Diverse Berichte zum Entscheid des Regierungsrats

Fr. 2.70
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Regina Estermann
Die Sekundarlehrerin coacht
Jugendliche bei der Berufswahl
INSERAT
MITTWOCH,
16. SEPTEMBER 2015
Paulo Sousa
Der Ex-FCB-Coach
begeistert in Italien
BUCHEGGBERG 29
SPORT 11
KOMMENTAR
Regierung stoppt geplanten
Pistenausbau in Grenchen
Abgestürzt
Projektabbruch Mit dem Entscheid gegen die Ausbaupläne des Flughafens erntet
der Regierungsrat Kritik aus der Solothurner Wirtschaft und von der Stadt Grenchen
VON LUCIEN FLURI
Der Druck auf die Regierung war in den
vergangenen Wochen gestiegen: Vor
dem Rathaus demonstrierten Anfang
September rund 400 Personen gegen
die geplante Pistenverlängerung in
Grenchen. Zur gleichen Zeit stellte sich
auch eine Mitte-Links-Mehrheit des Kantonsrates gegen das Projekt. Gestern
Kompromiss
Altersreform steht
unter Beschuss
Der Ständerat hat gestern die Eckpfeiler
für die Altersreform 2020 beschlossen.
Um das absehbare finanzielle Loch der
AHV zu stopfen, soll die Mehrwertsteuer
erhöht und das Rentenalter der Frauen
an das der Männer angeglichen werden.
In der beruflichen Vorsorge soll der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent reduziert werden. Das heisst, dass von dem
Altersguthaben pro Jahr weniger ausbezahlt wird. Diese Einbusse will der Ständerat mit einer Erhöhung der AHV um
70 Franken pro Monat kompensieren.
Das Paket ist Resultat eines Kompromisses: Die Rentenerhöhung ist ein Zugeständnis an SP und Gewerkschaften, damit diese der Erhöhung des Frauenrentenalters und dem reduzierten Umwandlungssatz zustimmen. Doch die Erhöhung der AHV-Rente ist umstritten. Die
zusätzlichen 70 Franken pro Monat werden das Defizit der AHV ab 2030 massiv
ansteigen lassen. SEITEN 2/3
SZ
nun hat das derzeit vielleicht umstrittenste Politgeschäft im Kanton Solothurn sein Ende genommen: Der Regierungsrat hat sich gegen das Projekt gestellt, das einen Eingriff von rund 450
Metern in die Witi-Schutzzone hinein erfordert hätte.
In Selzach und Altreu atmen die Gegner auf. Sie hatten mehr Lärm befürchtet. Und auch die Umweltschutzverbän-
de freuen sich, dass das Schutzgebiet
nicht tangiert wird. Kritik kommt aus
Grenchen und von den Wirtschaftsverbänden. Sie hatten sich wiederholt für
den Ausbau der Geschäftsfliegerei in
Grenchen starkgemacht. «Dass die Regierung, die für das wirtschaftliche Vorankommen des Kantons auch eine gewisse Verantwortung trägt, diese Chance nicht sieht, befremdet mich», sagt
der Grenchner Stadtpräsident François
Scheidegger. Er kritisiert, dass der Regierungsrat eine grosse Chance für die
wirtschaftliche Entwicklung in der Region verpasse. Auch HandelskammerDirektor Daniel Probst ist enttäuscht.
«Der Flughafen könnte sich zu einem
Business-Airport entwickeln, doch das
hat die Regierung im Keim erstickt.»
KOMMENTAR RECHTS, SEITEN 22/23, 27
Konsument und
Programmdirektor Das traditionelle
TV-Angebot wird
immer unwichtiger.
Heute schaut der
Konsument, was er
will – wann, wo und
auf welchem Gerät
auch immer. Das
stellt die Anbieter
vor Herausforderungen. Swisscom und
Sunrise haben nun
Ideen präsentiert,
wie sie den selbstbestimmten Konsumenten von der
Konkurrenz wie
Netflix fernhalten
wollen. SEITE 7
FOTO: GETTY IMAGES
S
olothurner Regierungssitzungen
sind öffentlich. Wer sich für ein
Traktandum interessiert, kann
den Beratungen als Zuhörer lauschen. Dass die Regierung gestern
Dienstag in Sachen Pistenverlängerung
des Flughafens Grenchen beschliessen
von Urs Mathys
würde, war allerdings nicht traktandiert
gewesen. Das Nachtragstraktandum sei
halt erst später hinzugekommen, hiess
es auf Nachfrage nonchalant.
