Töchter mit Ironie quittieren. Doppelporträt zweier Freunde aus dem Jemen, die als Chauffeur und Leibwächter im innersten Kreis von al-Qaida tätig waren. Seit sie auf Befehl von Osama bin-Laden zwei Schwestern geheiratet haben, sind sie verschwägert. Ihre Geschichte könnte dennoch nicht unterschiedlicher verlaufen sein: Nasser al-Bahri, genannt Abu Jandal, kehrte in den Jemen zurück, bevor die US-Justiz seiner habhaft werden konnte. Nach Jahren im Gefängnis nahm er an einem ReEducation-Programm der Regierung teil und arbeitet heute als Taxifahrer in Sana’a. Sein Schwager Salim Hamdan saß sechs Jahre in Guantanamo ein und wurde später in ein Gefängnis im Jemen überstellt. 2012 bestätigte ein US-Gericht seine Unschuld. Den ungewissen Perspektiven der Bevölkerung setzt Poitras die geordnete Präsenz der amerikanischen Militärs entgegen: Bestens ausgerüstet patrouillieren die vermeintlichen »Befreier« durch die Straßen oder führen Lagebesprechungen im Hauptquartier. Immer mit dem Wissen, dass ihr Einsatz hier von beschränkter Dauer ist. Poitras greift deren Schicksale durch unterschiedliche Erzählstrategien auf: während al-Bahri auf schillernde Weise Rede und Antwort vor der Kamera steht und bereitwillig Einblicke in sein Leben gibt, kommt Salim Hamdan nur in Form einer Ghost Story vor. Über seine schwere Zeit in Guantanamo und das Leben danach erfährt man nur aus dem Mund von al-Bahri. KAMERA Laura Poitras, Kirsten Johnson | SCHNITT Jonathan Oppenheim | MUSIK Osvaldo Golijov | MIT Salim Hamdan, Abu Jandal, Troi Lebane | LÄNGE 90 min | FORMAT Farbe, OmeU, DCP KINO.PROGRAMM LAURA POITRAS BUCH, KAMERA Laura Poitras | SCHNITT Kathi Black, David Brancaccio, Larry Goldfine, David Kreger, Erez Laufer, Laura Poitras, Judith Wolff | MUSIK Kadhum Al Sahir | MIT Dr. Riyadh, Aaron Castle, Scott Farren-Price | LÄNGE 90 min | FORMAT Farbe, eF, DCP 71 RE E PREMI SO 8.11., 13:00 | 22.11., 13:00 | SO 29.11., 15:00 | SO 6.12., 13:00 VARVILLA VALERIO GNESINI, I 2015 KINO.PROGRAMM VARVILLA BUCH Valerio Gnesini | KAMERA Alessio Valori | SCHNITT Diego Berré | MIT Albaro Torri | LÄNGE 75 min | FORMAT Farbe, ITmdU, DCP 72 Der Dokumentarfilm VARVILLA versteht sich als Antwort auf die ökonomische Krise und die Landflucht, die Italien in besonderer Weise erfasst hat. In Succisso, in der italienischen Provinz Reggio Emilia haben sich die DorfbewohnerInnen vor 20 Jahren zusammengetan und eine Coopera tive gegründet, um so ihr Dorf vor dem Aussterben zu bewahren. Heute betreibt »Das Tal der Ritter«, wie die Cooperative genannt wird, eine Bar, einen Bauernhof, eine Greißlerei und ist im Tourismus, in der Schafzucht und Käseproduktion, in der Nahversorgung der Region und in der Betreuung des Besucherzentrums des Nationalparks aktiv. Ein einzigartiges Modell in Italien, das der Depopula tion in kleineren Regionen des Landes entgegenwirkt und das es in vergleichbarer Art nur in Australien gibt. SONNTAG, 8. NOVEMBER, 13 UHR KONZEPTE GEGEN LANDFLUCHT Podiumsdiskussion: Valerio Gnesini (Regisseur VARVILLA) Nicole Prop (Green Care Österreich, Landwirtschaftskammer Wien) Christof Isopp (Zukunftsorte) Moderation: Thomas Stollenwerk (BIORAMA) SONNTAG, 22. NOVEMBER, 13 UHR WIEDERBELEBUNG LÄNDLICHER REGIONEN Podiumsdiskussion: Rita Huber (Rita bringt’s) Florian Holzer (Stadtzeitung Der Falter) Moderation: Johanna Stögmüller (Die Grünen) SONNTAG, 29. NOVEMBER, 15 UHR BIO- UND SLOWFOOD BEWEGUNG Podiumsdiskussion SONNTAG, 6. DEZEMBER, 13 UHR REGIONALE VIELFALT Podiumsdiskussion: Anna Keutgen (Boku, Nutzpflanzenwissenschaften) Gerhard Zoubek (ADAMAH BioHof) Moderation: Jürgen Schmücking (BIORAMA) K FI MO 23.11., 19:00 THE PRICE WE PAY HAROLD CROOKS, CDN 2014 BUCH Brigitte Alepin, Harold Crooks | KAMERA Alex Margineanu | SCHNITT Louis-Martin Paradis | MUSIK Ramachandra Borcar | LÄNGE 93 min | FORMAT Farbe, eOF, DCP Der aufrüttelnde Dokumentarfilm von Harold Crooks erzählt von den üblen Tricks und Strategien, mit denen multinationale Unternehmen Regierungen um Billionen von Dollar an Steuereinnahmen berauben. Der Film enthüllt, wie Multis und Superreiche mit Hilfe eines weltweiten SteueroasenNetzes die Grundlagen demokratischer Staaten untergraben und die Finanzierung der sozialen Dienste der Mittelklasse und den Armen überlassen. Die Dokumentation beleuchtet die dunkle Geschichte und die heutige düstere Realität dieses Systems, in der Konzerne es sich oftmals aussuchen können, ob sie Steuern zahlen wollen oder nicht. Ein wichtiges Exposé von den zerstörerischen Kräften des Kapitalismus, ist THE PRICE WE PAY eine kraftvolle und überzeugende Handlungsaufforderung. ÖSTERREICH-PREMIERE: FILMGESPRÄCH IN ENGLISCHER SPRACHE MIT REGISSEUR HAROLD CROOKS NACH DEM FILM. MODERATION: MARTINA NEUWIRTH (VIDC) EINTRITT: FREIWILLIGE SPENDE In Kooperation mit Aktionsradius Wien, Attac Österreich und VIDC. KINO.PROGRAMM THE PRICE WE PAY ITI L O P LM + 73 A I R T S U AA F I S A E R H 30 JA MO 23.11.2015, 21:00 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA AUSTRIAN ANIMATED EXPERIMENTS PROGRAMM 1 HISTORICAL TREASURES MEIN FENSTER ZBIGNIEW RYBCZYCSKI, A 1979 »Ich kenne keinen Künstler der Gegenwart, […] der über eine so unvergleichliche technische Virtuosität und bravura verfügt.