TITELTHEMA UMBAU ALLE S OFFEN N a ch a u ß e n r e p r ä s e n t a t i v, z u m G a r t e n h i n h e l l u n d l u f t i g : M i t r i e s i g e n G l a s t ü r e n s o r g e n S c u l p ( i t ) A r ch i t e c t e n i n e i n e m A n t w e r p e n e r A l t b a u f ü r e i n g a n z n e u e s Wo h n g e f ü h l T E X T: JOH A N N E S H Ü N IG | F O T O S: L UC R OY M A N S 36 HÄUS E R 2016 N° 1 N° 1 2016 HÄUS E R 37 TITELTHEMA UMBAU Macht hoch die Tür: Da Wohn- und Esszimmer im ersten Stock liegen, hatten sie bislang keinen Gartenzugang. Dank des Anbaus öffnet sich der Essbereich aber nun ins Grüne, eine Holztreppe führt nach unten. Alt und Neu finden in diesem Haus gut zusammen, historische Details blieben erhalten. „U N S E R E AU FGAB E: SCHAFFT MEHR LICHT!“ Pieter Peerlings 38 HÄUS E R 2016 N° 1 N° 1 2016 HÄUS E R 39 TITELTHEMA UMBAU „DI E G LASTÜR E N LÖSEN VIELE PROBLEME AUF EINMAL“ Pieter Peerlings Raumwunder: Der Anbau versorgt das Stadthaus nicht nur mit Licht, sondern auch mit verschwenderisch viel Platz. So kann der Tisch, eine Maßanfertigung mit Rollen, frei im Raum verschoben werden, als Dinnertafel oder Arbeitsfläche. 40 HÄUS E R 2016 N° 1 N° 1 2016 HÄUS E R 41 TITELTHEMA UMBAU SCULP(IT) ARCHITECTEN HAUS L ALO, ANT WERPEN/BELGIEN 1: 250 0 Terrasse 5m Kochen Luftraum Schlafen Luftraum Essen Wohnen Ankleide Hauswirtschaftsraum Haustechnik Garage Wohnen Erdgeschoss 1. Obergeschoss Höhenflug: Stolze neun des rückwärtigen Anbaus auf. Sie öffnet sämtliche Geschosse des Altbaus zur Aussicht und zum Licht. 42 W ie macht man einen Altbau bereit für die nächsten hundert Jahre? Anders gefragt: Wie gelingt es, ein histori sches Wohnhaus so zu verändern, dass sein Charakter erhalten bleibt, die Räume aber modernen Bedürfnissen entsprechen? Die Antwort, die Sculp(it) Architecten auf diese Frage geben, misst sechs mal drei Meter und wiegt fast vier Tonnen: eine gigantische zweiflügelige Glastür, die die rückwär tige Seite eines historischen Bürgerhauses in Antwerpen zum Garten hin öffnet. Es ist, glaubt man den Architek ten, die größte Glasflügeltür der Welt. Und sie zeigt, dass eine einzige mutige Entscheidung manchmal das Beste ist, was einem Haus passieren kann. „Wir haben eigent lich nicht viel gemacht“, sagt Architekt Pieter Peerlings, der Sculp(it) Architecten zusammen mit Silvia Mertens führt. „Aber was wir gemacht haben, hat radikale Aus wirkungen auf das Leben im Haus.“ Von der Straße aus sieht man davon erst einmal wenig: Die historische Ziegelfassade mit verglastem Erker, an gedeuteten Fensterbändern und Werksteingliederungen wurde feinfühlig restauriert, ansonsten aber nicht verän dert. Auch die dahinter liegenden Räume blieben in ihrer Struktur erhalten, Originaldetails wie Parkettboden, Kas settendecken oder Holztüren sind nun noch feiner her ausgearbeitet als zuvor. Die Bäder wurden dezent moder nisiert, das Treppenhaus stilgerecht renoviert. Wo jedoch ursprünglich die rückwärtige Fassade das Haus zum Garten hin abschloss, öffnet sich nun ein be mit seinem geschliffenen betonboden, der sich auf der Terrasse fortsetzt, und der unkompliziert eingerich teten Küche wirkt der neu geschaffene Anbau wie ein er frischend zeitgemäßer Gegenpol zur gediegenen Bürger lichkeit des Bestandes. Dass sich dabei Alt und Neu überraschend unverkrampft zusammenfügen, ist dem Verzicht auf Designspielereien und Modernismen zu ver danken. So führt eine klassische, weiß gestrichene Holz treppe in den Anbau hinab, dessen weiß getünchte Zie gelwände zusammen mit den Holz- und Betonflächen der Küche bewusst keine grellen Kontraste zum Altbau set zen. Der Esstisch lässt sich auf Rollen quer durch den Raum bewegen und dient mal als Arbeitsfläche, mal als Festtagstafel. Für die Bauherren, ein