Nicht nur der Quasi-Ausschluss der Öffentlichkeit lässt auf Meinungsdifferenzen in der – notabene bürgerlich dominierten – Regierung schliessen. Immerhin hatte sich Baudirektor Roland Fürst
erst vor zwei Wochen noch gänzlich unbeeindruckt gezeigt: Als der Kantonsrat
deutlich einem Volksauftrag zustimmte,
der den «ungeschmälerten Schutz» der
Landwirtschafts- und Schutzzone Witi
fordert, sah der CVP-Mann darin kein
Problem für das Projekt. Fürst war es ja
auch gewesen, der 2014 – erst neu im
Amt – die nun abgestürzte Ostverlängerung reaktiviert hatte.
Dieser Schwenker erschien vom Start
weg als schlecht koordinierter Blindflug
mehrerer Piloten: Plötzlich sollte ein
massiver Eingriff in die Witi – für die A5
mit 150 Mio. Fr. Zusatzkosten untertunnelt – zulässig sein. Die Flughafen-Verantwortlichen ihrerseits nahmen die zunächst vereinzelten Opponenten zu wenig ernst und die Stadt Grenchen verwahrte sich schlicht dagegen, zugunsten
der Pistenverlängerung allenfalls Land
für Kompensationen zur Verfügung zu
stellen. Schliesslich, so muss man mit
der Regierung nüchtern feststellen, waren aber auch die Aussichten auf einen
wirtschaftlichen Zusatznutzen zu vage,
das Pistenprojekt abheben zu lassen.
@ [email protected]
INSERAT
Projektabbruch am Flughafen Grenchen
Die Regierung sieht in einer längeren Piste mehr Schaden
Witi-Hasen
können
aufatmen
Der Regierungsrat will keine längere Piste am Flughafen Grenchen.
Er empfiehlt den Projektabbruch.
Naturschützer atmen auf, die Wirtschaft seufzt über die Regierung.
VON LUCIEN FLURI
D
as Projekt einer Pistenverlängerung am Flughafen Grenchen ist
vom Tisch: Der Solothurner Regierungsrat
hat dem Anliegen gestern eine Absage erteilt. Er sieht im Projekt mehr Schaden für die Natur als Nutzen für die Wirtschaft.
Zwar könnte der Flughafen das 450Meter-Projekt in der Grenchner WitiSchutzzone theoretisch auch jetzt noch
vorantreiben. Doch ohne Support der
Solothurner Regierung dürfte das Projekt
auch bei den nun zuständigen Bundesstellen ohne Erfolgschancen sein. Flughafen-Verwaltungsrat Conrad Stampfli
räumte gestern denn auch ein, dass der
Flughafen das Projekt höchstwahrscheinlich begräbt (vgl. Interview rechts). Sieben Jahre lang hatte der Flughafen geplant und sein Projekt auch auf Wunsch
der Regierung mehrmals angepasst: Zuerst sollte die Piste nach Osten gehen,
dann nach Westen und schliesslich, seit
dem Mai 2014, wieder nach Osten.
Witi-Schutz zählt etwas
Für die Regierung blieben auch nach
einem Jahr Gesprächen mit allen Betroffenen und Interessenabwägungen zu viele offene Fragen, zu viele rechtliche Hürden und mögliche langwierige Rechtsstreitigkeiten mit Anwohnern und
beschwerdeberechtigten Verbänden bestehen. Dies geht aus dem Regierungsratsbeschluss hervor. Hauptgrund für die
Regierung ist offenbar die Witi-Schutzzone, in der das Projekt zu liegen gekommen wäre. Immerhin sei, so die Regierung, beim Autobahnbau ein 150 Mio.
Franken teurer Tunnel gebaut worden.
Einzig die wirtschaftlichen Argumente
akzeptierte die Regierung. Doch «der
ausgewiesene Zusatznutzen für den Wirtschaftsstandort
Solothurn/Jurasüdfuss
rechtfertigt den schweren Eingriff in die
Witi-Schutzzone nicht», so die Regierung
in einem gestern verschickten Communiqué. Druck gegen das Projekt hatten offenbar auch die Bauern gemacht.
Deutliche Kritik übt die Regierung
auch an den Zugeständnissen, die die
Flughafenverantwortlichen in den Vorgesprächen gemacht hätten. Flankierende
Massnahmen zur Entlastung der Bevölkerung seien zu wenig weit gegangen,
heisst es in der Mitteilung des Regierungsrates. Und offenbar konnten sie
auch die mit Nachdruck eingebrachten
Forderungen der Bauern nicht erfüllen.
«Zentrale Fragen zur Flächenkompensation für den Kulturlandverlust sowie zu
den zwingend notwendigen Ausgleichsund Ersatzmassnahmen konnten nicht
befriedigend beantwortet werden.»
Ebenso seien zentrale Fragen im Bereichen Umwelt unbeantwortet geblieben.
