Fr. 2.70 AZ 4501 Solothurn | Nr 251 | 109. Jahrgang | [email protected] 058 200 47 74 [email protected] 058 200 55 02 | [email protected] 058 200 48 00 Regina Estermann Die Sekundarlehrerin coacht Jugendliche bei der Berufswahl INSERAT MITTWOCH, 16. SEPTEMBER 2015 Paulo Sousa Der Ex-FCB-Coach begeistert in Italien BUCHEGGBERG 29 SPORT 11 KOMMENTAR Regierung stoppt geplanten Pistenausbau in Grenchen Abgestürzt Projektabbruch Mit dem Entscheid gegen die Ausbaupläne des Flughafens erntet der Regierungsrat Kritik aus der Solothurner Wirtschaft und von der Stadt Grenchen VON LUCIEN FLURI Der Druck auf die Regierung war in den vergangenen Wochen gestiegen: Vor dem Rathaus demonstrierten Anfang September rund 400 Personen gegen die geplante Pistenverlängerung in Grenchen. Zur gleichen Zeit stellte sich auch eine Mitte-Links-Mehrheit des Kantonsrates gegen das Projekt. Gestern Kompromiss Altersreform steht unter Beschuss Der Ständerat hat gestern die Eckpfeiler für die Altersreform 2020 beschlossen. Um das absehbare finanzielle Loch der AHV zu stopfen, soll die Mehrwertsteuer erhöht und das Rentenalter der Frauen an das der Männer angeglichen werden. In der beruflichen Vorsorge soll der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent reduziert werden. Das heisst, dass von dem Altersguthaben pro Jahr weniger ausbezahlt wird. Diese Einbusse will der Ständerat mit einer Erhöhung der AHV um 70 Franken pro Monat kompensieren. Das Paket ist Resultat eines Kompromisses: Die Rentenerhöhung ist ein Zugeständnis an SP und Gewerkschaften, damit diese der Erhöhung des Frauenrentenalters und dem reduzierten Umwandlungssatz zustimmen. Doch die Erhöhung der AHV-Rente ist umstritten. Die zusätzlichen 70 Franken pro Monat werden das Defizit der AHV ab 2030 massiv ansteigen lassen. SEITEN 2/3 SZ nun hat das derzeit vielleicht umstrittenste Politgeschäft im Kanton Solothurn sein Ende genommen: Der Regierungsrat hat sich gegen das Projekt gestellt, das einen Eingriff von rund 450 Metern in die Witi-Schutzzone hinein erfordert hätte. In Selzach und Altreu atmen die Gegner auf. Sie hatten mehr Lärm befürchtet. Und auch die Umweltschutzverbän- de freuen sich, dass das Schutzgebiet nicht tangiert wird. Kritik kommt aus Grenchen und von den Wirtschaftsverbänden. Sie hatten sich wiederholt für den Ausbau der Geschäftsfliegerei in Grenchen starkgemacht. «Dass die Regierung, die für das wirtschaftliche Vorankommen des Kantons auch eine gewisse Verantwortung trägt, diese Chance nicht sieht, befremdet mich», sagt der Grenchner Stadtpräsident François Scheidegger. Er kritisiert, dass der Regierungsrat eine grosse Chance für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region verpasse. Auch HandelskammerDirektor Daniel Probst ist enttäuscht. «Der Flughafen könnte sich zu einem Business-Airport entwickeln, doch das hat die Regierung im Keim erstickt.» KOMMENTAR RECHTS, SEITEN 22/23, 27 Konsument und Programmdirektor Das traditionelle TV-Angebot wird immer unwichtiger. Heute schaut der Konsument, was er will – wann, wo und auf welchem Gerät auch immer. Das stellt die Anbieter vor Herausforderungen. Swisscom und Sunrise haben nun Ideen präsentiert, wie sie den selbstbestimmten Konsumenten von der Konkurrenz wie Netflix fernhalten wollen. SEITE 7 FOTO: GETTY IMAGES S olothurner Regierungssitzungen sind öffentlich. Wer sich für ein Traktandum interessiert, kann den Beratungen als Zuhörer lauschen. Dass die Regierung gestern Dienstag in Sachen Pistenverlängerung des Flughafens Grenchen beschliessen von Urs Mathys würde, war allerdings nicht traktandiert gewesen. Das Nachtragstraktandum sei halt erst später hinzugekommen, hiess es auf Nachfrage nonchalant. Nicht nur der Quasi-Ausschluss der Öffentlichkeit lässt auf Meinungsdifferenzen in der – notabene bürgerlich dominierten – Regierung schliessen. Immerhin hatte sich Baudirektor Roland Fürst erst vor zwei