Der Rosenkavalier

Der Rosenkavalier - Immergrüne Geschichte schwungvoll inszeniert
Mit welchen Erwartungen besucht man als junger Mensch 'Den Rosenkavalier'? "Die dauert
ewig, fast fünf Stunden!", warnte mich ein Kollege vor. Die Dialoge seien allesamt im
Sprechgesang gehalten, gaben sich meine Eltern fachkundig. Mit der Aussicht auf einen 100
Jahre alten Fünf-Stunden-Rap betrete ich die Oper. Sehr hilfreich ist die kurze Einführung
vor Beginn des Stücks. Nun kenne ich zumindest grob die Handlung.
Musik an, Vorhang auf - und sofort zieht mich das Stück in den Bann. Die Feldmarschallin,
gespielt von Maria Bengtsson, schwebt engelsgleich über die Bühne. Obwohl krank oder
zumindest geschwächt, singt sie mit außergewöhnlich klarer Sopranstimme über die
Vergänglichkeit des Seins. Als Jenny Carlstedt als ihr Liebhaber Octavian dazu stößt,
ergänzen sich beide Stimmen zu einen traumhaft schönen Duett.
Die Situation könnte so ungestört sein, wenn nicht Baron Ochs von Lerchenau plötzlich vor
der Tür stünde. Mit aufdringlicher Dreistigkeit - herrlich gespielt von Karl-Heinz Lehner versucht er, mit Adelsstand statt guter Manieren zu punkten. Doch die Marschallin bleibt im
Bann von Octavian, der als Dienstmädchen verkleidet unentdeckt bleibt.
Die Situation wiederholt sich fast, als Octavian im Auftrag des Barons der jungen Sophie die
silberne Rose als Sinnbild der Liebe überreicht. Plötzlich hat Sophie nur noch Augen für den
jüngeren Octavian. Doch der Baron weiß sich zu wehren und bringt Sophies Vater, den
Herrn von Faninal, auf seine adelige Seite. Dieser stellt seiner Tochter vor ein Ultimatum:
Heirate den Baron oder sei für immer verstoßen.
Diese immergrüne Situation, wenn zwei Verliebte um ein und dieselbe Person werben und
sich dabei in die Quere kommen, wird ewig aktuell bleiben. Und dass man Frauen mit Mut
und Charme, anstatt mit arroganter Überheblichkeit überzeugt, ist auch kein Geheimnis.
Doch die schwungvolle Art, mit der das Stück inszeniert ist, sorgt für köstliche Unterhaltung
und einige Lacher im Publikum. Seien es die Walzer-Einlagen des Hauspersonals oder die
kläglichen Versuche Octavians, sich adrett wie ein Zimmermädchen zu verhalten: Auf der
Bühne ist immer etwas los.
Dazu passt das auffallend bewegliche und abwechslungsreiche Bühnenbild, das mit
geringem Requisiteneinsatz eine erstaunliche Bandbreite unterschiedlicher Szenerien
schafft. Und nicht zuletzt das Frankfurter Opernorchester, dem es gelingt, den perfekten
Spannungsbogen zwischen andächtigen Momenten und schallendem Finale Furioso zu
ziehen.
Am Ende ist es nicht nur die Liebe, sondern auch die selbstlose Weisheit der
Feldmarschallin, die Octavian und Sophie zusammenbringt. Mit einem beeindruckenden
Terzett in den höchsten Soprantönen endet das Stück und mündet zurecht in einem
begeisterten Applaus des Publikums.
Christoph Schulz
Viereinhalb Stunden Oper und keine Minute davon war verschwendete Zeit. Ohne
Erwartung an eine Oper heranzugehen kann manchmal auch ganz gut sein, wie ich
herausgefunden habe. Ich hatte Spaß, war fasziniert und Teil der Handlung. Eine großartige
Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. So viele Eindrücke, die einen bestürmen, so viele
großartige Sänger und Sängerinnen. Aber bevor ich darauf eingehe, möchte ich das tolle
Bühnenbild würdigen. Oft sieht man heutzutage doch ein eher modernes und einfach
gehaltenes Bühnenbild. Nicht so beim Rosenkavalier. Insgesamt vier unterschiedliche
Bühnenbilder verkörpern die verschiedenen Räume. Mehrere ‚Bilder‘ auf einem großen
würfelartigen Bühnenteil, das bewegt werden kann, kann man ausmachen: einen Brunnen,
einen Aufzug, eine Treppe und ein Regal mit Weinflaschen, ein Raum mit einem Sofa.