Offenbar zweifelte die Regierung auch an
der Finanzierung des Projektes. Aus den
ursprünglichen 4,5 Mio. Franken Investitionskosten seien in der Zwischenzeit 12
Mio. Franken geworden, schreibt die Regierung. Trotzdem sei kein aktualisierter
Businessplan vorgelegt worden.
Geheimer Regierungsentscheid
Beim Flughafen und bei der Solothurner Handelskammer ist die Enttäuschung
gross (vergleiche Texte rechts). Freude
herrscht dagegen bei Simon Winkelhausen. Der Präsident des Komitees gegen
die Osterweiterung hatte den Widerstand
aus der Gemeinde Selzach/Altreu massgeblich initiiert und mit 4500 KomiteeMitgliedern öffentlich Druck auf die Regierung aufgebaut. «Der gesunde Menschenverstand hat gesiegt», sagt Winkelhausen. Es sei kein Entscheid gegen die
Wirtschaft, sondern ein Sieg der Fakten.
Wie es mit dem Komitee weitergeht, sei
noch nicht klar. Er kann sich vorstellen,
dass das Komitee Ansprechpartner der
Anwohner gegenüber dem Flughafen
bleibt. «Dieser hat bisher gefehlt.»
Unbekannt ist, wie die einzelnen Regierungsräte zum Projekt standen – etwa
ob sich nicht auch einer der beiden FDPVertreter gegen das Projekt gestellt hat.
Die Regierung hat das Öffentlichkeitsgesetz gestern geritzt. Sie hatte das Geschäft nicht traktandiert und auch nicht
vorgängig informiert, als es kurzfristig
nachtraktandiert wurde. So wurden Pistenbefürworter und -gegner ausgehebelt,
die den Regierungsräten bei ihrem Entscheid – ganz konform mit dem Öffentlichkeitsgesetz – gerne über die Schulter
geschaut hätten.
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DAS SAGEN GRENCHEN UND SELZACH
François Scheidegger ist «erschüttert»
D
er Grenchner Stadtpräsident François Scheidegger ist «erschüttert
und enttäuscht». «Um 20 vor 12 hat
mich Baudirektor Roland Fürst telefonisch
informiert, dass die Regierung nicht hinter
dem Projekt steht», sagt er. Den Entscheid
der Regierung bezeichnet er als «grundfalsch und visionslos».
Wenn die Regierung von offenen Fragen
spreche, gelte es festzuhalten, dass diese in
der heutigen Phase noch gar nicht beantwortet werden könnten. «Es ging um einen
Grundsatzentscheid. Doch die Regierung
hat vorzeitig die Flinte ins Korn geworfen.»
Zudem sei die Güterabwägung offensichtlich von der Kantonsratsdebatte beeinflusst
worden, sagt Scheidegger. «Die Wirtschaft
spielte überhaupt keine Rolle.»
Zufrieden zeigt sich derweil Silvia Spycher,
die Gemeindepräsidentin von Selzach. In
ihrem Dorf war der Widerstand gegen eine
Pistenverlängerung besonders gross. Jetzt
äussert sie sich erleichtert: «Ich bin erfreut,
dass es nun so schnell gegangen ist. Und
ich bin überrascht, dass der Entscheid so
deutlich ausgefallen ist.» (AT./SVA)
Erklärungsbedarf: Baudirektor Roland Fürst musste gestern Red und Antwort. Seine persönliche Meinung habe bei solchen
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Regierungsrat und Baudirektor Roland Fürst: «Die Hürden waren hoch, das wussten wir.
Aber eben nicht aussichtslos.»
INTERVIEW: LUCIEN FLURI
Roland Fürst, hat Sie der Protest
aus Altreu so sehr beeindruckt,
dass Sie eingeknickt sind?
Dem ist natürlich nicht so. Es wurde ein
Koordinationsprotokoll erstellt, aufgrund
dessen wir nach einer Interessenabwägung entschieden haben. Darauf hatten
weder ein Volksauftrag noch eine Demonstration vor dem Rathaus Einfluss.
Der massive Widerstand der Bevölkerung hat Sie nicht beeindruckt?
Wir haben uns, wie gesagt, auf die Koordinationsprotokolle gestützt. Demo und
Volksauftrag hatten keinen Einfluss.
Wenn man Ihre Medienmitteilung
liest, hat man das Gefühl, der Flughafen habe sich zu wenig Mühe gegeben. Sie kritisieren, dass etwa
landwirtschaftliche Kompensationsflächen nicht aufgezeigt wurden.
Ich würde den Verantwortlichen des Flugplatzes keine Vorwürfe machen. Die Hürden waren hoch, das muss man deklarieren. Der volkswirtschaftliche Nutzen des
Projektes wurde ausgewiesen. Er konnte
im Vergleich mit den negativen Einflüssen
aber nicht den Ausschlag geben.
