Politik und Kirche – zwei ungleiche Schwestern

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DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE DES KANTONS ST.GALLEN
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THEMA:
Politik und Kirche – zwei ungleiche Schwestern
ZUSAMMENARBEIT — NEUES SCHAFFEN — MENSCHENRECHTE
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EDITORIAL
IM ANFANG
Liebe Leserin, lieber Leser
Kirche und Politik sind getrennte Gebiete,
sagt der Verstand. Sobald man aber den
ganzen Menschen im Blick hat, kommen
sich Kirche und Politik näher. Ich bin derselbe Mensch, wenn ich glaube und wenn ich
politisiere. Selbst wenn Glaubenserfahrungen und politische Überlegungen sich in
meiner Seele widersprechen oder bekämpfen – es ist doch eine Bühne.
Die St.Galler Künstlerin Lika Nüssli hat für
den Kirchenboten die «Kirche» wie auch die
«Politik» als zwei alte Schwestern dargestellt, die sich entfremdet haben, aber neu
zusammenfinden. Diese Personifizierung
hat Tradition. Israel wurde in der Bibel als
Frau beschrieben, die Kirche hat das Bild
aufgenommen, später auch Nationen – wer
kennt nicht die Helvetia auf unsern Münzen.
Lika Nüssli bringt mit ihrem Bilderzyklus sowohl der Kirche als auch der Politik tiefen
Respekt entgegen. Beide, Kirche und Politik,
haben je auf ihre Weise einen wachen und
gütigen Blick auf die irdische Welt und zugleich eine Verbindung zum Himmel.
Die Kirche ist nicht auf das Jenseits und die
Politik nicht auf das Diesseits fixiert, beide
haben das Ganze im Blick – die Kirche belehrt von der Bibel und geleitet im Glauben,
die Politik begründet in der Philosophie und
bauend auf Empirie und Strategie.
In einer Zeit allerdings, in der Religion mit
Unvernunft und Gewalt in Beziehung gebracht wird und Politik mit Egoismus und
Nationalismus, mutet der Bilderzyklus unserer Künstlerin weltfremd und utopisch an.
Kann man den beiden Schwestern trauen?
Suchen sie wirklich das Wohl der Menschengemeinschaft? Wenn ja, wer verhindert ihr
gutes Zusammenwirken, wer fördert es?
Auf Seite 4 öffnet Lika Nüssli den Vorhang.
Sie lädt uns ein, am inneren Schauspiel teilzunehmen. Wir sehen die beiden Schwestern, wie sie sich gegenseitig mit ihren Welten und Gaben stärken.
Dann mischen sie sich
unter die bunte und
frohe Menschenschar.
Dort reden und handeln Kirche und Politik
je auf ihre Art für eine
gerechte und friedvolle
Welt. Das ist utopisch,
aber verheissen. Darum bleiben wir dran,
Kirche und Politik.
Andreas Schwendener
2 AUSGABE 1/2016
Gespräch zwischen Kirche und Politik: «Liebe Schwester, lass es uns wagen.» — «Ja, aber es braucht Mut.»
Kirche, Politik und Bibel
Text: Ina Praetorius, Wattwil | Bild: Lika Nüssli, St.Gallen
«... Aber es ströme wie Wasser das
Recht, und die Gerechtigkeit wie ein
unversieglicher Bach.»
Amos 5, 24. Zürcher Bibel 1980
Das Wort «Politik» kommt in der Bibel nicht vor.
Soll ich daraus schliessen, dass fromme Leute
sich aus dem heraushalten sollten, was wir heute «Politik» nennen? Nein. Denn auch Wörter,
von denen man selbstverständlich annimmt, sie
gehörten zum Kerngeschäft der Kirchen, kommen in der Bibel nicht vor: «Ethik» zum Beispiel,
oder «Moral» oder «Religion».
Ich muss also einen Schritt zurücktreten und
mich fragen: Worum geht es denn letztlich in
Nationalratsdebatten oder bei der Klimakonferenz in Paris? – Um Macht, um Einfluss? Nein. Im
Kern geht es bei aller Politik um die gute Gestaltung unserer gemeinsamen Welt, in Washington
genauso wie in Wattwil, Betlehem oder Korinth.
Das zum Beispiel könnten wir Frommen den
Leuten, die sich «Politikerinnen» und «Politiker»
nennen, wieder einmal deutlich sagen: Ob eure
Partei die Wahl gewinnt, ist zweitrangig. Im Kern
geht es in der Politik um etwas Anderes, nämlich darum, dass wir alle gemeinsam die Welt
menschen- und weltfreundlich einrichten.
Dass mir in biblischen Texten eine andere Sprache entgegenkommt als diejenige, die wir heute
DER UNVERSIEGBARE BACH
Und mit dieser Umschreibung der politischen
sprechen, ist manchmal lästig: Wie, zum Beispiel, soll ich mir die altmodischen Wörter «SünAufgabe wären wir dann wieder ganz nah bei der
de» oder «Frohlocken» in meinen Alltag hinein
Bibel. Was, zum Beispiel, ist mit den Zehn Geboten gemeint? Geht es da nicht um eine Anleitung
übersetzen? Was bedeutet es, dass Luther und
zur menschenfreundlichen GeZwingli «Haus» oder «Geschlecht» sagen, wo wir
«Im Kern geht es bei aller Politik staltung unserer Welt? Und waum die gute Gestaltung unserer rum sollte Jesus meinen, dass
heute eher von «Familie»
«der Sabbat um des Menschen
sprechen? Ganz abgesehen gemeinsamen Welt.»
willen und nicht der Mensch
davon, dass auch die alten
um des Sabbat willen geschaffen ist», wenn es
Wörter aus der Reformationszeit Übersetzungen
ihm nicht um unser aller Wohlsein ginge?
aus dem Hebräischen oder Griechischen sind?
Und wie soll ich denn nun wissen, ob die Menschen aus biblischer Zeit sich für «politische»
Für mich drückt der Prophet Amos sehr gut aus,
Fragen interessiert und engagiert haben, wenn
wie sich GOTT selbst unser Zusammenleben
sie das Wort nicht brauchten?
vorstellt: nicht als eine Ansammlung von Schubladen, in die wir uns stecken, je nachdem ob wir
FÜR EINE MENSCHLICHERE WELT
gerade in der Kirche, zu Hause oder im GemeinDie Distanz zwischen biblischer und heutiger
derat sitzen, ob wir gerade die Bibel, die Zeitung
Sprache hat aber auch Vorteile. Denn sie bringt
oder einen Liebesroman lesen. GOTT stellt sich
mich dazu, mit anderen Wörtern zu umschreiunser menschliches Zusammenleben so vor: als
ben, was ich meine, wenn ich «Politik» sage. Geht
einen einzigen Strom aus Liebe, Recht und
Gerechtigkeit. Spielt es da noch eine Rolle, ob
es da um die Debatten im Nationalrat, um Parteiprogramme, Wahl- und Machtkämpfe? Geht es
ich mein begeistertes Mittun in dieser einen
grossen Bewegung «Politik» oder «Privatleben»
um die UNO, die NATO, die «Bilateralen»? All das
oder «Religion» oder sonstwie nenne? Ŷ
kommt noch viel weniger in der Bibel vor.
IM BRENNPUNKT
Die Angst der Kirchen vor der Arena
Die Kirchen äussern sich häufig vor Volksabstimmungen, haben aber kaum Einfluss
Text: Daniel Klingenberg | Foto: zVg.
Wenn Initiativen ethische Themen berühren,
nehmen die Kirchen in Printmedien regelmässig Stellung. Damit erreichen sie aber
nur noch ein Restmilieu. Denn die politische
Meinungsbildung läuft heute über Persönlichkeiten, die zugespitzt argumentieren.
Am 28. Februar kommen vier Vorlagen zur Abstimmung, drei davon haben direkte ethische
Bezüge. In der CVP-Initiative «Gegen die Heiratsstrafe» schwingt die Frage nach dem «richtigen» Modell des Zusammenlebens von Paaren
mit, es geht um Humanethik. Bei der Durchsetzungsinitiative der SVP steht mit der Ausländergesetzgebung eine sozialethische Frage im
Zentrum. Und die Initiative «Keine Spekulation
mit Nahrungsmitteln» aus Juso- und HilfswerkKreisen will den Hunger in der Welt vermindern
und fragt, welche Wirtschaftsethik wir in einer
globalisierten Welt wollen. Auch die vierte
Vorlage zur zweiten Gotthard-Tunnelröhre
hat mit der Umweltpolitik am Rand einen
(schöpfungs-)ethischen Bezug.
verlust auf der Ebene der politischen Bühne.»
Die Studie bescheinigt den Kirchenleitungen
also, ihre Hausaufgaben in Sachen politischer
Einflussnahme zu machen.
Allerdings stellt Judith Könemann, Professorin
für Praktische Theologie und bei der Studie leitend beteiligt, fest: «Eine Schwierigkeit wird für
die Kirchen in Zukunft grösser werden, nämlich: Inwieweit vertreten ihre Kirchenleitungen
ihre Mitglieder?
Beim Thema Asyl- und Ausländergesetzgebung
folgten beispielsweise die reformierten Mitglieder nicht der Position der Kirchenleitung.» Im
Klartext: Während der SEK etwa die Minarett-Initiative ablehnte, stimmten reformierte
Kirchbürger durchaus zu.
BESCHLEUNIGUNGSSCHÜBE
Die NFP-Studie hat allerdings zwei schwerwiegende Mängel: Erstens berücksichtigt sie lediglich Printmedien, zweitens sagt sie nichts über
den tatsächlichen Einfluss. Sie untersucht quasi die Kommunikationswelt der Vormoderne.
Denn diese hat sich in
den vergangenen zwanzig
«Ethik ist eine Kernkompetenz der
Jahren grundlegend verKirchen, und den Menschen daraus
ändert.
Ethik ist eine Kernkompetenz der Kirchen, und
Sieht das riesige Potenzial der Kirchen — Lukas Golder,
den Menschen daraus
Politologe und Medienwissenschafter beim gfs.bern
Entscheidungshilfen aus
Entscheidungshilfen aus christlicher
christlicher Sicht zu geGESUCHT: KÖPFE FÜR POLARISIERTE WELT
Sicht zu geben ist einer ihrer Kern«In den 1990er-Jahren hat
ben ist einer ihrer Kernaufträge.»
Das bedeutet: Wer im Konzert der öffentlichen
der Aufstieg des Fernseaufträge. Die KirchenleiDebatte gehört werden will, muss nach deren
hens zum Leitmedium
tungen äussern sich denn
Regeln funktionieren. «Weil sich aber die Kirstattgefunden. Damit einauch regelmässig zu polichen dem Polarisierungs-Personalisierungsher ging eine Polarisierung und eine Personalitischen Vorlagen. Bei der Februar-Abstimmung
Trend verschliessen, ist ihre Stimme in der
sierung in der politischen Berichterstattung»,
tut dies der Schweizerische Evangelische KirPhase der Meinungsbildung vor einer Abstimsagt der Politologe Lukas Golder von gfs.bern.
chenbund (SEK) zur Durchsetzungsinitiative
mung mehr oder weniger bedeutungslos. Sie
Die politische Bühne wurde damit wie die
und der Heiratsstrafe-Initiative, die Schweizerierreichen mit den heutigen Verlautbarungen
gleichnamige Fernsehsendung zur «Arena» mit
sche Bischofskonferenz (SBK) äussert sich lenur noch ihr Restmilieu», sagt Golder. Und fügt
weitreichenden Folgen für die Akteure. «Stimdiglich zur CVP-Initiative. Von Seiten der Hilfsan: «Das ist schade.» Denn: «Die Kirchen haben
men ausserhalb dieses Polarisierungs-Personawerke gibt es Stellungnahmen zur Spekulatiein riesiges Mitgliederpotenzial und hätten gelisierungs-Schemas werden kaum wahrgenomonsstopp-Initiative.
rade in der Asylpolitik,
men.»
einem Kernthema des
Die Frage ist aber: Welchen Einfluss haben
«Um in der öffentlichen AuseinanChristentums, viel zu saMit den elektronischen
diese Beiträge auf die Meinungsbildung der
dersetzung gehört zu werden, müss- gen.» Wie gross dieses
Medien wurde die BeStimmberechtigten? Und wie systematisch ist
ten die Kirchen Persönlichkeiten auf- Potenzial ist, zeigt diese
richterstattung enorm
die Stimme der Kirchen bei der Meinungsbilbeschleunigt. Gegenwär- bauen, die sich von der Polarisierung Zahl: Die Reformierte Kirdung zu politischen Fragen zu hören?
che des Kantons St.Gallen
tig geschieht mit den so- nicht kopfscheu machen lassen und
«SCHAFE» FOLGEN «HIRTEN» NICHT
pointierte Positionen vertreten.»
hat mit 90 000 Mitgliedern
zialen Medien ein zweiZur zweiten Frage ist 2009 eine Nationalfondsgleich viel wie die SVP der
ter Beschleunigungsstudie erschienen, welche die Beteiligung von
gesamten Schweiz.
schub, dessen Folgen
Religionsgemeinschaften in der Meinungsbilnoch nicht abzuschätzen sind. Information und
dung vor Abstimmungen in den 30 Jahren zuWollen die Kirchen ihre Möglichkeiten umsetMeinungsbildung erfolgen in hohem Mass über
vor untersucht. Sie kommt zum Schluss, dass
zen, müssen sie bei der Kommunikation die
Gratiszeitungen und elektronische Medien, dadie Einflussnahme der Kirchen in Vorlagen zu
Ängstlichkeit vor der Arena und dem Bouleher gilt für Golder: «In den letzten vierzig JahSchwangerschaftsabbruch, Asyl- und Auslänvard ablegen. «Um in der öffentlichen Auseinren hat ein dramatischer Zerfall von Milieus
der und dem Verhältnis Kirche und Staat konsandersetzung gehört zu werden, müssten die
stattgefunden, die wesentlich zur politischen
tant war. Ein Fazit der Forscher ist daher: «Den
Kirchen Persönlichkeiten aufbauen, die sich
Meinungsbildung beigetragen haben. Dazu geEntkirchlichungstendenzen in der Bevölkerung
von der Polarisierung nicht kopfscheu machen
hören auch die kirchlichen Milieus, insbesonentspricht somit bis jetzt noch kein Relevanzlassen und pointierte Positionen vertreten.» Ŷ
dere das katholische.»
