Keine Angst vor der Dunkelheit

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Dienstag, 29. Dezember 2015
Keine Angst vor der Dunkelheit
Studie zur Wahrnehmung der nächtlichen Dunkelheit und deren touristischem Potential in der Val Müstair
Wie wird die nächtliche
Dunkelheit in der Val Müstair
wahrgenommen, und wie ist die
Bevölkerung mit der künstlichen
Beleuchtung im Tal zufrieden?
Diesen und anderen Fragen ist
Claudia Mazenauer in einer
Masterstudie nachgegangen.
Lichtverschmutzung – wenn
die Nacht zum Tag wird
JON DUSCHLETTA
Die 27-Jährige Thurgauerin Claudia
Mazenauer hat kürzlich ihre Masterarbeit «Nächtliche Dunkelheit im Val
Müstair» abgeschlossen und veröffentlicht. Auf rund 160 Seiten geht die Studierende des Geographischen Instituts
der Universität Zürich der Frage nach,
wie Einheimische und Gäste der Val
Müstair die natürliche Dunkelheit, aber
auch die künstliche Beleuchtung während der Nacht wahrnehmen. Zudem
beleuchtet Mazenauer das touristische
Potential von nächtlicher Dunkelheit.
Dazu hat sie unter anderem die Himmelshelligkeit gemessen sowie im
Frühling und Sommer Einheimische,
Gäste und ausgewählte Experten umfassend befragt. Die Auswertung der
zahlreichen Fragebögen und der persönlichen Gespräche bildet den
Schwerpunkt der Masterarbeit. Wichtige Unterstützung erhielt Mazenauer
vor Ort, massgeblich von der Biosfera
Val Müstair.
Tiefdunkler Himmel über Lü-Lüsai
Die Val Müstair gilt hinsichtlich der
nächtlichen Lichtverschmutzung als
eine der dunkelsten Gegenden der
Schweiz (siehe Textbox und EP vom 12.
Mai). Während in anderen Gegenden
der nächtliche Sternenhimmel wegen
der Zunahme künstlicher Lichtquellen
nur eingeschränkt erlebbar ist, gilt die
Val Müstair geradezu als Paradies für astronomische Weitblicke – mit und ohne Teleskop.
Claudia Mazenauer hat in Lü, wo
auch das alpine Astrovillage beheimatet ist, Lichtmessungen gemacht
und diese mit anderen Standorten im
Tal, aber auch mit anderen Gegenden
verglichen. Mittels einem Sky Quality
Blick auf Mitteleuropa (2012). Claudia Mazenauer hat in ihrer Masterstudie hingegen die nächtliche Dunkelheit in
der Val Müstair und die Wahrnehmung derselben untersucht.
Fotos: VIIRS, Hänel 2012 und Jon Duschletta
Meter, welcher die Messwerte in Magnituden pro Quadratbogensekunde anzeigt, konnte Mazenauer in Lü-Lüsai
mit einem Mittelwert von 21.49 (Mag/
arcesc2) die tiefste Dunkelheit nachweisen. Zum Vergleich: Sta. Maria 21.4,
Säntis 20.87 oder St. Gallen in Bahnhofsnähe lediglich 18.38. Je höher die
Zahl, desto dunkler übrigens der Himmel.
Dunkelheit: Positive Wahrnehmung
In ihrer Studie kommt Claudia Mazenauer zum Schluss, dass die einheimische Wohnbevölkerung die nächtliche Dunkelheit als mehrheitlich
positiv wahrnimmt. Für Gäste spielt die
Dunkelheit im Tal lediglich eine untergeordnete Rolle, da diese die Val Müstair und den Schweizerischen National-
park vorwiegend aus anderen Gründen
besuchen, beispielsweise um zu wandern. Das Interesse der Gäste an Nachtaktivitäten, vor allem an solchen im
Zusammenhang mit Sternenbeobachtung, ist laut der Studie aber durchaus gegeben.
