Offener Brief an die US-Regierung und an die Regierungen der EU

Offener Brief an die US-Regierung und an die Regierungen der EU Länder
Die Angriffe gegen die kurdische Bevölkerung und gegen die
PKK müssen sofort eingestellt werden!
Sehr geehrter Regierungsvertreter_innen der USA und der EU Länder,
wir sind in großer Sorge über die Entwicklungen in der Türkei, in Syrien und im Nordirak.
Es ist zynisch und menschenverachtend, dass nach dem Anschlag des Islamischen
Staates (IS) in Suruç, bei dem 32 Jugendliche aus der türkischen Linken starben, nun von
der Türkei diejenigen Kräfte angegriffen werden, die den effektivsten Widerstand gegen
die Terrororganisation IS geleistet haben. Es waren die YPG aus Rojava/Nordsyrien und
die PKK, die hunderttausende EzidInnen im Nordirak gerettet haben. Die demokratischen
Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava und die PKK wirken zudem im Mittleren Osten für
ein friedliches, multiethnisches, multireligiöses und geschlechtergleichberechtigtes
Zusammenleben. Genau das wurde in der letzten Zeit international gesehen und
anerkannt.
Dass nun gerade diese Akteure mit offensichtlicher Billigung der US- und EU-Regierungen
angegriffen werden, zeigt deutlich, dass auch in deren Politik andere Interessen als
Stabilität der Gesellschaften und Wohlergehen der Bevölkerung im Vordergrund stehen.
Unter dem Vorwand, den IS zu bekämpfen, wird offensichtlich gegen die kurdische
Bewegung in der Türkei und der gesamten Region vorgegangen. Mit den Bombardements
u.a. der Regionen Kandil, Zap, Avasin und Metina im Norden des Irak hat die Regierung
Erdogan/Davutoglu den Friedensprozess mit der PKK endgültig zum Scheitern gebracht,
mit den Angriffen auf Rojava gefährdet sie das Wohlergehen der Menschen in der
gesamten Region.
Die US-Regierung hat offenbar der türkischen Regierung freie Hand für Angriffe auf die
PKK und die demokratische Selbstverwaltung in Rojava gegeben, um als Gegenleistung
u.a. den Flughafen von Incirlik nutzen zu können. Es ist zu befürchten, dass die Folgen
einer solchen Politik den Mittleren Osten für eine lange Zeit in ein großes Chaos stürzen
werden. Durch eine Unterstützung der destruktiven Innen- und Außenpolitik der türkischen
Regierung, die seit langer Zeit in vielerlei Hinsicht offen mit dem IS zusammenarbeitet,
verschärft die US-Regierung die Konflikte in der ohnehin schon von Krieg und Zerstörung
betroffenen Region. Es ist zu befürchten, dass dies unzähligen weiteren Menschen das
Leben kosten oder sie in die Flucht zwingen wird.
Dass die US-Regierung sich, Presseberichten zu Folge, für eine „Pufferzone“ in
Rojava/Nordsyrien ausspricht, ist unverantwortlich. Schon lange hatte die AKP angestrebt,
eine solche Pufferzone im Norden Syriens einzurichten, die demokratische Organisierung
der Menschen in Rojava anzugreifen und so auch den Einfluss der fortschrittlichen
kurdischen Kräfte in der Türkei einzudämmen.
Zusätzlich zu den genannten militärischen Angriffen wurden in den letzten Tagen bei
Razzien in der Türkei mehr als 900 Menschen festgenommen. Davon standen die meisten
der im türkischen Parlament vertretenen kurdischen Demokratischen Partei der Völker
(HDP) und weitere der türkischen Linken nahe – nur wenige dem IS. Seit den
Parlamentswahlen, bei denen die AKP ihre absolute Mehrheit verlor, wendet sich die
Regierung auch zunehmend aggressiv gegen die HDP sowie die kurdische Bevölkerung –
und facht einen Bürgerkrieg an. Dass die Bundesregierung weiter an ihrer Unterstützung
und der militärische Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung sowie an der
Stationierung der Patriot-Raketen in der Türkei festhält, trägt in diesem Rahmen zur
weiteren Eskalation der Situation bei.
Sehr geehrter Regierungsvertreter der US und der EU-Länder,
wir fordern Sie daher dazu auf, von einer derart geostrategisch motivierten Politik, die
unendliches Leid verursacht, Abstand zu nehmen. Frieden ist ein zentrales Gut. Mit ihrem
momentanen Wirken gefährden sie den Weltfrieden.