Wochen noch gänzlich unbeeindruckt gezeigt: Als der Kantonsrat deutlich einem Volksauftrag zustimmte, der den «ungeschmälerten Schutz» der Landwirtschafts- und Schutzzone Witi fordert, sah der CVP-Mann darin kein Problem für das Projekt. Fürst war es ja auch gewesen, der 2014 – erst neu im Amt – die nun abgestürzte Ostverlängerung reaktiviert hatte. Dieser Schwenker erschien vom Start weg als schlecht koordinierter Blindflug mehrerer Piloten: Plötzlich sollte ein massiver Eingriff in die Witi – für die A5 mit 150 Mio. Fr. Zusatzkosten untertunnelt – zulässig sein. Die Flughafen-Verantwortlichen ihrerseits nahmen die zunächst vereinzelten Opponenten zu wenig ernst und die Stadt Grenchen verwahrte sich schlicht dagegen, zugunsten der Pistenverlängerung allenfalls Land für Kompensationen zur Verfügung zu stellen. Schliesslich, so muss man mit der Regierung nüchtern feststellen, waren aber auch die Aussichten auf einen wirtschaftlichen Zusatznutzen zu vage, das Pistenprojekt abheben zu lassen. @ [email protected] INSERAT Projektabbruch am Flughafen Grenchen Die Regierung sieht in einer längeren Piste mehr Schaden Witi-Hasen können aufatmen Der Regierungsrat will keine längere Piste am Flughafen Grenchen. Er empfiehlt den Projektabbruch. Naturschützer atmen auf, die Wirtschaft seufzt über die Regierung. VON LUCIEN FLURI D as Projekt einer Pistenverlängerung am Flughafen Grenchen ist vom Tisch: Der Solothurner Regierungsrat hat dem Anliegen gestern eine Absage erteilt. Er sieht im Projekt mehr Schaden für die Natur als Nutzen für die Wirtschaft. Zwar könnte der Flughafen das 450Meter-Projekt in der Grenchner WitiSchutzzone theoretisch auch jetzt noch vorantreiben. Doch ohne Support der Solothurner Regierung dürfte das Projekt auch bei den nun zuständigen Bundesstellen ohne Erfolgschancen sein. Flughafen-Verwaltungsrat Conrad Stampfli räumte gestern denn auch ein, dass der Flughafen das Projekt höchstwahrscheinlich begräbt (vgl. Interview rechts). Sieben Jahre lang hatte der Flughafen geplant und sein Projekt auch auf Wunsch der Regierung mehrmals angepasst: Zuerst sollte die Piste nach Osten gehen, dann nach Westen und schliesslich, seit dem Mai 2014, wieder nach Osten. Witi-Schutz zählt etwas Für die Regierung blieben auch nach einem Jahr Gesprächen mit allen Betroffenen und Interessenabwägungen zu viele offene Fragen, zu viele rechtliche Hürden und mögliche langwierige Rechtsstreitigkeiten mit Anwohnern und beschwerdeberechtigten Verbänden bestehen. Dies geht aus dem Regierungsratsbeschluss hervor. Hauptgrund für die Regierung ist offenbar die Witi-Schutzzone, in der das Projekt zu liegen gekommen wäre. Immerhin sei, so die Regierung, beim Autobahnbau ein 150 Mio. Franken teurer Tunnel gebaut worden. Einzig die wirtschaftlichen Argumente akzeptierte die Regierung. Doch «der ausgewiesene Zusatznutzen für den Wirtschaftsstandort Solothurn/Jurasüdfuss rechtfertigt den schweren Eingriff in die Witi-Schutzzone nicht», so die Regierung in einem gestern verschickten Communiqué. Druck gegen das Projekt hatten offenbar auch die Bauern gemacht. Deutliche Kritik übt die Regierung auch an den Zugeständnissen, die die Flughafenverantwortlichen in den Vorgesprächen gemacht hätten. Flankierende Massnahmen zur Entlastung der Bevölkerung seien zu wenig weit gegangen, heisst es in der Mitteilung des Regierungsrates. Und offenbar konnten sie auch die mit Nachdruck eingebrachten Forderungen der Bauern nicht erfüllen. «Zentrale Fragen zur Flächenkompensation für den Kulturlandverlust sowie zu den zwingend notwendigen Ausgleichsund Ersatzmassnahmen konnten nicht befriedigend beantwortet werden.» Ebenso seien zentrale Fragen im Bereichen Umwelt unbeantwortet geblieben. Offenbar zweifelte die Regierung auch an der Finanzierung des Projektes. Aus den ursprünglichen 4,5 Mio. Franken Investitionskosten seien in der Zwischenzeit 12 Mio. Franken geworden, schreibt