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THEMA
Prophetisches Wächteramt
«Die Kirche muss sich auch politisch engagieren, weil Gott die Welt liebt.»
Text: lic. theol. und Dr. sc. nat. ETH Eva B. Keller, Uetliburg | Bilder: Lika Nüssli
Der Kirche kann das Wohl der Menschen,
Völker und Nationen nicht egal sein – wie das
gemäss Bibel auch Gott nicht egal ist.
Glaube gilt bei uns als Privatsache. Staat und
Kirche sind mehr oder weniger getrennt. Der
Staat sorgt dafür, dass die Verwaltung der Kirchen modernen demokratischen Grundsätzen
genügt, und gibt ihnen dafür die öffentliche-rechtliche Anerkennung. Folgt daraus, dass
sich die Kirchen unpolitisch verhalten müssen?
Geht es uns als Kirchenmitglieder nichts an,
was ausserhalb der Kirche geschieht?
Ist Glaube wirklich Privatsache?
EIN BLICK IN DIE BIBEL
In der Bibel kommt das ganze menschliche Leben in den Blick: religiöse Riten und Feste, Gerechtigkeit im Umgang mit den Mitmenschen,
Fürsorge für die Armen, wirtschaftliches Handeln. Im 2., 3. und 5. Buch Mose gibt es eine
Menge Vorschriften dazu. Die Sozialgesetzgebung nimmt einen breiten Raum ein. Diese
Gebote gibt Gott den Israeliten, die er aus der
Knechtschaft in Ägypten befreit hat. Sie dienen
dazu, ein Leben als von Gott Befreite zu führen.
Viele dieser Vorschriften und Gebote können
heute nicht wörtlich umgesetzt werden. Wir ha-
ben eine ganz andere Staats- und Wirtschaftsform als damals. Rechtspflege und Armenfürsorge haben sich weiterentwickelt. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen einfliessen.
Aber diese Vorschriften und Gebote sind für
uns als Einzelne wie als Kirche ein Impuls, dass
der Glaube unser ganzes Leben umfasst. Dazu
gehört auch die Politik – erst recht in einer Demokratie, in der sich alle politisch einbringen
können.
Leonhard Ragaz fasst die Grundlinie der Bibel
so zusammen: «die Botschaft vom Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit für die Erde».
GRUNDLINIEN
Gott solidarisiert sich mit der Welt in ihrem
Um die biblischen Impulse für unsere Zeit fruchtLeiden. Er solidarisiert sich mit denen, die leibar zu machen, müssen wir nach den biblischen
den, mit den Armen, den Hungernden, den AusGrundaussagen und Schlüsgeschlossenen, den Hoff«In der Bibel kommt das ganze
selstellen fragen. Zentrale
nungslosen. Wo Gott Einmenschliche Leben in den Blick:
Aussagen über Gott finden
fluss nimmt, reicht es für
religiöse Riten und Feste,
wir bei der Dornbuschszene
alle. Da geht niemand leer
Gerechtigkeit im Umgang mit den
und im Johannesevangeliaus. Die Welt mit ihrer
Mitmenschen, Fürsorge für die
um. Aus dem Dornbusch
Ungerechtigkeit und
Armen, wirtschaftliches Handeln.»
sagt Gott zu Mose: «Ich haihrem Unfrieden veränbe das Elend meines Volkes
dert sich. Ein Leben in
in Ägypten gesehen, und ihr Schreien über
Fülle als Geschenk Gottes ist verheissen,
ihre Antreiber habe ich gehört, ich kenne seine
Gerechtigkeit und Frieden.
Schmerzen. So bin ich herabgestiegen, um es aus
KONKRETES TUN
der Hand Ägyptens zu erretten …» (Ex 3, 7–8).
Der Mensch, der im Ebenbild Gottes erschaffen
Jesus sagt zu Nikodemus: «So sehr hat Gott die
wurde (Gen 1, 27), soll sich Gott als Vorbild
Welt geliebt …» (Joh 3, 16)
Ein Zelt? Eine Bühne mit geöffnetem Vorhang? – Die Schwestern bringen Ihre Ideen offen zusammen.
4 AUSGABE 1/2016
Jesus hat genau das gelebt: Er sah die Menschen, die litten und seine Hilfe brauchten. Er
hörte, wenn jemand um Heilung und Rettung
schrie. Er ging auf die Menschen zu, die ausgeschlossen waren, und holte sie in die Gemeinschaft mit Gott hinein. Er teilte mit hungrigen
Leuten Brot und Fische und liess alle satt werden. Er verkündete das Reich Gottes, das am
Kommen ist, und liess es schon jetzt für die
Menschen erfahrbar werden. Er verkörperte
die Liebe Gottes zur Welt. Es war eine Gegenkraft der Macht- und Gewaltlosen gegen das
Römische Reich, das den «Frieden» mit militärischer Gewalt durchsetzte.
THEMA
nehmen. Deshalb nimmt die Sozialgesetzgebung
einen breiten Raum ein. Der Ruf, auch die Armen gerecht zu behandeln und sich nicht durch
Unrecht an ihnen zu bereichern, ertönt in den
Vorschriften, durchzieht aber auch die Botschaft der Propheten, v. a. bei Jesaja und Amos.
Konkretes Handeln wird von Nehemia berichtet.
Nehemia gehörte zu einer judäischen Familie,
deren Vorfahren von den Babyloniern verschleppt wurden. Unter der Herrschaft der
Perser ging Nehemia nach Jerusalem und organisierte dort den Wiederaufbau der beschädigten Mauer. Viele Einheimische mussten ihr Land
und ihre Häuser verpfänden, um die Abgaben an
den persischen König zu bezahlen und um Getreide zu kaufen in einer Zeit von Hungersnot.
Ihre Existenz war bedroht. Nehemia hörte auf
ihre Hilferufe, kritisierte den Wucher, der betrieben wurde, und organisierte einen Schuldenerlass. Er selber verzichtete ebenfalls auf die
Rückforderung geliehener Gelder. Nehemia handelte politisch aus dem Glauben heraus (Neh 5).
Für Dietrich Bonhoeffer lebt der christliche
Glaube aus einem Tun, das den bedrohten
Nächsten schützt und rettet. Deshalb setzte er
sich gegen das Naziregime und für die Rettung
der bedrohten und verfolgten Juden ein. Die
Bekennende Kirche, die aus Angst vor politischer Einmischung und deren Folgen sich fast
nur noch mit liturgischen Erneuerungen beschäftigte, rüttelte er mit folgenden Worten auf:
«Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.» Bonhoeffer war auch bereit,
zusammen mit Leuten gegen Hitler vorzugehen,
die nicht kirchlich oder religiös motiviert waren, aber dasselbe Ethos wie er hatten.
Heutige Herausforderungen
Nach wie vor aktuell sind soziale Fragen. Seit
der ersten Generation der Christen ist das diakonische Handeln für die Bedürftigen ein zentrales Anliegen der Kirche. Sie nimmt damit das
Wort Jesu ernst: «Was ihr einem dieser meiner
geringsten Geschwister getan habt, das habt
ihr mir getan.» (Mt 25, 40)
Zwingli ging noch einen Schritt weiter. Er führHeute hat die Kirche noch mehr Möglichkeiten,
te im Jahr 1525 mit dem Mushafen, der tägliihr prophetisches Wächteramt wahrzunehmen.
chen warmen Mahlzeit für
Als kirchliche Behörde und
«Das politische Handeln beginnt
die Armen, die Almosenals Kirchenmitglieder müsin den Predigten, die aufgrund
ordnung ein. Damit wurde
sen wir politisch aktiv werder biblischen Botschaft die heuauch die Stadt dazu verden, wo es Not tut. Wir
tige Zeit in den Blick nehmen.»
pflichtet, dem Elend entgemüssen hinsehen und hingenzuwirken. Die Pflicht
hören. Wo werden Menzur Versorgung der Armen und Kranken lastete
schen ausgegrenzt, weil sie Ausländer, Flüchtnicht mehr nur auf den Schultern der Kirche.
linge, Kranke, Behinderte, Sozialhilfeabhängige,
Der Grundstein für das heutige staatliche
Alleinerziehende, Ausgesteuerte sind? Welche
Sozialwesen war dadurch gelegt.
Minderheiten werden pauschal verurteilt und
damit an den Rand gedrängt? Wo führen Gesetze zu neuen Ungerechtigkeiten und verschärfen
die Ausgrenzung? Wie sieht Gerechtigkeit, auch
in finanziellen Fragen wie z. B. Steuern oder soziale Unterstützung, konkret aus? Der Befreiungstheologe Urs Eigenmann schlägt dazu eine
Reich-Gottes-Verträglichkeitsprüfung für gesellschaftliche Verhältnisse vor.
Das politische Handeln beginnt in den Predigten, die aufgrund der biblischen Botschaft die
heutige Zeit in den Blick nehmen. Das braucht
eine sorgfältige Bibelauslegung mit guten
Kenntnissen der damaligen Zeit sowie eine vertiefte Wahrnehmung, was gesellschaftlich und
politisch läuft. Aber konkrete Abstimmungsund Wahlempfehlungen sind auf der Kanzel
fehl am Platz. Wenn überhaupt, gehören sie in
eine Gesprächsrunde, in denen sich alle Anwesenden äussern können. Bei vielen Fragen ist
die biblische Sicht nicht immer so klar. Hier gilt
es, die Argumente gegeneinander abzuwägen.
Zum politischen Handeln gehören auch die
Kontakte von kirchlichen mit politischen
Behörden. So kann schon früh die Sicht aus
dem Glauben eingebracht werden. Öffentliche
Verlautbarungen der Kirche zum Schutz der
Benachteiligten sind eine wichtige Stimme im
Chor der Meinungen.
Besondere Herausforderungen stellt die Globalisierung dar. Die Macht verschiebt sich von
der Politik zu internationalen Konzernen.
Wie soll die Kirche darauf reagieren?
Die Kirche muss sich auch politisch engagieren, weil Gott die Welt liebt. Ŷ
Die beiden Schwestern treten ein für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
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FOKUS
Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler hat das Sterben wie auch den Tod seiner Geliebten Valentine Godé-Darel in vielen Bildern festgehalten, hier am Todestag, 26. Januar 1915.
Selbstbestimmt leben –
selbstbestimmt sterben
Rapperswil-Jona: Zu einer kontroversen Veranstaltung rund um das Sterben
Text: Antoinette Lüchinger, Jona | Bild: Ferdinand Hodler
Wo sind die Grenzen zum selbstbestimmten
Leben und Sterben? Zu diesem brisanten
Thema veranstaltete die evang.-ref. Kirchgemeinde Rapperswil-Jona einen Vortragsnachmittag mit anschliessender Diskussion und
mit zwei kontroversen Referenten seitens
Palliative Care und Exit.
Das Votum von Pfarrerin Renata Aebi, Beauftragte für Seelsorge in der Palliative Care der
St.Galler Kantonalkirche, war klar. Sie sieht in
der Forderung von Exit nach einem liberalisierten Zugang zum Altersfreitod für sogenannte
«Lebenssatte» ein gefährliches und falsches
gesellschaftliches Signal. Dies sei sozusagen
eine Bankrotterklärung aller Bemühungen um
Humanität und eine alarmierende Entwicklung!