Widerstand in der Bevölkerung,
Witi-Schutzzone oder fehlende Ausgleichsflächen waren Argumente
dagegen. Gab es einen Faktor, der
Hauptgrund war?
Wie immer bei einer Interessenabwägung gibt es verschiedene Argumente.
Und wenn die Waage auf eine Seite kippt,
kippt sie. Welches Argument den Ausschlag gegeben hat, spielt an und für
sich keine Rolle.
Ist die Regierung für andere Projekte zu haben wie etwa für eine Untertunnelung im Westen mit nur
100 Meter Verlängerung.
Die Regierung plant hier keine Varianten.
Es ist der Flugplatz, der Projekte einreicht
und ein Gesuch stellt. Dazu nimmt die Regierung Stellung. Würde der Flughafen
ein anderes Projekt einreichen, müsste
man das gleiche Verfahren wie jetzt wiederholen.
Das heisst, der Kanton hat das Dossier geschlossen.
Richtung Osten ist das so. Wir deklarieren das mit dem heutigen Regierungsratbeschluss auch. Richtung Westen planen
wir, wie gesagt, nicht. Da müsste der
Flughafen aktiv werden.
Das ist keine konkrete Stellungnahme gegen einen Westausbau mit
Strassenuntertunnelung.
Die Untertunnelung war schon einmal
Thema . Sie lag 2013 auf dem Tisch und
wurde wegen der hohen Kosten verworfen. Ich mache mal ein Hirngespinst.
Wenn man an der Strasse etwas machen
müsste, dann könnte man ein solches
Projekt wieder anschauen. Aber im Moment ist es sicher vom Tisch.
War der Entscheid in der Regierung
einstimmig?
Wie immer: Wir funktionieren als Kollegialbehörde. Unsere Entscheide sind ge-
gen aussen immer von allen getragen.
Schmerzt es Sie als früherer Handelskammer-Direktor nicht, dass
ausgerechnet Sie das Wirtschaftsprojekt beerdigen müssen?
Meine persönliche Haltung hat hier relativ wenig Gewicht. Es war die Interessenabwägung, die am Schluss entschieden
hat – gegen die Pistenverlängerung. Meine Handelskammer-Meinung sagt da relativ wenig dazu aus.
War es nicht überhaupt ein Fehler,
2014 von der Planung Richtung
Westen erneut auf die zuvor schon
verworfene Ost-Variante zurückzukommen?
Es war nicht ein Fehler. Bei der ersten Planung Richtung Osten hat man gesehen,
dass die Situation schwierig ist. Deshalb
hat man Richtung Westen evaluiert und
gesehen, dass die Kosten so hoch sind,
dass es nicht umsetzbar ist. Und dann hat
man Richtung Osten das Projekt adaptiert und optimiert. Im Wissen um Vorund Nachteile von Ost und West hat man
gedacht, man könne es nochmals Richtung Osten probieren und alle Entscheidungsgrundlagen auf den Tisch bringen.
Aber war das nötig? Es war ja von
Anfang an umstritten.
Die Hürden waren hoch, das wussten wir.
Aber eben nicht aussichtslos. Wenn es
gelungen wäre, die Argumente auf die
andere Seite stärker zu gewichten, wäre
es durchaus ein gangbarer Weg gewesen. Jetzt hat die Interessenabwägung
das Gegenteil gezeigt.
SZ/GT
MITTWOCH, 16. SEPTEMBER 2015
23
als Nutzen
«Ein Sieg auf der ganzen Linie»
Reaktionen Die Umweltschützer sind erleichtert, die Wirtschaftsvertreter enttäuscht
VON SVEN ALTERMATT UND FRANZ SCHAIBLE
In Solothurn ist der Himmel am Dienstag grau. Und das passt nicht schlecht
zur Katerstimmung, die sich nach dem
Entscheid des Regierungsrats unter
den Befürwortern der Pistenverlängerung breitgemacht hat.
Daniel Probst kann es noch gar nicht
fassen: «Ich bin enttäuscht», sagt der
Direktor der Solothurner Handelskammer. «Die Regierung sendet ein falsches
Signal in einer anspruchsvollen Zeit für
die Wirtschaft.» In seinen Augen haben
die Behörden den lokalen Unternehmen zu wenig Gehör geschenkt. So seien manche darauf angewiesen, von
Grenchen aus rasch ihre Kunden und
Niederlassungen im Ausland zu erreichen. «Doch jetzt», sagt Probst, «ist die
Businessfliegerei hier in Gefahr.»
Lange waren die Wirtschaftsvertreter
eher zurückhaltend, wenn es um die
Grenchner Pistenverlängerung ging.
