■■■■■■■■■■■■■■■ Handel Das rote Tuch XXXLutz und Co. treiben Konzentration auf die Spitze Mittlerweile fühlen sich auch Küchenspezialisten von denen mit dem roten Stuhl tangiert. Die Angst ist diffus, aber spürbar. Und dies zurecht, hat es die österreichische Lutz-Gruppe doch geschafft, sich wie ein Krake über Deutschland auszubreiten. Hier und dort wurden am Wegesrand Möbeldickschiffe wie Zurbrüggen, Sonneborn mitsamt Möbel Zimmermann geschluckt. Gleichzeitig hat es sich auch in der Küchenbranche rumgesprochen, dass sich Dr. Andreas Seifert, Mitinhaber der Lutz-Gruppe, vor einem Jahr an der Discountkette Poco zu 50 Prozent mit seinem Privatvermögen beteiligt hatte. M it dieser Poco-Beteiligung ist zumindest Andreas Seifert auch mit einem Hauptwettberber, nämlich der Steinhoff-Gruppe, verflochten. Weiter denkt die Lutz-Gruppe darüber nach, sich einen dicken Anteil an der französischen Handelskette Conforama zu sichern, auch hier sitzt Steinhoff längst im Boot. Mit all den Zukäufen, im Norden gehören auch noch zwölf ehemalige Max-Bahr-Standorte zum Unternehmen, die noch nicht weiter ausgebaut sind, ging dann auch die Idee der Österreicher einher, einen Einkaufsverband mit dem treffenden Namen „Giga“ zu gründen. Dies hat das Gefüge der deutschen Konditionsverbände und vor allem der Begros noch einmal kräftig durcheinander gerüttelt. Die XXXLutz-Gruppe scheidet bei der Begros aus, damit rutscht der Verband auf das Niveau des Union-Verbandes. Der Atlas Verband ist ebenfalls durch die Zukäufe von XXXL-Lutz (Kröger/Rück und Zurbrüggen) arg gebeutelt. Lang vorbei die Zeiten, dass mein geschätzter Hartdran Möbelreport-Kollege Ralf Hartmann bei Altas und Begros von Elefantenherden sprechen konnte, die vor Kraft auf so mancher Möbelmesse nicht laufen konnten. Zuletzt bezog die Begros ihre Stärke, nämlich rund die Hälfte ihres Außenumsatzes, von XXXLutz, und Altas trennte sich im September 2014 – wohlgemerkt nachdem die Steinhoff-Gruppe dort eingestiegen war – von dem ebenfalls österreichischen Möbeldickschiff Kika/Leiner. 6 ■ ■ Küchenhandel 2/2015 Der verbliebene Außenumsatz und die Aktivitäten der Lutz-Gruppe veranlassten die Atlanten ihr Heil in einer neuen Aufgabe, nämlich dem Import zu suchen. Derzeit gehören zu der Kooperation noch Segmüller, Rogg, Hofmeister, Pallen und Küchen Aktuell. Konzentration vom Allerfeinsten. Doch inwieweit ist der Küchenhandel davon betroffen? Wir sprachen zuletzt mit Norbert Habicht (siehe auch Studiobeispiel Seite 26) über die „mit dem roten Stuhl“. Habicht, ein Vollblutküchenunternehmer, hat sich erst in diesem Jahr in Hirschaid demonstrativ mit seinem jüngsten Haus vor den roten Stuhl gesetzt: „Klar beschäftigen wir uns mit der LutzGruppe, aber wir fürchten sie nicht, weil wir mit unserem Konzept der Eigenmarke ‚unica‘ nicht vergleichbar sind.“ Filialleiter Oliver Immle, der früher für die mit dem roten Stuhl gearbeitet hat, freut sich vielmehr, dass Kunden, die Beratung wünschen, „entnervt zu uns kommen“. Hinzu komme, dass der Kunde längst gemerkt habe, dass die ewigen Rabattaktionen keinen wahren Kern hätten. Nun sprechen wir nicht erst seit XXXLutz, seit Steinhoff/ Leiner Kika oder Möbel Höffner über Konzentration. Sehr aufschlussreich ist nach unserer Einschätzung der aktuelle „Möbelatlas“ der BBE Handelsberatung in Verbindung mit dem Marktforschungsinstitut Marketmedia 24 erstellte. Demzufolge ist der Markt für Einrichtungsgegenstände ■■■■■■■■■■■■■■■ Handel Wohnwelten mittels Katalog, Prospekt oder internetbasierte Online-Shops anbieten. trotz Konzentrationstendenzen noch nie so vielseitig wie heute. Der Studie von Marktmedia24 zufolge versuchte der Vertriebsprimus der Branche, der Möbelhandel, onund offline in den vergangenen zehn Jahren jährlich nahezu 80 Prozent des Umsatzes mit Wohn- und Küchenmöbeln auf sich zu ziehen. Die Küchenspezialisten erreichen in diesem Ranking, das sich ja auf Küchen und Möbel bezieht, immer noch einen Anteil von 11,1 Prozent, der im Vergleich zu 2005 nicht gefallen, sondern von 10,7 Prozent gestiegen ist. Gleichfalls stieg laut BBE der Umsatz von Küchenspezialisten insgesamt von 2,7 Mrd. Euro in 2005 auf 2,8 3 Mrd. Euro. Im Klartext heißt dies, dass die Spezialisten ihr Niveau von 2005 an nicht nur halten, sondern auch ausbauen