Die Diskussion um den Altersfreitod zeige die
Verunsicherungen und Ängste einer breiten
Öffentlichkeit in Bezug auf Hochaltrigkeit und
Pflegeabhängigkeit. Allerdings stellte Renata
Aebi nicht in Abrede, dass Menschen nach
langem, unheilbarem Leiden an einen Punkt gelangen können, wo sie nicht mehr leben wollen
und den Weg der Suizidbeihilfe sozusagen als
letzten Ausweg wählen.
PALLIATIVE CARE: WÜRDIG STERBEN
«Es soll ganz sicher niemand beurteilt oder gar
verurteilt werden, der die Suizidbeihilfe wählt»,
so Pfarrerin Aebi. Doch sollten ihrer Meinung
nach Rahmenbedingungen geschaffen werden,
in denen Menschen sich auch im hohen Alter,
mit Gebrechlichkeit, Invalidität und schwerer
Erkrankung angenommen fühlen und ihre Würde gewahrt wird. Die Lancierung der Palliative
Care-Strategie 2010–2015 durch Bund und
Kantone mit dem Ziel, die Lebensqualität von
Schwerkranken und sterbenden Menschen in
6 AUSGABE 1/2016
der Schweiz zu verbessern, sei ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung, so Pfarrerin Aebi, ebenso das Grundlagenpapier des
Bundes vom 31. August 2015 für den verstärkten Einsatz von Palliative Care in der Langzeitpflege und Pflege zu Hause.
Die Einzigartigkeit jedes Lebens und jedes Menschen habe einen unverlierbaren Wert. Durch
solidarisches Teilen von Leben und Leiden
lerne man viel. Wenn Menschenwürde mit Gesundheit und Funktionalität verknüpft werde,
entstehe ein enormer Druck auf die Schwächsten in der Gesellschaft (Euthanasie-Gefahr).
Aus der christlichen Perspektive mache das
Leiden durchaus Sinn, und Heil bedeute nicht
unbedingt körperliche Unversehrtheit.
Palliative Care wahre die Würde und Daseinsberechtigung eines Menschen und unterstütze
und begleite ihn. Dies geschehe mittels optimaler Schmerz- und Symptombekämpfung –
medizinisch, psychologisch, sozial und spirituell auf seinem Weg in den Tod.
EXIT ALS FREIPASS IN DEN TOD
Walter Fesenbeckh, Theologe und Freitodbegleiter und ehemaliges Vorstandmitglied Exit,
sprach sich für die Sterbehilfe aus. Dies sei
keine Hauptstrasse zum Abgang, sondern eine
Notlösung. Circa 600 Personen pro Jahr wählten in der Schweiz die Suizidbeihilfe. Eine starke Zunahme sei nicht zu verzeichnen. «Meistens treten die Angehörigen auf die Notbremse», so Fesenbeckh. Exit übe keinen Druck aus.
Für die Sterbehilfe gibt es klare Kriterien: Nur
wer «aus selbstsüchtigen Beweggründen» jemandem zum Selbstmord Hilfe leistet, wird
nach Art. 115 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu
fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Bei der
Suizidhilfe geht es darum, dem Patienten die
tödliche Substanz zu vermitteln, die der Suizidwillige ohne Fremdeinwirkung selber einnimmt.
Das Bundesgericht verlangt zusätzlich eine
präzise Abklärung. Ob es sich um keinen Spontanentscheid handelt, muss durch einen Arzt
oder zwei Psychologen abgeklärt werden. Es
darf keinen Druck von aussen geben, die Urteilsfähigkeit muss vorhanden sein etc. Allerdings können auch psychisch wie körperlich
Kranke diesen Dienst in Anspruch nehmen –
ohne unheilbar krank zu sein. Exit sieht sich
als marginale Ergänzung zu Palliative Care.
DAS GESPRÄCH WEITERFÜHREN
Der gut besuchte Anlass endete in einer interessanten Diskussion. Jemand liess verlauten:
Die fortschrittliche Medizin sei schuld, dass
der Tod oft hinausgezögert werde. Die Patientenverfügung wurde als Mittel zur eigenständigen und eigenverantwortlichen Entscheidung
erwähnt und befürwortet – dies hinsichtlich
des Umgangs mit der medizinischen Versorgung bei einer terminalen Erkrankung, einem
schweren Unfall oder dem nahenden Tod.
Diese Verfügung könne durchaus eine Suizidbegleitung ersetzen, vermerkte Fesenbeckh.
Auch das Sterbefasten sei eine Alternative.
Im Hinblick auf die Palliative Care wurden Bedenken laut wegen fehlendem Pflegepersonal,
vor allem im Falle von Demenz und unheilbaren
Schmerzen. Auch Christus als Wegbegleiter und
Helfer kam ins Gespräch und die tragende Rolle
des Glaubens. Ebenso standen Fragen nach
Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen
Versorgung und deren Kosten im Raum, ob
hohe Pflegekosten mögliche Auslöser für einen
Suizid seien oder wann ein Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen angezeigt sei.
Wo sind die Grenzen der Selbstbestimmung?
Dies seien schwierige Fragen, jeder müsse
schlussendlich für sich selber entscheiden,
so Diakon Christopher Wellauer. Zum Thema
Patientenverfügung sei ein separater Anlass
im März 2016 geplant. Ŷ
FOKUS
«Toggenburger Alpgenossenschaften
haben die Reformation ermöglicht»
Interview mit Christoph Sigrist, «Nachfolger Zwinglis» am Zürcher Grossmünster
Interview und Foto: Philippe Welti
Christoph Sigrist (52) ist Botschafter des
Zürcher Reformationsjubiläums und predigt
heute am Grossmünster, der Wirkstätte des
Reformators Huldrych Zwingli. Vorher war
Sigrist als Pfarrer im Toggenburg, der Heimat
Zwinglis, tätig. Er ist überzeugt, dass die
Alpkultur des Toggenburgs der Reformation
in Zürich zum Durchbruch verholfen habe.
Was bedeutet Ihnen die Leistung des Zürcher
Reformators Zwingli?
Er war nicht nur ein grandioser Theologe, sondern auch ein Politiker und Diplomat. Zwingli
wusste, dass er die Zürcher Kirche nur erneuern konnte, wenn es ihm gelingt, die Mehrheit
der Menschen hinter sich zu bringen. Zugute
kam ihm dabei, dass er sich nicht in Details
verlor, sondern die Dinge auf den Punkt bringen konnte – auch in seinen Predigten.
Zwingli hat einst das Betteln verboten. Hatte er
kein Herz für die Armen?
Bettler wurden in der Geschichte immer wieder
vertrieben oder instrumentalisiert. Beides verabscheute Zwingli, da es nicht christlich-reformiertem Denken entsprach. Vor der Reformation waren Bettler Bittsteller und Abhängige, die
von der Kirche für ihre Zwecke benutzt wurden.
Für Zwingli hatten der Schutz und die Freiheit
des Menschen einen ganz grossen Stellenwert.
Zwingli hat zwischen echten und unechten
Armen unterschieden. Erstere wurden unterstützt, letztere waren die faulen Müssiggänger,
die in Arbeitsprogramme kamen.
Würde Zwingli syrische Flüchtlinge aufnehmen?
Damals gab es keine Flüchtlinge mit einer
nichtchristlichen Religion in der Schweiz.
Zwingli kannte diese Situation also nicht. Aber
für ihn war sonnenklar, dass man diejenigen,
die in Not sind, aufnimmt. In der Helferei des
Grossmünsters hat Bullinger, der Nachfolger
Zwinglis, reformierte Flüchtlinge aus Lugano
aufgenommen. Auch heute engagieren wir uns
dort diesbezüglich.
ZWINGLI ALS REFORMATOR
Wie brachte er die Leute für die Reformation hinter sich?
Er stellte nicht gleich alles auf den Kopf. Als
Gemeindeamman-Sohn aus Wildhaus hatte er
Vertrauen in die Instrumente des Staates und
der Gesellschaft. Als ihm die Zürcher Obrigkeit
ZWINGLI, DER TOGGENBURGER
sagte, er habe mit der Erneuerung der Kirche
Zwingli war ein Toggenburger. Was hat er aus
zwar Recht, die Zürcher seien dafür aber noch
seiner Heimat nach Zürich gebracht?
nicht reif dafür, führte er die Messe noch einSein Feeling für die Genossenschaftskultur, mit
einhalb Jahre nach altem Ritus weiter. Dann
dem er der Reformation zum Durchbruch vergab ihm die Obrigkeit grünes Licht für die Rehalf. Wenn man heute in den Selun hinaufgeht,
formation. Diese war – im Unterscheid zu
dann sieht man dort noch,
Luther – eine städtische
«Der Glaube des einzelnen Bürgers
was ihn geprägt hat: Die
Reformation der Obrigwar für Zwingli nicht Privatsache,
demokratische Zusammenkeit. Als Theologe war
sondern hatte öffentliche Relevanz.» arbeit, wie man sie in den
Zwingli sich bewusst,
Alpgenossenschaften seit
dass die Instrumente
jeher lebt. Dann hat ihn auch die Toggenburger
der Reformation die Obrigkeit, der Staat und
Musikkultur geprägt. Zwingli war ja sehr musidie Gesellschaft sind.
kalisch, komponierte und spielte Hackbrett sowie weitere Instrumente. Sein berühmtes Lied
Heute gibt es Stimmen, die sagen, die Kirche
«Herr, nun selbst den Wagen halt!» ist heute
soll sich nicht in Politik einmischen. Was hätte
noch im Kirchengesangbuch. Wir verdanken
Zwingli dazu gesagt?
der Alpsteinkultur viel. Deshalb sollten wir ihr
Das hätte er sich nicht gefallen lassen. Für ihn
auch die Wertschätzung entgegenbringen, die
war das Evangelium öffentlich, die Kirche dessie verdient.
halb auch politisch. Der Glaube des einzelnen
Bürgers war für ihn nicht Privatsache, sondern
Sie waren selbst Pfarrer in Stein im Toggenburg.
hatte öffentliche Relevanz.
Spürt man den Geist Zwinglis dort auch heute
Für Zwingli beinhaltete der Glaube auch Vernoch?
antwortung für die Schwächsten der GesellJa. Im Toggenburg macht man keine grossen
schaft. Das zeigte sich in der ersten ArmenWorte über den Glauben. Man hat ein Urververordnung, die er am 15. Januar 1525 in Kraft
trauen in Gott und ist zuversichtlich, dass alles
setzte. Zwingli hat nicht auf den Sozialismus
gut wird. Dieses Vertrauen hat Zwingli auch in
gewartet, sondern setzte seine eigene Sozialseinem Pestlied thematisiert.
ordnung um.
Was wünschen Sie sich als Reformationsbotschafter?
Dass wir uns 500 Jahre nach der Reformation
auf den Geist Zwinglis besinnen. Zwingli hatte
den Mut, alte Zöpfe abzuschneiden. Das müssen wir heute auch. Die Welt wandelt sich. Wir
müssen darauf reagieren als Reformierte.
Gibt es eine Eigenschaft Zwinglis, die Sie gerne
haben würden?
Ich schätze seine demütige und musikalische
Seite. Mit Weggefährten hat er sechs Jahre lang
an der Bibelübersetzung gearbeitet. In der Vorrede allerdings erwähnte er sich selbst nicht.
Er wusste, dass es andere vielleicht noch besser machen könnten. Ŷ
Weiterführende Literatur zu Zwingli
• «Ulrich Zwingli – Prophet, Ketzer, Pionier des Protestantismus», Autor: Peter Opitz, 2015. Theologischer Verlag Zürich, CHF 22.80.
• «Ulrich Zwingli: Wie der Schweizer Bauernsohn zum
Reformator wurde», Autorin: Ulrike Strerath-Bolz, 2013,
Wichern-Verlag, CHF 16.80.
Will wie Zwingli mit der Zeit gehen: Reformationsbotschafter Christoph Sigrist beim Grossmünster in Zürich
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PANORAMA GEMEINDEN
Gebetswoche für die Einheit der
Christen 2016
Unter dem Motto aus dem ersten Petrusbrief
«Berufen, die grossen Taten des Herrn zu verkünden» (1 Petrus 2, 9) rufen Christen aus Lettland zum gemeinsamen Zeugnis auf. Sie haben
die Texte für die Gebetswoche für die Einheit
der Christen im Januar 2016 vorbereitet.
In Lettland gehört jeweils etwa ein Drittel der
Bevölkerung den drei Konfessionen protestantisch, katholisch und orthodox an.
Die Gebetswoche wird weltweit jedes Jahr vom
18. bis 25. Januar gefeiert. Seit 1973 wird jeweils eine ökumenische Gruppe in einem bestimmten Land um einen Entwurf gebeten. Ŷ
40 Jahre Vielfalt in Ökumene
Mit einem bunten Fest, einem Gottesdienst und
einem Bazar liess die ökumenische Gemeinde
Halden ihr 40-jähriges Jubiläum ausklingen. Vor
40 Jahren wurde die St.Galler Kirche von Katholiken und Protestanten gemeinsam errichtet
und über all die Jahre ökumenisch genutzt.
