FOOD TRENDS Besprochene Bissen schmecken BEsser Food Trend-Expertin Hanni Rützler über die Macht der Sprache oder: warum man ohne Wissen nicht genießen kann. Hanni Rützler Die Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin leitet das futurefoodstudio in Wien Sie arbeitet und denkt interdisziplinär und ist eine der international renommiertesten Food Trend-Forscherinnen, Genussmensch, & EsskulturExpertin. Sie hat zahlreiche Bücher zum Thema Esskultur geschrieben. FOOD PAIRING SENSUAL FOOD WILD FOOD URBAN GARDENING FLEXITARIER SOFT HEALTH FAST GOOD 56 FRIENDS DIY FOOD FOOD TRENDS Was sind Food Tre nd s? Food Trends ze ig sind langfristi en Lebensgefühle und Se hnsüchte auf. ge Veränderun Sie Esskulturen und entwicke gsprozesse innerhalb best immter ln sich als Rea Lebensumstän ktio de die sich besond . Sie werden immer von M n auf unsere en ers für Nahru bestimmten E ngsmittel inte schen getragen, rn re änderungen br ährungs-Problemen konfro ssieren oder mit ntiert sind. D eiten sich wel ie Ver lenförmig von ausgehend au s, einem Epizen trum erkennbar wer bis sie schließlich als klar eF de Mainstream al n, sich zu neuen Trends w ood Trends s andeln oder im Wir wollen un Teil einer veränderten Kul tur verebben. sere friends m it Trends und de n kulinarisch dieser Serie die wichtigste en Puls der Ze it spüren lass en. ma th e s e r ds. Ja h re n T t Food a l g e h m Dies m: SENSUAL es u Quelle: Hanni Rützlers Foodreport, Herausgeber: Zukunftsinstitut GmbH/Lebensmittelzeitung; http://www.zukunftsinstitut.de/artikel/food-report-2016, Foto: Shutterstock FOOD Achtsamer Genuss ist doppelter Genuss Haben Sie sich schon einmal selbst beim Essen beobachtet? Zum Beispiel wenn Sie müde und hungrig sind und dann endlich der Teller auf den Tisch kommt? Ich esse in solch einer Situati on meist schnell und achte viel zu wenig auf den Geschmack des Gerichts. Der Teller ist dann leer, ehe sich ein Sättigungsgefühl einstellt. Danach spüre ich, dass ich zu viel gegessen habe und ärgere mich darüber, die tollen Speisen gar nicht richtig, das heißt, mit allen Sinnen genossen zu haben. GENIESSEN MIT ALLEN SINNEN MACHT SINN Da ich mich als Trendforscherin auch beruflich mit Essen beschäftige, pas siert mir das erfreulicherweise immer seltener. Ich „muss“ ja erschmecken, was ich esse, um mir ein professionelles Urteil bilden zu können. Ein „Muss“, das mir Freude macht. Wenn ich beim Essen bewusst die unterschiedlichen Aromen und Konsistenzen wahrzuneh men versuche, passiert fast automatisch Folgendes: Ich esse langsamer und – weil sich das Sättigungsgefühl dann schon beim Essen einstellt – auch deutlich weniger. Ich fühle mich danach nicht übervoll und rundum ohler, weil ich mit allen Sinnen w genießen konnte. Natürlich nur dann, wenn das Essen wirklich gut war. So erreiche ich mit bewusstem Essen und Genießen zwei Ziele, die mir beide wichtig sind: Ich esse weniger und meist auch besser. Weil ich durch das bewusste, genießerische Training meiner Geschmackswahrnehmung bei bringe, welche Lebensmittel, Speisen und Zubereitungsarten ich wirklich mag und welche nicht. Auf diese Weise gewinnt mein Geschmack Macht über fahrlässige Alltagsgewohnheiten und verändert damit im positiven Sinn auch meine Konsumentscheidungen. GESCHMACK ALS KULTURTECHNIK Das gilt nicht nur für Menschen, die sich professionell mit Essen beschäfti gen: Je geschulter der persönliche Ge schmack wird, desto kritischer werden wir bei der Wahl unserer Lebensmittel und Zubereitungsweisen. Geschmacks kompetenz, so lautet daher eine meiner zentralen Thesen, ist eine der wichtigs ten Kulturtechniken im Zeitalter des Lebensmittelüberflusses. SENSUAL FOOD – AUSGESPROCHEN GUT Um die Macht des eigenen Geschmacks zum Ausdruck zu bringen, braucht es aber noch eine wichtige Zutat: das Verbalisierungsvermögen. Wir müssen lernen, über das, was wir schmecken, auch zu sprechen. Das fördert die Fähigkeit der Geschmacksdifferenzie rung, also das Schmecken, und er möglicht es uns überhaupt erst, unsere Vorlieben kommunizieren und damit durchsetzen zu können. Genussmittelerzeuger wie Schoko ladenhersteller, Wein- und Kaffee produzenten haben die Bedeutung der Geschmacksdifferenzierung und die Rolle der Sprache dabei schon länger erkannt. Sie sind in der Lebensmittel branche Vorreiter des „Sensual Food“Trends: Winzer haben schon immer ihre „Weinsprache“ kultiviert; ein bekannter Kaffeehersteller kommu niziert neuerdings sein reichhaltiges Sortiment mit Farbcodes und kurzen Geschmacksbeschreibungen, und ein exklusiver Chocolatier zeigt für seine „Le Grand Cru“-Selection verschie dene Geschmacksvariablen auf, die die Kommunikation über den je weiligen Geschmack erleichtern. Das fördert bewusstes Schmecken und reduziert fast automatisch auch die verzehrte Menge – mehr Genuss, weniger Kalorien. Das Prinzip gilt nicht nur für klassische Genuss-, sondern auch für alle Grund nahrungsmittel. Produzenten, die uns bei der Wahrnehmung und Differen zierung des Geschmacks unterstützen, die uns helfen, unsere sinnlichen Ess erfahrungen besser zu verbalisieren, werden in Zukunft vermehrt unser Vertrauen gewinnen. Weil wir zurecht davon ausgehen, dass Anbieter, die unser Geschmacks- und Qualitäts beurteilungsvermögen unterstützen, uns Lebensmittel zur Verfügung stellen, die unserer wachsenden kulinarischen Kompetenz auch standhalten. ^ Mehr Information zu Hanni Rützler finden Sie unter: www.futurefoodstudio.at SO MACHT MAN SICH FREUNDE 57
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