Erfahrungsbericht Erasmus – Wintersemester 2014/15 Bewerbung und Vorbereitung -‐ Ich habe mich ein knappes Jahr vor Beginn beim ChiC beworben (Bewerbungsschreiben + Lebenslauf + Empfehlungsschreiben eines Hochschullehrers; ich hatte damals meine POL-‐ Dozentin um das Schreiben gebeten), anschließend wurde ich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen und erhielt dann tatsächlich auch eine Zusage für Rennes. -‐ Da ich Französisch in der Schule nur bis Ende der 9. Klasse hatte, habe ich im Semester vor meiner Abreise noch zwei Französischkurse besucht und rückblickend war das auch wirklich sinnvoll. Den Sprachkurs vom ChiC für Mediziner kann ich auch sehr empfehlen – nicht nur macht das Ganze Spaß, auch hat man danach ein Handbuch mit allen wichtigen Begriffen und konnte die ersten Anamnesen auf Französisch üben. -‐ Eine Haftpflichtversicherung konnte ich kostenlos über den Marburger Bund abschließen (die schicken einem ganz unkompliziert das Formular auf Französisch zu). -‐ Meinen PTM habe ich mir schon im Voraus eintragen lassen und mich um eine Befreiung vom Semesterticket gekümmert. -‐ Sobald man die Bestätigung für einen Platz erhalten hat, wird man im Blackboard für das Modul „Erasmus“ freigeschaltet. Da gibt es nicht nur viele Infos zu Fristen/Formularen etc sondern auch eine Liste mit allen „Incomings.“ Ich habe also nachgeschaut, wer grade aus Rennes in Berlin war und die beiden Mädels direkt angeschrieben. So hat sich dann noch in Berlin ein sehr nettes Sprach-‐Tandem mit Mathilde ergeben und als ich in Rennes ankam, waren wir dann auch im gleichen Semester. Ich fand es sehr entspannend, in Frankreich aufzuschlagen und wenigstens schon einen Menschen zu kennen. Und gastfreundschaftlich wie die Franzosen sind, wurde ich von Mathilde auch prompt in ihren Freundeskreis integriert. Das war sehr nett. Fächerwahl -‐ die Erasmusbeauftragte in Rennes (Mme Pegeault) ist leider furchtbar unorganisiert und nicht wirklich hilfreich. Grundsätzlich ist wichtig zu wissen: als Erasmus-‐Student kann man seine Stages frei wählen. Mme Pegeault vermittelte mir zu Beginn, dass es besser sei, einen ganzen Pôle zu wählen. Problem: sie teilte mich dann einfach irgendwelchen Stages zu, die mit unseren Modulen absolut inkompatibel waren. Also am besten von Vornherein ganz klar die Stages im Learning Agreement festlegen. Ich konnte bei mir zum Glück noch nachträgliche Änderungen durchboxen, aber das war alles ziemlich stressig und improvisiert. -‐ Mme Pegeault antwortet eigentlich nie auf Emails. Also am besten direkt hingehen oder anrufen. Organisation vor Ort -‐ ich hatte mich schon von Berlin aus um eine WG gekümmert, drei Tage vor meiner Abreise sagte mir die Vermieterin dann doch kurzfristig ab. Grundsätzlich ist es aber kein Problem, Wohnungen/Zimmer zu finden: auf www.leboncoin.fr gibt es jeden Tag neue Angebote. Ansonsten lohnt es sich auch, in der Rennes Mediziner-‐Facebookgruppe zu posten, die Studenten sind alle wirklich hilfreich bei solchen Fragen. Falls ihr im Sommersemester geht: da sind viele Studenten des vierten Jahres Medizin grade für 3 Monate im Ausland, als Erasmus-‐Student kann man so also leicht ein Zimmer für den Zeitraum übernehmen und sich dann vor Ort für die Monate danach was suchen. -‐ über das Studentenwerk CROUS gibt es auch Wohnheim-‐Zimmer, entsprechende Formulare findet ihr auf der Uni-‐Homepage. Schickt diese an Mme Pegeault und hakt am besten nochmal nach, ob das geklappt hat – ich kenne mehrere Studenten, bei denen sie leider vergessen hatte, die Formulare weiterzureichen. Es gibt unterschiedliche Wohnheime, am günstigsten liegt „Cité U Villejean“, das ist auch neu renoviert. In Beaulieu gibt es ein weiteres Wohnheim, dieses ist schlechter angebunden und hat noch einige ältere Gebäude, in denen es sich teils nicht wirklich gut lebt (die Heizung hat letzten Winter zum Beispiel lange nicht funktioniert). Falls ihr also ein Zimmer im Studentenwohnheim haben möchtet, vermerkt am besten auf dem Zettel, dass