Ein Ginkgo-Baum soll an das Jubiläum erinnern.
Sevelen: Pfarrteam wieder komplett
Text: Reto Neurauter | Foto: Kleber Schildau
In Sevelen hat sich das Pfarrteam wieder komplettiert: das Pfarrehepaar Beate und Jörg Drafehn wirken als Verweser. Sie kommen aus
Schildau in Sachsen und sind mit ihren beiden
Kindern in die Schweiz übergesiedelt und wohnen im Pfarrhaus. Sie sind zu je 50 Prozent angestellt. Das Pfarrehepaar Renata und Richard
Aebi ist nach Sargans gezogen und hat ihr
Pensum in Sevelen reduziert: er auf 50 Prozent
und sie auf 10 Prozent. Das Pfarrehepaar Drafehn kann nach zwei Jahren gewählt werden. Ŷ
Pfarrehepaar Beate und Jörg Drafehn mit ihren Kindern.
8 AUSGABE 1/2016
Beim Kick-off in der Offenen Kirche St.Gallen informierte Theodor Pindl, Intendant des WirkRaumKirche, über die
Aufgaben und Aktivitäten des interkonfessionell getragenen und neu begründeten Vereins.
Raum für mehr Experimente
Text: pd | Foto: as
Im November 2015 präsentierte sich der ökumenische Verein WirkRaumKirche St.Gallen
der Öffentlichkeit.
WirkRaumKirche, Nachfolger des Vereins Offene Kirche St.Gallen, bildet die Plattform für spirituelle, kulturelle und soziale Projekte in der
Stadt und im Raum St.Gallen. Er strebt «niederschwellige und überraschende Angebote» an,
die «zur Lebenssituation, zum Lebensgefühl
und zum Lebensstil» der Menschen passen, wie
es im Leitbild heisst. Unter seinem Dach finden
sich künftig Angebote und Projekte der Offenen
Kirche St.Gallen, der «Kirche in der City» sowie
des Projekts für junge Erwachsene «safranblau». Neu im Gespräch ist die Kirche St.Mangen als Standort für die Offene Kirche. Die Umorientierung ist notwendig, da das derzeitige
Gebäude der Offenen Kirche wegen der Neugestaltung des Platztor-Areals spätestens 2020
schliesst. Die Kirche St.Mangen ist ein bedeutender Kraftort in der Stadt St.Gallen und
könnte in Zukunft als «Kirche der Stille»
vermehrt als solche genutzt werden.
INNOVATIVE HANDLUNGSIMPULSE
Der Verein WirkRaumKirche, der von den Landeskirchen getragen wird und gemäss Statuten
interreligiös offen und politisch unabhängig ist,
sieht seinen Auftrag auch darin, in engem Kontakt zu den bestehenden Kirchgemeinden und
Pfarreien innovative Handlungsimpulse zu setzen. «WirkRaumKirche will Räume öffnen, will
möglich machen, heute etwas auszuprobieren,
was morgen vielleicht Standard ist», sagt der
Intendant des WirkRaumKirche, der Philosoph
und Theologe Theodor Pindl. Der Anspruch,
ein zukunftsweisendes «Pionierprojekt» zu beginnen, das über die Stadt hinausausstrahlt,
verbindet Pindl mit dem Anliegen, eingeschliffene Kirchenklischees abzubauen und alte
Schätze ohne Berührungsängste zu entdecken.
In diese Richtung geht ein weiteres neues
Projekt des WirkRaumKirche, das «Stattkloster
St.Gallen», das schon im Namen Neues mit Altem in eine spannungsreiche Beziehung setzt.
BREITE TRÄGERSCHAFT
Als Adressaten des WirkRaumKirche sind vor
allem diejenigen angesprochen, die in den herkömmlichen Kirchenstrukturen zu kurz kommen, die aber dennoch auf der Suche sind:
«Passende und Unpassende, Eigene und Fremde, Etablierte und Benachteiligte, Sichere und
Unsichere», wie es im Leitbild des WirkRaumKirche heisst. Präsidiert wird der Verein von
Rachel Diem-Rohrer, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Straubenzell.
Der Vorstand ist aus Seelsorgenden und Behörden der katholischen, evangelischen und
christkatholischen Kirche zusammengesetzt.
Gründungsmitglieder des 2014 gegründeten
Vereins sind die christlichen Kirchen der Stadt
und des Raums St.Gallen: die Evangelischreformierten Kirchgemeinden Straubenzell,
Centrum und Tablat, die Katholische Kirchgemeinde St.Gallen, die Christkatholische Kirchgemeinde St.Gallen sowie die Evangelischreformierte Landeskirche beider Appenzell.
HOT SPOTS
Als Hot Spot für den WirkRaumKirche wurde
das Projekt «Zusammenklang» von Natalja Marchenkova Frei und Karl Schimke vorgestellt.
Das Kompositionsprojekt mit allen Kirchenglocken der Stadt St.Gallen ist als Weltpremiere
für den Sonntag, 21. August 2016, geplant – als
Ausklang des St.Galler Festes.
Die aus Wien stammende bildende Künstlerin
Katharina Mayrhofer hat die Offene Kirche
St.Gallen aktuell mit ihrer Installation «golden
delicious» ausgestattet. Zum anschliessenden
Apéro und Jazz mit Claude Diallo waren alle
Gäste herzlich eingeladen. Ŷ
PANORAMA KANTON
PANORAMA KANTON
500 Jahre Reformation ist wichtig
Text: as| Foto: ack
Jeweils am ersten Montag im Dezember trifft
sich die Synode, das Parlament der St.Galler
Kantonalkirche, im Grossratssaal in St.Gallen.
Die diesjährige Wintersynode diskutierte,
ausgehend vom Budget 2016 und einer Interpellation aus Grabs, Fragen rund um die Kommunikation. Zur Finanzierung des Reformationsjubiläums 2017—2018 wurden eine Million
Franken aus dem Wartenseefonds bewilligt.
Ein letztes Mal vor seiner Ablösung durch Diakon Urs Meier, St.Gallen, führte der Rebsteiner
Pfarrer Renato Tolfo als Präsident der Synode
durch die Geschäfte. Kirchenrat Heinz Fäh hat
die Synodalen mit einer adventlichen Besinnung aufgefordert, sich von der Not anderer
bewegen zu lassen und so die Ankunft Christi,
den Advent, aktiv zu begehen und zu feiern.
KIRCHENBOTE SOLL BILLIGER WERDEN
Klar wurde das Budget 2016 der Kantonalkirche genehmigt. Bei 21,4 Millionen Franken Einnahmen rechnet die Kantonalkirche mit einer
ausgeglichenen Rechnung. Beim Finanzausgleich geht der Kirchenrat von Einnahmen in
der Höhe 8,3 Millionen aus. Davon gehen rund
7,1 Millionen an finanzschwache Gemeinden.
Weil der Kirchenbote direkt der Synode unterstellt ist, wurde dessen Budget gesondert behandelt. Hans-Paul Candrian, Präsident der
Verlags- und Redaktionskommission, konnte
nach Jahren mit Verlusten für das Jahr 2016 einen Überschuss präsentieren. Dies habe damit
zu tun, so Candrian, dass die Kirchgemeinden
neuerdings ihre Gemeindeseiten über ein Online-Redaktions-Tool (ORT) selber gestalten
und die Aufgabe der Lokalredaktionen entfalle.
Das ORT sei noch zu verbessern und die Verantwortlichen in den Gemeinden würden den
Umgang damit optimieren können. Den Vorwurf, der Kirchenbote habe Arbeit an die
Gemeinden ausgelagert, konterte Hans-Paul
Candrian mit dem Versprechen, allenfalls
schon im Jahr 2017 den Abonnementspreis
von 13 auf 12 Franken reduzieren zu können.
Zudem informierte Hans-Paul Candrian die Synode darüber, dass der Studienurlaub des Redaktors auf den Sommer verschoben wurde.
Seelsorge an Spitälern unter
neuem Dach
Text und Bild: Andreas Ackermann
EIN STARKES REFORMATIONSJUBILÄUM
Dann hatten die Synodalen ein ambitioniertes
Programm zum Reformationsjubiläum zu bewilligen, finanziert durch den Wartenseefonds,
den Lotteriefonds und weitere Einnahmen. Den
20-seitigen Antrag des Kirchenrats hatten die
Delegierten aus den Gemeinden studiert.
Nun begründete Kirchenratspräsident Martin
Schmidt die Eckwerte dieser Zeit des Feierns.
Es gehe einerseits darum, sich zu erinnern, woher wir als Reformierte kommen und wer wir
sind, dann aber gelte es, in einem gemeinsamen
Prozess auf der Ebene der Kirchgemeinden, der
Regionen und des Kantons zu zeigen, dass wir
eine Kirche seien, die sich stets reformiert und
in die Zukunft blickt. Schmidt betonte, dass für
die Jubiläumsaktivitäten keine speziellen Stellen geschaffen wurden, sondern alle Arbeitsstellen mitwirken. Auch seien Kirchgemeinden
und freie Anbieter aufgefordert, Ideen zum
Jubiläum einzureichen. So bewilligte die Synode mit keiner Gegenstimme, dass aus dem Wartenseefonds eine Million Franken zur Finanzierung des Jubiläums gesprochen werden.
KOMMUNIKATION BÜNDELN
Ein Postulat, das vor allem die Finanzierung von
Hochzeiten in fremden Kirchgemeinde regeln
soll, wurde aufgenommen und auf Taufen und
Beerdigungen ausgedehnt. Der Kirchenrat will
eine Regelung erarbeiten – allerdings eine, die
nur für die St.Galler Kantonalkirche gültig ist.
Für eine Schweizer Lösung, so Martin Schmidt,
wären die Hürden zu hoch.
Kirchenratspräsident Martin Schmidt erläutert die Eckwerte zum Reformationsjubiläum.
Vertretungen von Spitälern, Regierung und Kirchen an
einem Tisch zur Unterzeichnung der Vereinbarung.
Weiter forderte eine Interpellation aus Grabs,
dass die Kommunikation der St.Galler Kirche
«einheitlicher, effizienter und effektiver» werde.
Kirchenratspräsident Martin Schmidt betonte,
dass die Synode die Entscheidungskompetenz
habe über den Kirchenboten wie auch über die
Stellenprozente für die kirchenrätliche Kommunikation, die aktuell nur bei 50 Prozent liege.
Schon in den Vorsynoden wurde betont, dass
der Kirchenbote der Synode unterstellt bleiben
soll. Ein Toggenburger Synodaler meinte, dass
ihm die Rede von der «Einheitlichkeit» Angst
mache. Der Lebendigkeit im Kanton könnten
damit künstliche Schranken gesetzt werden. Ŷ
Mitte Dezember haben die CEOs der Spitalregionen, Martin Schmidt, Präsident des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen, Bischof Markus
Büchel und Hans Wüst, Präsident des
Administrationsrates des katholischen Konfessionsteils St.Gallen, eine Vereinbarung unterzeichnet, welche die Zusammenarbeit der
Seelsorge an den Spitälern neu regelt.
Die Seelsorge erfolge grundsätzlich ökumenisch und in einem interreligiös offenen Geist,
heisst es in der neuen Vereinbarung. Denselben
offenen Geist habe er auch bei den Verhandlungen zur neuen Vereinbarung zwischen den Kirchen und den CEOs der Spitalregionen gespürt,
sagte Martin Schmidt bei der Unterzeichnung.
SEELSORGE INTEGRIEREN
«Zu einer ganzheitlichen Betreuung gehört die
Seelsorge selbstverständlich dazu», sagte Daniel
Germann, Direktor des Kantonsspital St.Gallen.
«Darum ist es wichtig, dass die Patientinnen
und Patienten die Seelsorge als Teil des Angebotes des Spitals wahrnehmen». Dies ist bereits
in vielen Spitälern der Fall.
Mit der neuen Vereinbarung soll die Zusammenarbeit vereinheitlicht werden. Dies gilt einerseits für die Rahmenbedingungen der Seelsorgerinnen und Seelsorger an den Spitälern,
andererseits für Entschädigungs- und Abrechnungsfragen. So regelt die Vereinbarung etwa
den Umgang mit Patientenlisten oder die Mitwirkungsrechte und -pflichten. Die Anstellung
obliegt wie bisher den beiden Kantonalkirchen.