die Regierung. Trotzdem sei kein aktualisierter Businessplan vorgelegt worden. Geheimer Regierungsentscheid Beim Flughafen und bei der Solothurner Handelskammer ist die Enttäuschung gross (vergleiche Texte rechts). Freude herrscht dagegen bei Simon Winkelhausen. Der Präsident des Komitees gegen die Osterweiterung hatte den Widerstand aus der Gemeinde Selzach/Altreu massgeblich initiiert und mit 4500 KomiteeMitgliedern öffentlich Druck auf die Regierung aufgebaut. «Der gesunde Menschenverstand hat gesiegt», sagt Winkelhausen. Es sei kein Entscheid gegen die Wirtschaft, sondern ein Sieg der Fakten. Wie es mit dem Komitee weitergeht, sei noch nicht klar. Er kann sich vorstellen, dass das Komitee Ansprechpartner der Anwohner gegenüber dem Flughafen bleibt. «Dieser hat bisher gefehlt.» Unbekannt ist, wie die einzelnen Regierungsräte zum Projekt standen – etwa ob sich nicht auch einer der beiden FDPVertreter gegen das Projekt gestellt hat. Die Regierung hat das Öffentlichkeitsgesetz gestern geritzt. Sie hatte das Geschäft nicht traktandiert und auch nicht vorgängig informiert, als es kurzfristig nachtraktandiert wurde. So wurden Pistenbefürworter und -gegner ausgehebelt, die den Regierungsräten bei ihrem Entscheid – ganz konform mit dem Öffentlichkeitsgesetz – gerne über die Schulter geschaut hätten. ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● DAS SAGEN GRENCHEN UND SELZACH François Scheidegger ist «erschüttert» D er Grenchner Stadtpräsident François Scheidegger ist «erschüttert und enttäuscht». «Um 20 vor 12 hat mich Baudirektor Roland Fürst telefonisch informiert, dass die Regierung nicht hinter dem Projekt steht», sagt er. Den Entscheid der Regierung bezeichnet er als «grundfalsch und visionslos». Wenn die Regierung von offenen Fragen spreche, gelte es festzuhalten, dass diese in der heutigen Phase noch gar nicht beantwortet werden könnten. «Es ging um einen Grundsatzentscheid. Doch die Regierung hat vorzeitig die Flinte ins Korn geworfen.» Zudem sei die Güterabwägung offensichtlich von der Kantonsratsdebatte beeinflusst worden, sagt Scheidegger. «Die Wirtschaft spielte überhaupt keine Rolle.» Zufrieden zeigt sich derweil Silvia Spycher, die Gemeindepräsidentin von Selzach. In ihrem Dorf war der Widerstand gegen eine Pistenverlängerung besonders gross. Jetzt äussert sie sich erleichtert: «Ich bin erfreut, dass es nun so schnell gegangen ist. Und ich bin überrascht, dass der Entscheid so deutlich ausgefallen ist.» (AT./SVA) Erklärungsbedarf: Baudirektor Roland Fürst musste gestern Red und Antwort. Seine persönliche Meinung habe bei solchen ✴ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ NACHGEFRAGT ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ✲ ● ● ● ● ● ● ❒ ● ❒ ● ❒ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ❒ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Regierungsrat und Baudirektor Roland Fürst: «Die Hürden waren hoch, das wussten wir. Aber eben nicht aussichtslos.» INTERVIEW: LUCIEN FLURI Roland Fürst, hat Sie der Protest aus Altreu so sehr beeindruckt, dass Sie eingeknickt sind? Dem ist natürlich nicht so. Es wurde ein Koordinationsprotokoll erstellt, aufgrund dessen wir nach einer Interessenabwägung entschieden haben. Darauf hatten weder ein Volksauftrag noch eine Demonstration vor dem Rathaus Einfluss. Der massive Widerstand der Bevölkerung hat Sie nicht beeindruckt? Wir haben uns, wie gesagt, auf die Koordinationsprotokolle gestützt. Demo und Volksauftrag hatten keinen Einfluss. Wenn man Ihre Medienmitteilung liest, hat man das Gefühl, der Flughafen habe sich zu wenig Mühe gegeben. Sie kritisieren, dass etwa landwirtschaftliche Kompensationsflächen nicht aufgezeigt wurden. Ich würde den Verantwortlichen des Flugplatzes keine Vorwürfe machen. Die Hürden waren hoch, das muss man deklarieren. Der volkswirtschaftliche Nutzen des Projektes wurde ausgewiesen. Er konnte im Vergleich mit