ihr nach Villejean möchtet bzw. gerne ein neues Zimmer in Beaulieu hättet. Meistens klappt das. -‐ Einschreiben müsst ihr euch nach eurer Ankunft noch offiziell an der Fakultät, dafür braucht ihr den Nachweis eurer Haftpflicht, einen Krankenversicherungsnachweis (die kann man unkompliziert vor Ort abschließen), eure französische Adresse, eine französische Telefonnummer, eine Tbc Impfbescheinigung und 2 Passfotos. Mit der Tbc Impfung gab es viel Stress, ich hatte mir im Voraus ein Formular vom Betriebsarzt der Charité ausfüllen lassen (das kann man auf der Homepage der Uni Rennes runterladen) und das wurde akzeptiert. Einige Erasmus Studenten mussten sich aber vor Ort noch impfen lassen. Passfotos braucht ihr viele, egal ob Einschreibung, Bücherei oder Metro-‐Karte – also ruhig einige mitbringen! -‐ es gibt einen kostenlosen und wirklich guten Sprachkurs vor Ort (organisiert über das „CIREFE“), die Anmeldefristen werden sehr genau genommen, also am besten im Voraus schauen. Der Kurs findet zweimal wöchentlich statt (écrit vs oral) und ich mochte das Ganze sehr. Für mich war der Kurs auch einfach ein guter Ort um andere Erasmus-‐Studenten kennen zu lernen – dadurch dass die Mediziner den ganzen Tag im Krankenhaus sind, bekommt man vom normalen Unialltag sonst relativ wenig mit. Studium Ich habe Stages in der Psychiatrie, HNO/Endokrinologie und Pädiatrie absolviert. -‐ Meinen ersten Monat verbrachte ich auf der Psychiatrie und das war sowohl sprachlich als auch menschlich eine Herausforderung. Außerdem war der Stage als „on/off“ organisiert, das heißt normalerweise arbeitet man einen Monat Vollzeit und hat dann einen Monat frei. Als ich im September ankam, war der „freie Monat“ allerdings grade vorbei, sodass ich einen Monat lang jeden Tag von 9-‐18h auf Station war. Tatsächlich war in der Psychiatrie auch richtig Not an der Frau bzw. Studentin und es gab viele Anamnesen zu erheben – auf Französisch eine riesen Herausforderung. Die Ärzte gaben sich aber mit der Betreuung echt Mühe und im Nachhinein finde ich es etwas schade, gleich zu Anfang auf der Psychiatrie gewesen zu sein – mit ein bisschen mehr sprachlicher Entspanntheit wäre der Stage sicherlich noch besser gewesen. in der HNO/Endo war ich dann zwei Monate; der Stage ist so organisiert, dass man morgens um 8h immer zum Rapport da sein muss und dann entweder vor-‐ oder nachmittags arbeitet. Wir waren bei den Consultations (also in den Ambulanzen) dabei oder im OP, vom Stationsalltag habe ich wenig mitbekommen. Im OP stand ich oft als Assistenz mit am Tisch und je nach Operateur war das nett oder wirklich anstrengend. Grundsätzlich fand ich den Stage etwas stressig, weil wöchentlich der betreuende Arzt gewechselt wurde und sich damit sowohl die Arbeitszeiten als auch die Betreuung komplett änderte. Im OP habe ich gleich an meinem ersten Tag gelernt, dass es immens wichtig ist klarzustellen, dass man keine Muttersprachlerin ist – ich wurde prompt an den Tisch beordert und vom Chef mit Kommandos beworfen und verpasste den Zeitpunkt um zu erklären, dass ich aus Deutschland komme. Später habe ich mir dann angewöhnt, dass immer direkt klarzustellen -‐ das erleichtert Einiges erheblich. -‐ meine letzten zwei Monate verbrachte ich in der Pädiatrie, erst bei den „Grands Enfants“ (3-‐18 Jahre) und dann auf der Neonatologie. Hier empfiehlt es sich prinzipiell, sich nicht für die Intensivstationen eintragen zu lassen – da darf man verständlicherweise nämlich kaum was machen. Ich hatte viel Spaß in der Pädiatrie, besonders auf der Neo habe ich dank einer sehr engagierten Assistenzärztin viel gelernt und durfte viel alleine untersuchen. Eine nette Sache sind auch die Gardes, also Nachtdienste. Französische Studenten müssen regelmäßig die Nachtdienste besetzen, Erasmus-‐Studeten per se nicht bzw. dürfen nachts auch gar nicht alleine da sein. Man kann aber die Pädiatrie-‐Sekretärin bitten, einen zusätzlich für einige Nächte mit einzutragen. Das ist eine nette Sache, weil man so viele