HÖHERE PENSEN
Mit der neuen Vereinbarung einher geht auch
eine Pensenerhöhung. Die Pensen werden je
nach Ausrichtung und Art der Spitäler berechnet. So steht etwa einem Spital mit einer Akutgeriatrie oder einer Palliativabteilung mehr
Seelsorgepensum zu. Somit sind in den vier
Spitalregionen über zwanzig Spitalseelsorgerinnen und -seelsorger mit neu insgesamt 900
Stellenprozenten (bisher 840 Prozent) tätig. Ŷ
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IN KÜRZE
PANORAMA SCHWEIZ
Prototyp der neuen Kirchenzeitung «Réformés»
Glasfenster im jüdischen Gemeindehaus St.Gallen
Neue Kirchenzeitung
für die ganze Westschweiz
Burkhalter: gegen «Normierte
Antisemitismus
Kinder» – nein!
Text: ref.ch | Foto: protestinfo/Joël Burri
Die Conférence des églises romandes (CER)
hat auf ihrer Generalversammlung die Schaffung einer gemeinsamen Mitgliederzeitung
für vier Westschweizer reformierte Kirchen
beschlossen. Das neue Produkt «Réformés»
soll ab Herbst 2016 «Vie protestante» und
«Bonne nouvelle» ersetzen.
Heftig diskutiert wurde das redaktionelle Leitbild. Die Genfer Kirche (EPG) verlangte nicht
weniger als acht Änderungen. Im Mittelpunkt
stand die Frage, inwieweit die neue Zeitung einen bekennenden Charakter haben solle. «Wir
können uns kein protestantisches Kulturjournal mehr leisten. Unsere Zeitung muss der
Mission der Kirche dienen, das Evangelium zu
verkünden», sagte EPG-Präsident Emmanuel
Fuchs. «Es ist schon problematisch, wenn im
Leitbild einer Kirchenzeitung die Worte Bibel,
Evangelium oder Jesus Christus nicht vorkommen.» Schliesslich einigten sich die Kirchen auf
die Erwähnung des «kirchlichen» Charakters
der Zeitung. Ŷ
Aus der «Reformierten Presse»
wird «bref»
18 Organisationen reichten das Referendum ein
Text: ref.ch | Bild: as
Text: ref.ch | Bild: Marius Schären/reformiert.info
An einer Tagung des EDA vom 1. Dezember
forderte Bundesrat Burkhalter eine verstärkte Zusammenarbeit von Behörden und Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung des Antisemitismus.
Das Referendum gegen das neue Fortpflanzungsmedizingesetz steht. Über 60 000
Schweizerinnen wollen eine Neufassung. Das
Volk muss nochmals über medizinische Untersuchungen an Embryonen entscheiden.
In seiner Eröffnungsrede erinnerte Bundesrat
Didier Burkhalter daran, dass die jüdische Gemeinschaft seit dem Mittelalter in der Schweiz
ansässig und ein Bestandteil der Schweizer Gesellschaft ist. Burkhalter betonte, dass der Bundesrat darüber informiert sei, dass die antisemitischen Vorfälle in diesem Jahr in Europa zugenommen hätten und dass sie für die Menschen jüdischer Religion und für ihre Institutionen in der Schweiz eine Bedrohung darstellten.
Er versicherte, dass die schweizerischen Behörden wenn nötig entsprechende Massnahmen ergriffen, um der jüdischen Gemeinschaft
Schutz vor Angriffen zu bieten.
Die Stimmbürger haben 2015 bereits den Verfassungsartikel 119 gutgeheissen. Dieser ermöglicht die sogenannte Präimplatationsdiagnostik
(PID). Das Gesetz dazu war bereits vor der Abstimmung in den eidgenössischen Räten gutgeheissen worden. Es trat jedoch noch nicht in
Kraft, da eine halbjährige Referendumsfrist galt.
Auch Michele Galizia, Leiter der Fachstelle für
Rassismusbekämpfung, riet dazu, wachsam zu
bleiben: Rassismus und Antisemitismus träten
in immer neuen Erscheinungsformen auf und
bedürften daher ständiger Beobachtung.
Text: ref.ch | Bild: bref
ZU WEIT GESTECKT
18 Organisationen haben nach Annahme des
Verfassungsartikels mit der Unterschriftensammlung gegen das Gesetz begonnen, darunter die Evangelischen Frauen Schweiz, EFS, der
Katholische Frauenbund (SKF) sowie Vertreter
verschiedenster Parteien, Gentechnologiekritiker und Behinderten-Organisationen. Sie kritisieren, dass PID auf Wunsch bei allen in vitro
gezeugten Kindern angewendet werden kann.
KEINE NORMIERUNG
Darin sehen die Frauenverbände eine Gefahr:
«Da sollen Menschen, die nicht der Norm entsprechen, aussortiert werden», sagt Dorothea
Forster, Co-Präsidentin des EFS. Diese Möglichkeit erhöhe den Druck auf Paare, alles zu unternehmen, damit sie ein Kind bekommen, das den
gesellschaftlichen Normen entspreche. Ŷ
Die neue Zeitschrift «bref» ersetzt zu Jahresbeginn die «Reformierte Presse», wie es
in der «Reformierten Presse» vom 20. November heisst.
Auch Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG)
referierte. Er zog Bilanz über die Situation der
Jüdinnen und Juden in der Schweiz, die vor
150 Jahren als gleichberechtigte Bürgerinnen
und Bürger anerkannt wurden. Ŷ
Der Titel stehe in der Nachfolge der «Reformierten Presse» und vereine Journalismus aus
den reformierten Landeskirchen mit längeren
Erzählstücken, Meinungen und Unterhaltung.
«bref» setze auf die «klassischen Stärken eines
Magazins», wird Thomas Gehrig zitiert. Gehrig
ist Herausgeber und Geschäftsführer der Reformierten Medien.
Pfarr-Ausbildung neu geregelt
Das 24-seitige, vierfarbige Magazin lege grossen Wert auf Gestaltung, Bild und Sprache.
Die Schwerpunkte bilden Themen aus Religion,
Theologie, Philosophie, Kultur und Gesellschaft. Ein eigener Teil im Magazin werde
kompakt über die Ereignisse in den jeweiligen
Deutschschweizer Kirchen berichten.
Weitere Informationen: www.brefmagazin.ch Ŷ
10 AUSGABE 1/2016
Text: ref.ch
Neue Inhalte für die Ausbildung von Pfarrpersonen sollen ab 2018 umgesetzt werden. Damit
würde die Pfarr-Ausbildung den Herausforderungen in Zeiten grosser kirchlicher Umbrüche
angepasst, wie das Konkordat für die Ausbildung der reformierten Deutschschweizer Pfarrer in einer Mitteilung schreibt.
Damit werden die Ausbildungsinhalte den heutigen Herausforderungen in Zeiten grosser
kirchlicher Umbrüche angepasst: Das Mentorat
wird aufgewertet und erhält eine höhere
Verbindlichkeit. Das Ekklesiologisch-praktische
Semester wird modular aufgebaut und thematisch stärker mit den Fakultäten verknüpft.
Im Lernvikariat werden Pioneer-Kompetenzen
wie Teamfähigkeit, theologische Deutungskompetenz des Kontexts oder Förderung der Beteiligungs-Kirche stärker als bisher gewichtet. Ŷ
PANORAMA SCHWEIZ / WELT
Schweizer Kirchen veröffentlichen
Erklärung zur Religionsfreiheit
PANORAMA WELT
Russland fordert Rückgabe
der Hagia Sophia
Text: kath.ch/ref.ch
Text und Bild: ref.ch
Abgeordnete der russischen Staatsduma haben die Rückgabe der einstigen Kathedrale
Hagia Sophia in Istanbul an die orthodoxe
Kirche gefordert, wie der Wiener Orthodoxe
Informationsdienst (OID) berichtete.
Anlässlich einer Solidaritätsreise in den Libanon für die Christen im Nahen Osten haben
Kirchenbundspräsident Gottfried Locher und
der Präsident der Bischofskonferenz, Markus
Büchel, eine Erklärung zur Religionsfreiheit
veröffentlicht.
Gottfried Locher und Markus Büchel bereisten
Ende November mit einer ökumenischen Delegation den Libanon. Sie besuchten mehrere
christliche Hilfsprojekte und Flüchtlingsfamilien
im Bekaa-Tal nahe der syrischen Grenze, trafen
Führer verschiedener libanesischer Religionsgemeinschaften und Vertreter der evangelischen Synode des Nahen und Mittleren Ostens.
Vor allem die Audienzen bei drei muslimischen
Würdenträgern (der Sunniten, der Schiiten und
der Drusen) wurden von den libanesischen
Medien gut beachtet.
PARALLELEN SCHWEIZ – LIBANON
Bei einer Pressekonferenz nahe von Beirut veröffentlichten Büchel und Locher eine gemeinsame Erklärung zur Religionsfreiheit. Darin wird
sie als wichtige Ressource für die Zukunft einer
multikulturellen Gesellschaft bezeichnet. Ein
dauerhafter Frieden sei nur möglich, wenn die
Religionsfreiheit gewährleistet sei. Diese müsse
auf gegenseitigem Respekt basieren.
Gottfried Locher und Bischof Markus Büchel auf Besuch
beim Oberhaupt der Drusen.
An der Pressekonferenz wurden auch die Parallelen zwischen der Schweiz und dem Libanon
unterstrichen: Beide Länder lebten in einer vielfältigen, multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft, auch wenn Orient und Okzident unter Religionsfreiheit nicht genau das
Gleiche verstünden.
Gerade christliche Werte wie Glaube, Liebe,
Hoffnung seien für das Zusammenleben essenziell. Vergleichbare Werte seien aber auch in anderen Religionen zu finden. Die Delegation betonte an der Konferenz zudem, wie wichtig der
Augenschein vor Ort sei, um die Probleme und
Herausforderungen des Libanons und des
Nahen Ostens zu verstehen. Ŷ
Kirchenbundspräsident Gottfried Locher über seine Eindrücke im Libanon
Text: ref.ch, Matthias Böhni
Sie haben zwei syrische Flüchtlingsfamilien
besucht im Bekaa-Tal. Was hat Sie am meisten
beeindruckt?
Der Schrecken in den Augen des Familienvaters, der von der Flucht mit Frau und Tochter
erzählt hat. Wie über Nacht alles verloren war,
was er aufgebaut hatte. Nun sind sie zwar
knapp mit dem Leben davongekommen, aber
eine Zukunft sieht er nicht. Es gibt keine Arbeit
im Libanon, und keiner hat auf die Flüchtlinge
gewartet.
Sie haben mehrmals auf der Reise gesagt, die
Christen sollen im Nahen Osten bleiben. Wie
können Sie das sagen, angesichts der Situation
hier?
Ich verstehe jeden und jede, der hier weg will.
Ohne Hilfe wird es auch so kommen, dass bald
kein Christentum mehr hier ist. Deshalb müssen wir unbedingt alles tun, um die zu unterstützen, die nicht auswandern. Ein Naher Osten
ohne Christentum ist auch für Europa nicht
gut. Das Wichtigste ist, dass es bald wieder
Frieden gibt in der Region. Es braucht deshalb
nicht nur finanzielle Hilfe für Flüchtlinge, sondern auch politisches Engagement.
Die Reise war ökumenisch. Warum ist das
gerade für den Libanon wichtig?
Dass wir gemeinsam kamen, Katholiken und
Protestanten, wurde hier stark wahrgenommen. Wir wollten damit zeigen, dass es so
etwas wie Einheit in Vielfalt gibt. Die Vielfalt
ist gewährleistet, im Libanon wie in der
Schweiz. Nicht gewährleistet sind konkrete
Zeichen der Einheit, und ein solches wollten
wir setzen. Bischof Markus und ich sind in
den vier Tagen immer nur gemeinsam vor
die Medien getreten.
Dazu meinte der Leiter des Duma-Ausschusses
für Eigentumsfragen und Koordinator der parlamentarischen Gruppe für den Schutz christlicher Werte, Sergej Gavrilov, dass «freundschaftliche Initiativen und Angebote» von besonderer
Bedeutung seien, «insbesondere jetzt, da die
russisch-türkischen Beziehungen einen Härtetest durchmachen».
«Die russische Seite erachtet es als möglich,
zur Frage der Hagia Sophia zurückzukehren,
dem historischen Heiligtum der christlichen
Welt mit Standort in Konstantinopel; einer historischen byzantinischen Kathedrale, verbunden mit der Geschichte der universellen christlichen Kirche», so der Abgeordnete.
GUTER WILLE SOLL ÜBER POLITIK STEHEN
«Wir erwarten einen freundschaftlichen Schritt
von der türkischen Seite, nämlich die Rückgabe
der Hagia Sophia von Konstantinopel an die
Christenheit.» Russland sei bereit, sich finanziell zu beteiligen und «die besten russischen Architekten und Wissenschafter» für die Restaurierung zu engagieren. «Dieser Schritt würde
der Türkei und dem Islam zeigen, dass guter
Wille über der Politik steht», so Gavrilov.
HEUTE WELTKULTURERBE UND MUSEUM
Die Hagia Sophia, die über Jahrhunderte grösste Kirche des Christentums, wurde nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im
Jahr 1453 in eine Moschee umgewandelt. 1935,
nach der Ausrufung der laizistischen Türkischen Republik, erhielt die Hagia Sophia den
bis heute gültigen Status eines Museums.