den negativen Einflüssen aber nicht den Ausschlag geben. Widerstand in der Bevölkerung, Witi-Schutzzone oder fehlende Ausgleichsflächen waren Argumente dagegen. Gab es einen Faktor, der Hauptgrund war? Wie immer bei einer Interessenabwägung gibt es verschiedene Argumente. Und wenn die Waage auf eine Seite kippt, kippt sie. Welches Argument den Ausschlag gegeben hat, spielt an und für sich keine Rolle. Ist die Regierung für andere Projekte zu haben wie etwa für eine Untertunnelung im Westen mit nur 100 Meter Verlängerung. Die Regierung plant hier keine Varianten. Es ist der Flugplatz, der Projekte einreicht und ein Gesuch stellt. Dazu nimmt die Regierung Stellung. Würde der Flughafen ein anderes Projekt einreichen, müsste man das gleiche Verfahren wie jetzt wiederholen. Das heisst, der Kanton hat das Dossier geschlossen. Richtung Osten ist das so. Wir deklarieren das mit dem heutigen Regierungsratbeschluss auch. Richtung Westen planen wir, wie gesagt, nicht. Da müsste der Flughafen aktiv werden. Das ist keine konkrete Stellungnahme gegen einen Westausbau mit Strassenuntertunnelung. Die Untertunnelung war schon einmal Thema . Sie lag 2013 auf dem Tisch und wurde wegen der hohen Kosten verworfen. Ich mache mal ein Hirngespinst. Wenn man an der Strasse etwas machen müsste, dann könnte man ein solches Projekt wieder anschauen. Aber im Moment ist es sicher vom Tisch. War der Entscheid in der Regierung einstimmig? Wie immer: Wir funktionieren als Kollegialbehörde. Unsere Entscheide sind ge- gen aussen immer von allen getragen. Schmerzt es Sie als früherer Handelskammer-Direktor nicht, dass ausgerechnet Sie das Wirtschaftsprojekt beerdigen müssen? Meine persönliche Haltung hat hier relativ wenig Gewicht. Es war die Interessenabwägung, die am Schluss entschieden hat – gegen die Pistenverlängerung. Meine Handelskammer-Meinung sagt da relativ wenig dazu aus. War es nicht überhaupt ein Fehler, 2014 von der Planung Richtung Westen erneut auf die zuvor schon verworfene Ost-Variante zurückzukommen? Es war nicht ein Fehler. Bei der ersten Planung Richtung Osten hat man gesehen, dass die Situation schwierig ist. Deshalb hat man Richtung Westen evaluiert und gesehen, dass die Kosten so hoch sind, dass es nicht umsetzbar ist. Und dann hat man Richtung Osten das Projekt adaptiert und optimiert. Im Wissen um Vorund Nachteile von Ost und West hat man gedacht, man könne es nochmals Richtung Osten probieren und alle Entscheidungsgrundlagen auf den Tisch bringen. Aber war das nötig? Es war ja von Anfang an umstritten. Die Hürden waren hoch, das wussten wir. Aber eben nicht aussichtslos. Wenn es gelungen wäre, die Argumente auf die andere Seite stärker zu gewichten, wäre es durchaus ein gangbarer Weg gewesen. Jetzt hat die Interessenabwägung das Gegenteil gezeigt. SZ/GT MITTWOCH, 16. SEPTEMBER 2015 23 als Nutzen «Ein Sieg auf der ganzen Linie» Reaktionen Die Umweltschützer sind erleichtert, die Wirtschaftsvertreter enttäuscht VON SVEN ALTERMATT UND FRANZ SCHAIBLE In Solothurn ist der Himmel am Dienstag grau. Und das passt nicht schlecht zur Katerstimmung, die sich nach dem Entscheid des Regierungsrats unter den Befürwortern der Pistenverlängerung breitgemacht hat. Daniel Probst kann es noch gar nicht fassen: «Ich bin enttäuscht», sagt der Direktor der Solothurner Handelskammer. «Die Regierung sendet ein falsches Signal in einer anspruchsvollen Zeit für die Wirtschaft.» In seinen Augen haben die Behörden den lokalen Unternehmen zu wenig Gehör geschenkt. So seien manche darauf angewiesen, von Grenchen aus rasch ihre Kunden und Niederlassungen im Ausland zu erreichen. «Doch jetzt», sagt Probst, «ist die Businessfliegerei hier in Gefahr.» Lange waren die Wirtschaftsvertreter eher zurückhaltend, wenn es um die Grenchner Pistenverlängerung ging. Doch in den vergangenen Wochen rührten sie mit der grossen Kelle: In ganzseitigen Inseraten warben sie für den Ausbau. Die