Predigt im Gottesdienst am 1. Sonntag nach Epiphanias 27. Dezember 2015 in der ref. Kirche Birmensdorf Die Hosen des Heiligen Josef Altarbild von Hans Multscher (1400 - 1467) in der Frauenkirche Sterzing (It) Evangelium - Mt 1,18-24 Mit der Geburt Jesu Christi aber verhielt es sich so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt. Noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte es sich, dass sie schwanger war vom heiligen Geist. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht blossstellen wollte, erwog, sie in aller Stille zu entlassen. Während er noch darüber nachdachte, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen, denn was sie empfangen hat, ist vom heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk von ihren Sünden retten. Dies alles ist geschehen, damit in Erfüllung gehe, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben. Das heisst: ‹Gott mit uns›. Als Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte; und er gab ihm den Namen Jesus. 1 Predigt Liebe Gemeinde, heute widme ich meine Aufmerksamkeit einer Gestalt, die im Gesamt der Erzählung über die Geburt Jesu immer etwas am Rand bleibt: Josef, der Zimmermann aus dem Dorf Nazareth. Josef war der Verlobte Marias, ihr treuer Wegbegleiter, der sie in der Not nicht im Stich liess. Und er liess auch das Kind nicht im Stich, als es im Stall von Bethlehem geboren wurde. Josef nahm es vielmehr an wie sein eigenes, behütete und beschützte es. Diese Liebe Josefs kommt für mich unter anderem besonders eindrücklich auf einem Bild aus dem Mittelalter zum Ausdruck. Es ist das Altarbild des deutschen Malers und Bildhauers Hans Multscher in der Frauenkirche in Sterzing in Südtirol. Es zeigt, wie Josef vor der Krippe seine Hosen auszieht, um damit das nackte Kind zu bedecken und zu wärmen. Auf der einen Seite zerreisst mir dieses Bild fast das Herz. Es erinnert, wie elend arm die Leute im Stall von Bethlehem damals gewesen sein müssen. Nicht einmal eine Decke war da, um das Kind darin einzuwickeln - unvorstellbar! Gleichzeitig staune ich über diese selbstlose Liebe Josefs, der sogar seine Hosen entbehrt, um das neue Leben zu schützen. Josef hat es weiss Gott nicht einfach. Seine Verlobte wird schwanger. Nicht von ihm. Nach einem merkwürdigen Traum in der Nacht entschliesst er sich aber bei Maria zu bleiben und nimmt sie zur Frau. Zusammen mit ihr begibt er sich auf den beschwerlichen Weg nach Bethlehem, wo er keine Unterkunft für sie beide findet. Es wird Nacht. Und als ob das nicht schon genug Sorgen sind, kommt gerade in dem Moment auch noch die Zeit der Niederkunft. Für die Geburt findet Josef schliesslich nur einen schäbigen Stall. Als das Kind endlich da ist, zieht er seine Hosen aus und wickelt es darin ein. Welche Liebe, aber auch welche Kraft und Stärke wohnen in diesem Mann Josef! Irgendwie mag ich ihn. Ich fühle mich zu ihm hingezogen. Noch aus anderen Gründen. Plötzlich tauchen da im Stall seltsame Gestalten auf. Es sind Hirten, die vom Licht am Himmel erzählen, von Engeln die 2 ihnen verkündeten, dass das Kind der Retter Israels sei, der den Armen Recht verschafft. Dann kommen drei Ausländer. Offensichtlich Sterndeuter. Sie erzählen von einem besonderen Stern, der sie hergeführt hat. Das Kind sei ein neuer König, der Heil und Frieden mit sich bringt. Alle Gestalten im Stall haben Erscheinungen gehabt, die ihren Glauben an die Besonderheit des Kindes stärkten. Auch Maria ist ein Engel erschienen, als sie schwanger wurde. Nur Josef ist der Einzige, der keine Erscheinung hatte und trotzdem Vertrauen fasste. Und darum ist er mir lieb. Josef ist der erste der nur eine Erzählung von der Erhabenheit der