Doch in den vergangenen Wochen
rührten sie mit der grossen Kelle: In
ganzseitigen Inseraten warben sie für
den Ausbau. Die Rede war von einem
«sehr wichtigen Standortvorteil».
Auch Hugo Mathys, Chef und Verwaltungsratspräsident der Medizinaltechnikfirma Mathys AG in Bettlach, hat
sich wiederholt starkgemacht für den
Ausbau des Flughafens Grenchen. Die-
INSERAT
Entscheiden wenig Gewicht, sagte der frühere Handelskammer-Direktor.
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Flughafen-Verwaltungsrat Conrad Stampfli:
«Weitsichtigkeit können Sie nicht im Voraus beweisen.»
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INTERVIEW: LUCIEN FLURI
Der Flughafen hat mit grossem Aufwand gekämpft. Sind Sie enttäuscht?
Ich bin sehr enttäuscht. Man hat sieben
Jahre geplant. Osten, Westen und wieder
Osten. Und jetzt ist Ende der Übung.
Der Flughafen könnte nun auch gegen den Willen der Regierung beim
Bund ein Verfahren für die Pistenverlängerung beantragen.
Voraussichtlich tun wir dies nicht. Erstens
wäre es eine Zwängerei, zweitens ist der
Bundesrat letzte Instanz für den Entscheid.
Und er schaut, wie sich die Regierung des
betroffenen Kantons dazu stellt. Damit ist
das Projekt eigentlich beendet.
Haben Sie ein anderes Projekt?
Nein.
Was bedeutet der Entscheid für den
Flughafen?
Wir müssen die Lage nun neu beurteilen.
Es bleibt der Ausbildungsstandort, wobei
der immer umkämpft ist. Die Freizeitfliegerei bleibt, und auch die private Geschäftsfliegerei hat mittelfristig Platz. Die kommerzielle Geschäftsfliegerei, also die Möglichkeit, Grenchen mit gemieteten Flugzeugen
zu erreichen, ist gestorben.
Was bedeutet der Entscheid für Altreu: Setzt der Flughafen jetzt auf
mehr lärmige Sportflieger?
Das anzudrohen, wäre eine Trotzreaktion.
Wir werden weiterhin alles daransetzen, die
Immissionen auf ein Minimum zu begrenzen.
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CONRAD STAMPFLI
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Der Solothurner
Anwalt ist Verwaltungsrat des
Flughafens . Er
hat das Projekt
Pistenverlängerung gegenüber
der Öffentlichkeit
vertreten.
Wer die Mitteilung der Regierung
liest, denkt, der Flughafen hätte sich
zu wenig Mühe gegeben. So haben
Sie keine Kompensationsmöglichkeiten für die Landwirtschaftsland aufgezeigt.
Das jetzige Verfahren ist ein unverbindliches Verfahren. Es geht darum, sämtliche
möglichen Probleme aufzulisten. Sie können doch erst über konkrete Kompensationsmassnahmen verhandeln, wenn Sie
grünes Licht haben. Für mich ist diese Begründung eine Ausflucht.
Was ist dann der Grund?
Da müsste ich in die Glaskugel schauen.
Ich denke, die Mobilisierung der Gegner
hatte einen Einfluss. Und: Weitsichtigkeit
sowie einen künftigen Standortvorteil können Sie nicht im Voraus beweisen.
Hätte der Flughafen den Ausbau
stemmen können? Zuerst gingen Sie
von 4 Mio. Fr. aus. Jetzt weiss man,
dass es über 12 Mio. wären.
Wir hätten genug Beiträge von der Wirtschaft erhalten, um den Betrag zu stemmen. Aber das sind jetzt Spekulationen.
ser sei ein grosser Pluspunkt für die regionale Wirtschaft, erklärte er etwa
kürzlich im Interview mit dieser Zeitung. «Es braucht die Pistenverlängerung, um den Flugplatz auch in Zukunft entsprechend nutzen zu können.» Den klaren Entscheid der Regierung gegen den Ausbau will Mathys
nun aber nicht kommentieren. Er gebe
keine Stellungnahme ab, liess er auf
Anfrage ausrichten.
Josef Maushart, der als Präsident des
Solothurnischen
Industrieverbandes
für den Pistenausbau kämpfte, gibt sich
zurückhaltend. «Natürlich respektiere
ich die Güterabwägung der Regierung»,
sagt der Fraisa-Chef. Allerdings sei der
Beschluss kein positives Signal für den
regionalen Wirtschaftsstandort. Umso
mehr wünscht sich Maushart jetzt von
der Regierung ein «klares Bekenntnis»
zum Industriestandort Solothurn.
Swatch-Chef Nick Hayek war gestern
für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sein Uhrenkonzern ist Mitglied der
IG Wirtschaftsraum Kanton Solothurn,
die sich für den Ausbau einsetzt.