Rede war von einem «sehr wichtigen Standortvorteil». Auch Hugo Mathys, Chef und Verwaltungsratspräsident der Medizinaltechnikfirma Mathys AG in Bettlach, hat sich wiederholt starkgemacht für den Ausbau des Flughafens Grenchen. Die- INSERAT Entscheiden wenig Gewicht, sagte der frühere Handelskammer-Direktor. ✴ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ NACHGEFRAGT ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ BÄRTSCHI ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ✲ ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ✲ ● ● ● ● ● ● ❒ ● ❒ ● ❒ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ❒ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Flughafen-Verwaltungsrat Conrad Stampfli: «Weitsichtigkeit können Sie nicht im Voraus beweisen.» ✴ INTERVIEW: LUCIEN FLURI Der Flughafen hat mit grossem Aufwand gekämpft. Sind Sie enttäuscht? Ich bin sehr enttäuscht. Man hat sieben Jahre geplant. Osten, Westen und wieder Osten. Und jetzt ist Ende der Übung. Der Flughafen könnte nun auch gegen den Willen der Regierung beim Bund ein Verfahren für die Pistenverlängerung beantragen. Voraussichtlich tun wir dies nicht. Erstens wäre es eine Zwängerei, zweitens ist der Bundesrat letzte Instanz für den Entscheid. Und er schaut, wie sich die Regierung des betroffenen Kantons dazu stellt. Damit ist das Projekt eigentlich beendet. Haben Sie ein anderes Projekt? Nein. Was bedeutet der Entscheid für den Flughafen? Wir müssen die Lage nun neu beurteilen. Es bleibt der Ausbildungsstandort, wobei der immer umkämpft ist. Die Freizeitfliegerei bleibt, und auch die private Geschäftsfliegerei hat mittelfristig Platz. Die kommerzielle Geschäftsfliegerei, also die Möglichkeit, Grenchen mit gemieteten Flugzeugen zu erreichen, ist gestorben. Was bedeutet der Entscheid für Altreu: Setzt der Flughafen jetzt auf mehr lärmige Sportflieger? Das anzudrohen, wäre eine Trotzreaktion. Wir werden weiterhin alles daransetzen, die Immissionen auf ein Minimum zu begrenzen. ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ CONRAD STAMPFLI ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ● ● ● ● ● ● ● ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ▼ ● ❒ ● ❒ ● ❒ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ❒ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Der Solothurner Anwalt ist Verwaltungsrat des Flughafens . Er hat das Projekt Pistenverlängerung gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Wer die Mitteilung der Regierung liest, denkt, der Flughafen hätte sich zu wenig Mühe gegeben. So haben Sie keine Kompensationsmöglichkeiten für die Landwirtschaftsland aufgezeigt. Das jetzige Verfahren ist ein unverbindliches Verfahren. Es geht darum, sämtliche möglichen Probleme aufzulisten. Sie können doch erst über konkrete Kompensationsmassnahmen verhandeln, wenn Sie grünes Licht haben. Für mich ist diese Begründung eine Ausflucht. Was ist dann der Grund? Da müsste ich in die Glaskugel schauen. Ich denke, die Mobilisierung der Gegner hatte einen Einfluss. Und: Weitsichtigkeit sowie einen künftigen Standortvorteil können Sie nicht im Voraus beweisen. Hätte der Flughafen den Ausbau stemmen können? Zuerst gingen Sie von 4 Mio. Fr. aus. Jetzt weiss man, dass es über 12 Mio. wären. Wir hätten genug Beiträge von der Wirtschaft erhalten, um den Betrag zu stemmen. Aber das sind jetzt Spekulationen. ser sei ein grosser Pluspunkt für die regionale Wirtschaft, erklärte er etwa kürzlich im Interview mit dieser Zeitung. «Es braucht die Pistenverlängerung, um den Flugplatz auch in Zukunft entsprechend nutzen zu können.» Den klaren Entscheid der Regierung gegen den Ausbau will Mathys nun aber nicht kommentieren. Er gebe keine Stellungnahme ab, liess er auf Anfrage ausrichten. Josef Maushart, der als Präsident des Solothurnischen Industrieverbandes für den Pistenausbau kämpfte, gibt sich zurückhaltend. «Natürlich respektiere ich die