« (Peter Weibel) KINO.PROGRAMM 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA LIEBE SABINE GROSCHUP, A 1988 74 Die Gründung der ASIFA AUSTRIA, als österreichische Sektion der internationalen Animationsfilmorganisation erfolgte 1985 im Umfeld des bis heute bestehenden Studios für experimentellen Animationsfilm an der Universität für angewandte Kunst Wien. Der neue Zugang zu avantgardistischen filmischen Methoden zwischen Kunst und Animation erregte rasch internationales Aufsehen. »LIEBE von Sabine Groschup beschreibt den Zustand des Verliebtseins, des wohligen Tagtraums.« (Mara Mattuschka) TV MONTEZUMA PETER PUTZ, A 1987 »TV MONTEZUMA von Peter Putz verflicht im Ambiente eines Künstlerateliers unterschied liche Gestaltungsstränge, wobei ›Kunst und Leben‹ buchstäblich ineinandergreifen, wenn neben großflächiger und raumgreifender Malerei ein TV-Monitor sein Programm abspielt und zwischendurch eine Katze zwischen den vielfältigen Elementen ihren Auftritt hat.« (Thomas Renoldner) FESTIVAL HUBERT SIELECKI, A 1985 »In FESTIVAL karikiert Sielecki auf treffende Weise und mit schwarzem Humor die immer wiederkehrenden Rituale, Gespräche und Stimmungen bei internationalen Animations festivals.« (Franziska Bruckner) PARASYMPATHICA MARA MATTUSCHKA, A 1986 WIEDER HOLUNG NANA SWICZINSKY, A 1997 DER MENSCH MIT DEN MODERNEN NERVEN IN THE WAKE ALEXANDER CURTIS, A 1992 Der erste Satz aus Finnegans Wake, James Joyces kunstvoll-mysteriöse und als kaum übersetzbar geltende Sprachmischkulanz, wird mit anonymen Stücken aus AmateurfilmMaterial verschmolzen. BADY MINCK / STEFAN STRATIL, A 1988 Eine Hochgeschwindigkeitsfahrt durch das Rückenmark von Adolf Loos. »Zahlreiche Filmemacher haben die Stadt filmisch dargestellt, aber nur wenige haben mit dem architektonischen Material an sich gearbeitet. Aus dieser Sicht ist der Fall der Wiener Filmregisseure Bady Minck und Stefan Stratil ziemlich beispielhaft.« (Jean-Michel Bouhours) DUOCITY ULF STAEGER, A 1994 Eine urbane Simultanreise durch Wien und Berlin. In einer wilden Bilder-Collage von gezeichneten, gemalten und realen Szenen verdeutlicht Ulf Staeger sowohl die Gemein samkeiten als auch die Unterschiede der beiden Städte in der visuellen Wahrnehmung. RAUMFAHRT RENATE KORDON, A 1989 »Die Filmmacherin als Raumfahrerin, als Kosmonautin, deren Kamera wie auf einer Umlaufbahn durch den Ort des All-Tags gleitet, um dessen Koordinaten abzutasten.« (Bady Minck) SIRAP MEDUSO MARTIN KALTNER, A 1990/91 Gemalt, gezeichnet, gelegt: Surrealistische Art-Brut-Collage, inspiriert von einem ParisAufenthalt. CLUB JAMES CLAY, A 1986 Eine Parodie auf den legendären CLUB 2. Einige der emotionalsten Momente der beliebten ORF-Sendung werden in bewusst sinnleerer Abfolge zu einer Dialog-Collage verfremdet. »WIEDER HOLUNG lässt sich als eine auswuchernde Serie von Differenzierungen und Verkehrungen beschreiben. Deren Grundlage ist einfach und in ihrer Konsequenz zugleich umfassend: Alles ist gezeichnet, alles ist animiert, alles ist schwarz oder weiß. « (Isabella Reicher) EDGE MARTIN ANIBAS, A 1991 »Martin Anibas steht mit seiner Malerei in der Tradition der Visual music. Seine kurzen und intensiv verdichteten ›bewegten Malereien‹ pendeln zwischen expressiver Abstraktion und figurativen Andeutungen.« (Thomas Renoldner) MARIA LASSNIG, A 1976 In ART EDUCATION re-kodiert Maria Lassnig die männlich dominierte Kunstgeschichte und interpretiert humorvoll berühmte Werke um. KINO.PROGRAMM 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA »Der Sympathicus und Parasympathicus sind Teile des Nervensystems, die für die Ruheund Aktivphasen zuständig sind. Ohne einander können sie nicht sein, sonst käme es zu einer unglaublichen Erschöpfung.« (Mara Mattuschka) GESAMTSPIELZEIT: 70 min 75 EVENING STAR DANIEL ŠULJIĆ, A 1993 »EVENING STAR von Daniel Šuljić arbeitet mit Skifahrerinnen, Politikern oder Models, den Stars der Zeitungen, die in immer ähnlichen Posen, Gesten und Positionen abgebildet und dadurch austauschbar werden.« (Franziska Bruckner) DIE JAGD JOSEF NERMUTH / PAUL BRAUNSTEINER, A 1992 Korrumpiert von seinem Hunger nach Macht bricht der Jäger alle Schranken und wird selbst zum wehrlosen Opfer. ART EDUCATION PROGRAMM 2 CONTEMPORARY HIGHLIGHTS FILM AUF FICHTENHOLZ NORBERT TRUMMER, A 2007 Norbert Trummers minimalistisch anmutender Trickfilm verblüfft durch seine Einfachheit. Er malt mehrere Wiederholungen eines Motivs auf sägeraue Fichtenbretter. Durch diese mit der Hand durchgeführte Vervielfältigung entstehen Abweichungen. TINAMV 1 ADNAN POPOVIĆ, A 2011 GUITARSTRING MARKED FINGERPRINTS KINO.PROGRAMM 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA Animation. Perfektion. In Zeiten von digitalem Überschwang weiß Adnan Popović mit einer punktgenauen Choreografie großteils analoger Animationstechniken zu überzeugen. Ein weißer Gang dient dabei als Setting des Musikvideos für das Wiener Elektronikerduo Kilo. 76 STUCK IN A GROOVE CLEMENS KOGLER, A 2010 MARLENE RUDY, A 2010 Ein animierter Musik-Clip, der im Rahmen eines Gruppenprojekts an der Hochschule der Künste in Wien für die Band Dust Covered Carpet entstand. Gewinner des Airbed Movie Awards bei VIS Vienna Independent Shorts 2010. STUCK IN A GROOVE ist der erste Film, der mit Phonovideo-Technik hergestellt wurde, eine Technik, die auch für Live visuals verwendet wird. Mithilfe eines Videomischers, bedruckter 12-Zoll-Kartonscheiben und der Rotation zweier Plattenspieler kreiert Kogler animierte Bilder der oben Genannten – live und in Handarbeit. STEP FORWARD ENI BRANDNER, A 2013 KLANGGÄRTEN IBY-JOLANDE VARGA, A 2014 KLANGGÄRTEN ist die lineare Fassung eines