Fütterung „Im Gras steckt mehr Protein, als Sie meinen“ Der Proteinwert von Grasprodukten lässt sich steigern und somit teures Eiweißfutter sparen. Wie das geht, verraten Dr. Hubert Spiekers1) und Dr. Bronwyn Edmunds2). S o hochwertig Sojaschrot für die Milchviehfütterung auch ist: Die Kosten explodieren derzeit und die Diskussionen um heimische Eiweißträger und gentechnisch veränderte Ware nehmen zu. Deshalb sollten Milcherzeuger ihr Auge darauf schärfen, die Eiweißversorgung aus Grasprodukten zu verbessern. Um aufzuzeigen, welche Protein-Reserven in den Grünlandaufwüchsen stecken, werden in den Betrieben der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Futtermengen vom Feld bis in den Stall erfasst (Übersicht 1). Deutlich wird, dass es erhebliche Ertragsunterschiede gibt – in Abhängigkeit vom Standort, aber auch auf Schlagebene. Deshalb empfehlen wir, die Erträge unbedingt für jeden einzelnen Schlag zu er1) Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Grub; 2) Universität Bonn R 16 top agrar 5/2012 mitteln. Ein bewährtes Verfahren ist die Ermittlung der Trockenmasseerträge direkt am Häcksler. Möglich ist auch die Erfassung über Abschiebe- und Ladewaagen oder die Fuhrwerkswaage. Den Bestand steuern: In unseren Fut- terbaubetrieben stammen 67 bis 100 % des kompletten Grobfutterproteins aus den Grünfutterkonserven. Um Hochleistungskühe auszufüttern, ist die Versorgung mit nutzbarem Rohprotein am Darm (nXP) und Stickstoff für die Mikroben im Pansen (Ruminale-N-Bilanz, RNB) entscheidend. Wichtig ist ein hoher nXP-Ertrag je Hektar frei Maul. Hierfür ist ein hoher Ertrag und ein hoher Gehalt an nXP anzustreben. Eine positive RNB in den Grasprodukten ist vor allem in Kombination mit Maissilage günstig, da diese eine stark negative RNB aufweist. Die nXP- und RNB-Werte hängen insbesondere von folgenden Faktoren ab: Um die Proteinqualität von Grasaufwüchsen zu verbessern, ist eine schnelle Silierung mit kurzen Feldliegezeiten anzustreben. Foto: Höner Labor-Analyse nötig! Da für die Fütterung das nXP und die RNB maßgebend sind, ist eine gute Abschätzung des nXP in Grasprodukten wichtig. Bei der Analyse der Futterproben ist zurzeit eine Berechnung des nXP auf Basis des Energiegehaltes, des Rohproteingehaltes und einer Abschätzung des UDP-Anteils üblich. Je nach TM- und Rohproteingehalt werden UDP-Anteile von 10 %, 15 % oder 20 % angesetzt. Um die Proteinqualität aber genau zu erfassen, ist eine Messung im Labor erforderlich. Es gibt drei Methoden: Die chemische Fraktionierung, den modifizierten Hohenheimer Futterwerttest und die Anwendung von Enzymzusätzen. Aus den Ergebnissen des modifizierten Hohenheimer Futterwerttests wird deutlich, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Futterproben gibt. In puncto nXP haben Grascobs und Heu die Nase vorn. Beim Heu sind aufgrund der niedrigeren Rohprotein- und Energiegehalte die nXP-Werte dennoch vergleichsweise niedrig. • Pflanzenbestand: Hohe nXP-Werte setzen hohe Energiegehalte zur mikrobiellen Proteinbildung und hohe Anteile an unabbaubarem Futterprotein (UDP) voraus, das am Darm zur Verfügung steht. Die ideale Pflanze hat viele Kohlenhydrate, 16 bis 18 % Rohprotein in der TM und einen UDP-Anteil von 20 % und mehr. Ideal sind daher das Deutsche Weidelgras und andere energiereiche Gräser. Günstig ist aber auch der Weiß- oder Rotklee. Wichtig ist eine hohe Nutzungselastizität, da- mit auch bei verspäteter Ernte noch gute Qualitäten eingefahren werden. • Düngung: Eine ausgewogene Nährstoffversorgung ist Voraussetzung für einen energie- und nXP-reichen Aufwuchs. Frühzeitig ausgebrachte Gülle ist ein idealer Mehrnährstoffdünger. Eine Düngung mit mineralischem Stickstoff (N) zu kurz vor der Ernte führt vielfach nur zu einem Anstieg des N-Gehalts in der Pflanze. UDP fehlt in diesem Fall. Eventuell gibt es Probleme mit Nitrat. Die Futterquali- Übersicht 1: TM- und XP-Erträge Übers. 