Güterabwägung der Regierung», sagt der Fraisa-Chef. Allerdings sei der Beschluss kein positives Signal für den regionalen Wirtschaftsstandort. Umso mehr wünscht sich Maushart jetzt von der Regierung ein «klares Bekenntnis» zum Industriestandort Solothurn. Swatch-Chef Nick Hayek war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sein Uhrenkonzern ist Mitglied der IG Wirtschaftsraum Kanton Solothurn, die sich für den Ausbau einsetzt. «Keinesfalls verhältnismässig» Die einen betonten, wie wichtig die Pistenverlängerung für die regionale Wirtschaft ist. Die anderen wollten den Ausbau um jeden Preis verhindern. Doch selbst bei den Gegnern herrscht zuerst einmal Fassungslosigkeit, als der Entscheid bekannt wird. Man habe ja mit allem rechnen müssen, sagt Nicole Hirt. Die Präsidentin von Pro Natura sieht im Verdikt vor allem einen Erfolg für den Umweltschutz. «Meist ist der Einfluss der Wirtschaft sehr weitreichend. Doch diesmal war alles anders.» Von «einem Sieg auf der ganzen Linie» spricht BDP-Präsident Markus Dietschi. Der Selzacher Landwirt fürchtete sich vor dem Verlust von Landwirtschaftsland durch einen Pistenausbau. Ihm sei es nie darum gegangen, den Wirtschaftsstandort Solothurn zu schwächen. «Es ging darum, dass ein solcher Pistenausbau keinesfalls verhältnismässig ist.» Stich ins Herz verhindert Erleichtert zeigt sich auch Felix Glatz-Böni. Der grüne Kantonsrat ist Erstunterzeichner des Volksauftrages für den «ungeschmälerten Schutz der Witi-Zone», den das Parlament vor gut zwei Wochen annahm. Glatz-Böni ist überzeugt, dass der breite Widerstand den Regierungsrat in seinem Entscheid bestärkt hat. «Nun haben wir es schwarz auf weiss», sagt er. Witi-Schutz und Pistenverlängerung, das passe nicht zusammen. Oder mit den Worten des Verkehrs-Clubs: Der Ausbau hätte die Witi «mitten ins Herz» getroffen. SZ/GT MITTWOCH, 16. SEPTEMBER 2015 GRENCHEN 27 Gemeinderat zeigt sich empört Pistenverlängerung Geharnischte Reaktion der Grenchner Politik auf den negativen Entscheid des Regierungsrates VON ANDREAS TOGGWEILER Grenchenbergtunnel, in neun Minuten wird er in Moutier ankommen. Grenchner Stifte nach Moutier? Die Idee eines Austauschs für Lehrlinge stösst auch beim Verein Hauptstadtregion auf offene Ohren. Sie sollen Französisch lernen und sich mit der welschen Kultur vertraut machen. Dafür will Grenchens Stadtpräsident François Scheidegger seine Lehrlinge eine Woche lang über den Röstigraben in die Stadtverwaltung von Moutier zur Arbeit schicken. Die Idee zum Austausch durch den Grenchenbergtunnel kommt nicht nur beim bernjurassischen Stadtpräsidenten Maxime Zuber gut an (wir berichteten). Sondern auch bei der Hauptstadtregion Schweiz: «Die Zweisprachigkeit ist für unsere Region, aber auch für die ganze Schweiz, von grosser Bedeutung», kommentiert Geschäftsführer Georg Tobler. «Die Hindernisse der Zweisprachigkeit sind längst bekannt. Um jedoch die Vorteile nutzen zu können, müssen die Leute die unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen erleben können.» Und dazu brauche es eben mehr, als nur die jeweils andere Landessprache auswendig zu lernen. Vorgesetzte sind gefragt Was bei Schüleraustauschprojekten gilt – die die Hauptstadtregion mit dem Aufbau von Gemeindepartnerschaften (wie zum Beispiel zwischen der Stadt Solothurn und der Neuenburger Gemeinde Le Landeron) ebenfalls unterstützt – ist laut Tobler bei Lehrlings-Austauschprojekten noch von grösserer Bedeutung: «Es braucht die Unterstützung der Vorgesetzten.» Darum sei die Initiative des Grenchner Stapi ein erster wichtiger Schritt. Dass Lernenden-Austausche keine Hexerei sind, beweisen laut Tobler übrigens seit Jahren die Stadt Bern und die Verwaltung des Kantons Freiburg. Überhaupt sei das Interesse der Wirtschaft an der anderen Landessprache respektive der Kultur des anderen Landesteils gross, so Tobler. Das bestätigten ihm jedenfalls Anlässe «Die unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen muss man erleben.» Georg Tobler Hauptstadtregion in letzter Zeit, wo Manager sich über den Röstigraben begegneten. Hierzu arbeitet der Verein mit dem Bieler Forum für Zweisprachigkeit zusammen, das auch den Lehrlingsaustausch unter Verwaltungen organisiert. Weil die Hauptstadtregion die Brückenfunktion zu einem Pfeiler ihrer Arbeit zählt, verweist Tobler noch auf ein weiteres Projekt: den «Tag der Zweisprachigkeit». Auf Anregung des Jugendrates findet dieser im Kanton Freiburg immer am 25. September statt, dem Europäischen Tag der Sprachen. Dieses Jahr macht erstmals auch der Kanton Bern mit. Und Georg Tobler ergänzt: «Gut vorstellbar, dass ein solcher Tag auch Solothurner Schüler interessieren würde.» (SAT) HANSPETER BÄRTSCHI Jubiläumsfeier Sonderfahrt mit dem «Blauen Pfeil» VON ANDREAS TOGGWEILER Zum Jubiläum der Eröffnung des Grenchenbergtunnels vor 100 Jahren wird am Donnerstag, 1. Oktober, ein kleiner Festakt durchgeführt, der sowohl in Grenchen als auch in Moutier stattfindet. In beiden Städten werden anlässlich dieses Jubiläums Ausstellungen gezeigt. Diejenige in Grenchen wird morgen Abend im Kultur-Historischen Museum eröffnet. In Moutier wird sie am Jubiläumstag feierlich eröffnet, nach einer Fahrt der offiziellen Gäste durch den Tunnel im «Blauen Pfeil» der BLS. Das historische Schienenfahrzeug aus dem Jahr 1938 wurde von 2012 bis 2014 in Zusammenarbeit mit der bernischen Denkmalpflege umfassend restauriert, nachdem es vom Tramverein Bern vor der Verschrottung gerettet worden war. Der in Anlehnung an den «Roten Pfeil» der SBB, «Blauer Pfeil» genannte Zug ist als Letzter seiner Art auf dem Schienennetz unterwegs. Als LeichtbauTriebwagen mit (einst) 155 Plätzen gilt er als wichtiger Schritt in der Entwicklung des schweizerischen Rollmaterials, nämlich als eine Art Vorläufer der heutigen S-Bahnen. Der «Blaue Pfeil» gehört der BLS-Stiftung und kann für Gesellschaftsfahrten gemietet werden. Blauer Pfeil der BLS. BLS-STIFTUNG te wie die Heizzentrale oder den Windpark würde die Stadt so oder so realisieren, deshalb könne man sich die Kosten für das «unnütze Label» sparen. Schon die Bau- und Planungskommission hatte sich zuvor mit 5 gegen 2 Stimmen deutlich gegen einen Austritt gewandt und die SVP blieb mit ihrem Anliegen allein auf weiter Flur. Was sie nicht daran hinderte, eine Motion mit dem Austrittsziel nachzureichen. Die Ablehnung der geplanten Pistenverlängerung des Grenchner Flughafens durch den Regierungsrat stiess gestern Abend im Gemeinderat Grenchen auf grosses Unverständnis. Die Empörung schien gross und es fielen deutliche Worte. «Ich rufe Sie auf, die Regierungsräte anzurufen und sie zur Rede zu stellen, was ihnen eigentlich einfalle, uns derart in den Rücken zu fallen», sagte Zurück in die Steinzeit? SVP-Fraktionschef Heinz Müller. Der Als «Technologiestadt im Grünen» sei negative Entscheid sei ein Affront ge- ein solches Label unverzichtbar, «eine genüber Grenchen. «Will die Regie- Abkehr wäre ein Rückbau in die Steinrung überhaupt noch Steuergeld aus zeit», meinte Alex Kaufmann. Nicole Grenchen?», fragte Müller nicht ohne Hirt (GLP) sprach von einem «falschen Polemik. Auch Alex Kaufmann, Verwal- Signal angesichts der anstehenden tungsrat des Flughafens, sprach seitens Energiewende». Sie erinnerte daran, der SP von einem «schwarzen Tag für dass auch die öV-Versorgung ein KriteGrenchen». Das Geschäft der Pistenver- rium des Energielabels sei. Hubert Bläsi längerung sei seriös aufgegleist gewe- erwähnte die Hilfestellungen für den sen und die Ablehnung deshalb unver- Umweltunterricht an den Schulen. ständlich. Einstimmig hat der Gemeinderat soAuch für Hubert Bläsi (FDP) gab es dann ein Postulat von Andreas Kumkeinen Grund, warum das Verfahren mer überwiesen, das den Kauf des alnicht hätte weitergeführt werden sol- ten SWG-Gebäudes am Marktplatz len. «Welche Möglichdurch