interaktiven Animationsfilms von Iby-Jolande Varga, der auf dem Klangspiel und der Partitur 7x7 des österreichischen Komponisten und Musikers Karlheinz Essl basiert. MYSTERY MUSIC NICOLAS MAHLER, A 2009 GUGUG SABINE GROSCHUP, A 2006 Das Erzählen als ein Modus des Sich-Erinnerns ist Thema in Sabine Groschups malerischem Zeichentrickfilm GUGUG. Die im O-Ton aufgenommene Erzählung der im bäuerlichen Milieu aufgewachsenen Großmutter der Filmemacherin bildet das Gerüst des Films. Ein abstraktes, animiertes Video für den Song Step Forward von Compact Space. Kohlezeichnung auf braunem Papier sowie ein paar Bleistiftzeichnungen, die beim Prozess des Animierens und Schneidens am Computer dazugefügt wurden. Die Idee von Visual music findet in der animierten Arbeit von Nikolaus Mahler eine ironische Antwort, wenn die »Töne« diverser Instrumente als dicke Würste über die Leinwand fließen. Die akustische Umsetzung des wunderbar unaufgeregten Bildgeschehens mit experimen tellen elektronischen Klängen fügt dem Werk eine weitere Humorebene hinzu. LINZ / MARTINSKIRCHE EDITH STAUBER, A 2014 »Wir alle kennen solche Inszenierungen von Kirchen und deren Innenräumen aus Filmen oder dem Fernsehen: bedeutungsschwanger, erhaben, festlich ... Die Anordnung, die uns LINZ / MARTINSKIRCHE vor Augen führt, steht in krassem Gegensatz dazu.« (Sylvia Szely) VIDEO 65 DEXTRO, A 2014 Bild und Ton entstehen aus einem Computerprogramm, das jedoch durch die Einbindung physischer Bewegung in den Kreativprozess ergänzt wird; Trackpads, Tastenanschläge und gehackte Spielecontroller werden benutzt, um Echtzeit-Spontaneität und menschliche Ungenauigkeit hinzuzufügen. (Chris Arrell, Übersetzung aus dem Englischen: Filmarchiv Austria) THE WAY TO M ZSUZSANNA WERNER, A 2011 Ein postmodernes Roadmovie, eine Reise durch Welten und Dimensionen. Ein digitaler Arbeiter geht auf diese Reise, eine äußerst innere Reise. Mit dem Soundtrack von Alexander Hengl (theclosing) erzeugen die Bilder ein kaleidoskopisches Lösungsmittel. Der Film wurde mit dem ASIFA AUSTRIA Award/Best Austrian Animation 2011 ausgezeichnet TINTENKILLER VERONIKA SCHUBERT, A 2009 ROTONDA – XANADU THOMAS STEINER, A 2012 Die Fernsehserie TATORT hat das Krimi-Genre sehr beeinflusst und stellt seit über vier Jahrzehnten den Inbegriff deutscher Populärkultur dar. Veronika Schuberts rotoskopierte Found-Footage-Animation TINTENKILLER schöpft aus diesem reichen Reservoir. »TINTEN KILLER abstrahiert die Collage aus den Ritualen und den Banalitäten, die jeden Fernsehkrimi als solchen determinieren und erstellt im direkten Sinn des Wortes einen Blueprint des Genres: statt Blut fließt Tinte durch die Bilder. « (Sylvia Szely) SUNNY AFTERNOON THOMAS RENOLDNER, A 2012 GESAMTSPIELZEIT: 69 min Palladios Villa Rotonda und das Schloss Xanadu in Orson Welles’ CITIZEN KANE sind beides klassische Beispiele architektonischer bzw. filmischer Konstruktion. Als Basis für ROTONDA – XANADU wurde die geheimnisvolle Eingangssequenz von CITIZEN KANE nachgebaut. SUNNY AFTERNOON ist die Konfrontation »einer Art« Avantgardefilm mit »einer Art« Musikvideo und stellt so die Frage nach den Standardtabus und Klischees beider Genres. Sowohl Avantgardfilm als auch Musikvideo parodieren auch den »für das Genre typischen« Sound. DOMINO ANNA VASOF, A 2014 DOMINO kombiniert den Mechanismus eines Dominofalls mit der Stop-Motion-Technik und stellt damit eine neue Animationstechnik vor – die »Nonstop-Stop-Motion«. Eine Video kamera folgt und filmt durchgehend den Fall von Dominosteinen. Gewinner des ASIFA AUSTRIA Award/Best Austrian Animation 2014 KINO.PROGRAMM 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA RACECAR HOLGER LANG, A 2007 Eine Collage um die Ecke biegender Autos in einem Rennen. Der Rhythmus der Bewegung und die Farben der Autos verschwinden in der Helligkeit des Lichts. 77 I HA G N A H .EXIL.S FILM DI 24.11., AB 10:00 SYMPOSIUM + FILMGALA KINDER DER WELT ist im Jahr 1941 in dem von Japan besetzten Shanghai entstanden. Die österreichischen Filmpioniere Luise Fleck (1873–1950) und Jakob Fleck (1881–1953) waren 1939 als mittellose jüdische Flüchtlinge nach Shanghai gekommen. Trotz der widrigen Bedingungen unter japanischer Besetzung gelang es ihnen mit dem chinesischen Regisseur Fei Mu (1906–1951) einen Film zu drehen, der heute als wesentliches Zeugnis des filmischen Exils in Shanghai gilt. In Kooperation mit dem China Film Archive und China Film Consult präsentiert das Filmarchiv Austria ein Symposium über die Exil-Destination Shanghai sowie eine erste Aufführung der digital restaurierten Fassung von KINDER DER WELT. Diese Veranstaltung wurde durch die Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich ermöglicht. KINO.PROGRAMM EXIL SHANGHAI 10:00–16:00, HISTORISCHER SAAL 78 SYMPOSIUM: EXIL SHANGHAI – Präsentation Dokumentarfilm ZUFLUCHT IN SHANGHAI/ THE PORT OF LAST RESORT (A/USA 1998), in Anwesenheit des Regisseurs Paul Rosdy. – Ursula Wolte: Historische Bedeutung von KINDER DER WELT – Ulrike Anton: Musiker und Künstler im Exil Shanghai – Li Zhen, China Film Archive: The Oral History Project of China Film Archive – Andreas Enzminger, Universität Wien: Mediale Geschichtsvermittlung im transnationalen Raum – Modell der multidimensionalen Geschichtsvermittlung – Karl Sierek, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Ost-Westliche Bildwanderungen – Chris Berry, Kings College London: Cultural Memory – Memory Project Wu