konnten. Aufgrund seiner Heterogenität mutet der Marktanteil des Vertriebsweges Versender/Online-Handel mit aktuell 4,1 Prozent (2014) noch als relativ geringfügig an. Gemeint sind hier die reinen Möbelumsätze breit aufgestellter Vollsortimenter – wie zum Beispiel Otto – sowie eine Vielzahl von Fach- und Spezialversandhändler, die ihre Absolut bemerkenswert ist die Umsatzveränderung der Baumärkte. Sie haben – zwar auf vergleichsweise geringer Basis – von 2005 bis 2015 um 44 Prozent zugelegt. Dies lässt sich vor allem mit der Do-it-yourself-Mentalität der Deutschen begründen, die durch Trendthemen wie Upcycling (Aufarbeiten von alten Gegenständen) und Handarbeit gerade einen neuen Schub erhält. Wenn das Wohnen vom Parkett-Legen bis zum Streichen selbst gestaltet wird, liegt es nahe, an der Quelle dieser Zutaten auch gleich ein paar Möbel mitzunehmen. Doch auch diese Entwicklung konnte dem Fachhandel in den vergangenen Jahren nichts anhaben. Schauen wir noch kurz auf die Kaufkraft der Deutschen im Möbelhandel (Grafik Seite 8), dann wird sehr schnell deutlich, dass die höchste Kaufkraft mit über 330 Euro pro Bundesbürger in Bayern und Baden-Württemberg liegt. Dann folgen die Bundesländer Hessen, Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig Holstein mit 310 bis 330 Euro und dann kommen NRW, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Brandenburg/Berlin mit einem Volumen von 291 bis 310 Euro. Schlusslicht ist Sachsen Anhalt, hier haben die Bürger im Schnitt unter 270 Euro per Anno für den Möbelkauf übrig. Küchenhandel 2/2015 ■ ■ 7 ■■■■■■■■■■■■■■■ Handel Grafiken aus dem BBE-Möbelatlas Schaut man auf den Fachhandel, so zeigt sich, dass das Fachhandelsterben nicht so gravierend zu sein scheint, wie in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Auch hier gibt die BBE-Studie interessante Denkanstöße. Zählten wir im Jahr 2005 46 Küchenfachmärkte, so ist die Zahl bis 2014 nur auf 99 gestiegen. Die Zahl der Küchenspezialisten sank im gleichen Zeitraum lediglich von 2.958 im Jahr 2005 auf nunmehr 2.952. Deutlicher fiel da schon das Sterben der Vollsortimentshäuser aus. Die Zahl sank von 2.432 in 2005 um nahezu 500 auf 1.919. Leichte Zuwächse gab es auch bei den Flächengiganten, den sogenannten Wohnkaufhäusern, deren Zahl stieg beschaulich von 186 auf 210 Häuser. Während die Wohnkaufhäuser zumeist auf der grünen Wiese oder zumindest am Stadtrand errichtet werden, finden sich die Küchenfachgeschäfte, Design- und Hochwertstudios zumeist direkt in den Innenstädten. Allerdings ist durchaus ein Trend zu beobachten, neue Häuser in der Nähe zu Wohnkaufhäusern oder gar Küchenfachmärkten zu errichten, um quasi von deren unzufriedener Kundschaft zu partizipieren. Trotz dieser vordergründig nicht so schlechten Entwicklung für den Küchenspezialisten und den Möbelhandel steht fest: Der Möbel- und auch der Küchenfachhandel unterliegt einem tiefgreifenden Strukturwandel. „Wichtige Stichworte sind hier – neben Globalisierung, Flächenexpansion und Vertikalisierung – die Themen Technik und Online-Shopping“. Sebastian Deppe, Mitglied der Geschäftsführung der BBE Handelsberatung, bringt auf 8 ■ ■ Küchenhandel 2/2015 dem Punkt, was dem Handel momentan die meiste Sorge macht: „Die Entwicklung ist derzeit so vielfältig und auch gegenläufig, dass es einem manchmal den Atem raubt. Durch die Technisierung und die damit verbundenen Konsumveränderungen erhöhen sich Veränderungsdruck und -geschwindigkeit im Einzelhandel immens.“ Trotzdem darf man nicht außer Acht lassen, dass der Markt auf einem hohen Niveau stagniert, die Verdrängung zunimmt. Seit 2005 sind die Verkaufsflächen im Möbelfachhandel laut Möbelatlas 2015 von bundesweit 21.150.828 m² auf 22.018.705 m² im Jahr 2014 angestiegen. Wie die Markforscher von Marktmedia24 in ihren neuesten Erhebungen zeigen, stagniert der Umsatz mit Möbel zeitgleich ohne klaren Aufwärtstrend. 2005 wurden Möbel im Wert von 25,2 Mrd. Euro zu Endverbraucherpreisen umgesetzt, Anfang 2015 sind es 25,5 Mrd. Euro. Küchen inklusive! Der neue „BBE-Möbelatlas 2015“ ist zum Preis von 1.750 Euro (zzgl. Mwst) in Kürze zu beziehen oder er steht zum direkten Download im Marketmedia24-Studien-Shop zur Verfügung. (shop.marketmedia.de) ■
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