«Keinesfalls verhältnismässig»
Die einen betonten, wie wichtig die
Pistenverlängerung für die regionale
Wirtschaft ist. Die anderen wollten den
Ausbau um jeden Preis verhindern.
Doch selbst bei den Gegnern herrscht
zuerst einmal Fassungslosigkeit, als der
Entscheid bekannt wird. Man habe ja
mit allem rechnen müssen, sagt Nicole
Hirt. Die Präsidentin von Pro Natura
sieht im Verdikt vor allem einen Erfolg
für den Umweltschutz. «Meist ist der
Einfluss der Wirtschaft sehr weitreichend. Doch diesmal war alles anders.»
Von «einem Sieg auf der ganzen Linie» spricht BDP-Präsident Markus
Dietschi. Der Selzacher Landwirt fürchtete sich vor dem Verlust von Landwirtschaftsland durch einen Pistenausbau.
Ihm sei es nie darum gegangen, den
Wirtschaftsstandort
Solothurn
zu
schwächen. «Es ging darum, dass ein
solcher Pistenausbau keinesfalls verhältnismässig ist.»
Stich ins Herz verhindert
Erleichtert zeigt sich auch Felix
Glatz-Böni. Der grüne Kantonsrat ist
Erstunterzeichner des Volksauftrages
für den «ungeschmälerten Schutz der
Witi-Zone», den das Parlament vor gut
zwei Wochen annahm. Glatz-Böni ist
überzeugt, dass der breite Widerstand
den Regierungsrat in seinem Entscheid
bestärkt hat. «Nun haben wir es
schwarz auf weiss», sagt er. Witi-Schutz
und Pistenverlängerung, das passe
nicht zusammen. Oder mit den Worten
des Verkehrs-Clubs: Der Ausbau hätte
die Witi «mitten ins Herz» getroffen.
SZ/GT
MITTWOCH, 16. SEPTEMBER 2015
GRENCHEN 27
Gemeinderat
zeigt sich empört
Pistenverlängerung Geharnischte Reaktion der Grenchner
Politik auf den negativen Entscheid des Regierungsrates
VON ANDREAS TOGGWEILER
Grenchenbergtunnel, in neun Minuten wird er in Moutier ankommen.
Grenchner Stifte
nach Moutier?
Die Idee eines Austauschs
für Lehrlinge stösst auch
beim Verein Hauptstadtregion auf offene Ohren.
Sie sollen Französisch lernen und sich
mit der welschen Kultur vertraut
machen. Dafür will Grenchens Stadtpräsident François Scheidegger seine
Lehrlinge eine Woche lang über den
Röstigraben in die Stadtverwaltung
von Moutier zur Arbeit schicken.
Die Idee zum Austausch durch den
Grenchenbergtunnel kommt nicht nur
beim bernjurassischen Stadtpräsidenten Maxime Zuber gut an (wir
berichteten). Sondern auch bei der
Hauptstadtregion Schweiz: «Die Zweisprachigkeit ist für unsere Region,
aber auch für die ganze Schweiz, von
grosser Bedeutung», kommentiert
Geschäftsführer Georg Tobler. «Die
Hindernisse der Zweisprachigkeit
sind längst bekannt. Um jedoch die
Vorteile nutzen zu können, müssen
die Leute die unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen erleben
können.» Und dazu brauche es eben
mehr, als nur die jeweils andere Landessprache auswendig zu lernen.
Vorgesetzte sind gefragt
Was bei Schüleraustauschprojekten gilt – die die Hauptstadtregion
mit dem Aufbau von Gemeindepartnerschaften (wie zum Beispiel zwischen der Stadt Solothurn und der
Neuenburger Gemeinde Le Landeron) ebenfalls unterstützt – ist
laut Tobler bei Lehrlings-Austauschprojekten noch von grösserer Bedeutung: «Es braucht die Unterstützung
der Vorgesetzten.» Darum sei die
Initiative des Grenchner Stapi ein
erster wichtiger Schritt. Dass Lernenden-Austausche keine Hexerei
sind, beweisen laut Tobler übrigens
seit Jahren die Stadt Bern und die
Verwaltung des Kantons Freiburg.
Überhaupt sei das Interesse der
Wirtschaft an der anderen Landessprache respektive der Kultur des anderen Landesteils gross, so Tobler.
Das bestätigten ihm jedenfalls Anlässe
«Die unterschiedlichen
Kulturen und Denkweisen
muss man erleben.»
Georg Tobler Hauptstadtregion
in letzter Zeit, wo Manager sich über
den Röstigraben begegneten. Hierzu
arbeitet der Verein mit dem Bieler Forum für Zweisprachigkeit zusammen,
das auch den Lehrlingsaustausch unter Verwaltungen organisiert.