Die Unesco erklärte das Bauwerk 1985 zum
Weltkulturerbe. Ŷ
YouTube bei 12- bis 19-Jährigen vor
Facebook und WhatsApp
Text: APD
Sie haben in Beirut an einer Pressekonferenz
eine ökumenische Erklärung zur Religionsfreiheit veröffentlicht. Hätte man die Pressekonferenz nicht besser in der Schweiz durchgeführt?
Die ökumenische Erklärung geht beide Länder an, die Schweiz und den Libanon. Das
Medieninteresse war erstaunlich hoch, es
waren mehrere libanesische TV-Sender und
Journalisten aus beiden Ländern da. Die libanesische Zeitung «L’Orient le jour» hat beispielsweise einen guten Artikel dazu veröffentlicht. Siehe www.kirchenbund.ch. Ŷ
61 Prozent der deutschen Jugendlichen benennen YouTube als liebstes Internetangebot. Mit
weitem Abstand folgen Facebook (36 Prozent)
und der Messenger-Dienst WhatsApp (29 Prozent).
Mit 94 Prozent zählen fast alle Zwölf- bis 19-Jährigen generell zu den Nutzern von YouTube,
vier von fünf Jugendlichen (81 Prozent) sehen
sich mindestens mehrmals pro Woche Videoclips auf YouTube an, jeder Zweite nutzt die
Videoplattform nach eigenen Angaben sogar
täglich (52 Prozent). Ŷ
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 11
PALETTE
Tanzen, Singen
NEUJAHRSTANZTAG — VERWANDLE DIE ZEIT
Samstag, 16. Januar, 10—17 Uhr
Einmal aus dem Alltag heraustreten, sich lösen
vom Lärm der Tage und sich eine kleine Atempause gönnen. Wir schenken uns einen Tag mit
wohltuendem Innehalten, mit verschiedenen
Kreistänzen zu fröhlicher, beschwingter und
besinnlicher Musik.
Ort: Ökum. Kirche Halden, St.Gallen
Info und Anmeldung: Krisztina Sachs, Reherstrasse 8a, 9016 St.Gallen, Tel. 071 288 31 92
E-Mail: [email protected],
Homepage: www.meditatives-tanzen.ch
OFFENE MEDITATIONSANGEBOTE
RINGEN MIT GOTT
Ökumenische Kirche Halden:
– jeden Freitagmittag 12.15–13.15Uhr (am ersten Freitag im Monat gibt es um 12.45 Uhr eine
Lichtmeditation)
– Stille am Abend, 18.30–20 Uhr: 7. und 25. Januar, mit Margrit Wenk
Reformiertes Kirchgemeindehaus Riethüsli:
– jeden Montag, 8–9 Uhr
– jeden Dienstag, 18–19.30 Uhr,
mit Gabrielle Bregenzer
27. Januar, 19.30 Uhr
HEILMEDITATION
Ein Abend mit dem neuen St.Galler Rabbiner
Tovia Ben-Chorin; Thema: «Ringen mit Gott, die
Gottesvorstellung eines modernen Rabbiners»
Ort: Jüdische Gemeinde St.Gallen
Veranstalter: CJA St.Gallen/Ostschweiz
Mittwoch, 13. Januar, 14.30 Uhr
Mit Hedda Schurig
Ort: Offene Kirche St.Gallen
HEILSINGEN IN DER GALLUSKRYPTA
7. Jan. / 4. Feb. / 3. März, 18—18.35 Uhr
Am 1. Donnerstag des Monats wird die Galluskrypta unter dem Chor des St.Galler Doms geöffnet. Hildegard Aepli, Pastoralassistentin,
lädt zum Heilsingen an diesem Kraftort ein:
einfache Lieder, Gebet, Lesung, Stille, Zuspruch
und Segen. Mithilfe: Marianne Kundt, Pfarrerin,
St.Gallen. Eingang rechtes Chorgitter.
Info: [email protected]
Meditieren
Konzerte
MITTWOCH-MITTAG-KONZERTE
KIRCHE ST.LAURENZEN IN ST.GALLEN
MEDITATION IN DER STILLE (ZAZEN)
NACH VIA INTEGRALIS
Mittwoch, 6. und 20. Jan., 18—20.30 Uhr
Regelmässiges Sitzen in der Stille (Zazen) ist
ein persönlicher Erfahrungsweg und macht uns
lebendiger und echter. Mit Input und Schulung.
Schnuppern erwünscht.
Ort: evangelische Kirche Riethüsli-Hofstetten,
Gerhardtstrasse 11, St.Gallen
Anmeldung und Auskunft: Werner Frei,
Tagelswangen, Kontemplationslehrer
[email protected], www.meditation-sg.ch
3 TAGE DER STILLE NACH VIA INTEGRALIS
28. Jan., 18.30 Uhr bis 1. Feb., 9 Uhr
Offen werden für das, was wir im Lärm des
Alltags oft überhören. So mehr zu uns selbst
kommen. Dadurch beschenkt, kehren wir dann
zurück ins normale Leben. Und gestalten es mit
neuer Energie, Klarheit und Freude.
Ort: Sonneblick, Güetli 170, 9428 Walzenhausen
Anmeldung: Werner Frei (siehe Kurs oben)
KONTEMPLATION
Do., 28. Jan., 9—16.30 Uhr
Kontemplation Aufbau: 28. bis 31. Januar
Mit Margrit und Charlie Wenk, Kontemplationslehrerin/Theologe, St.Gallen, Tel. 071 288 65 88.
Ort: Fernblick, Teufen
www.meditation.margritwenk.ch
12 AUSGABE 1/2016
1. Februar, 19.30 Uhr
12.15—12.45 Uhr
6. Jan.: Neue Lieder
13. Jan.: Mittagsblues
20. Jan.: Canciones y Danzas
27. Jan.: SoulFood
3. Jan.: Bach Solo, Violine
Bildung
SITZEN IN DER STILLE
Dienstags, 12—13.15 Uhr
Schweigemeditation. Mitten im Alltag aus
Anspannung und Stress heraustreten. Kollekte.
Ort: Offene Kirche St.Gallen
DIE CHRISTLICHE BOTSCHAFT DER
ST.GALLER KATHEDRALE
FÜHRUNGEN VON WALTER FREI
www.stgaller-geschichten.org
Auskünfte: Tel. 071 278 12 64
7. Jan., 14.30–16 Uhr: Toleranz bei unseren
Vorfahren. Wo gab es in St.Gallen Differenzverträglichkeit, wie wurde gestritten?
17. Jan., 14.30–16.30 Uhr: St.Galler Hexen im
17. Jahrhundert.
20. Jan., 14.30–16 Uhr: Was unsere Vorfahren
über die Moslems wussten und dachten.
26. Jan., 14.30–16 Uhr: Geschichten von Juden
in St.Gallen. Alte Judengasse, Gemeindegründung, Judenkrawall, Wienercafé Neumann etc.
«ES GEHT DOCH!»
Donnerstag, 14. Januar, 8.15—14 Uhr
Impulsvortrag von Ibrahim
Ismail, Verein Paidaia e.V.
über Grundlagen, Haltungen
und Leitlinien zur Förderung junger Menschen. Wie
lassen sich junge Menschen
motivieren, für sich und die
Gesellschaft Verantwortung
zu übernehmen und dazu
erforderliche Kompetenzen
auszubauen? Gute Strukturen zur Förderung alleine reichen oftmals nicht
aus. Wie erreichen wir das Bewusstsein dieser
Menschen? Wie können wir sie in ihrem Persönlichkeitsprozess fördern, damit sie zu handelnden Gestaltern ihres Lebens werden?
Ort: Gossau, Fürstenlandsaal, Bahnhofstrasse 29
Anmeldeschluss: 8. Januar, Tel. 071 227 05 60
E-Mail: [email protected]
Im Innern der St.Galler Kathedrale zeigt sich
das künstlerische Programm der katholischen
Theologie vor der Aufklärung. Mit allen Mitteln
der darstellenden Kunst und mit den besten
Künstlern des zu Ende gehenden Barocks wurde die biblische Heilsgeschichte sichtbar gemacht. Markus Kaiser, früher Archivar am
Staatsarchiv, gibt einen Überblick.
Ort: Saal von St.Katharinen, St.Gallen
Veranstalter: www.erf-sg.com
WENN KIRCHEN ÜBERFLÜSSIG UND DOCH
NEU ENTDECKT WERDEN
8. Februar, 19.30 Uhr
Sonja Keller, Pfarrerin in Zürich, hat ihre Doktorarbeit über die Umnutzung von überflüssig
gewordenen Kirchen geschrieben. Anhand von
konkreten Auseinandersetzungen in der Zürcher Kantonalkirche wird sie die Kriterien der
damaligen Bauherren mit heutigen Bedürfnissen in Beziehung bringen. Ihr Beitrag wird auch
für St.Gallen aktuell sein im Zusammenhang
mit der Kirche St.Leonhard oder St.Mangen.
Ort: Saal von St.Katharinen, St.Gallen
Veranstalter: www.erf-sg.com
JAHRESKONFERENZ GEISTLICHE BEGLEITUNG
Samstag, 20. Februar, 8.30—16.45 Uhr
Die Jahreskonferenz 2016 befasst sich mit der
geistlichen Substanz unserer Begleitung, der
Spiritualität und dem Glauben.
Veranstaltende: Arbeitsstellen der geistlichen
Begleitung der Evang.-ref. Kirche des Kantons
St.Gallen
Ort: Kirchgemeindehaus Grossacker, St.Gallen
PALETTE
Eine Welt
Junge Erwachsene
IMPULSTAGUNG ZUR KAMPAGNE VON BROT
FÜR ALLE UND FASTENOPFER 2016
«RISE UP»-GOTTESDIENST
Samstag, 23. Januar, 9—16 Uhr
Ort: Zentrum St.Mangen, St.Gallen
«VERANTWORTUNG TRAGEN — GERECHTIGKEIT STÄRKEN»
Impulsreferate: Dr. Mark Herkenrath, Geschäftsleiter Alliance Sud: «Transnationale Konzerne
und ihre gesellschaftliche Verantwortung»
Pfrn. Katharina Leser, Kirchgemeinde Unteres
Toggenburg: «Weltweite Gerechtigkeit –
Wunschtraum oder gelebte Hoffnung?»
Nachmittag: Workshops
Infos: www.oekumenischekampagne.ch
Anmeldung bis 14.1.2016: [email protected]
TOGGENBURGER IMPULS
Mittwoch, 27. Januar, 14.15—17.15 Uhr
Ort: Kath. Pfarreizentrum, Wattwil
Impulsreferat: Dr. theol. Thomas Wallimann,
Sozialethiker. Nur ein Zahnrädchen in der Wirtschaftsmaschinerie? Ich und die grossen Unternehmen. Workshops zu Religionsunterricht
und Vertiefungs-Workshop zum Referat.
KINDERARTIKEL GESUCHT
KOALA ermöglicht finanziell benachteiligten
Familien unentgeltlich eine Erstausstattung für
ihr Baby. Gesucht werden gut erhaltene Kinderbettli und Kinderwagen (keine Buggys).
Melden kann man sich bei Ursula Odermatt:
Tel. 071 288 49 13, [email protected]
BENEFIZANLASS: TRAUMATISIERTEN
FLÜCHTLINGEN EINE STIMME GEBEN
31. Januar, 17 Uhr, St.Laurenzen, St.Gallen
Die Schauspielerin Diana Dengler und der Pianist Xoán Elías Castiñeira erzählen in Wort und
Klang von Menschen im Asylverfahren; von der
Angst, die diese Menschen begleitet, von den
quälenden Wartezeiten und von verwaltungsrechtlichen Entscheiden, die über ihre Zukunft
bestimmen.
Der Erlös geht an die Erstellung des Fachberichts «Traumatisierte Personen im Asylverfahren», der von der Beobachtungsstelle für Asylund Ausländerrecht Ostschweiz erarbeitet
wird. Die Schwierigkeiten, mit welchen traumatisierte Personen im Asylverfahren konfrontiert
sind, werden von den Behörden immer noch zu
wenig beachtet. Der Bericht soll Politik und Behörden für die Problematik sensibilisieren und
einen Beitrag leisten, damit Traumata frühzeitig erkannt und im Asylverfahren berücksichtigt werden und der Zugang zu deren Behandlung verbessert wird.