Außerdem befinden sich auf der Bühne, die sich ebenfalls drehen kann auf einer Seite Betten
und auf der anderen Seite eine Ansammlung von Tischen. Je nach Ort der Szene wird die
Bühne und/oder der Würfel bewegt und der Zuschauer in einen anderen Raum hinein
geführt. Ein sehr schönes und stimmiges Bühnenbild, das mir sehr gut gefallen hat.
Alle Sänger und Sängerinnen waren in meinen Augen – soweit ich das beurteilen kann –
einfach toll. Am besten gefallen hat mir Jenny Carlstedt als Octavian und Mariandl. Auch die
anderen Sänger waren toll. Der Gesang schien jeder Person auf den Leib geschneidert zu
sein. Auch Karl-Heinz Lehner in der Rolle des Baron Ochs auf Lerchenau, Maria Bengtsson in
der Rolle der Feldmarschallin und Kateryne Kaspar in der Rolle der Sophie haben mir sehr
gut gefallen, so wie alle anderen Sänger und Sängerinnen ebenfalls. Besonders aufgefallen
ist mir, dass die Sänger auch schauspielerisch brillieren konnten. Die Musik hat mir ebenfalls
sehr gut gefallen, auch wenn man zwischendurch etwas ‚schräge‘ Töne vernommen hat, so
hat sie doch wunderbar zu dem Gezeigten auf der Bühne gepasst. Konzertant hätte das
Ganze vielleicht anders ausgesehen.
Alles in allem war es eine sehr schöne Aufführung, die ich gerne wieder besuchen würde und
ich jedem Opernliebhaber ans Herz legen kann. Die viereinhalb Stunden haben sich auf
jeden Fall gelohnt.
Carlotta Pötter
Der Rosenkavalier war meine erste Oper und bei einer Spielzeit von fast viereinhalb Stunden
scheinbar ein sehr hohes Ross, dass ich zu besteigen wagte. Im Nachhinein war es
vermutlich der beste Einstieg in die Oper, die ich mir hätte vorstellen können.
Maria Bengtssons Feldmarschallin hatte mich von der ersten Minute an im Bann, ließ mich
ihre Sorge um das erdliche Ende teilen und dem was danach kommt und hatte eine
Sopranstimme die mir Gänsehaut verschaffte. Auch Baron Ochs von Lerchenau, gespielt
von Karl-Heinz Lehner, hatte mich von Anfang an auf dem Rand meines Sitzes, doch wer
mich gnadenlos vom Sitz geworfen hat war Jenny Carlstedts Octavian. Nicht nur eine
wundervolle Stimme und das Herz am rechten Fleck, sondern auch einem Mann in keinerlei
nachstehend machte sie sich hervorragend als Rosenkavalier, welches zurecht als Komödie
in drei Aufzügen bezeichnet wurde.
Der erste eben jener Aufzüge war für meinen Geschmack verbunden mit wenig Inhalt, was
ihn jedoch nicht weniger amüsant gestaltete. Lediglich den Aufmarsch von Waisen, Händlern
und Intriganten war etwas abrupt und ließ mich zumindest für einen Augenblick die Übersicht
verlieren.
In den folgenden Aufzügen hätte ich mir jedoch nicht mehr erhoffen können, gefüllt mit
Intrigen, Sophies Auftritt und ihre Liebesgeschichte mit Octavian und seine List waren mehr
als genug Stoff um die Oper nie auch nur ansatzweise langweilig werden zu lassen.