Wenguang – Bela Rasky, Simon Wiesenthal Institut Das Seminar wird in Deutsch und Englisch abgehalten. DI 24.11., 19:30 FILMGALA: KINDER DER WELT LUISE KOLM (FLECK), JAKOB FLECK, FEI MU, CHINA 1941 BUCH Luise Fleck, Jakob Fleck | KAMERA Fei Junxiang, Zhou Lianming | MIT Ying Yin, Zhang Yi, Lan Lan, Shi Hui, Si Ma Yingcai | LÄNGE 90 min Lee und Chen wachsen wie Brüder auf. Als Erwachsene verlieben sich beide in das frühere Nachbarsmädchen Lian, die von ihrem Stiefvater in die Prostitution geschickt werden soll. Da entscheidet sich Lee, in den Krieg zu ziehen. Als gemeinsames Werk der österreichischen Filmpioniere Luise und Jakob Fleck und des chinesischen Filmregisseurs Fei Mu entstand KINDER DER WELT während der japanischen Besatzung Shanghais. Gezeigt wird die digital restaurierte Fassung. Mit Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich inszenierUng: Pedro martins Beja nach Friedrich schiller Mo 30.11. Sóley Mi 2.12. Songhoy Blues Do 3.12. Bock auf Kultur Elektro Guzzi, Louis Austen, Richard Dorfmeister Sa 5.12. Scott Matthew Do 17.12. Shantel rÄUBer Werk X Werk-X.at das leBen stiehlt aUch nUr vom tod (schrei schiller schrei) Premiere: 05.11.2015 Weitere vorstellUngen: 07., 14., 15., 19., 27., 28.11.2015 soWie im dezemBer Und jÄnner Währinger Straße 59 1090 Wien Tickets auf www.wuk.at Filmarchiv-clUBmitglieder erhalten im Werk X 10 % ermÄssigUng AL V I T S E ILMF F S E H C IKANIS R E M A L ITTE M SO 29.11., 18:00 MO 30.11., 18:00 ERÖFFNUNG VIAJE / REISE EL CODO DEL DIABLO / DER ELLBOGEN DES TEUFELS PAZ FÁBREGA, CR 2015 ERNESTO JARA VARGAS / ANTONIO JARA VARGAS, CR 2014 San José, Costa Rica, in der Gegenwart. Pedro (30) und Luciana (29), zwei jugendliche Freigeister, die nicht an Kompromisse oder eheliche Bindungen glauben, lernen einander auf einer Party kennen. Obwohl sie sich nicht gleich Hals über Kopf verlieben, entwickeln die beiden ein gewisses Interesse für einander. Das Schicksal bringt sie schließlich doch zusammen, und die gegenseitige Anziehung entlädt sich in einer großen Leidenschaft. Es folgt eine Reise zum Rincón de la Vieja, einem aktiven, legendenumwobenen Vulkan im Nordwesten des Landes. Während sie dem Berg immer näher kommen, müssen sie erkennen, dass die Liebe nur Wegbegleiter ist. 1948 in Puerto Limón, Costa Rica. Vier Tage vor Weihnachten macht sich der 12-jährige Setico mit dem Zug auf die Suche nach seinem Vater. Eine Reise, die verschüttete Erinnerungen an die »Bananen-Enklave« ausgraben und die Ermordung von sechs politisch Gefangenen in einem Ort namens Der Ellbogen des Teufels enthüllen soll. KINO.PROGRAMM VII. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL KAMERA Paz Fábrega, Esteban Chinchilla | SCHNITT Paz Fábrega, Sebastián Sepúlveda | MUSIK Alejandro Fernandez | PRODUKTION Paz Fábrega, Kattia González | MIT Kattia González, Fernando Bolaños | LÄNGE 71 min | FORMAT s/w, OmeU, H264 80 Eine wunderschöne, stimmungsvoll in Schwarzweiß erzählte Geschichte über die Bedeutung des Lebens im Hier und Jetzt. Cocktail auf Einladung von LOS MEXIKAS und Live-Musik mit HAROLD TAYLOR TON Kattia González | PRODUKTION Alejo Crisóstomo, Ernesto Jara Vargas | MIT Darío Salas, Gustavo Vargas, Grettel Mendez, Alejandra Aguilar | LÄNGE 75 min | FORMAT Farbe, OmeU, DVD Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis beim Internationalen Filmfestival in Costa Rica »Friede mit der Erde« 2014, bester Dokumentarfilm bei den Zentralamerikanischen Internationalen Filmfestspielen ICARO. MO 30.11., 20:00 DI 1.12., 18:00 EL REGRESO DE LENCHO / DIE RÜCKKEHR VON LENCHO ROMPIENDO LA OLA / BRECHEN DER WELLE MARIO ROSALES, GCA 2013 ANNIE CANAVAGGIO, PA/BR/E 2014 Nachdem der 30-jährige Graffiti-Künstler Lorenzo Aguilar, kurz Lencho genannt, ein Jahrzehnt in New York gelebt hat, kehrt er nach Guatemala zurück. Seine von diesem US-Aufenthalt beeinflusste Kunst möchte er nun auch den Menschen in der Heimat näher bringen. Er stellt eine Gruppe von Künstlern zusammen, gemeinsam werden öffentliche Projekte initiiert. Ein erstes, kleines Kunstfestival findet schnell Anklang bei den Besuchern. Auch der Direktor eines geheimen Programms der guatemaltekischen Polizei, das sich für die Jugend des Landes einsetzt, erfährt davon. Lencho hingegen wird mehr und mehr von den Erinnerungen an seinen verstorbenen Vater eingeholt. Cocktail auf Einladung von MANOLOS und Live-Musik mit JUAN CARLOS GÓMEZ BUCH Annie Canavaggio, Vicente Ferraz | KAMERA Vicente Ferraz | SCHNITT Leyda Napoles | TON Jose Rommel Tuñon | PRODUKTION Isabel Martinez | LÄNGE 77 min | FORMAT Farbe, OmeU, H264 ROMPIENDO LA OLA, berauschend bebildert und berührend zugleich, dokumentiert den Versuch von drei jungen Männern, ihr Leben zwischen Leidenschaft und Entbehrung, zwischen Traum und Realität, zwischen Meer und Festland zu meistern. Da ist Deivis, der trotz seiner Begabung und Anstrengung keine Sponsoren findet und einsehen muss, dass »schwarz und arm sein« nicht zu den idealen Voraussetzungen zählt, um Werbung für eine Surfwear-Marke zu machen. Und dennoch, trotz aller Schwierigkeiten gibt er seinen Traum nicht auf. Am Tag verbringt er die Zeit auf dem Wasser, nachts jobbt er in lokalen Restaurants. Cholito hat schon als Neunjähriger die Wellen von Santa Catalina gebrochen, 25 Jahre später ist die professionelle Laufbahn jedoch in weite Ferne gerückt. Er kämpft um die Balance zwischen der täglichen Sorge um seine neun Kinder und seiner kostspieligen Passion, hangelt sich, in extremer Armut lebend, von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob. Oli schließlich ist eines von neun Kindern des alten Fischers Babalu. Er gehört zur ersten Surfer-Generation von Santa Catalina. Viele seiner Gleichgesinnten mussten das Surfen aufgeben, einen anderen Weg zum Überleben finden. Die Hoffnung, dass die Meereswellen die Familie endlich aus der Armut tragen, ruht nun auf dem Sohn. Vielleicht gelingt es dem Jüngsten der drei, auf dem Surfbrett in eine erfolgreiche Zukunft zu reiten. KINO.PROGRAMM VII. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL KAMERA Raquel Fernandez | SCHNITT Gabriel Adderley | MUSIK Juan Carlos Barrios, Radio Zumbido, Ivan Lorenzana | TON Giacomo Buonafina | MIT Mario Lanz, Emanuel Loarca, Tatiana Palomo, Mariam Arenas, Manuel Chitay, Jorge »El Pumita« Asturias, Roberto Diaz Gomar | LÄNGE 140 min | FORMAT Farbe, OmeU, DVD 81 DI 1.12., 20:00 MI 2.12., 18:00 PELOTERO / BALLPLAYER THE BLACK CREOLES – MEMORIES AND IDENTITIES / DIE SCHWARZEN KREOLEN – ERINNERUNGEN UND IDENTITÄTEN ROSS FINKEL / JONATHAN PALEY / TREVOR MARTIN, DOM/US 2012 KINO.PROGRAMM VII. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL PRODUKTION Ross Finkel, Jonathan Paley, Trevor Martin, Isaac Solotaroff | MIT Jean Carlos Batista, Miguel Angel Sano, John Leguizamo | LÄNGE 77 min | FORMAT Farbe, OmeU, Blu-Ray 82 Die Miguel-Sano-Geschichte erzählt von der hauchdünnen Linie zwischen »Superstar« und »Nobody« und verfolgt über fünf Jahre lang die Entwicklung von jungen Baseballspielern vom Start in den Armutsvierteln bis hin zum Ziel einer Karriere bei einer großen internationalen Liga-Mannschaft – denn bis zu 20 Prozent der in den USA spielenden professionellen Baseballer stammen aus der Dominikanischen Republik. Sie alle träumen davon, mit einem ProfiVertrag das Ticket in ein besseres, gerechteres Leben zu lösen. Gezeigt wird aber auch die Kehrseite des Spiels mit der oft einzigen Hoffnung dieser jungen Sporttalente – ein knallharter Wettbewerb, eiskalte Berechnung, Korruption und Bestechlichkeit. Nicht nur für Baseballfans ein faszinierender Blick hinter die Kulissen dieses Sports, der gleich zeitig auch sehr nachdenklich macht. Cocktail und Live-Musik auf Einladung der BOTSCHAFT DER DOMINIKANISCHEN REPUBLIK MARÍA JOSÉ ÁLVAREZ / MARTHA CLARISSA HERNÁNDEZ, NIC 2011 KAMERA Frank Pineda | SCHNITT Gerardo Arce | MUSIK Spencer Hodgson | TON Gina Villafañe, Eduardo Cáceres, Armando Moreira, Alfredo López | MIT José Calero, Sonia Cruz de Baltodano | LÄNGE 95 min | FORMAT Farbe, Ome/sU, DVD THE BLACK CREOLES ist ein ethnografischer Film, der durch historische Rückblicke die Ankunft der schwarzen Bevölkerung an der Atlantischen Küste Nicaraguas schildert und die Entstehung der kreolischen Kultur erzählt. Neben den vielfältigen Überlebensstrategien der Menschen wird auch deren Alltagsgeschichte gezeigt, die gespickt ist mit kulturellen Besonderheiten und Traditionen der verschiedensten Kulturgruppen, mit deren Weltbildern, Erinnerungen und Träumen, und die nicht zuletzt geprägt ist vom Suchen und Finden einer karibischen Identität. MI 2.12., 20:00 im Anschluss an AUSENTES: AUSENTES / ABWESENDE ABRAZOS / UMARMUNGEN TOMÁS GUEVARA, ES/HON/US 2010 LUIS ARGUETA, GCA 2015 Drei Frauen, drei Kinder, sechs Geschichten über fragile Familien, zerbrechliche Erinnerungen, Beziehungen und Emotionen, über das Leben in Trennung und Migration. Esmeralda, María und Rosemary mussten ihre Kinder Esaú, Leonel und Walter – heute Jugendliche – in El Salvador und Honduras zurücklassen, um für eine bessere Zukunft sorgen zu können. Gezeigt wird ihr Alltag in der Fremde, geprägt vom den Herausforderungen dieser Gegenwelt und dem Versuch, über alle räumliche Distanz und gesetz liche Schranken hinweg die Beziehung zu ihren Kindern zu erhalten. Der Film gewährt nicht nur einen intimen Blick auf die Nähe und Distanz zwischen Müttern und Kindern, sondern auch auf die Gefühlswelten irgendwo zwischen den Dörfern Mittelalerikas und den urbanen Ballungszentren der USA, in denen sich menschliche Chancen auftun können, wo Migration auch Neues schafft. KAMERA René Soza, José Vásquez | SCHNITT Julián Jiménez | MUSIK Musica Maya AJ, Joseaugusto Mejía | TON Giacomo Buonafina | PRODUKTION Bea Gallardo, Luis Argueta | MIT Feliciano Santos Santos, Dario Van Horne, Karan Schreiber, Willy Schreiber | LÄNGE 45 min | FORMAT Farbe, OmeU, H264 ABRAZOS erzählt von einer Gruppe von 14 guatemaltekischen Kindern mit US-Staatsbürgerschaft, die 3.000 Meilen von Minnesota nach Guatemala reisen, um dort die ursprüngliche Heimat ihrer Eltern zu besuchen und ihre Großeltern und Geschwister zum ersten Mal zu treffen. Nachdem sie fast zwei Jahrzehnte lang getrennt waren, können diese Familien nun ihre Geschichten teilen und versuchen, kulturelle Identität zu rekonstruieren und Stärken der Tradition nachzufühlen. Derzeit sind es geschätzt 4,5 Millionen USKinder, die mit mindestens einem Elternteil dort leben oder ohne gültige Papiere Teil gemischter Familien sind. Der Regisseur Luis Argueta berichtet, wie er im Zuge der Dreharbeiten zu einigen seiner jüngsten Filme die negativen Folgen der familiären Trennung erlebt hat. So führte ihn seine Arbeit zu dieser beeindruckenden Dokumentation. Cocktail auf Einladung von TIN-TAN und Live-Musik mit SICARÚ ZANDUNGA KINO.PROGRAMM VII. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL PRODUKTION Angulos Films | LÄNGE 36 min | FORMAT Farbe, OmeU, DVD 83 DO 3.12., 18:00 DO 3.12., 20:00 TIERRA DE NADIE / NIEMANDSLAND MALACRIANZA / SCHLECHTE ERZIEHUNG RAFAÉL ROSAL, ES/GCA 2015 ARTURO MENÉNDEZ, ES 2014 KINO.PROGRAMM VII. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL KAMERA Carlos Arango de Montis | SCHNITT Mariona | TON Giacomo Buonafina | PRODUKTION Patricia Palma de Fulladolsa, Elías Jiménez Trachtenberg, Hugo Koper | MIT José Mestanza, Dinora Nolasco Mestanza | LÄNGE 59 min | FORMAT Farbe, OmeU, H264 84 Das ist die Geschichte einer Bauernfamilie in El Bolsón bei Nahuaterique in Honduras, in der Grenzregion zu El Salvador. 1992 wurde durch einen Beschluss des Haager Tribunals festgelegt, dass dieser Landstrich nicht mehr El Salvador, sondern der Republik Honduras zugehört. Der Film erzählt von Don José Mestanza und seiner Frau Dona Dinora Nolasco Mestanza, fängt auf sensible Art und Weise die Stimmung und einfache Lebensweise der Landbevölkerung ein und lässt den Blick über eine einzigartige, faszinierende Kulturlandschaft in Zentralamerika streifen. KAMERA Francisco Moreno | SCHNITT David Torres, Federico Krill, Emilio Santoyo | MUSIK Amado López | PRODUKTION Santiago García Galván, Carlos Figueroa, Alfonso Quijada, Arturo Menéndez | TON Alejandro de Icaza | MIT Salvador Solís, Karla Valencia, Rodrigo Calderón, Mercy Flores, Leandro Sánchez, Héctor Vides | LÄNGE 70 min | FORMAT Farbe, OmeU, H264 Don Cleo, ein einfacher Piñatas-Verkäufer, kämpft sich mit unerschütterlichem Lebensmut durch den Alltag, bis er eines Tages einen Erpresserbrief vor seiner Türe findet. Geld oder Leben! Doch woher auf ehrliche Weise 500 Dollar nehmen? Don Cleo versucht alles, um an das Geld zu kommen – mit Hilfe von Freunden, Verwandten und Bekannten. Doch je ambitionierter er wird, umso größer werden seine Schwierigkeiten. Schließlich stellt sich heraus, dass, wenn er überleben will, er sich seinen Ängsten stellen und seinen Peinigern gegenübertreten muss. Mit herrlich trockenem Humor und viel Charme erzählt und auf den bunten Straßen San Salvadors gedreht, entwickelt die Geschichte von Don Cleo eine eigenwillige Dynamik. Der erste Film dieser Art seit über 40 Jahren zeigt ein El Salvador, das sich aufreibt zwischen dem Amerikanischen Traum und dem Kampf gegen den wirtschaftlichen Untergang, in dem Gewalt vor allem für die ohnehin Geprügelten zur alltäglichen Erfahrung zählt. Das Skript basiert auf wahren Begebenheiten, die Produktion erfolgte mit nur wenigen Mitteln, umso cooler und einfallsreicher die Ästhetik. Cocktail auf Einladung von DOÑA IRMA und Live-Musik mit ISMAR RIVERO FR 4.12., 18:00 FR 4.12., 20:00 BURDEN OF PEACE DISTANCIA / DISTANZ JOEY BOINK, GCA/US 2015 SERGIO RAMÍREZ, GCA 2011 Claudia Paz y Paz war die erste Oberstaatsanwältin Guatemalas. Gegen den Druck der extremen Rechten hat sie es geschafft, Korruption und organisierte Kriminalität effektiv zu bekämpfen und die Aufklärungsrate von Tötungsdelikten erheblich zu steigern. 2014 wurde sie mit einer fadenscheinigen Begründung vom Obersten Verfassungsgericht vorzeitig ihres Amtes enthoben. Über drei Jahre hinweg entstand ein spannendes Porträt einer außergewöhnlichen Frau mit einer lebensgefährlichen Mission, das gleichzeitig einen tiefen Einblick gibt in ein von Gewalt, Verbrechen und Korruption gezeichnetes Land und dessen zerrüttete Strukturen. Claudia Paz y Paz verließ Guatemala unmittelbar nach ihrer Absetzung und lebt heute im Ausland. Der Film kann gegenwärtig in Guatemala nicht gezeigt werden. KAMERA Álvaro Rodríguez | SCHNITT Joel Prieto | MUSIK Joaquín Orellana, Carlos Hernández, Tuco Cárdenas | TON Jonathan Macías | PRODUKTION Joaquín Ruano | MIT Carlos Escalante, Saknicté Racancoj, Julián León Zacarías, Maya Núñez, Sécil De León, Eduardo Spiegeler, Rigoberto Baac, Marco Antonio Sagastume | LÄNGE 75 min | FORMAT Farbe; OmeU, DVD Die damals dreijährige Tochter von Tomás Choc wurde während des guatemaltekischen Bürgerkrieges entführt. Um den Schmerz über die Trennung zu verarbeiten, schreibt Tomás für seine Tochter seine Lebensgeschichte in einem Heft nieder. Nach zwanzig Jahren erhält er die Möglichkeit, sie wiederzusehen. Langsam nähern sich die beiden einander an. Ein wunderschöner, interessanter Film, in dem neben Spanisch auch Maya-Sprachen gesprochen werden. Die Geschehnisse beruhen auf einer wahren Begebenheit, die Protagonisten sind Laiendarsteller. Der Film hat an zahlreichen internationalen Festivals teilgenommen und erhielt Auszeichnungen in Kuba, New York, Guatemala, Trinidad und Tobago. Cocktail auf Einladung des KULTURRAUM NERUDA und Live-Musik mit OLLÍN ENSEMBLE KINO.PROGRAMM VII. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL BUCH Joey Boink, Sander Wirken | KAMERA Joey Boink | SCHNITT Ruben van der Hammen, Mieneke Kramer | TON Benjamin Braasem | PRODUKTION Bart Voorsluis, Annemiek Munneke | LÄNGE 77 min | FORMAT Farbe, OmeU, H264 85 B U L C A A F & ES L L E U AKT REFUGEE PROJEKT Open Archive Das Filmarchiv Austria ist eine öffent liche und daher auch dem Öffentlichen verpflichtete Kultureinrichtung. Die viel beschworene Corporate Social Responsibility ist hier seit vielen Jahren gelebte Praxis. Als umso selbstverständlicher erachten wir es, die vielen nun zu uns kommenden Menschen nicht nur auf einer symbolischen, sondern auch einer ganz praktischen Ebene willkommen zu heißen. Das Filmarchiv Austria hat daher selbst Flüchtlinge aufgenommen und erarbeitet mit ihnen gemeinsam neue Perspektiven. Open Archive bedeutet, die kulturelle Praxis unseres Hauses mit den zentralen gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit zu verbinden. Gemeinsam mit unseren Mitarbeiter Innen, ehrenamtlichen Helfern und Institutionen der Zivilgesellschaft wollen wir im Konkreten zeigen, wie aus unbeschreiblicher Not neue Möglichkeiten und Chancen entstehen können. KINO.PANORAMA FÖRDERER & SPONSOREN 86 MEDIENPARTNER ERÖFFNUNG Eric Pleskow Saal im METRO Kinokulturhaus eröffnet Das Filmarchiv Austria ehrt den 14-fachen Oscar-Preisträger Eric Pleskow mit einem eigenen Kinosaal. Am 18. Oktober wurde dieser im Rahmen einer Matinee in Anwesenheit des 91-jährigen Kino-Veterans nun offiziell eröffnet. Eric Pleskow, 1924 als Erich Pleskoff in eine Kaufmannsfamilie in Wien geboren, flüchtete 1938 vor den Nationalsozialisten ins Exil. Heute gehört der Viennale-Präsident zu den bedeutendsten Filmproduzenten Hollywoods. Bei der Eröffnung des nach ihm benannten Kinosaals zeigte er sich gewohnt bescheiden: »Es ist eine große Ehre für mich, dass man niemand besseren gefunden hat als mich, um diesen Kinosaal zu benennen.« NACHLASS FILMARCHIV AUSTRIA CLUB Filmarchiv Austria übernimmt CarlAndersen-Nachlass. Vorteile für Mitglieder Carl Andersen war ein mutiger, unabhängiger österreichischer Filmemacher, Autor, Herausgeber, Kritiker und Förderer. Seit den frühen 1980er Jahren engagierte er sich in der Wiener und Berliner Programmkinoszene, wobei er vor allem Außenseiterproduktionen herstellte und andere förderte. Dabei war er nicht bequem und auch nicht bequem zu handhaben. Sein erster Farbfilm (VOM LUXUS DER LIEBE, 1998) machte Schluss mit dem Stil seiner früheren Filme. Ab hier gewannen seine Filme an Tiefe. Er formulierte gesellschaftliche Tabus und damit verbundene Fragestellungen, wobei die Grenzen zwischen Fiktion, Dokumentation und Realität sich lösten, auch, was seine eigene Person und Rolle als Regisseur und Darsteller angeht. Auf großen Bekanntheitsgrad hatte Carl selbst keinen Wert gelegt. Seine Welt war der Underground, ihm blieb er bis zuletzt treu. (Erwin Leder). Das Filmarchiv Austria hat neben filmischen Zeugnissen auch viele private Dokumente und Objekte übernommen, die einen tieferen Einblick in sein künstlerisches Schaffen ermöglichen. NEUERSCHEINUNG KINOMAGIE Was geschah wirklich zwischen den Bildern? KATALOG ZUR AUSSTELLUNG 450 S. MIT CA. 400 ABBILDUNGEN EUR 34,90 ERHÄLTLICH AB 6. OKTOBER 2015 Die Jahrhunderte alte Kulturgeschichte der optischen Medien und der bewegten Bilder ist das Thema der programmatischen ersten Ausstellung des METRO Kinokulturhauses in Wien. Unter dem Titel KINOMAGIE präsentiert das Filmarchiv Austria Highlights aus der renommierten Sammlung Werner Nekes und aus eigenen Beständen. Der Ausstellungskatalog zu dieser Erlebnisausstellung ist nun im Verlag Filmarchiv Austria erhältlich. — — — — — — — — — Kinoeintritt Eur 6,– statt Eur 8,50 Ausstellungsticket Eur 4,50 statt Eur 6,– Kombiticket (Kino + Ausstellung) Eur 9,50 statt Eur 11,– Mitglieder-Abo für 10 Karten um Eur 50,Einladungen zu Eröfnungsund Sonderveranstaltungen (eine Karte gilt für 2 Personen) Gratis-Zusendung der Programmzeitschrift Erweitertes Benutzerservice im Studienzentrum Augarten 10% Rabatt auf alle Produkte des Verlags Filmarchiv Austria Ermäßigungen und Vergüns- tigungen bei FilmarchivKooperationspartnern * Mitglieder-Aktion Jetzt dem Filmarchiv Austria Club beitreten und alle Vorteile ab sofort bis Ende 2016 genießen! Als Begrüßungsgeschenk erhalten Sie zusätzlich eine Austria-Wochenschau DVD nach Wahl, abzuholen im METRO Kinokulturhaus. Ihre persönliche Clubkarte erhalten Sie per Post, bis dahin gilt der Zahlungsnachweis als Mitglieds-Ausweis. Sie können Ihre Mitgliedschaft entweder im METRO Kinokulturhaus lösen oder per E-Mail mit Ihrem Namen und Postanschrift unter [email protected] beantragen. ERÖFFNUNGSAKTION GÜLTIG FÜR NEUE MITGLIEDER BIS 31.12.2015 * KOOPERATIONSPARTNER KINO.PANORAMA VERANSTALTUNGSPARTNER 87 PROGRAMMÜBERSICHT NOVEMBER | DEZEMBER 2015 MO 09.11. FR 13.11. MO 16.11. FR 20.11. HISTORISCHER SAAL 19:30 ERÖFFNUNG LAND IN SICHT MARZIA MY FRIEND + PUBLIKUMSGESPRÄCH HISTORISCHER SAAL 19:00 VERANSTALTUNG LESUNG R. SAFRANSKI HISTORISCHER SAAL 19:00 FILM NOIR GASLIGHT + PUBLIKUMSGESPRÄCH ERIC PLESKOW SAAL 19:00 FILM NOIR FORBIDDEN PASSAGE BORDER INCIDENT ERIC PLESKOW SAAL 20:00 LITERATURHAUS WINNETOU TEIL 3 DI 10.11. ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT EVERYDAY REBELLION THIS HUMAN WORLD + PUBLIKUMSGESPRÄCH 21:00 LAND IN SICHT IN THIS WORLD HISTORISCHER SAAL 19:30 LAND IN SICHT LOVE DURING WARTIME + PUBLIKUMSGESPRÄCH SA 14.11. ERIC PLESKOW SAAL 18:00 FILMSCHAU WERNER NEKES PROGRAMM 1 HISTORISCHER SAAL 19:00 LAND IN SICHT LOVERS NOTEBOOKS AL KALB 20:00 LAND IN SICHT MARZIA MY FRIEND MI 11.11. HISTORISCHER SAAL 19:00 CINEMA SESSION VARIETÉ (MIT LIVE-MUSIK) ERIC PLESKOW SAAL 18:30 LAND IN SICHT MARZIA MY FRIEND 20:30 LAND IN SICHT LA PIROGUE DO 12.11. HISTORISCHER SAAL 19:00 LAND IN SICHT MACONDO 21:00 LAND IN SICHT DHEEPAN ERIC PLESKOW SAAL 18:00 FILMSCHAU WERNER NEKES PROGRAMM 2 20:00 LAND IN SICHT MARZIA MY FRIEND 20:30 LAND IN SICHT EIN AUGENBLICK FREIHEIT THIS HAS BEEN BOTHERING ME THE WHOLE TIME + PUBLIKUMSGESPRÄCH ERIC PLESKOW SAAL 16:00 LAND IN SICHT MAMA ILLEGAL 18:00 FILMSCHAU WERNER NEKES PROGRAMM 3 20:00 LAND IN SICHT MARZIA MY