ZIMMER GEGEN ZEIT
Haben Sie ein freies Zimmer und möchten Sie
dies einer Studentin oder einem Studenten gegen zeitliches Engagement zur Verfügung stellen? Weitere Auskünfte bei Benevol St.Gallen
unter: Telefon 071 227 07 60 oder per
E-Mail: [email protected] oder
www.benevol-sg.ch/benewohnen
TIPPS DES MONATS
Sonntag, 3. Januar, 10 bis 11 Uhr
Die «Rise Up»-Gottesdienste verweben aktuelle
Lebensthemen mit modernen Melodien, Rhythmen und Texten. Ort: Kirche Feld
Veranstalter: Kirchgemeinde Flawil
ST.GALLER STADTGEBET
Donnerstag, 14. und 28. Januar
Einsingen 19.15 Uhr, Beginn 19.30 Uhr
Das St.Galler Stadtgebet für junge Leute ist eine
Ermutigung zur Begegnung mit der eigenen Spiritualität. Mitten in unserer hektischen Welt ist
es eine halbe Stunde, in der man der Sehnsucht
nach inneren Kraftquellen nachgeht.
Ort: Kathedrale St.Gallen, Chorraum (vorne)
Veranstalter: Safranblau
GO2BE
17. Januar, 18.30—19.30 Uhr
Eine frische Form des Feierns! Im Mittelpunkt
stehen das Lob Gottes (mit modernen, populären, englisch- und deutschsprachigen Liedern),
die Zeit zum Beten und Hören auf Gottes Wort.
Ort: evang. Kirche Buchs, Kirchgasse 1
Veranstalter: Kirchgemeinde Buchs
.8
Freitag, 22. Januar, 20 Uhr
Ein unkonventioneller Abendgottesdienst mit
zeitgemässer Gottesdienstkultur (moderne Musik, Theater, Predigt mit Kreuzverhör, kreativer
Segnungsteil). Im Anschluss Apéro riche.
Ort: evang. Kirchgemeindehaus Altstätten
Veranstalter: Kirchgemeinde Altstätten
THEATER WORKSHOP
Jeden Mittwoch vom 20. Januar bis 5. März,
jeweils 19.30—21.45 Uhr
Eintauchen in die Welt des Theaters. Experimentell und spielerisch lernen, sich in andere
Rollen zu begeben. In Fantasiewelten eintauchen, sich und andere ganz neu kennenlernen.
Theatererfahrung ist nicht erforderlich.
Ort: St.Gallen, Veranstalter: Safranblau
Beratung
GESPRÄCHSGRUPPE «TRAUER NACH
SUIZID»: EIN INFORMATIONSABEND
Mittwoch, 27. Januar in St.Gallen
Ein Suizid erschüttert das Leben von Angehörigen und weiteren Betroffenen. Nichts ist mehr
so wie es war. Erfahren, dass man nicht allein
ist mit diesem Schicksal, Verständnis finden,
über alles reden können, sich gemeinsam über
gelungene Schritte freuen, das hilft, das Geschehene zu akzeptieren und neuen Lebensmut
zu fassen.
Information und Anmeldung: Barbara Stehle,
Fachstelle «Trauer nach Suizid Ostschweiz»
071 351 43 69, [email protected]
www.trauer-nach-suizid.ch
Max Lingner, «Ceux de Gurs», Mai 1941, © Archiv für
Zeitgeschichte / Elsbeth-Kasser-Stiftung
Ausstellung:
Museum im Lagerhaus, St.Gallen
«Die von Gurs» — Kunst aus dem Internierungslager der Sammlung Elsbeth Kasser
26. Januar bis 10. April 2016
Im berüchtigten Internierungslager Gurs in
Südfrankreich, in dem sich auch Juden aus
Konstanz und Baden befanden, war die Schweizer Rotkreuzschwester Elsbeth Kasser von
1940–1943 tätig. Gegen den Willen der Lagerleitung baute sie auf eigene Initiative ein Hilfsprojekt auf, organisierte Nahrungsmittel und bemühte sich um eine – soweit möglich – menschenwürdige Atmosphäre im Lager. In Gurs
waren viele Kunstschaffende und Intellektuelle
interniert. Ihre Zeichnungen und Aquarelle geben Einblicke in das Lagerleben, sie beschreiben die Not, die Qual des Eingesperrtseins mit
der Angst vor der Deportation nach Auschwitz;
sie sprechen von Kälte, Hunger und Tod.
Am Mittwoch, 27. Januar um 19 Uhr referiert
Therese Schmid-Ackeret über Elsbeth Kasser.
Diese Veranstaltung findet im Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte an der
Florastrasse 6 in St.Gallen statt. Ŷ
Begleitprogramm: www.museumimlagerhaus.ch
Meditation für eine friedlichere Welt
Am 27. Januar, 19.15 Uhr, findet im Bildungshaus Fernblick, Teufen, der Auftakt statt für
das Projekt «Meditation für eine friedliche
Welt». Jeden Tag von 7 bis 8 Uhr und von
19.15 bis 20.15 Uhr – ausser 2.–21.7. – sind alle
eingeladen zu diesen Friedensmeditationen.
Sie werden geleitet von LehrerInnen der Lassalle-Kontemplation via integralis. Die Stunden
der Stille möchten einen spirituellen Beitrag
leisten zu mehr Frieden und Gerechtigkeit.
Der Fernblick bietet auch Tage der Stille für
den Frieden an: Do., 28.1; Sa., 19.3.; Sa., 30.4.;
Do., 30.6.; Mo., 5.9. und Do., 20.10. – jeweils
von 9–16.30 Uhr. Als Abschluss des Projektes
Meditation für eine friedlichere Welt findet ein
Wochenende statt vom 2.–4. Dezember 2016.
Info: Tel. 071 335 09 19 [email protected]
Charlie u. Margrit Wenk-Schlegel,
Tel. 071 288 65 88, [email protected] Ŷ
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LESERZUSCHRIFTEN
Was hat der islamistische Terror mit
dem Islam und dem Koran zu tun?
«Auch der Koran braucht Interpretation»
Texte: ref.ch/Karin Müller | Foto: Claude Giger
Der islamistische Terror habe nichts mit dem
Islam zu tun, so hört man oft. Wie kann das
sein, wenn die Attentäter das Töten mit Zitaten aus dem Koran legitimieren? Die Islamwissenschafterin Rifa’at Lenzin erklärt, dass
man die islamischen Schriften vor dem Hintergrund ihrer zeitlichen Entstehung interpretieren müsse. Sie begrüsst die Ausbildung
von Imamen.
Nach den Anschlägen in Paris distanzieren sich
Muslime in der ganzen Welt von den Terroristen. Immer wieder heisst es wie beim türkischen Aussenministerium oder beim Islamischen Zentralrat Schweiz, das habe nichts mit
dem Islam zu tun.
Inzwischen regen sich auch Stimmen, die zeigen, dass der islamistische Terror mit dem Islam zu tun hat, nämlich damit, wie man ihn interpretiert. Das zeigt etwa die Stellungnahme
der Föderation Islamischer Dachorganisationen
Schweiz. Die Terroristen handelten «fälschlicherweise im Namen einer Religion», heisst es
da.
Und Mahmoud El Guindi, der Präsident der
Zürcher Muslime, sagte gegenüber dem «Tagesanzeiger», man müsse die Koranstellen, die zu
Gewalt gegen Ungläubige aufrufen, im geschichtlichen Zusammenhang sehen. «Diese Suren beziehen sich auf kriegerische Zeiten, wie
sie der Prophet erlebt hat – nicht auf heute.»
Das würde bedeuten, dass man vieles, was im
Koran steht, heute nicht mehr wörtlich nehmen darf.
RELIGIÖSE BILDUNG FÖRDERN
«In den Schriften finden sie alles und man kann
immer Stellen aus dem Zusammenhang reissen», betont Rifa’at Lenzin. Die Islamwissenschafterin ist Dozentin am Zürcher Lehrhaus
und Präsidentin der Interreligiösen Arbeits-
Die Islamwissenschafterin Rifa’at Lenzin am Podium
«Gibt es eine islamistische Bedrohung Europas?» vom
5. November in Basel.
14 AUSGABE 1/2016
gemeinschaft Iras Cotis. Sie vertritt den gleichen Ansatz wie El Guindi. Das Lehrhaus beschäftigt sich bereits seit 20 Jahren mit der Interpretation der jüdischen, christlichen und
islamischen Schriften. Aufgrund des gemeinsamen Studiums fördert die Bildungsinstitution
das Verständnis und den Dialog zwischen den
drei abrahamitischen Religionen.
Dass man den Koran im historischen Kontext
auslegt, sei keine neue Erkenntnis, sagt Rifa’at
Lenzin. Die islamischen Gelehrten hätten das
bereits lange vor dem Westen praktiziert. Da
der Koran viel jünger ist als die Bibel, lasse er
sich zeitlich gut einordnen. «Das nimmt dem
Ganzen die Schärfe», meint Lenzin. Als Beispiel
nennt sie die Rolle der Frau. Niemand habe die
patriarchale Gesellschaft zu Zeiten des Propheten Mohammed in Frage gestellt. Heute sei man
gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen.
Allerdings werde dieses Interpretations-Potenzial des Korans durch fundamentalistische
Lesarten wahabitischer Herkunft in den Hintergrund gedrängt, bedauert die Islamwissenschafterin.
AKADEMISCHE ANGELEGENHEIT
Lenzin weist darauf hin, dass die Interpretation
der Schriften, egal ob Koran oder Bibel, vor
dem historischen Hintergrund eine akademische Angelegenheit sei. «Wer weiss wirklich,
welche Lebenswelt die Bibel spiegelt?» Sie hat
darum Verständnis dafür, wenn Muslime sich
vom Terror distanzieren, indem sie sagen, er
habe nichts mit dem Islam zu tun. «Sie meinen
damit, die Gewalt habe nichts mit der Religion
zu tun, wie sie sie verstehen und leben.»
Eine staatliche Ausbildung von Imamen würde
Rifa’at Lenzin begrüssen. Das Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg sei ein guter Anfang. In ihren Augen wäre es für den interreligiösen Dialog wichtig, sowohl Theologen auszubilden, die sich
der Auslegung des Korans annehmen und ihn
für europäische Verhältnisse übersetzen, als
auch Imame, die ähnlich wie «Gemeindepfarrer» für die Seelsorge und die religiöse Bildung
in den muslimischen Gemeinden zuständig
sind.
ERZIEHUNG ALS PRÄVENTION
Wie wichtig die religiöse Erziehung bei der Prävention gegen radikale Entwicklungen ist, betont auch Georg Schmid immer wieder. Denn
Jugendliche, die sich den Salafisten anschliessen, zeigten oft enorme Defizite in der Glaubensbildung, so die Erfahrung des Leiters der
Evangelischen Informationsstelle Kirchen-Sekten-Religionen. Ŷ
Titelbild vom Kirchenboten 9/2015: Kulturgut Predigt
Was erwarte ich von einer Predigt?
Stimmen zum Kibo 9/2015: «Die reformierte Predigt»
BEZÜGE HERSTELLEN
Die Predigt sollte für meinen Glauben ein Gewinn sein, wie es Paulus ausdrückt. Ich mag es
sehr, wenn das Wort Gottes ausgelegt wird
auch mit Bezügen zu anderen Bibelstellen und
sich dabei die Wahrheit tiefer erschliesst.
Yvonne Lenzin, Wil
IM GLAUBEN WEITERBRINGEN
Ich erwarte von einer Predigt, dass sie mich intellektuell herausfordert, mich zum Nachdenken anregt und auch dazu ermutigt, eine Stelle
in der Bibel nachzulesen oder einen Bibelkommentar anzuschauen. Ich möchte aus der Predigt neue Ideen mitnehmen, die mich im Alltag
begleiten und im Glauben weiterbringen. Ich
profitiere gerne von den theologischen Kenntnissen des Pfarrers, um die Bibel besser zu verstehen.
Dr. med. Monika Diethelm-Knoepfel, Uzwil
«CHRIST, DER RETTER, IST DA»
Für mich ist die Predigt wichtig, denn der Glaube kommt aus der Predigt. Es ist nicht gleich,
was oder an wen ich glaube. Glaube ich an Jesus Christus oder an die allgemeine christliche
Kirche. Jesus spricht: «Glaubet an Gott und
glaubet an mich.» Jesus spricht: «Ich bin der
Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand
kommt zum Vater, denn durch mich.» Lasst uns
singen «Christ, der Retter, ist da.»
Gerda Bühler, Widnau
Zum Kibo 11/2015: Sterben
Die Artikel von «Sterben – Hinübergehen» sind
wertvoll. Aber ich vermisse die stärkste Aussage, die wir Christen zum Thema Tod kennen,
nämlich das Wort, wo Jesus sagt «Ich bin die
Auferstehung und das Leben. Wer an mich
glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.»
Weil er auferstanden ist, haben wir diese Hoffnung, dass auch wir dereinst auferstehen werden, weg aus dieser irdischen, vergänglichen
Dimension hinüber in die Dimension von «seinem Reich», auch wenn wir uns das noch nicht
so richtig vorstellen können. Aber glauben daran, das dürfen und wollen wir doch.