Weil die Hauptstadtregion die Brückenfunktion zu einem Pfeiler ihrer
Arbeit zählt, verweist Tobler noch
auf ein weiteres Projekt: den «Tag der
Zweisprachigkeit». Auf Anregung des
Jugendrates findet dieser im Kanton
Freiburg immer am 25. September
statt, dem Europäischen Tag der
Sprachen. Dieses Jahr macht erstmals
auch der Kanton Bern mit. Und Georg
Tobler ergänzt: «Gut vorstellbar, dass
ein solcher Tag auch Solothurner
Schüler interessieren würde.» (SAT)
HANSPETER BÄRTSCHI
Jubiläumsfeier
Sonderfahrt mit
dem «Blauen Pfeil»
VON ANDREAS TOGGWEILER
Zum Jubiläum der Eröffnung des Grenchenbergtunnels vor 100 Jahren wird
am Donnerstag, 1. Oktober, ein kleiner
Festakt durchgeführt, der sowohl in
Grenchen als auch in Moutier stattfindet. In beiden Städten werden anlässlich
dieses Jubiläums Ausstellungen gezeigt.
Diejenige in Grenchen wird morgen
Abend im Kultur-Historischen Museum
eröffnet.
In Moutier wird sie am Jubiläumstag
feierlich eröffnet, nach einer Fahrt der
offiziellen Gäste durch den Tunnel im
«Blauen Pfeil» der BLS. Das historische
Schienenfahrzeug aus dem Jahr 1938
wurde von 2012 bis 2014 in Zusammenarbeit mit der bernischen Denkmalpflege umfassend restauriert, nachdem es
vom Tramverein Bern vor der Verschrottung gerettet worden war.
Der in Anlehnung an den «Roten
Pfeil» der SBB, «Blauer Pfeil» genannte
Zug ist als Letzter seiner Art auf dem
Schienennetz unterwegs. Als LeichtbauTriebwagen mit (einst) 155 Plätzen gilt er
als wichtiger Schritt in der Entwicklung
des schweizerischen Rollmaterials, nämlich als eine Art Vorläufer der heutigen
S-Bahnen. Der «Blaue Pfeil» gehört der
BLS-Stiftung und kann für Gesellschaftsfahrten gemietet werden.
Blauer Pfeil der BLS.
BLS-STIFTUNG
te wie die Heizzentrale oder den Windpark würde die Stadt so oder so realisieren, deshalb könne man sich die
Kosten für das «unnütze Label» sparen.
Schon die Bau- und Planungskommission hatte sich zuvor mit 5 gegen 2
Stimmen deutlich gegen einen Austritt
gewandt und die SVP blieb mit ihrem
Anliegen allein auf weiter Flur. Was sie
nicht daran hinderte, eine Motion mit
dem Austrittsziel nachzureichen.
Die Ablehnung der geplanten Pistenverlängerung des Grenchner Flughafens durch den Regierungsrat stiess
gestern Abend im Gemeinderat Grenchen auf grosses Unverständnis. Die
Empörung schien gross und es fielen
deutliche Worte.
«Ich rufe Sie auf, die Regierungsräte anzurufen und sie zur Rede zu stellen, was ihnen eigentlich einfalle, uns
derart in den Rücken zu fallen», sagte Zurück in die Steinzeit?
SVP-Fraktionschef Heinz Müller. Der
Als «Technologiestadt im Grünen» sei
negative Entscheid sei ein Affront ge- ein solches Label unverzichtbar, «eine
genüber Grenchen. «Will die Regie- Abkehr wäre ein Rückbau in die Steinrung überhaupt noch Steuergeld aus zeit», meinte Alex Kaufmann. Nicole
Grenchen?», fragte Müller nicht ohne Hirt (GLP) sprach von einem «falschen
Polemik. Auch Alex Kaufmann, Verwal- Signal angesichts der anstehenden
tungsrat des Flughafens, sprach seitens Energiewende». Sie erinnerte daran,
der SP von einem «schwarzen Tag für dass auch die öV-Versorgung ein KriteGrenchen». Das Geschäft der Pistenver- rium des Energielabels sei. Hubert Bläsi
längerung sei seriös aufgegleist gewe- erwähnte die Hilfestellungen für den
sen und die Ablehnung deshalb unver- Umweltunterricht an den Schulen.
ständlich.
Einstimmig hat der Gemeinderat soAuch für Hubert Bläsi (FDP) gab es dann ein Postulat von Andreas Kumkeinen Grund, warum das Verfahren mer überwiesen, das den Kauf des alnicht hätte weitergeführt werden sol- ten SWG-Gebäudes am Marktplatz
len. «Welche Möglichdurch die Stadt forderkeiten haben wir jetzt «Ich bin enttäuscht
te. Dies allerdings nur,
noch?», stellte er als
der Kanton, dem
von meiner Fraktion wenn
Frage in den Raum. –
das Gebäude von der
«Mutlos, kraftlos, ideen- im Kantonsrat.»