die Stadt forderkeiten haben wir jetzt «Ich bin enttäuscht te. Dies allerdings nur, noch?», stellte er als der Kanton, dem von meiner Fraktion wenn Frage in den Raum. – das Gebäude von der «Mutlos, kraftlos, ideen- im Kantonsrat.» SWG angeboten wurde, los», so der Kommentar Andreas Kummer (CVP) auf einen Kauf verzichvon Andreas Kummer tet. «Wir wollen ja nicht (CVP). Die Regierung habe vor den Um- verhindern, dass der Kanton endlich weltverbänden kapituliert. «Enttäuscht auch wieder Arbeitsplätze nach Grenbin ich auch von meiner Fraktion im chen bringt», meinte Stadtpräsident Kantonsrat», sagte Kummer. François Scheidegger. Einen Kauf müssUrs Wirth (SP) stellte fest: «Grenchen te laut Stadtbaumeister Daniel Gäuhat überhaupt keinen Einfluss mehr in mann der Kantonsrat beschliessen. Solothurn.» – «Enttäuscht und schoDringlich erklärt und überwiesen ckiert» sei er, zusehen zu müssen, wie wurde ein Postulat der CVP zum Retdie Regierung nur noch auf jene höre, tungsdienst. Es konkretisiert das weite«die am lautesten bellen.» Der Rat ver- re Vorgehen zur Reduktion des Defizits abschiedete eine offizielle Stellungnah- (wir berichteten.) me der Stadt (vgl. unten) und beauftragte den Stadtpräsidenten, an die Re- Teilnahme an Aggloprogramm gierung zu schreiben. Grenchen soll den Zug für das übernächste Agglomerationsprogramm des Bundes nicht verpassen. In der UmsetEnergiestadt: Grosser Rückhalt Der Gemeinderat hat gestern eine In- zung einer als dringlich erklärten Motiterpellation der SVP diskutiert, die die on von Alexander Kohli (FDP) musste Kosten-Nutzen-Frage des Energiestadt- festgestellt werden, dass die Zeit für ein Labels stellte. «2004 bei der Einfüh- Aufspringen auf den Subventionszug rung wurde uns versprochen, das La- für Verkehrsinfrastrukturen zu knapp bel koste die Stadt nichts. Inzwischen bemessen ist und konkrete Projekte sind direkte und indirekte Kosten von fehlen. Dafür sollen jetzt umfassende 300 000 Fr. aufgelaufen», begründete Grundlagen für die Teilnahme an der Heinz Müller. Ihre ökologischen Projek- nächsten Tranche erarbeitet werden. Pistenverlängerung «Regionalflughafen droht ein schmerzhafter Bedeutungsverlust» Der Gemeinderat Grenchen hat an seiner Sitzung von gestern Abend eine offizielle Stellungnahme zum abschlägigen Bescheid des Regierungsrates hinsichtlich der geplanten Pistenverlängerung des Flughafens verabschiedet. «Der Gemeinderat nimmt mit grosser Enttäuschung Kenntnis vom abschlägigen Regierungsratsbeschluss zur geplanten Pistenanpassung des Regionalflughafens Grenchen. Einmal mehr werden die Interessen der Region Grenchen von der Kantonsregierung nicht berücksichtigt. Die Regierung gibt einen bedeutenden regionalen Trumpf aus der Hand», heisst es in der Stellungnahme. In einem Manifest hatten sich unter anderem der Industrieverband Solothurn und Umgebung (INVESO), der Industrie- und Handelsverband Grenchen und Umgebung (IHVG), der Handelsund Industrieverein Kanton Bern (HIV) Sektion Biel-Seeland, der Kantonal- Solothurnische Gewerbeverband (KGV) und die Solothurner Handelskammer (SOHK) für die Pistenanpassung ausgesprochen. «Laut Mitteilung konnte der Regierungsrat jedoch kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Pistenanpassung erkennen», meint der Grenchner Rat (nicht ganz ironiefrei) dazu. Trotz prekären finanziellen Aussichten des Kantons nehme der Regierungsrat eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandorts Jurasüdfuss in Kauf. Er gebe «einen bedeutenden kantonalen Standortvorteil unserer Wirtschaftsregion» aus der Hand. «Eine verpasste Chance, hätte der Regionalflughafen mit einer Anpassung doch zu einem echten Alleinstellungsmerkmal entwickelt werden können.» Durch die Öffnung militärischer Flughäfen für die Zivilluftfahrt, wie zum Beispiel in Payerne, drohe dem Regionalflughafen Grenchen nun ein schmerzhafter Bedeutungsverlust. (AT.)
© Copyright 2024 ExpyDoc