FRIEND SO 15.11. HISTORISCHER SAAL 19:00 LAND IN SICHT LAMPEDUSA IM WINTER + PUBLIKUMSGESPRÄCH ERIC PLESKOW SAAL 16:00 FILMWERKSTATT MIT DORIS KITTLER 18:00 LAND IN SICHT THE PUNISHMENT 20:00 LAND IN SICHT MARZIA MY FRIEND 21:30 KONZERT TSCHUSCHENKAPELLE ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT JUGOFILM 20:00 LAND IN SICHT DONAU DI 17.11. HISTORISCHER SAAL 20:00 FILM UND THEATER LA PASADA (PREMIERE) ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT LAND IN SICHT 20:00 FILM NOIR GASLIGHT MI 18.11. HISTORISCHER SAAL 20:00 FILM UND THEATER LA PASADA ERIC PLESKOW SAAL 18:30 LAND IN SICHT EIN AUGENBLICK FREIHEIT THIS HAS BEEN BOTHERING ME THE WHOLE TIME 20:45 LAND IN SICHT MACONDO DO 19.11. HISTORISCHER SAAL 19:00 ERÖFFNUNG FILMSCHAU LAURA POITRAS CITIZENFOUR 21:30 FILMSCHAU LAURA POITRAS MY COUNTRY, MY COUNTRY ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT DESTINATION SERBISTAN 6.10.2015 BIS 30.3.2016 AUSSTELLUNG KINOMAGIE ÖFFNUNSZEITEN: WAS GESCHAH WIRKLICH ZWISCHEN DEN BILDERN? MO – FR 14:00 – 21:00 SA, SO, FEIERTAGE 11:00 – 21:00 20:00 LAND IN SICHT LOVERS NOTEBOOKS AL KALB SA 21.11. HISTORISCHER SAAL 16:30 FILMSCHAU LAURA POITRAS CITIZENFOUR 19:00 FILM NOIR ODDS AGAINST TOMORROW 21:30 LAND IN SICHT EXILE FAMILY MOVIE EIN EINFACHES EREIGNIS + PUBLIKUMSGESPRÄCH ERIC PLESKOW SAAL 16:00 LAND IN SICHT LAMERICA 18:30 LAND IN SICHT THE LAND BETWEEN 20:45 FILMSCHAU LAURA POITRAS THE OATH SO 22.11. HISTORISCHER SAAL 13:00 SONNTAGSMATINÉE VARVILLA + PUBLIKUMSGESPRÄCH 16:00 LAND IN SICHT START WHERE YOU ARE + PUBLIKUMSGESPRÄCH 19:00 FILM NOIR THE NORTH STAR 21:00 LAND IN SICHT PERSEPOLIS ERIC PLESKOW SAAL 16:30 FILMSCHAU LAURA POITRAS THE OATH 18:30 FILMSCHAU LAURA POITRAS MY COUNTRY, MY COUNTRY 20:30 LAND IN SICHT LITTLE ALIEN MINOR BORDER MO 23.11. DO 26.11. MO 30.11. DO 03.12. HISTORISCHER SAAL 19:00 FILM UND POLITIK / PREMIERE THE PRICE WE PAY + PUBLIKUMSGESPRÄCH HISTORISCHER SAAL 20:00 FILM UND THEATER LA PASADA HISTORISCHER SAAL 18:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL EL CODO DEL DIABLO HISTORISCHER SAAL 18:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL TIERRA DE NADIE 20:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL EL REGRESO DE LENCHO 20:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL MALACRIANZA 21:00 FESTIVAL 30 JAHRE ASIFA AUSTRIA ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT JUGOFILM 20:00 FILM NOIR FORBIDDEN PASSAGE BORDER INCIDENT DI 24.11. HISTORISCHER SAAL 10:00 EXIL SHANGHAI SYMPOSIUM 19:30 EXIL SHANGHAI KINDER DER WELT + PUBLIKUMSGESPRÄCH ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT EXILE FAMILY MOVIE EIN EINFACHES EREIGNIS 20:00 FILM NOIR ODDS AGAINST TOMORROW MI 25.11. HISTORISCHER SAAL 20:00 FILM UND THEATER LA PASADA ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT BLACK, BROWN, WHITE 20:00 FILM NOIR THE NORTH STAR ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT SUZIE WASHINGTON 20:00 LAND IN SICHT THE PUNISHMENT FR 27.11. HISTORISCHER SAAL 20:00 FILM UND THEATER LA PASADA ERIC PLESKOW SAAL 18:00 LAND IN SICHT AM RANDE DER WELT 20:00 LAND IN SICHT COMA SA 28.11. HISTORISCHER SAAL 20:00 FILM UND THEATER LA PASADA ERIC PLESKOW SAAL 16:00 LAND IN SICHT PERSEPOLIS 18:00 LAND IN SICHT REISE DER HOFFNUNG 20:30 LAND IN SICHT DESTINATION SERBISTAN SO 29.11. HISTORISCHER SAAL 15:00 SONNTAGSMATINÉE VARVILLA + PUBLIKUMSGESPRÄCH 18:00 ERÖFFNUNG MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL VIAJE + COCKTAIL + LIVEMUSIK ERIC PLESKOW SAAL 16:00 LAND IN SICHT WELCOME 18:15 LAND IN SICHT ACHTUNG STAATSGRENZE 20:00 LAND IN SICHT NERVEN BRUCH ZUSAMMEN + PUBLIKUMSGESPRÄCH ERIC PLESKOW SAAL 18:00 FILM NOIR THE LADY FROM SHANGHAI + PUBLIKUMSGESPRÄCH 20:30 LAND IN SICHT COMA DI 01.12. HISTORISCHER SAAL 18:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL ROMPIENDO LA OLA 20:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL PELOTERO ERIC PLESKOW SAAL 18:30 LAND IN SICHT ATLANTIC 20:30 LAND IN SICHT SCHWARZKOPF GEMMA GÜRTELKÄFIG + PUBLIKUMSGESPRÄCH MI 02.12. HISTORISCHER SAAL 18:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL THE BLACK CREOLES 20:00 MUSEUM GEHT INS KINO KAFKA GEHT INS KINO + DIE WEISSE SKLAVIN (MIT LIVE-MUSIK) ERIC PLESKOW SAAL 18:30 LAND IN SICHT LETTER FROM AL YARMOUK MOBILE PHONE FILMS 20:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL AUSENTES ABRAZOS ERIC PLESKOW SAAL 16:30 LAND IN SICHT DONAU 18:30 LAND IN SICHT NERVEN BRUCH ZUSAMMEN 20:30 LAND IN SICHT EVERYDAY REBELLION THIS HUMAN WORLD FR 04.12. HISTORISCHER SAAL 18:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL BURDEN OF PEACE 20:00 MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL DISTANCIA ERIC PLESKOW SAAL 16:30 FILMSCHAU WERNER NEKES PROGRAMM 4 18:30 LAND IN SICHT REISE DER HOFFNUNG 20:30 FILM NOIR THE LADY FROM SHANGHAI E4| SGASS HANNE 1010 W LMA WW.FI IEN | W .AT RCHIV »IM SCHATTEN DES KINOS« INSTALLATION VON PETER WEIBEL IM METRO KINOKULTURHAUS | JO HAUS 6,– ULTUR K O LIEDER N I K B-MITG U L C METRO A A T 7,– | F FOS: 0 UND IN 0 | ERMÄSSIG RMÄSSIGT 4,5 S T E K 0 ,5 E 8 ,5 | 3 9 TIC L ,– T A 6 12 18 0 SSIG ORM MAL +43 1 5 :00 – 00:00 KINO N LLUNG NOR AL 11,– | ERMÄ SSIGT 50,– R E D O E 11 T AUSST ICKET NORM L 65,– | ERMÄ ILMARCHIV.A & FEIERTAG T F O KOMBI LOCK NORMA ERVIERUNG@ 0:00 | SA, S 0 10ER B IERUNG RES O – FR 14:00 – V M RESER GSZEITEN N ÖFFNU
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