Glauben Sie an Geister (im Wald)?

Aktuell
4. Juni 2015
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Sommer und Clematide gehen
so die Anwohnerin. Verstärkt wurde die Angst vor dem Wald durch
den Fund von Grabkerzen, die in
der Nacht unweit des Waldrandes
aufgefunden worden sind. Dass im
Wald Grabkerzen aufgestellt wurden, bestätigt die Kantonspolizei
Thurgau: «Diese haben auf Baumstrünken gestanden und wurden
anlässlich einer Kontrollfahrt aufgefunden. Ein möglicher Hintergrund ist nicht bekannt», sagt Daniel Metzler, Mediensprecher der
Kantonspolizei Thurgau.
ROMANSHORN Zwei langjährige Stadträte treten ab
In der Dämmerung geht es los
Grabkerzen also – und ungewöhnliche Geräusche. «In der letzten Woche waren die Geräusche
morgens von 3.30 bis 4.45 Uhr zu
hören», sagt die besorgte Anwohnerin. Sie und ihre Familie lieben
ihr Haus und fühlen sich eigentlich wohl, doch sobald die Geräusche in der Dämmerung einsetzen, packe sie ihre Sachen auf dem
Sitzplatz und verriegelt alle Türen
und Fenster. «Solange wir nicht
wissen, womit wir es zu tun haben, lasse ich nichts im Haus offen», sagt sie. Tondokumente, die
von der Familie in der vergangenen Woche aufgenommen wurden, deuten auf den Ruf einer Eule hin. «Eine Eule ist das unserer
Meinung nach aber nicht – die klingen anders, nicht so hoch und nicht
einsilbig», meint die Anwohnerin.
Alles deutet auf Waldkauz hin
Dem widerspricht Willi Looser aus
Salmsach, Vizepräsident des Vogelschutzvereins Romanshorn und
Verantwortlicher der Vogelpflegestation. «Die Beschreibung passt
ziemlich genau auf den Ruf junger
Waldkauze – der Nachwuchs
schlüpft jeweils im März und beginnt Ende Mai, Anfang Juni mit den
Lauten, um auf sich aufmerksam
zu machen», so Looser. Ausserdem sei im letzten Jahr im Laametwald eine Bestandesaufnahme
gemacht worden. Resultat: Der
Waldkauz ist seit letztem Jahr offiziell in besagtem Wald ansässig.
Für zwei Romanshorner Stadträte hat letzten Montag ein
neuer Lebensabschnitt begonnen: Max Sommer (Parteilos)
und Danilo Clematide (SP) treten von der Politbühne ab.
Bild: fotolia.de
Hoher Ton, einsilbig und ab der Dämmerung zu hören: Die Beobachtungen der Anwohner stimmen mit dem Waldkauz – insbesondere mit dessen Jungtieren – überein.
Auch dass die Geräusche erst
abends hörbar sind, passt dabei ins
Bild: «Der Waldkauz versteckt sich
tagsüber und verhält sich ruhig»,
so Looser. Für Revierförster Daniel Hungerbühler aus Romanshorn
ist die Anwesenheit des Waldkauzes eine gute Nachricht: «Eine
Rehpopulation wird im Laametwald aufgrund der vielen Hunde
wohl nicht entstehen – umso schöner ist es, dass in den oberen Stockwerken des Waldes neues Leben
Einzug hält», so Hungerbühler.
Dass der Wald mit all seinen Geräuschen manchen Menschen
Angst einflösst, findet er halb so
schlimm: «So gehört der Wald zumindest nachts den Tieren», sagt
er mit einem Schmunzeln.
«Das Gefühl lässt mich nicht los»
Bleibt noch das Rätsel mit der gefundenen Grabkerze. Gerüchte
unter den Anwohnern, dass sich im
Laametwald eine Person erhängt
haben soll und dies etwas mit den
ungewöhnlichen Geräuschen zu
tun haben könnte, steigerten die
Furcht vor dem Wald weiter. Dabei liegt eine weltlichere Lösung
näher. Wie die Kantonspolizei
Thurgau bestätigt, hat im Laametwald tatsächlich ein Suizid
stattgefunden. Die Grabkerze dürfte demnach von Angehörigen oder
Bekannten der verstorbenen Person im Wald platziert worden sein.
Die Anwohner des Laametwaldes
können also aufatmen. Oder? Ganz
abgeschlossen ist die Geschichte
für die Anwohnerin noch nicht:
«Wenn ich zu hundert Prozent sicher wäre, dass es sich um einen
Waldkauz handelt, könnte ich wieder beruhigt schlafen. Ich bin aber
nicht ganz überzeugt, dass es sich
dabei um den Ruf eines Waldkauzes handelt. Das Gefühl, dass es sich
um etwas anderes handelt, lässt
mich nicht los.»
