Predigt am 28. Sonntag im Jahreskreis / B Forum St.Peter, 11.10.2015 Predigt Liebe Schwestern und Brüder, „Forum St. Peter“ – das ist inzwischen eine Marke in Oldenburg. Sie steht dafür, dass Menschen gemeinsam auf der Suche sind nach Gott. Und zwar nicht nach einem irgendwie gedachten, systemisch definierten oder nach bestimmten Regeln funktionierenden Gott, sondern nach dem Gott, der wirklich der lebendige Gott ist und der ein höchst vitales Interesse an seinen Menschen hat, und zwar an allen Menschen und an jeder und jedem Einzelnen ganz persönlich. „Forum St. Peter“ ist eine Marke, die – wenn ich das mal so theatralisch sagen darf - für eine neue Kirchenwerdung steht, weil hier im Umgang miteinander und mit anderen die sogenannte „Augenhöhe“ eines der wesentlichen Kennzeichen ist, und der Respekt voreinander und vor anderen, der Verzicht auf Beurteilung und auf Aus- oder Abgrenzung von irgendjemandem, der hier aufschlägt. „Forum St. Peter“ ist eine Marke, die steht auch für ein selbstbewusstes Christsein in Gemeinschaft der Getauften, in einem ökumenischer Zusammenwirken aller Getauften. Und sie steht für die Freude an der gemeinsamen inneren Gewissheit so vieler ganz unterschiedlichen Menschen, dass der auferstandene Herr selbst da ist. Nicht Systeme, nicht Hierarchien, nicht das kirchlich so gewohnte Oben und Unten, und auch nicht abstrakte Denkgebäude sind hier die maßgeblichen Kriterien für Kirche, sondern das Vertrauen darauf, dass Gottes Geist in allen wirkt und jeden befähigt, seinen Teil beizutragen, und die gemeinsame Suche nach den Wegen, auf denen Menschen die befreiende und heilende und aufrichtende Wirklichkeit des Evangeliums in ihr konkretes Leben hinein angesagt und als wahr erwiesen werden kann. In dieser Grundausrichtung wirken hier im Forum St. Peter viele zusammen: von der Caritas und dem Caritas-Sozialwerk mit der ökumenischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung, über den Sozialdienst katholischer Frauen und den Trägerverein der katholischen Kindertagesstätten bis zu den Seelsorgern des Hauses, dem Kuratorium der Trägerstiftung und den anderen hauptberuflichen und vor allem auch freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 1 Predigt am 28. Sonntag im Jahreskreis / B Forum St.Peter, 11.10.2015 Ich meine, dass sich hier etwas von dem verwirklich, was man nennen kann „Gemeinsam Kirche sein“. Im September tagte in Fulda die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofkonferenz. Dort wurde zum Abschluss von unserem Bischof Felix Genn und dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode ein Dokument der Öffentlichkeit vorgestellt, das genau diesen Titel trägt: „Gemeinsam Kirche sein“. Es ist ein Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral. Grundanliegen war in der Erarbeitung dieses Dokumentes, anlässlich des Konzilsjubiläums in diesem Jahr bewusst einmal ganz neu durch die Brille des II. Vatikanums, insbesondere mit Hilfe einer Relecture der Kirchenkostitution „Lumen gentium“ auf unsere kirchliche Wirklichkeit heute zu schauen. Wir wissen alle, dass ja ständig alle möglichen Texte, Aufrufe, Mitteilungen usw. verfasst und in die Öffentlichkeit rausgehauen werden, auch von der Kirche, von Bischöfen und Arbeitsgruppen und Initiativen und Hilfswerken und anderen. Dieses Dokument „Gemeinsam Kirche sein“ allerdings ist ein besonders gut gelungenes. Es ist bewusst nicht in theologischer Fachsprache formuliert, sondern in einer Sprache geschrieben, die auch normale Leute lesen und verstehen können. Und es hat unerwartete Perspektiven in sich. Eine wichtige Grundperspektive heißt: Gott hat seinen Geist in gleicher Weise allen Frauen und Männern im neuen Volk Gottes geschenkt: in Taufe und in der Firmung. Tatsächlich – so lautet eine Grundlinie dieses Dokumentes - ist das die fundamentale Wahrheit vor allen anderen: Alle Getauften sind miteinander auf Augenhöhe durch Gottes Geist geheiligt und berufen und gesandt, miteinander eine priesterliche Gemeinschaft zu sein. Wörtlich heißt es da: „(…) müssen wir unsere gemeinsame Berufung als Christen durch die Taufe an erste Stelle setzen. Sie schafft eine fundamentale Gemeinschaft und Gemeinsamkeit aller Getauften in ihrer Ebenbürtigkeit aus Gott und in ihrer Teilhabe am Aufbau der Kirche.