junges Paar mit Kindern, ge hörte ein offener Essbereich, der das Wohnzimmer mit HÄUS E R 2016 N° 1 eine lösung für alle wünsche? Das klingt einfach, aber das war es nicht. Und schnell ging es auch nicht ge rade: Volle sechs Monate tüftelten die Architekten ge meinsam mit dem Hersteller an einer Lösung für die Glasfassade, die nicht nur praktischen, sondern auch äs thetischen Ansprüchen genügt. Die Türen sollten stabil sein, aber nicht grobschlächtig, sie sollten gut gedämmt, aber nicht zu dick sein, und sie sollten sich – vielleicht der wichtigste Punkt – leicht öffnen lassen. Denn im Alltag dienen die Glasflügel trotz ihrer monumentalen Größe schließlich als normaler Terrassenzugang. Das Fassadensystem, das in gleicher Ausführung auch bei wesentlich größeren Bauprojekten eingesetzt wird, wurde daher in Antwerpen leicht modifiziert und mit fili granen, aber stabilen Stahlprofilen und besonders leicht gängigen Zapfen gefertigt. Das Ergebnis? „Es funktio niert viel besser als in unseren Berechnungen“, so Pieter Peerlings. „Man kann die Türen mit einem einzigen Fin ger bewegen.“ N° 1 2016 HÄUS E R Bad 2. Obergeschoss Architekten: Sculp(it) Architecten, Silvia Mertens und Pieter Peerlings, Huikstraat 47, B-2000 Antwerpen, Tel. +32-3-289 07 24, www.sculp.it Bauzeit: 5/2013–5/2014 Wohnfläche: 497 m 2 Baukosten: unter 400 000 Euro Bauweise: massiv Fassade: Stahl und Glas (siehe „Im Detail“) Dach: Flachdach (Neubau) Raumhöhe: bis zu 9 m Decken/Wände: Ziegel, weiß gestrichen Fußboden: Beton, geschliffen dem Garten verbindet, zu den größten Wünschen für den Umbau. Bekommen haben sie noch viel mehr als das: Denn auch die oberen Geschosse profitieren von der radi kalen Raumöffnung. Über dem Essbereich ist ein schma ler Balkon eingehängt, der als Arbeitsbereich dient. Das darüber gelegene Schlafzimmer öffnet sich ebenfalls mit einer Galerie zu dem neuen Raum und erhält auf diese Weise viel Licht und Luft. „Die große Glastür hat alle Wünsche auf einmal erfüllt“, sagt Pieter Peerlings. eindruckender Luftraum von neun Meter Höhe, der sich über volle drei Geschosse erstreckt und den ehemals düsteren Räumen viel Licht und Luft verschafft sowie einen weiten Blick ins Grüne. Vom Wohn- und Esszim mer, das im ersten Stock gelegen ist und daher bislang ohne Gartenzugang auskommen musste, gelangt man nun über eine Treppe zum offenen Küchenbereich im Erdgeschoss. Mit den beiden riesigen Flügeltüren und einem darüber platzierten Fenster öffnet sich dieser Raum zum Garten – ein atemberaubender Anblick. Und eine clevere Lösung, die auch dem Altbau zu einem ganz neuen Wohngefühl verhilft. Po r t r ä t : G u y Ko k k e n , Fo t o s L u c R o y m a n s ü b e r C h i l l i M e d i a Meter ragt die Glasfläche Kind Möblierung: größtenteils Vintage-Möbel; die Küche ist eine Maßanfertigung. Adressen auf Seite 126 Sechs Meter hoch, drei Meter breit – allein die Maße der beiden rückwärtigen Glasflügeltüren sind beeindruckend. Sie sind eine Spezialanfertigung des Herstellers ods Jansen (Belgien/ Schweiz), dessen Stahl-Glas-Fassadensysteme häufig bei Großprojekten eingesetzt werden, zuletzt etwa beim neuen Hauptbahnhof in Rotterdam. Das Isolierglas lieferte der französi- IM D E TA I L sche Glashersteller Saint-Gobain. Gewaltig ist jedoch nicht nur die Größe, sondern auch das Gewicht von knapp zwei Tonnen pro Flügel. Jede Tür ruht daher in einer leichtgängigen Zapfenkonstruktion, die deutlich mehr Gewicht tragen kann als herkömmliche Scharniere. Der Vorteil zeigt sich im Alltag: Wo man eine Kurbel oder einen elektrischen Antrieb vermutet hätte, genügt tatsächlich ein einzelner Finger, um die Türen zu bewegen. UMFANGREICHES PLANMATERIAL UNTER WWW.HAEUSER.DE/GRUNDRISSE 43
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