2: Rohproteingehalt konstant, Energiegehalt sinkt Betrieb Ertrag/ha dt TM kg XP Achselschwang 84 1 116 Almesbach 107 1 522 Grub 109 1 476 Kringell* 69 989 Spitalhof 99 1 610 *) ökologisch, Quelle: Köhler und andere 2011 Die Trockenmasse- (TM) und Rohproteinerträge (XP) streuen. TM 20 % 35 % 50 % 65 % Trocknung TM % Sonne Welkzeit Stunden tät lässt sich über die N-Düngung nicht steuern. Mit mehr Stickstoff lässt sich jedoch der Massenertrag anheben, bei abnehmender N-Effizienz. Für Kleegrasbestände steht die Versorgung mit den Grundnährstoffen im Fokus, da Stickstoff aus der Luft gebunden wird. • Erntezeitpunkt: Bei sehr jungen Pflanzen sind der Gehalt an nXP und die RNB relativ hoch. Folge: Ohne Ausgleich durch andere Futtermittel mit negativer RNB gibt es hohe Milchharn- XP ME g/kg TM MJ/kg TM 19 3 188 11,0 Schatten 19 5 189 11,2 Sonne 38 7 189 11,2 Schatten 37 31 191 10,8 Sonne 50 9 186 10,8 Schatten 47 33 195 10,8 Sonne 69 26 179 10,1 Schatten 67 50 191 10,0 Der Trockenmassegehalt hat keinen Einfluss auf den Rohproteingehalt des Grases. top agrar 5/2012 R 17 Fütterung Übers. 3: Anwelkdauer bestimmt Proteinqualität 25 Unabgebautes Rohprotein (UDP), % Rohprotein Nicht-Protein-Stickstoff (NPN), % Rohprotein 20 80 Schnell anwelken: Welche weiteren 60 15 40 10 schnelle Trocknung 5 0 ren Risiko für Faktorenerkrankungen wie beispielsweise dem „chronischen Botulismus“ diskutiert. 20 langsame Trocknung 20 35 50 65 20 Trockenmasse, % 35 50 65 0 Quelle: Edmunds et al., 2011 stoffgehalte und hohe N-Ausscheidungen. Für die Silagegewinnung sollten ausreichende Erträge, hohe Energiegehalte und passende Rohproteingehalte und -qualitäten angestrebt werden. Der Rohproteingehalt lässt sich nur bedingt steuern. Je höher der Stängelanteil und der Anteil an Reservestoffen wie Zucker wird, umso geringer sind die Gehalte an Rohprotein. Zudem sinkt bei hohen Erträgen der Rohproteingehalt (Verdünnungseffekt). Dies zeigt sich z.B. beim Welschen Weidelgras im ersten Schnitt. Wichtig ist eine harmonische Abstimmung von Pflanzenbestand, Düngung und Erntezeitpunkt. Maßgebend für den Proteinertrag ist der Ertrag am Maul und somit die Milcheiweißmenge, die aus dem Gras erzeugt werden kann. Voraussetzung ist hierfür, dass von dem, was wächst, möglichst viel in optimaler Qualität beim Tier ankommt. Protein bis am Darm: Je höher die Leis- tung einer Herde ist, desto wichtiger ist die Versorgung mit nXP. Wichtiges Qualitätskriterium für das nXP ist die Menge an unabgebautem Rohprotein UDP. Von den Grasprodukten sollte deshalb möglichst viel Rohprotein als Eiweiß erhalten und am Darm der Kuh nutzbar sein. Schnell gelesen • Die Eiweißversorgung aus Grasprodukten lässt sich noch verbessern. • Um Hochleistungskühe auszufüttern, ist die Versorgung mit nXP und die RNB entscheidend. • Über Pflanzenbestand, Düngung, Erntezeitpunkt und Siliermanagement lässt sich der Proteinwert steuern. R 18 top agrar 5/2012 