Mazenauer zeigt in der Masterarbeit
weiter auf, dass die Wahrnehmung der
nächtlichen Dunkelheit stark mit den
Themen Angst und Sicherheit verbunden ist. Grundsätzlich fühlen sich
die Einheimischen, vorab die Männer,
in der Dunkelheit aber sicher. Die
künstliche Strassenbeleuchtung wird
allgemein geschätzt. Gewünscht wird,
dass diese beibehalten wird, gleichzeitig ist die Bevölkerung auch damit einverstanden, die Einschaltdauer
der Strassenlampen zeitlich zu be-
schränken und ist offen gegenüber neuen Beleuchtungstechniken.
Potential für Sternenpark
Klare Verhältnisse vorausgesetzt, lassen
sich in der Val Müstair mit blossem Auge
rund 5000 Sterne beobachten. So ist es
nicht verwunderlich, dass Claudia Mazenauer in ihrer Studie zum Schluss
kommt, dass im Tal das Potential für einen Sternenpark, also eine Schutzzone
für Gebiete mit geringer künstlicher
Lichtemission grundsätzlich gegeben
wäre. Dabei fällt auch der Begriff AstroTourismus als Teilsektor des ÖkoTourismus. Dieser beinhaltet laut internationaler Definition sowohl die
Sternenbeobachtung wie auch die Himmelsbeobachtung tagsüber. Weltweit
existieren rund 77 Sternenparks, bei-
Claudia
Mazenauer
vom
Geographischen Institut der Universität Zürich untersuchte in ihrer Masterarbeit
«Nächtliche Dunkelheit im Val Müstair» die Wahrnehmung und das touristische Potential von nächtlicher Dunkelheit. Unter dem stark zunehmenden
Einfluss der künstlichen Beleuchtung
sind mittlerweile 20 Prozent der Weltbevölkerung nicht mehr in der Lage, die
Milchstrasse mit blossem Auge zu erkennen. Untersuchungen zufolge leben
mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung unter einem «lichtverschmutzten Himmel», in Europa und
den USA sind es sogar knapp 99 Prozent. Und die Menge an künstlichem
Licht steigt jedes Jahr um sechs Prozent.
Im Schweizer Mittelland findet sich
seit 1996 kein Quadratkilometer Fläche
mit natürlicher Nachtdunkelheit. Die
Val Müstair hingegen gilt lichtmässig
als eine der dunkelsten Gegenden der
Schweiz und wird auch als das «Heart of
Swiss Darkness» bezeichnet. In wolkenlosen Nächten können im Val Müstair
bis zu 5000 Sterne beobachtet werden,
mit blossem Auge notabene. Das sind
rund einhundert Mal mehr Himmelskörper, als beispielsweise in Zürich zu
sehen sind. 1988 haben amerikanische
Astronomen die Vereinigung Dark Sky
gegründet. Ihr Ziel: Verringerung der
globalen Lichtverschmutzung und
Schutz der dunkelsten Gegenden als
«International Dark Sky Reserves, Sternenparks oder Communitys». Die Organisation zählt weltweit 13 Sektionen
und 11 000 Mitglieder, darunter Dark
Sky Switzerland.
(jd)
Weiterführende Infos unter: www.darksky.ch
spielsweise in Deutschland und Frankreich, nicht aber in der Schweiz, in Österreich oder Italien.
Die Masterarbeit von Claudia Mazenauer wurde von
Prof. Dr. Norman Backhaus des Geographischen Instituts der Universität Zürich betreut und kann unter www.engadinerpost.ch heruntergeladen werden.
Madulain fürchtet um sein Ortsbild
Die Gemeinde erhebt Einsprache gegen die Umfahrung La Punt
Madulain ist nicht grundsätzlich
gegen die Umfahrung La Punt.
Mittels einer Einsprache verlangt
die Gemeinde aber vom Kanton,
dass das Projekt überarbeitet
wird. Gründe gibt es mehrere.
RETO STIFEL
35 Jahre alt ist das Projekt für die Umfahrung des Ortskerns von La Punt
mittlerweile. Weil andere Projekte im
Kanton priorisiert wurden, ruhte das
Papier beim Kanton bislang in einer
Schublade. Jetzt allerdings soll die
Umfahrung La Punt Aufnahme finden
im Tiefbauprogramm 2018 bis 2022.