Patienten alleine voruntersuchen kann und wirklich Einiges machen darf. Als Erasmus-‐Student nimmt man dann meistens gegen 0 Uhr die letzte Metro heim (es gibt zumindest auf der Pädiatrie nämlich nur ein Bett für diensthabende Studenten, und das ist für die französischen Studenten reserviert). Grundsätzlich war ich von meinen Stages ein bisschen enttäuscht, oft hatte ich das Gefühl ausgenutzt zu werden oder einfach als lästig empfunden zu werden. Die Betreuung war immer sehr abhängig von den jeweiligen Ärzten und oft war die Devise: „Ich musste da auch mal durch, also musst du jetzt auch stundenlang Laborbefunde einsortieren“. Das war schade. Viele Stages sind massiv überbelegt mit Studenten und gleichzeitig schienen sich viele Studis möglichst schnell aus der Affäre ziehen zu wollen – grade auf der HNO passierte es mir so mehrmals, dass ich plötzlich alleine 8h im OP assistierte, während die restlichen Studis alle verschollen waren. Gleichzeitig konnte man durch Eigeninitiative eigentlich immer doch viel lernen und bewegen. Rennes -‐ Rennes als Stadt ist wunderbar. Überschaubar, schön und jung. Freut euch auf gutes Essen, sehr offene Franzosen und ein tolles kulturelles Angebot. -‐ Samstags ist Markt und dafür reisen Menschen aus ganz Frankreich an – neben tollem Käse gibt es hier ganz viel frischen Fisch, enorme Mengen an Gemüse und sehr schöne Blumen. Außerdem Live-‐Musik und gefühlt alle Einwohner der Stadt auf einem Fleck. -‐ Ich war viel im Kino, schlicht weil ich französische Filme mag und es auch einige Arthouse Kinos mit sehr studentenfreundlichen Preisen gab. Es gibt auch viele Konzerte/Schauspiel und interessante Ausstellungen sind immer zu finden. -‐ Die öffentliche Bücherei am „Champs libres“ kann ich sehr empfehlen, nicht nur hat man von der 6. Etage einen tollen Blick über die Stadt, dort gibt es auch richtig viele gute Bücher und CDs. -‐ Es gibt eine Metro-‐Linie (die zweite wird grade gebaut) und zahlreiche Busse. Die Metrokarte kostet im Monat 30€, Züge fahren bis 0:30h, danach gibt es dann teilweise noch Nachtbusse. -‐ Ich hatte mein eigenes Fahrrad dabei und war anfangs immer viel zu früh bei Verabredungen – die Distanzen sind doch wesentlich kürzer als in Berlin ;) Fahrräder können für 12€ + 50€ Pfand in einem gemeinnützigen Projekt der Stadt für das gesamte Jahr geliehen werden. Wird das Rad geklaut, bekommt man das Pfand nicht zurück. Ich habe leider den Namen des Projekts vergessen, aber alle Studenten vor Ort kennen das, also einfach nachfragen. Bretagne -‐ Ich persönlich finde die Bretagne ganz wunderbar. Der Atlantik, eine wilde Küste und Menschen mit bretonischem Charme, was will man mehr? -‐ St. Malo, Nantes, Vannes...in der Nähe gibt es viele Städte zu erkunden und an der Küste kann man grundsätzlich schön wandern gehen. -‐ Ich war häufiger in Quiberon, das ist eine Halbinsel im Südwesten von Rennes – hier reisen im Sommer viele Franzosen hin, der Landschaft und Strände zu Liebe. Surfen kann man dort außerdem auch und ich bin also bis Anfang Dezember mehrmals mit meinem Surfbrett am Wochenende dort in der Jugendherberge untergekommen. Grundsätzlich bietet sich die Bretagne für Liebhaber des Wassersports an, es gibt auch regelmäßige Surf-‐Mitfahrgelegenheiten von Rennes aus. -‐ Essen: sehr bretonisch sind die Galettes (Crepes aus Buchweizenmehl mit herzhafter Füllung) und das Caramel Beurre salé (auf süßen Crepes oder als Bonbon oder als Brotaufstrich). Natürlich gibt es auch guten Wein und Käse und Croissants. Der meiner Meinung nach beste Bäcker der Stadt findet sich in der Rue Vasselot und ganz Rennes scheint hier einzukaufen – nicht ohne Grund. Fazit: ich hatte ein insgesamt sehr schönes Semester. Ein bisschen enttäuscht war ich zwar von der Lehre, aber die netten Menschen und die wunderbare Bretagne haben das definitiv mehr als wett gemacht! Ich möchte mich gerne beim ChiC und ganz besonders bei Frau Heller für all die Unterstützung bedanken. -‐
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