Kleidung und Mode

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18.03.2003
10:55 Uhr
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ÜBER KULT UND KLUFT
EXKURS: KLEIDUNG UND MODE
Was ist Mode, was ist Kleidung?
Mode umfasst alle Lebensbereiche - den Beruf und die
Hobbies, die Wohnung, das Auto und das Essen, die
Sprache und das Outfit. Mal ist fernöstliche Küche in,
dann lebt man wieder vegetarisch. War es ehedem
schick, eine Schreinerlehre zu absolvieren, so sind jetzt
die Gesundheitsberufe überlaufen. Das Skateboard und
die Inlineskates, die dereinst die guten alten Rollschuhe
ablösten, haben auch schon wieder ausgedient - ein
Kickboard muss es nun sein.
Mode ist alles, was neu ist, sich vom Althergebrachten
abhebt, ein Lebensgefühl widerspiegelt, das man Lifestyle
nennt. Modische Kleidung unterliegt besonders schnellen
Änderungszyklen, heute noch in und morgen bereits
mega-out. Woher kommt dieser Drang, ständig in eine
neue Haut schlüpfen zu wollen?
ZWISCHEN UNIFORM UND INDIVIDUALITÄT
Psychologen und Soziologen leiten das Verlangen, sich
ständig anders kleiden zu wollen, aus dem Urtrieb des
Menschen nach stetiger Veränderung ab.
Einerseits will man seine Individualität unterstreichen,
andererseits seine Gruppenzugehörigkeit demonstrieren.
Mit der Kleidung kann man Rebellion oder Konformität
ausdrücken - der Punk, der mit zerrissener Hose und
Stecknadel im Ohr als Bürgerschreck gelten will, oder der
Bundestagsabgeordnete, der sich der (ungeschriebenen)
Krawattenpflicht beugt.
Polizisten und Soldaten, aber auch Luftfahrtbegleiter,
Richter oder Kaminfeger heben sich durch ihre Uniform
von der übrigen Bevölkerung ab und signalisieren so ihre
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe. Die
Uniform hat darüber hinaus auch die Funktion, ihnen
einen gewissen Status und Respekt zu verleihen.
Auch die Kultur, in der man lebt, spielt eine Rolle. Bei 30
Grad im Schatten greift Frau in Deutschland bedenkenlos
zum ärmellosen T-Shirt - in den meisten islamischen Kulturen würden ihre nackten Oberarme Entrüstung auslösen.
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Bis zur Französischen Revolution
wandelte sich die Mode sehr
langsam. Tonangebend waren der
Adel und die oberen Gesellschaftsschichten. Nach 1789 war
modische Kleidung vor allem eine
Frage des Geldes. Die Erfindung
der Chemiefasern und die Entwicklung besserer Verarbeitungsund Veredlungsverfahren verbunden mit steigender Kaufkraft
nach dem 2. Weltkrieg führte zu
einer Demokratisierung der Mode,
die im heutigen Massenkonsum
gipfelt.
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WER MACHT MODE,
WER MACHT KLEIDUNG?
CYBERCHIC UND ÖKOLOOK
Modeschöpfer suchen um jeden Preis Aufmerksamkeit
zu erregen, indem sie Mode kreieren, die sich von dem
bisher Getragenen unterscheidet.
Diese Mode fragt nicht nach Bequemlichkeit, Logik oder
Vernunft. Auffallen um jeden Preis ist die Devise. Wer
bitte hängt sich versilberte Duschköpfe um den Hals und
geht in durchsichtiges Cellophan gehüllt zur Arbeit?
Und nach ökologischen Aspekten fragt sie schon gar
nicht. Hauptsache neu - wie und nach welchen Verfahren der Stoff hergestellt wird, spielt bei der Kreation
neuer Kleidungsstücke kaum eine Rolle.
Die Modemacher und mit ihnen die Bekleidungshersteller haben die Aufgabe, aus den Anregungen aus Düsseldorf, Mailand, New York oder Paris tragbare Kollektionen zu fertigen.
SPÜRNASEN IM SZENELOOK
Was machen Trendscouts?
Trendscouts sind überall
unterwegs, in den Clubs und
Undergroundszenen der
Metropolen, in Bazaren und
Shopping Malls fremder Kulturen,
in den Bahnhöfen und
Hinterhöfen dieser Welt. Sie halten
die Nase immer im Wind und
nehmen jede Verrücktheit auf - sei
es die Mode, das Essen, die
Fortbewegung oder die Wohnkultur und geben diese an die
Industrie weiter. Diese entscheidet,
ob der Trend großflächig
vermarktet werden soll.
Hersteller von Jugendmode und Accessoires setzen
darüber hinaus Trendscouts ein, Beobachter, die in der
Szene die neuen Trends outen und herauszufinden versuchen, welche Art von Outfit morgen der große Renner
sein könnte.
Trendsetter können auch Popgruppen, Sportler oder
Schauspieler sein. Je schriller, desto besser. Banker oder
Politiker in seriöser Kleidung sind für Jugendliche keine
modischen Vorbilder.
Jede Saison ein neues Outfit - das ist Mode. Kleidung
wird nicht ausrangiert, weil sie zerrissen oder abgenutzt,
sondern weil sie „aus der Mode“ gekommen ist und ihr
Träger signalisiert, dass er „von gestern“ ist.
QUANTITÄT VOR QUALITÄT?
Wandte ein Bundesbürger aus einem Vier-PersonenHaushalt mit mittlerem Einkommen 1970 noch etwa ein
Zehntel seiner Ausgaben für die Anschaffung von Textilien auf, so sind es heute kaum mehr als sechs Prozent.
Dennoch sind die Bundesbürger mit 28 Kilo pro Kopf
und Jahr Weltmeister im Textilverbrauch. Etwa zwei
Drittel davon ist Bekleidung.
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GEBRAUCHSÖKOLOGIE
EXKURS: KLEIDUNG UND MODE