Die öffentliche Auflage ist im November erfolgt. Geplant ist, den Transitverkehr auf der Engadinerstrasse künftig
durch einen 610 Meter langen Tunnel
zu führen und so den Ortskern von La
Punt zu entlasten. Betroffen vom Projekt wäre auch die Nachbargemeinde
Madulain. Dort soll nämlich eine
neue, rund 140 Meter lange Brücke
über den Inn entstehen. Diese ist
nicht nur deutlich länger als die beste-
hende, sie kommt auch viel höher zu
liegen.
Nicht gegen eine Umfahrung
Neben der bereits bekannt gewordenen
Einsprache der Umweltverbände, die
von einem «überrissenen» Projekt sprechen, hat nun auch die Nachbargemeinde Madulain Einsprache erhoben. «Wir sind überhaupt nicht
gegen eine Umfahrung von La Punt»,
stellt Gemeindepräsident Roberto Zanetti klar. Auch habe der Kanton sehr
offen und fair über das Projekt und die
Folgen informiert. Gemäss Zanetti soll
mit der Einsprache versucht werden, eine gute Lösung für alle zu finden.
Es sind vor allem drei Punkte, die Madulain beanstandet. Zum einen geht es
um die Zufahrt zum Lagerplatz, auf
dem Brennholz für die nahe gelegene
Holzschnitzelheizung deponiert ist.
Für Zanetti ist dieser Standort am östlichen Dorfeingang für die Gemeinde
unverzichtbar, immerhin würden mit
der Fernwärme rund 70 Prozent der
Haushalte von Madulain versorgt. Die
Gemeinde schlägt deshalb vor, die Einund Ausfahrt, die mit der Realisation
des Projektes aufgehoben wird, zu verlegen. Gegen die Aufhebung des Lager-
platzes einer Baufirma auf der gleichen
Parzelle hat die Gemeinde nichts einzuwenden.
Beanstandet wird weiter, dass die bestehende Holzbrücke für den Langsamverkehr, die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen, und von
fortswirtschaftliche Fahrzeuge genutzt
werden solle. Dafür sei die Brücke nicht
konstruiert und zu schmal, heisst es in
der Einsprache. Ebenfalls stört sich die
Einsprecherin daran, dass mit der Umfahrung für Madulain wichtige Parkplätze am Feldweg auf der rechten Seite
in Blickrichtung Madulain aufgehoben
würden. Diese würden von den Dorfbesuchern aber auch für touristische
Aktivitäten genutzt und müssten zumindest ersetzt werden.
zeugt. In der Einsprache wird ebenfalls
darauf aufmerksam gemacht, dass die
geplante Brücke in einer Landschaftsschutzzone liegen würde.
Viele Landbesitzer
Gemäss dem Tiefbauamt Graubünden
soll das Projekt rund 87,5 Millionen
Franken kosten. Ziel ist es, mit dem Bau
2019 zu beginnen, nach der Eröffnung
der Umfahrung Silvaplana. Allerdings
betont der Kanton auch, dass sich
das beispielsweise aus finanzpolitischen Gründen auch ändern könne.
Das Projekt, zu dem ein 170 Seiten
starker Umweltverträglichkeitsbericht
vorliegt, tangiert Landparzellen von
insgesamt 41 Partnern. Neben den Gemeinden und der RhB sind das auch
viele Private.
Angst um das Ortsbild
Schliesslich fürchtet Roberto Zanetti
um das Ortsbild von Madulain, das
man in den vergangenen Jahrzehnten
sorgfältig gepflegt und geschützt habe.
Diese Befürchtung gelte vor allem der
neuen Brücke, die bis zu sechs Meter
über dem bestehenden Terrain geführt
werden solle. «Das wirkt wie eine
Wand, das Orstbild, von La Punt herkommend, würde ruiniert», ist er über-
Die Gemeinde Madulain fürchtet wegen der geplanten Umfahrung von La
Punt um sein Ortsbild.
Foto: swiss-image.ch/Max Weiss