Foto: Berning Eine schnellere Trocknung verbessert die Proteinqualität des Grases: Der UDP-Anteil steigt, der Proteinabbau reduziert sich. Grafik: Driemer Mit Sensoren können die Grünlanderträge direkt am Häcksler erfasst werden. Der UDP-Gehalt hängt stark vom Konservierungsverfahren ab: Ideal ist die gesteuerte Trocknung. Hier können die UDP-Anteile auf 30 bis 40 % des Rohproteins steigen. Umgekehrt ist die Situation bei der Silierung: Beim Silieren wird Rohprotein stark abgebaut. Der Anteil Reinprotein kann von etwa 80 % auf 20 % fallen und den Zielwert von mehr als 50 % Reinprotein-Anteil am Rohprotein unterschreiten. Beim Silieren muss deshalb der Abbau des Rohproteins so stark wie möglich eingedämmt werden. Das gelingt vor allem durch geringe Gärverluste. Je schneller und tiefer der pH-Wert abfällt, desto geringer ist der zu erwartende Proteinabbau. Gleichzeitig steigt der nXP-Wert und die Futteraufnahme ist vielfach verbessert. Ein geringerer Proteinabbau ist auch für die Gesundheit der Tiere vorteilhaft. Denn die Abbauprodukte des Proteins werden teils in Zusammenhang mit einem höhe- Möglichkeiten Landwirte zur Verbesserung des Proteinwerts haben, zeigt ein Versuch aus Aulendorf. Darin wurde Wiesengras entweder schnell in der Sonne oder langsam im Schatten auf 20 %, 35 %, 50 % und 65 % TM angewelkt und in Laborsilos einsiliert. Nach der Silierung wurde der Proteinwert analysiert. Übersicht 2 macht klar, dass die unterschiedlichen Welkzeiten keinen Einfluss auf die Rohproteingehalte hatten. Allerdings sanken die Energiehalte mit zunehmender Welkzeit und TM-Gehalt. Grund sind Atmungs- und Bröckelverluste. Im Gegensatz dazu steigt bei höheren TM-Gehalten der UDP-Anteil an. Zudem reduziert sich der Proteinabbau (Übersicht 3). Die schnellere Trocknung führt somit grundsätzlich zu besseren Ergebnissen bei der Proteinqualität. Deshalb ist eine schnelle Silierung mit kurzen Feldliegezeiten anzustreben. Im Silo sind Fehlgärungen und am geöffneten Silo Nacherwärmungen zu vermeiden. Schmutzeinträge senken die Qualität. Alle Maßnahmen im Silagemanagement zur Erzeugung von Top-Silagen verbessern auch die Eiweißwertigkeit. Die TMGehalte sollten bei 35 bis 40 % liegen. Wir gehen davon aus, dass sich mit den genannten Maßnahmen der Verlustminimierung vom Feld bis zum Trog und dem weitgehenden Erhalt der Eiweißqualität der Ertrag an nXP um 100 bis 200 kg/ha steigern lässt. Dies entspricht im nXP 4 bis 8 dt Sojaextraktionsschrot. Bei einem Sojapreis von 33 €/dt ist das eine Kostenersparnis von 100 bis 200 €/ha. Tipps für die Praxis: Es gibt erhebliche Ansatzpunkte zum Optimieren der Proteinerträge frei Trog und des Proteinwertes von Grasprodukten: • Von dem Aufwuchs sollte möglichst viel für die Kuh nutzbar gemacht werden. • Der schlichte Rohproteingehalt von Grasprodukten reicht nicht aus. Die Proteinqualität ist stärker zu beachten. • Im Frischgras ist der Proteinwert eher höher als bisher unterstellt. • Durch die Trocknung ergeben sich bei Heu und Grascobs höhere nXP-Werte. • Bei Grassilage sollte der Proteinabund -umbau eingedämmt werden. Das gelingt durch kurze Feldliegezeiten und einem verbesserten Silagemanagement. • Die Bandbreite der nXP-Werte ist sehr groß. Das erschwert die Rationsberechnung. Im Labor lässt sich die Proteinqualität unter anderem mit dem modifizierten Hohenheimer Futtwerttest bestimmen. top agrar 5/2012 R 19
© Copyright 2024 ExpyDoc