SWG angeboten wurde,
los», so der Kommentar Andreas Kummer (CVP)
auf einen Kauf verzichvon Andreas Kummer
tet. «Wir wollen ja nicht
(CVP). Die Regierung habe vor den Um- verhindern, dass der Kanton endlich
weltverbänden kapituliert. «Enttäuscht auch wieder Arbeitsplätze nach Grenbin ich auch von meiner Fraktion im chen bringt», meinte Stadtpräsident
Kantonsrat», sagte Kummer.
François Scheidegger. Einen Kauf müssUrs Wirth (SP) stellte fest: «Grenchen te laut Stadtbaumeister Daniel Gäuhat überhaupt keinen Einfluss mehr in mann der Kantonsrat beschliessen.
Solothurn.» – «Enttäuscht und schoDringlich erklärt und überwiesen
ckiert» sei er, zusehen zu müssen, wie wurde ein Postulat der CVP zum Retdie Regierung nur noch auf jene höre, tungsdienst. Es konkretisiert das weite«die am lautesten bellen.» Der Rat ver- re Vorgehen zur Reduktion des Defizits
abschiedete eine offizielle Stellungnah- (wir berichteten.)
me der Stadt (vgl. unten) und beauftragte den Stadtpräsidenten, an die Re- Teilnahme an Aggloprogramm
gierung zu schreiben.
Grenchen soll den Zug für das übernächste Agglomerationsprogramm des
Bundes nicht verpassen. In der UmsetEnergiestadt: Grosser Rückhalt
Der Gemeinderat hat gestern eine In- zung einer als dringlich erklärten Motiterpellation der SVP diskutiert, die die on von Alexander Kohli (FDP) musste
Kosten-Nutzen-Frage des Energiestadt- festgestellt werden, dass die Zeit für ein
Labels stellte. «2004 bei der Einfüh- Aufspringen auf den Subventionszug
rung wurde uns versprochen, das La- für Verkehrsinfrastrukturen zu knapp
bel koste die Stadt nichts. Inzwischen bemessen ist und konkrete Projekte
sind direkte und indirekte Kosten von fehlen. Dafür sollen jetzt umfassende
300 000 Fr. aufgelaufen», begründete Grundlagen für die Teilnahme an der
Heinz Müller. Ihre ökologischen Projek- nächsten Tranche erarbeitet werden.
Pistenverlängerung
«Regionalflughafen droht ein
schmerzhafter Bedeutungsverlust»
Der Gemeinderat Grenchen hat an seiner Sitzung von gestern Abend eine offizielle Stellungnahme zum abschlägigen Bescheid des Regierungsrates hinsichtlich der geplanten Pistenverlängerung des Flughafens verabschiedet.
«Der Gemeinderat nimmt mit grosser
Enttäuschung Kenntnis vom abschlägigen Regierungsratsbeschluss zur geplanten Pistenanpassung des Regionalflughafens Grenchen. Einmal mehr
werden die Interessen der Region Grenchen von der Kantonsregierung nicht
berücksichtigt. Die Regierung gibt einen bedeutenden regionalen Trumpf
aus der Hand», heisst es in der Stellungnahme.
In einem Manifest hatten sich unter
anderem der Industrieverband Solothurn und Umgebung (INVESO), der Industrie- und Handelsverband Grenchen
und Umgebung (IHVG), der Handelsund Industrieverein Kanton Bern (HIV)
Sektion Biel-Seeland, der Kantonal-
Solothurnische Gewerbeverband (KGV)
und die Solothurner Handelskammer
(SOHK) für die Pistenanpassung ausgesprochen. «Laut Mitteilung konnte der
Regierungsrat jedoch kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Pistenanpassung erkennen», meint der
Grenchner Rat (nicht ganz ironiefrei)
dazu. Trotz prekären finanziellen Aussichten des Kantons nehme der Regierungsrat eine weitere Schwächung des
Wirtschaftsstandorts Jurasüdfuss in
Kauf. Er gebe «einen bedeutenden kantonalen Standortvorteil unserer Wirtschaftsregion» aus der Hand. «Eine verpasste Chance, hätte der Regionalflughafen mit einer Anpassung doch zu einem echten Alleinstellungsmerkmal
entwickelt werden können.» Durch die
Öffnung militärischer Flughäfen für die
Zivilluftfahrt, wie zum Beispiel in Payerne, drohe dem Regionalflughafen
Grenchen nun ein schmerzhafter Bedeutungsverlust. (AT.)