Dinge hat - von Engeln, vom Licht, und von dem Kind, das das Heil bringen soll. Er hat nicht mehr als das Wort. Josef ist mir lieb, weil er ist, wie wir sind. Uns erscheint auch nicht plötzlich ein Licht am Himmel. Uns begegnen kein Engel Gabriel wie der Maria und keine Engel wie den Hirten. Wir sehen keinen Stern wie die drei Ausländer. Wie Josef ist alles was wir haben das Wort mit dem Versprechen, das Gott geboren und mit uns ist, um uns zu retten und zum Heil zu führen. Näher als Josef ist uns von daher keiner. Vielleicht ist Josef gar die heiligste Figur, die in der Krippe um das Jesuskind steht. Weil er keinen Beweis für die Erhabenheit der Dinge hat und doch den ersten Schritt zum Glauben daran tut. Er tut es, obwohl das Schicksal, das ihm widerfährt, eine ganz andere Sprache spricht: bittere Armut, das uneheliche Kind seiner Verlobten, ausgestossen in einem schäbigen Stall, ein nacktes, wehrloses Kind in der Futterkrippe mit seltsamen Gestalten darum herum. Doch Josef fasst sich ein Herz und zieht sogar seine Hosen aus. Wie könnte er anders! Liebe Gemeinde, Jesus Christus hat einmal gesagt: "Selig sind die nicht sehen und doch glauben." (Joh 20,29) Wer weiss, welche Rolle sein Ziehvater Josef bei der Erkenntnis der Wahrheit dieser Worte gespielt hat. Josef hat jedenfalls nicht gesehen und doch geglaubt. Und das macht ihn für mich unendlich wertvoll. 3 Wie für Josef, so ist auch für uns das Leben mit all seinen Widerwärtigkeiten oftmals eine Herausforderung. Es gibt soviel Unverständliches im Leben und in der Welt, soviel Unrecht, soviel Unfriede, so viele gefährliche Strudel, die uns in die Dunkelheit hinabziehen. Wie soll ich dann daran glauben, dass Gott mit uns ist, wenn im Leben und in der Welt immer noch so unendlich viel Verzweiflung da ist? Es scheint oft kein guter Stern darüber zu stehen. Und doch ist da diese alte Geschichte, die Weihnachtsgeschichte. Sie erzählt davon, dass Gott geboren ist und Heil und Frieden mit sich bringt. Nicht nur damals, sondern auch hier und heute im Leben von uns allen. Und neben dieser alten Geschichte sind da immer auch diese besonderen Momente und Begegnungen in unserem Leben, die unsere Hoffnung nähren, dass vielleicht doch ein guter Stern darübersteht. Vielleicht. Der Glaube fällt nicht immer leicht. Denn das grosse Versprechen von der Geburt des Retters und des Reiches Gottes in der Welt und in unserem Leben erscheint manchmal so fremd, wie die seltsamen Gestalten, denen Josef im Stall begegnet. Gott hat Josef den Glauben schwergemacht. Er hat ihm kein Licht und keinen Stern geschickt. Er hat ihm den Glauben so schwergemacht, wie er uns manchmal schwer ist. Vermutlich hat Josef der Verheissung im Herzen in dem Moment noch nicht geglaubt. Doch er hat seine Hosen ausgezogen und damit das Kind gewärmt. Und was ist das anderes, als ein erstes, nicht zu unterschätzendes Ja zum Glauben, als ein erster, nicht zu unterschätzender Anfang des Reiches Gottes? Vielleicht sollten auch wir gelegentlich unsere Hosen ausziehen, wenn uns der Glaube mal wieder schwerfallen sollte. Nicht im wörtlichen Sinne natürlich, sondern indem wir Bedürftigen etwas Gutes tun. Wie wäre es also, wenn wir heute etwas mehr in die Kollekte der Zürcher Stadtmission legen? Wir könnten dabei wie Josef "mit unseren Hosen" glauben. Wir könnten darin die 4 bedürftigen Menschen in der Stadt Zürich einwickeln, wärmen und so dem Reich Gottes auf die Sprünge helfen. Jedenfalls ist es besser, etwas Gutes zu tun, als immer nur davon zu reden. Auch das lehren uns die Hosen des Heiligen Josef. Amen. Aesch, 26. Dezember 2015 Marc Stillhard 5
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