Selbst bergauf schafft der alte Ford locker Tempo 70

Hamburger Abendblatt vom 27.7.2015
von Janina Heinemann
A-Team auf einer Zeitreise in die Vergangenheit
Der Ford A von Michael und Erika Dohausen ist 87 Jahre alt. Das Abendblatt ist bei einer
Oldtimer-Rallye durch Stormarn mitgefahren
Es ist kurz vor acht am Morgen. Ein paar Enten lassen sich auf dem Wasser treiben. Es ist so
still, wie es an einem Wochenendmorgen um diese Zeit nur sein kann. Doch mit einem Mal
ist es mit der Ruhe vorbei. Knatternd biegt ein beigefarbenes Schmuckstück von Automobil
auf den Parkplatz vor dem Forsthaus Seebergen in Lütjensee ein. Hört sich an wie ein
Trecker. Am Steuer sitzt Michael Dohausen, 62, aus Hoisdorf, neben ihm seine Frau Erika, 58.
"Das Getriebe ist nicht synchronisiert", ruft Dohausen aus dem Fenster. "Deshalb kracht es
ab und zu während der Fahrt." Dann stellt er den Motor ab, dreht den sogenannten Gashahn
zu, der eigentlich ein Benzinhahn ist. Erika Dohausen klappt ihren Sitz zusammen und nach
vorn, sodass ein dritter Passagier zusteigen kann.
Die weiche Rückbank ist mit beigefarbenem Leder bezogen. Michael Dohausen dreht den
Gashahn wieder auf. Er schaltet und drückt mehrere Hebel und Knöpfe. Laut röhrend startet
der Motor wieder. Es riecht nach Benzin. "Er ist etwas inkontinent", erklärt Dohausen den
Geruch. Sein Oldtimer ist immerhin schon 87 Jahre alt. Das Auto vibriert, die Insassen spüren
jeden Kolbenschlag. Dann beginnt die holprige Fahrt. "Man muss ein Kissen oder eine Decke
auf die Polster legen", sagt der Fahrer. "Sonst bekommt man einen wunden Hintern."
Tatsächlich ist jede Bodenwelle, ist jeder Stein zu spüren. Die ganze Welt scheint zu wackeln.
Um sich zu verständigen, müssen die Dohausens laut reden. Der alte Motor übertönt fast
alles.
20 weitere Oldtimer verlassen den Parkplatz in Lütjensee. Ihre Fahrer nehmen an der dritten
Tour de Rareté, einer Oldtimer-Rallye, teil. "Es geht nicht um den Sieg, sondern darum,
gemütlich und entspannt die Umgebung kennen zu lernen", sagt Organisatorin Birgit Hafke
vom Motor Sport Club (MSC) Trittau. Sie hat eine landschaftlich schöne Strecke ausgesucht.
Unterwegs gibt es Wegpunkte, an denen die Teams kleine Aufgaben erfüllen müssten. Wer
am Ende des Tages beim sechsten Wegpunkt das beste Gesamtergebnis hat, bekommt einen
Pokal.
Selbst bergauf schafft der alte Ford locker Tempo 70
Der Ford tuckert durch Großensee, fährt weiter über Landstraßen Richtung Süden. Viele
Passanten bleiben stehen, zeigen auf den Oldtimer, lächeln. Auch wenn der Ford A schneller
fährt als erwartet, ist es ein gemütliches Fahren. Und ein Erlebnis für alle Sinne:
Benzingeruch, Motorentuckern, Hitze, die anderen Oldtimer, die Landschaft. Der Ford A
kann laut Zulassung 90 Kilometer pro Stunde fahren. "Ich fahre aber höchstens 75 oder 80",
sagt Dohausen. "Das ist wie ein Karussell, ein echtes Abenteuer." Er beschleunigt auf 70
Kilometer pro Stunde. Der Wagen knattert über die Landstraße, schafft es sogar bergauf in
dieser Geschwindigkeit. Erstaunlich, wie leistungsfähig das alte Gefährt ist.
Mit einer Lupe in der Hand versucht Erika Dohausen, die Landkarte zu lesen, um ihrem Mann
zu sagen, wohin er fahren soll. Wennsie nebeneinander im Auto sitzen, sind sie
gewissermaßen das A-Team. Doch die Karte ist mit so niedriger Auflösung gedruckt, dass die
Lupe auch nicht hilft. Den anderen Tourteilnehmern geht es nicht besser. Ratlos fahren
einige hinter den Dohausens, dem A-Team, her. Die wollen an einer Ampel links abbiegen.