Stattdessen wäre es im Interesse von Demokratie und Frieden sinnvoll, die
Selbstverwaltungsstrukturen von Rojava und die PKK anzuerkennen, in einen
konstruktiven Dialog mit ihnen zu treten und Druck auf die türkische Regierung zu
entfalten, ihre zerstörerische und aggressive Politik zu beenden. Um den Friedensprozess
wieder in Gang zu setzen, müssen die Verhandlungen zwischen türkischer Regierung und
der PKK wieder aufgenommen und dafür gesorgt werden, dass Abdullah Öcalan seine
Rolle als Verhandlungsführer wahrnehmen kann und frei gelassen wird.
Momentan wird mehr und mehr deutlich, dass die vermeintliche Bekämpfung des IS in
Syrien dazu genutzt wird, die gesamte Region Mittlerer Osten in ein noch größeres Chaos
zu stürzen und zu versuchen, die kurdische Bewegung zu vernichten. Fraglich ist, ob
letztendlich geplant ist, Rojava zu erobern, bis Damaskus vorzustoßen und Syrien neu
aufzuteilen.
Die Angriffe auf die kurdische Bevölkerung und die PKK müssen sofort eingestellt werden.
Wir fordern die US- und die Regierungen der EU-Länder auf, sich jetzt mit aller Kraft
gegen die einseitig von der Türkei provozierten Eskalation der Gewaltspirale und die
destruktive Politik der türkischen Regierung sowie die menschenfeindliche Politik des IS
zu stellen.
Tun sie das in Anbetracht der Situation nicht, erscheinen die Reden der verantwortlichen
Regierungsmitglieder, in denen sie sich besorgt um das Schicksal der EzidInnen, der
Bevölkerung in Rojava und der KurdInnen äußern, nicht aufrichtig.
Erstunterzeichner_innen:
Andrej Hunko, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE (BRD)
Andrew Kroglund, Internationaler Sekretär der norwegischen Umweltpartei, Norwegen
Anna KOLOTOVA, Secretary General Unified European Left, Parliamentary Assembly of the
Council of Europe
Annette Groth, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE (BRD)
Barbara Cárdenas, Abgeordnete des Landtags Hessen, DIE LINKE (BRD)
Britta Eder, Rechtsanwältin Hamburg (BRD)
Cansu Özdemir, Abgeordnete des Landtags Hamburg, DIE LINKE (BRD)
Derek Wall, Internationaler Koordinator der Grünen Partei von England und Wales , UK;
Dr. Felix Padel, Gastprofessor, JNU, Delhi, Indien
Dr. Michael M.Gunter, Professor für Politikwissenschaft, Tennesse Technical University, USA;
Dr. Thomas Jeffrey Miley, Dozent für Politische Soziologie, Universität Cambridge, UK
Dr. Alexander Neu, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE (BRDNazmi Gür)
Dr. Sahra Wagenknecht, MdB, Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im
Deutschen Bundestag
Dr.h.c. Hans von Sponeck, UN Assistant Secretary-General a.D.
Elmar Altvater, emeritierter Professor für Politikwissenschaft (BRD)
Fabio de Masi, Mitglied des Europäischen Parlaments, GUE/NGL (BRD)
Harald Weinberg, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE (BRD)
Inge Höger, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE (BRD)
Janet Biehl, Autorin (USA)
Jean Lambert MdEP UK;
Lord Avebury, Mitglied des House of Lords, UK;
Lord Rea, Mitglied des House of Lords, UK;
Margaret Owen, Menschenrechtsanwalt und Leiter der internationalen NGO, Widows for Peace
wenn Demokratie, UK;
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste (BRD)
Martin Dolzer, Abgeordneter des Landtags Hamburg, DIE LINKE (BRD)
Mary Davis, Gastprofessor an der Royal Holloway University of London, UK
Matjaz Hanzek, Soziologe, Obmann für Menschenrechte in der Parlamentarischen Versammlung
des Europarats (Slowakei)
Mehmet Yildiz, Abgeordneter des Landtags Hamburg, DIE LINKE (BRD)
Nazmi Gür, Stellvertender Co-Vorsitzende der HDP
Nick Hildyard, Politikberater, UK;
Ögmundur Jónasson, Abgeordneter Pralament island
Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein, Gründungsmitglied der ärztlichen Friedensbewegung IPPNW
(BRD)
Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler (BRD)
Sevim
Dagdelen,
MdB
DIE
LINKE,
Vizevorsitzende
der
Deutsch-Türkischen
Parlamentariergruppe im Bundestag
Stephen Smellie, stellvertretender Obmann UNISON Schottland;
Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE (BRD)
Yilmaz Kaba, Vorstandsmitglied der Föderation der Ezidischen Vereine e.V. (BRD)