Ruedi Gafner, Walenstadtberg
MONATSPORTRÄT
«Geld ist doch nicht
das Wichtigste»
Text und Foto: Reinhold Meier, Wangs
Kantonsrat Hans Oppliger passt in kein
Raster. Für die einen ist der ETH-Agronom
ein Öko-Phantast, für andere ein verkappter
Linker und für die Dritten ein weltfremder
Frommer. Doch er passt in kein Klischee.
Seine Prinzipientreue, Menschenliebe und
Uneigennützigkeit sind aber sprichwörtlich.
«Das Gelingen meines Einsatzes lege ich in
Gottes Hand.»
Herr Oppliger, warum gehört der christliche
Glaube in die Politik?
Er ist fundamental für unsere Gesellschaft,
weil er in jedem Einzelnen ein gleichwertiges
Geschöpf Gottes sieht. Er ist auch subversiv
und darum unverzichtbar, weil er nicht akzeptiert, dass manche einflussreicher sind als andere, nur weil jemand zum Beispiel reicher ist.
In der Politik geht es um Macht und Einfluss,
da braucht es einen Kontrapunkt, der von der
Überzeugung des Dienens getragen ist.
Welche christlichen Überzeugungen leiten Sie?
Die Vergebung und die Wahrhaftigkeit. Ich finde, es kommt darauf an, aktiv zu werden, statt
passiv zu bleiben. Nicht das Rechnen und Reden ist wichtig, sondern das Handeln, gerade
den Schwächsten gegenüber. Es gibt zu viele,
die wissen, wie alles geht, aber zu wenige, die
was machen. Mein Ziel ist nicht, fehlerfrei zu
bleiben, sondern mich zu engagieren. Das
Gelingen meines Einsatzes lege ich in Gottes
Hand. Wenn ich was falsch mache, gestehe ich
das ein und suche Vergebung. Ich bin dazu
auch selbst bereit.
Vielleicht nähert man sich dem 58-jährigen Projektleiter vom landwirtschaftlichen Zentrum
Rheinhof in Salez am besten über seine Vita.
«Ich finde es besser zu handeln, statt zu reden»,
betont er. Und das gilt. Nach dem Studium ging
er drei Jahre ins bolivianische Hochland, um
Landwirte zu schulen. «Bei den Aymara-Indianern haben wir junge Leute befähigt, ihre Lebensgrundlage zu entwickeln.» Später war er
vier Jahre im pakistanischen Swat-Tal, um ein
Forstprojekt umzusetzen. In den 90er-Jahren
arbeitete er im Kosovo und in Nordkorea. «Ich
war immer in internationalen Projekten aktiv,
speziell in Krisenregionen.»
Das hat sein Weltbild geprägt. Denn der überzeugte Christ hält zentrale Aussagen der
Bibel für verbindlich und wundert sich, dass es
Christen geben soll, die unverbindlich bleiben.
«Jeder einzelne Mensch ist doch Gottes Geschöpf.» Deshalb kann er nicht gegen Flüchtlinge sein. Er sagt es mit entwaffnender Offenheit.
Punkt. Und verweist auf Bibelzitate, die Respekt und Rechtsgleichheit für Fremde fordern.
Wenn die Finanz- und Handelswege globalisiert
würden, globalisierten sich halt auch die Menschen. «Beides gehört zusammen», erklärt er
für weniger Bibelfeste.
INTERVIEW
Hans Oppliger, kompromisslos in seiner Bibeltreue wie
auch in seiner Menschenfreundlichkeit.
UNTERSCHIEDLICHE ZELLEN, EIN GANZES
Darum betätigt er sich auch politisch, vertritt
die Evangelische Volkspartei im Kantonsrat
seit 2002. «Früh haben mich gesellschaftliche
Fragen interessiert.» Christen müssten «der
Stadt Bestes zu suchen», sagt er und verweist
auf den Propheten Jeremia. Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, dafür setze
er sich ein. Aber nicht mit grossen Worten,
sondern konkret, in der Ethikgruppe des Kantonsrates etwa, auch in der parteiübergreifenden Andacht und in all den politischen Vorstössen, für die er aus vielen, oft gar allen Fraktionen Unterstützung erhält.
BESCHEIDEN LOSLASSEN
Und er legt nach: «Über Geld zu reden, ist nicht
das Wichtigste.» Geld solle man verwalten,
nicht anhäufen. Geldverdienen sei in Ordnung,
aber man müsse es auch sinnvoll ausgeben.
Schon Jesus habe gemahnt, sich lieber Schätze
Oder in den vielen landwirtschaftlichen Projekim Himmel zu sammeln, statt irdische Güter.
ten des Rheinhofs, für die er Verantwortung
Er habe auch appelliert, dass niemand zwei
trägt. Leiter der Fachstelle für Bienenhaltung ist
Herren dienen könne, entweder diene man
er und Mitarbeiter der FachGott oder dem Mammon.
«Ich finde es besser zu handeln, stelle für Marketing. Regio«Loslassen ist wichtig.»
nale Klassiker wie der Ribelstatt zu reden»
mais, der Bloderkäs oder die
Oppliger sagt das so entBratwurst stehen dabei im Fokus.
spannt, mit einem so ehrlichen Lächeln auf
Der begeisterte Imker hat dabei immer das Bild
dem Gesicht, dass ihm niemand böse ist. Er
vom Organismus vor Augen: «Jede Zelle darf
wirkt nicht wie ein sturer Kapitalismuskritiker,
sich schützen und muss zugleich offen sein,
sondern eher wie einer, der über den ökonomidenn sie lebt von der Andersartigkeit der andeschen Zwängen den Kopf schüttelt.
ren». Ein biblisches Bild, es beschreibt seine
Dass die Akzente heute so falsch gesetzt
Grundhaltung: «Ich habe es gerne, wenn Menwerden können – kaum zu glauben für ihn.
schen verschieden sind.» So fühlt sie sich also
Er glaubt lieber an Gott, der sich dem Armen
an, kompromisslos gelebte Nächstenliebe. Ŷ
zuwendet. «Ich bin für Bescheidenheit.»
Wo liegt die Grenze der Religion in der Politik?
Dort, wo Religion für Macht und Einfluss
missbraucht wird. Das ist ganz gefährlich. Mit
einem Beispiel aus dem Irakkrieg gesagt: Am
Vorabend des Krieges ging der Atheist Saddam in eine Moschee und George Bush in eine
Kirche zum Beten, beide unter der Beobachtung von Fernsehkameras. Das ist ein Missbrauch. Und heute: Viele reden nun von den
Werten des christlichen Abendlandes, die so
sehr bedroht seien. Aber das ist eine Instrumentalisierung, wenn man nur davon redet,
statt wirklich danach zu handeln. Es geht darum, Nächstenliebe praktisch zu üben, gerade
bei Schwachen, Armen, Heimatlosen. Wer das
wirklich tun, braucht keine Debatte zu führen
um bedrohte abendländische Werte.
Welches sind Ihre politischen Vorbilder?
Chaim Weizmann gehört dazu, der Staatsgründer Israels. Als gläubiger Jude hatte er die Vision eines friedlichen Zusammenlebens in Israel und Palästina. Aber dann übernahmen die
Kriegsherren um Ben Gurion das Szepter und
wollten mit Macht und Armee Probleme lösen.
Das Resultat kennen wir. Mit Gewalt lässt sich
kein Problem lösen. Auch der baptistische
Prediger und Menschenrechtler Martin Luther
King oder Bischof Romero, der Armenbischof
von San Salvador, sind Vorbilder. Selbst wenn
sie gescheitert sind, haben sie etwas Grossartiges hinterlassen, ihren selbstlosen Einsatz
für Unterdrückte. Wie der mazedonische
Präsident Boris Trajkowski, ein bekennender
methodistischer Christ, der sich für das
friedliche Zusammenleben von Christen und
Muslimen einsetzte – bis sein Flugzeug abgeschossen wurde. Ŷ
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BIBLISCHE NAMEN
Josua – Eroberer im Namen Gottes
Text: Markus Walser, Wil
Der hebräische Name Josua wurde auch mit
Jeschua oder Jehoschua wiedergegeben. Im
Namen liegt die Bedeutung Heil, Rettung,
«Gott hilft». Dies weckt bei uns Christen die
Erinnerung an eine andere biblische Gestalt
mit diesem Namen und seiner Bedeutung.
Wir spüren auch Unbehagen: Erobern im
Namen Gottes? Ist nicht im Namen Gottes
zu viel Gewalt angewendet worden?
Ein biblisches Buch trägt den Namen von
Josua. Er wächst wohl auf der langen Wanderung des Volkes Israel auf, wird zum Diener
und Vertrauten des Mose, und, da Mose wegen seines hohen Alters nicht mehr selber
kämpft, immer mehr zum Anführer in Kämpfen. Als Mose stirbt, wird Josua von Gott zum
Nachfolger bestimmt und bekommt den Auftrag, das verheissene Land in Besitz zu nehmen. So berichtet das Buch Josua von der
Eroberung Kanaans. Glückliches Gelingen
wird durchwegs als Folge des Gehorsams
gegen Gott und sein Gesetz beschrieben: «…
dass du genau tust, was darin geschrieben
steht, dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen, und du wirst Glück haben.» (Jos 1, 8)
Eher als eine historische Person ist Josua in
der Glaubensgeschichte des Volkes Israel eine
zentrale Gestalt.
Josuas Rolle ist die des militärischen Führers.
Ein Krieger und Eroberer in göttlichem Auftrag. Dass wir heute Mühe haben, Göttliches
und Kriegerisches zusammenzubringen, folgt
auch aus der jüngsten Geschichte.
Wir werden mit diesem Zwiespalt beim Lesen
des Alten Testamentes oft konfrontiert.
Der hebräische Name Jeschua ist zugleich der
Name Jesu. «Gott ist Retter, er hilft.» Es beeindruckt, wie dies 1300 Jahre nach Josua in der
Gestalt Jesu von Nazareth eine ganz andere
Bedeutung bekommt. Ŷ
Josua führte das Volk gemäss biblischer Erzählung über
den Jordan und leitete die sogenannte Landnahme.
Im Bild die Eroberung Jerichos mit Hilfe der Bundeslade.
Bild: Lutherbibel, Lucas Cranach, 1472—1553.
Ich heisse Josua, Joschua
JOSUA WALT
Meine Eltern wollten mir einen nicht alltäglichen Namen geben, einen mit biblischem Hintergrund und mit Anklängen an die hebräische
Sprache. Ich selber habe mich immer gefreut
über diesen speziellen Namen. Abkürzungen
wie «Tschösi» habe ich problemlos akzeptiert.
Der biblische Josua hat mit der Übernahme des
Heiligen Landes Grosses vollbracht, er hat viel
bewegt. Ich habe Respekt vor der speziellen
Berufung dieses Mannes. Die Berichte in der
Bibel über sein Wirken mit Gott sind sehr lesenswerte Kapitel. Ŷ
JOSUA BÜRKI, UZNACH
Mir gefällt mein Name sehr gut. Auch von andern Leuten höre ich hin und wieder: «Oh, so
ein schöner biblischer Name.» Wenn mich jemand Joschua mit «sch» nennt, korrigere ich es
manchmal. Für mich klingt «Josua» schöner.
Vom biblischen Josua weiss ich, dass er Nachfolger von Mose war. Er führte die Israeliten in
das verheissene Land. Josua war ein Anführer
und auch ein Kämpfer, was ich von mir im Moment kaum sagen kann. In kleiner Runde kann
ich schon Führung übernehmen, aber kämpfen
tue ich lieber nur mit Worten. Ŷ
JOSCHUA MARGRETH, BUCHS
Meine Mutter hat bei meiner Geburt ein Buch
über biblische Namen gelesen. Da fand sie,
dass ich Joschua heissen soll. Der Name ist
selten, ich kenne keinen anderen Joschua.
Meine Freunde nennen mich Jojo oder Joschi,
was ich cool finde. Aber meine Eltern nennen
mich bei meinem richtigen Namen Joschua.
Ein Mädchen hat mich immer wieder Josua genannt. Ich habe sie drei Mal darauf aufmerksam
gemacht, dass ich Joschua heisse. Mir gefällt
an meinem Namen, dass er mit «J» beginnt und
ich im Alphabet erst spät drankomme. Ŷ
Nachrichten aus Ihrer Kirchgemeinde
im Mittelbund
Zum Titelbild
Titelbild und Themenbilder
auf den Seiten 2 und 4—5
stammen von der St.Galler
Künstlerin Lika Nüssli.
Die Bilder verstehen sich
als eigener Beitrag und als
Bilderfolge zum Thema
«Politik und Kirche».
16 AUSGABE 1/2016
Impressum
Herausgegeben im Auftrag der
Synode der Evangelisch-reformierten
Kirche des Kantons St. Gallen.
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Katharina Meier, Tel. 071 980 06 00
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Redaktionsschluss: 16. Januar 2016
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