Plötzlich stehen Andrea und Kay Rüdebusch in ihrem knallroten MG Midget MK III, Baujahr
1972, neben dem Ford. Sie winken mit einem Navigationsgerät, zeigen geradeaus. Als die
Ampel auf Grün umspringt, folgt Dohausen.
Der erste Wegpunkt ist beim Eisenbahnmuseum in Aumühle. Einige Tourteilnehmer gucken
sich die alten Lokomotiven an. Andere stehen bei den Autos, bewundern die Prachtstücke
der anderen Oldtimer-Liebhaber. Zeit, um in aller Ruhe zu fachsimpeln.
Ein hellblauer Cadillac Eldorado glänzt in der Sonne. Jimmy Grybb aus Großensee, sein
Besitzer, sagt: "Das Leben ist zu kurz, um ein normales Auto zu fahren." Zwölf Jahre habe er
"das blaue Wunder" eigenhändig restauriert. Etwa fünf Quadratmeter Blech habe er
ausgetauscht. Grybb fährt oft in seinem Straßenkreuzer. "So ein Auto will auch gefahren
werden", sagt er.
Das Ausparken auf dem engen Waldparkplatz gestaltet sich als anstrengender Kraftakt für
Michael Dohausen: Er kurbelt am Lenkrad. Mit dem ganzen Oberkörper dreht er sich mit.
"Das Lenken ist richtig schwer. Der Ford hat einen Wendekreis wie eine Schrankwand.
Abends werde ich Muskelkater haben." Dohausen kommt ins Schwitzen. Er muss an Hebeln
schalten, die etwa einen halben Meter lang sind, das riesige Lenkrad drehen, Kupplung,
Brems- und Gaspedal treten. Und alles ist schwergängig.
Das Bremspedal ist rechts neben dem Gaspedal angeordnet
"Ich muss mich konzentrieren", sagt Dohausen. "Gas und Bremse sind andersrum
angeordnet als bei einem heutigen Auto." Ein Uneingeweihter würde dieses Auto nicht
gestartet bekommen, geschweige denn auch nur einen Meter weit fahren. Zum Glück hat
Dohausen zwölf Jahre Fahrerfahrung mit seinem Ford A. Er kaufte die Rarität auf
Empfehlung seines Nachbarn. "Das Auto war ein Scheidungskind", sagt Dohausen. "Dem
Mann gehörte der Wagen, der Frau die Garage." Er habe davon profitiert, den Wagen
erworben. Eine 78 Quadratmeter große Garage habe er selbst gebaut, den Oldtimer
restauriert. "Ich bin technikinteressiert und ein Bastelfreak", sagt Dohausen, der
Rechtsanwalt ist.
Bei jedem Wegepunkt bekommt er den Motor gestartet, nicht ein einziges Mal verwechselt
er Gas- und Bremspedal. Die Sonne brennt auf das Autodach. Michael und Erika Dohausen
drehen jeder ein Rädchen an der Frontscheibe. Die öffnet sich unten wie ein Kippfenster
nach vorn. Dohausen: "Das war damals die Klimaanlage." Ein angenehmer Fahrtwind zieht
durch den kastenförmigen Innenraum. Einen Kofferraum gibt es nicht. Deshalb haben die
Insassen viel Platz. Wegen der markanten Form nennt Dohausen seinen Oldtimer liebevoll
"Hutschachtel". Gegen Nachmittag zieht ein Gewitter auf. Die Sturmböen peitschen Regen
über die Felder, drücken seitlich gegen das alte Auto. Dohausen umklammert das Lenkrad,
muss sich gegen den Wind stemmen. "Das ist heftig", sagt er.
Als es zu regnen beginnt, bildet sich an der rechten hinteren Ecke ein dunkler Fleck im
Innenraum. Wasser tropft herunter, läuft das Polster der Rückbank hinab. "Das trocknet
auch wieder", sagt Dohausen. Michael Boller aus Ammersbek teilt diese Meinung: "Ein Auto
muss Regen abkönnen." Er fährt auch eine echte Rarität: einen Excalibur Pheaton, Baujahr
1981. Boller: "Ich habe so einen im Urlaub gesehen, mich sofort verliebt." Fünf Jahre lang
habe er nach dem perfekten Auto gesucht, 2007 schließlich gefunden. Als Dohausen gegen
Abend auf den Parkplatz fährt und den Motor abschaltet, stottert der Ford A protestierend.
Dohausen "Ich finde es schön, dass er sich schüttelt, bevor er ausgeht."