Benjamin Gahlinger
Für Danilo Clematide ging eine 20jährige Amtszeit zu Ende. Max
Sommer, der gesamthaft in mehr
als vier Jahrzehnten in verschiedenen Funktionen für Romanshorn tätig war, gibt sein Amt in der
Exekutive nach zwei Legislaturperioden ab. «Der Linke und der
Rechte verstanden sich in der Exekutive auf Anhieb gut», lachen
Danilo Clematide und Max Sommer beim gemeinsamen Gespräch. Der SP-Politiker und der
Parteilose tauschten sich deshalb
gerne auch ausserhalb der Sitzungen aus oder holten sich auf gemeinsamen Reisen die für ein öffentliches Amt wichtige Horizonterweiterung.
Von der Freizeit zum Bau
So richtig auf den Geschmack der
Politik sei er über seine Arbeit als
Journalist auf der Tagblatt-Lokalredaktion Romanshorn gekom-
men, blickt Danilo Clematide, der
sein Amt im damaligen Gemeinderat von Romanshorn exakt vor
20 Jahren angetreten hatte, zurück.
Ein Viertel aller
Strassen erneuert
Auch Max Sommer fand über seinen Beruf Gefallen an der Gemeindepolitik. Sein neuer Arbeitgeber wünschte sich nämlich ausdrücklich, dass das frisch aus dem
Aargau zugezogene Kadermitglied
einer Baufirma seine Führungsund Fachqualitäten auch in öffentlichen Ämtern einsetzen soll.
Diesem Wunsch kam Max Sommer aus Überzeugung über 40 Jahre lang nach. Er führte den örtlichen Feuerwehrstützpunkt und
war stellvertretender Orts-Chef im
Zivilschutz, kümmerte sich an vorderster Front um Elektrizität und
Wasser und übernahm in vielen
weiteren Kommissionen Verantwortung. Federführend war der 67Jährige auch beim Bau des ersten
zertifizierten Seewasserwerkes sowie beim Aufbau des Forstreviers
Oberthurgau, welches einige hundert Waldbesitzer vereint.
pd
Online:
In unserer Onlineausgabe können Sie die Geräusche aus dem
Laametwald mit dem Originalruf eines Waldkauzes vergleichen.
www.obna.ch
Bild: z:V.g.
Haben Romanshorn in den letzten Jahrzehnten mitgeprägt: Die abgetretenen Stadträte Danilo Clematide (l.) und Max Sommer.
Glauben Sie an Geister (im Wald)?
Gertrud Grindat,
Riedt bei Erlen
Iris Zöllig,
Amriswil
Thomas Hengartner,
Amriswil
Martina Malär,
getroffen in Amriswil
Bruno Stöckli,
Sitterdorf
Nein, ich glaube nicht an Geister.
Aber nachts möchte ich auch nicht
unbedingt alleine im Wald unterwegs sein. Man kann ja nie wissen,
wer sich sonst noch im Wald aufhält. Das kann einem schon Angst
machen. Auch in Erlen habe ich
draussen Angst, wenn das Licht gegen elf Uhr gelöscht wird.
Ich gehe gelegentlich in den Wald,
aber mir kommt es nicht in den
Sinn, dass sich jemand an mich anschleichen könnte. An Geister
glaube ich nicht, das ist lächerlich. Aber nachts kann einem schon
mulmig werden, wenn man nicht
sieht und weiss, wer sich sonst noch
alles draussen aufhält.
Ich habe keine Angst vor Geistern. Es kann schon sein, dass es
Geister gibt, immerhin kann man
nicht das Gegenteil beweisen. Falls
es sie geben sollte, sind sie aber
nicht böse. Wenn dann wird mir
mulmig, wenn ich in einer dunklen Gasse in einer Grossstadt unterwegs bin.
Nein, ich glaube nicht an Geister, Ich wohne im Hohlenstein bei Sitdas ist für mich Aberglauben. So terdorf circa 40 Meter vom Wald
lange es hell ist, habe ich keine entfernt. Ich höre des Öfteren
Probleme im Wald. Aber wenn es Füchse oder Eulen im Wald, aber
dunkel wird, bin ich nicht so ger- Angst macht mir das nicht. Wenn
ne im Wald unterwegs. Aber wirk- dann ist es nur nervig, weil dann
lich Angst würde ich eher bekom- manchmal auch die Hunde zum
men, wenn ich in einem schlech- bellen anfangen. An Waldgeister zu
ten Viertel einer Grossstadt bin.
glauben, ist einfach lächerlich.
Für Sie waren unterwegs:Friedrich Gregor und Benjamin Gahlinger