An dieser Stelle möchte ich noch das Bühnenbild erwähnen. Häufig habe ich im Theater
moderne oder einfach gehaltene Bühnenbilder gesehen, wohingegen mich das
wohldurchdachte und durchaus detaillierte Bühnenbild des Rosenkavaliers mehr als einmal
zum Staunen gebracht hat. Nicht so bei dem Rosenkavalier, es zeigte sich unglaublich
Vielseitig mit seiner Schwenktechnik sowie dem Würfelartigen Zentrum welches aus
Brunnen, Aufzug, Weinregal und einer Treppe bestand und mich schnell überzeugen konnte
von Szenenwechsel, so war es ein leichtes zu verfolgen wie die Feldmarschallin zum
Beispiel von ihrem Gemach in das Cafe ging.
Es waren in jedem Fall viereinhalb sehr gut genutzte Stunden mit einer hervorragenden
Performance aller Sängerinnen und Sänger – inklusive dem Kinderchor – das mich auf jeden
Fall überzeugt hat, die Oper Frankfurt demnächst wieder einmal zu besuchen.
Saskia Hohmann
Von meinem Platz aus kann ich gerade noch so die Hände des Dirigenten sehen, wie er bei
einem "Forte" wild gestikuliert und sein Taktstock im Rhythmus der Musik tanzt.
"Tanz". Richard Strauss' Oper ist geprägt vom Element des Tanzes, vor allem Walzer
klingen an und sind in die Gesamtkomposition eingeflochten. Der "Tanz" ist nicht nur hörbar,
auch schwingt der schmierige Baron "Ochs von Lerchenau" das Tanzbein auf der Bühne und
die Dienerschaft dreht sich im Takt der Musik. Ganz besonders erinnert mich Sophie, die
Tochter des Herrn von Faninal, mit ihrer steifen, puppenhaften Haltung und dem hellblauen
Tüllröckchen an eine Ballerina auf einer Spieluhr. Bewusst wird mir durch den Walzer
besonders das Wienerische, welches auch im Bühnenbild durch den Kaffeehausstil
unterstrichen wird. Dieses Wienerische trägt so viel Komik in sich, die beispielsweise durch
den Dialekt entsteht. Hervorragend ist die Arie des Barons von Lerchenau am Ende des
zweiten Aktes, in der er halbtrunken und selbstgefällig auf Wienerisch parliert, untermalt von
Bläserklängen, die so komisch und aufgeblasen klingen wie er selbst.
Ebenfalls komisch ist die Verwechslungskomödie um Octavian und das Dienstmädchen
Mariandl, die stark an die "opera buffa" Mozarts erinnert. Jenny Carlstedt glänzt in dieser
Hosenrolle mit genau dem richtigen Maß an humorvoller Überzeichnung und Albernheit und
Ernsthaftigkeit. Dabei kann sie gleichermaßen in die Rolle der koketten Mariandl schlüpfen,
die sich im Geheimen jedoch vor Fußschmerzen aufgrund der hohen Hacken die Füße reibt
und in die des schwerverliebten und zwischen zwei Frauen hin- und her gerissenen
Octavians.
Diese tragische Dreiecksgeschichte wirft einen Schatten über die heitere Farce. Die
Marschallin Fürstin Werdenberg bietet mit ihrem Philosophieren über Vergänglichkeit und
Zeit einen Gegenpol zur Komik der Oper. Ganz in Weiß gekleidet schreitet sie über die
Bühne und in jedem Schritt erkennt man die Schmerzen, welche die tödliche Krankheit ihr
bereiten. Begleitet wird ihr Auftreten stets von makaber-schaurigen Elementen, die an
moderne Horrorfilme erinnern: Ein junges Mädchen im weißen Nachthemd geistert über die
Bühne, Dienstmädchen greifen sich plötzlich an die Kehle und stürzen tot zu Boden und
Leichen werden aufgebahrt über die Bühne gefahren. Das Schicksal der Fürstin berührt mich
tief und ich muss Octavian zustimmen, wenn er sagt "Theres, du bist so gut". Sie gibt den
Geliebten frei mit der Begründung, dass sie versuche, ihn so sehr zu lieben, dass sie sogar
seine Liebe zu einer anderen liebt.
Ich entdecke die Hände des Dirigenten immer wieder, sie sind das Einzige, was mich mit
dem Orchester direkt verbindet. Und natürlich lausche ich dem Klang, der mir in den Ohren
bleibt und summe noch auf dem Nachhauseweg das beschwingte 1-2-3 vor mich hin.
Pauline Moran