“1 1 Gemeinsam Kirche sein, 1.a 2 Predigt am 28. Sonntag im Jahreskreis / B Forum St.Peter, 11.10.2015 Alle haben in gleicher Weise die Verbindung zu Gott, denn sein Geist wohnt in gleicher Weise in jeder und jedem von ihnen. Alle sind auf Augenhöhe miteinander verantwortlich dafür, dass die große Gemeinschaft den Weg Gottes geht. Alle sind in gleicher Weise fähig, Gottes Willen zu erkennen, wenn sie das wollen, und so auch an der Leitung des ganzen Volkes mitzuwirken. Theologisch ist das alles gar nicht so neu. Das kann man schon in den Konzilstexten nachlesen; und die haben wir ja schon seit Jahrzehnten.2 Aber wir wissen auch, dass diese theologischen Wahrheiten im wirklichen und praktischen Leben der Kirche und ihrer Strukturen nicht wirklich durchbuchstabiert wurden. Bis heute ist es ja nicht unüblich, dass einerseits Gemeinden und Gläubige erwarten, dass sie von den Amtsträgern und den Seelsorgern rundrum versorgt werden, möglichst so, wie jeder sich das persönlich wünscht. Und es ist ebenso wahr, dass andererseits nicht wenige Amtsträger und Funktionäre, Bischöfe, Priester und andere, sich wie Fürsten aufspielen und als Herrschaften im wahrsten Sinn des Wortes sich wesentlich engagierter um ihre eigene Macht, um die Durchsetzung ihrer persönlichen Vorstellungen und auch um ihr eigenes Wohlergehen kümmern als um das Wohl der konkreten Menschen, in deren Dienst sie eigentlich bestellt sind. Bischöfe, Priester, kirchliche Leute, die eine solche Einstellung haben, sind eigentlich Relikte aus einer vorkonziliaren Welt, auch wenn sie sich manchmal modern geben. In der Kirchenkonstitution des II. Vatikanums ist dieser Perspektivwechsel schon zu finden, den das neue Wort der Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“ ausdrücklich in der heutigen Sprache formuliert: Nicht mehr das Amt, nicht die Gliederung in Kleriker und Laien ist Ausgangspunkt für alle Überlegungen zur zukünftigen Gestalt der Kirche, sondern Ausgangspunkt ist eben diese Wirklichkeit des untereinander ebenbürtigen Volkes Gottes. Die „Gläubigen“, wie man das so schön sagt, sind nicht Helfer 2 Vgl. Lumen gentium 15 3 Predigt am 28. Sonntag im Jahreskreis / B Forum St.Peter, 11.10.2015 oder Zuarbeiter oder Mitarbeiter des Klerus, sondern sie sind in ihrer ganz eigenen Kompetenz mitverantwortlich für das Sein und das Handeln der Kirche3, während die Amtsträger ganz profiliert nur im Dienst aller anderen stehen4. Wörtlich heißt es da z.B.: „Alle Leitungsdienste in der Kirche bleiben ein- gebunden in die Verantwortung aller im Gottesvolk für den Weg der Kirche. Jede autokratische Leitung wird dadurch ausgeschlossen.“5 Woran erkennt man den besten Preis? - Am besten Preis natürlich! Woran denn sonst? Woran erkennt man den Dienst? - Am tatsächlichen uneigennützigen Dienen natürlich! Woran denn sonst? Ich meine, es werde höchste Zeit, dass das auch in den konkreten Strukturen und Partizipationsmöglichkeiten in unserer Kirche konsequenter zur Geltung kommt. Ich glaube, es ginge uns als Kirche wesentlich besser, wenn die sogenannten Laien in vielen Zusammenhängen viel deutlicher mitzubestimmen hätten, als das in den relativ schwachen Mitsprachesystemen der Fall ist, die wir jetzt haben. Neue Formen der Beteiligung und der Verantwortung stellt das Dokument der Deutschen Bischöfe tatsächlich in Aussicht.6 Und es wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die jetzt innerhalb eines Jahres eine Arbeitshilfe erstellen soll zu neuen Leitungsmodellen in der Kirche und zu echten neuen Partizipationsmöglichkeiten aller Getauften. Wir dürfen gespannt sein. Ich finde es total wichtig, dass das kein Rohrkrepierer wird. Deshalb: Lesen Sie dieses Dokument! Und machen Sie es sich zu eigen! Ich denke, das Forum St. Peter kann und soll ein kirchlicher Lebensraum sein, in dem das exemplarisch in unterschiedlichen Zusammenhängen erprobt und ausgetestet werden kann und soll. Und ich meine, dass sich hier schon seit Jahren erweist, dass dieser Weg ein guter Weg ist. 3 4 5 6 Vgl. Papst Benedikt XVI., Ansprache zur Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom, 26.08.2009 Vgl. Gemeinsam Kirche sein, 5b Ebd. 5c Ebd. 6b 4 Predigt am 28. Sonntag im Jahreskreis / B Forum St.Peter, 11.10.2015 Wenn ich mich heute offiziell aus der Mitverantwortung hier verabschiede, dann tu ich das in großer Dankbarkeit dafür, dass ich hier in den vergangenen mehr als zehn Jahren mitdenken, mitreden, mitentscheiden und das Ganze mitentwickeln durfte. Und ich grüße in aufrichtiger Dankbarkeit und mit großem Respekt alle, mit denen ich in diesen Jahren zusammenarbeiten durfte: Vom Kuratorium der Stiftung über die Seelsorger, die Institutionen und Verbände, die Pfarrgemeinden, das Offizialat, die evangelisch-lutherische Kirche bis hin zur NWZ und unseren anderen Nachbarn hier und die Stad Oldenburg, um einige Gruppierungen zu nennen. Ich wünsche dem Forum St. Peter und allen, die hier miteinander diesen Lebensraum des Geistes Gottes in die Zukunft weiterentwickeln, Kreativität, Mut, Freiheit, die Kraft der Liebe und Gottes reichen Segen! Und allen, die hier ins Haus kommen, wünsche ich die persönliche Erfahrung, dass sie unbedingt willkommen und angenommen sind. Die Bitte des heutigen Tagesgebetes möge hier jeden Tag in Erfüllung gehen: Herr, unser Gott, deine Gnade komme uns zuvor und begleite uns, damit wir dein Wort im Herzen bewahren und immer bereit sind, das Gute zu tun. © Bernd Winter 2015 „Gemeinsam Kirche sein“ – Den Text finden Sie hier: http://www.dbk-shop.de/media/files_public/nepnukkhrew/DBK_11100.pdf 5
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