Newsletter - UKSH Universitätsklinikum Schleswig

Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein
8/2015
Pflegeforschung
Ne w s le t t e r
Kiel und Lübeck im August 2015
>Für Euch gelesen
Liebe Kollegeninnen und Kollegen, anbei der August Newsletter. Wir hoffen interessante Artikel vorstellen zu können und
freuen uns, wie immer, über Eure Anregungen. Herzlichen Gruß Susanne Krotsetis und Peter Nydahl.
Die ETHICA Studie- Meinungen von älteren Menschen bezüglich der Aufnahme auf Intensiv Stationen zwecks
lebenserhaltender Maßnahmen
Zu dieser Frage untersuchte eine prospektive französische Studie (Phillippart et al. 2013) 100 selbständig lebende, ambulante PatientInnen ≥80 Jahre, die wegen einer chronischen internistischen oder chirurgischen Erkrankung im Krankenaus behandelt wurden und PatientInnen, die in einer Pflegeeinrichtung lebten. Es wurde den ProbandInnen 2 Kurzfilme
gezeigt. In Film 1. wird ein Szenario eines kardiogenen Ödems darstellt, welches mit NIV Beatmung behandelt wird und
in Variante a) zur Verlegung auf eine periphere Station oder b) mit Tod im kardiogenen Schock endet. Film 2. beschreibt
das Szenario einer bakteriellen Lungenentzündung mit ARDS und invasiver Beatmung mit Variante a): Besserung des
Zustandes und Verlegung oder b) Akuter Niereninsuffizienz mit Dialyse und langem Intensivaufenthalt. Ergebnisse: Die
Ablehnungsrate für NIV lag bei 27 %, für eine invasive Beatmung bei 43 % und bei 63 % für eine Dialyse, nach invasiver
Beatmung. Kommentar: Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass eine Willenserklärung, wenn möglich, vor einer Eskalation einer chronischen (oder auch einer Akutsituation) Erkrankung stattfinden sollte und nicht erst auf der ITS. Die Art der
Aufklärung (Filmbeispiele) sind auch in anderen Studien als hilfreich bewertet worden. Einen interessanten Vortrag zu diesem
Thema („Sinnlose Therapien auf ITS“) und dem Meinungsbild dazu am UKSH hält Frau Prof. Dr. Muhl am 24.09.2015 beim
4. kleinen Intensivpflegesymposium in Lübeck. (SK).
Quelle: Phillippart, F. et al. (2013). The ETHICA study (part I): elderly’s thoughts about intensive care unit admission for life-sustaining treatments. Intensive Care Medicine. 39:2976.
Zuviel Sauerstoff ist ungesund
Intensivpatienten benötigen aufgrund der Erkrankung initial oftmals zusätzlichen Sauerstoff. Zuviel Sauerstoff kann
aber u.a. auch zur Vasokonstriktion führen, die kardiale Auswurfleistung reduzieren und Entzündungsprozesse fördern.
Helmerhorst et al. (2015) führten eine systematische Literaturrecherche zu der Frage durch, ob eine Hyperoxämie in den
ersten Stunden nach Aufnahme zu einer erhöhten Mortalität führen würde. Im Ergebnis konnten die Autoren 19 Studien
in ihre Meta-Analyse einschließen, die zeigten, dass eine Hyperoxämie das Risiko, im Krankenhaus zu versterben, insgesamt um das 1.21-fache erhöht (95 % CI: 1.08-1.37, p=0.001). Kommentar: Zuviel Sauerstoff ist ungesund. Problematisch
an der Arbeit ist, dass die Autoren Hyperoxämie sehr unterschiedlich definiert haben (teilweise ein pO2 > 300 mmHg) und es
auch einzelne Patientengruppen gab, die von einer erhöhten Sauerstoffgabe profitierten. Allgemein bleibt zu bedenken, dass
Sauerstoff auch Nebenwirkungen hat und eine Normoxämie diese Nebenwirkungen reduziert (PN).
Quelle: Helmerhorst HJ, Roos-Blom MJ, van Westerloo DJ, de Jonge E. Association Between Arterial Hyperoxia and Outcome in Subsets of
Critical Illness: A Systematic Review, Meta-Analysis, and Meta-Regression of Cohort Studies. Crit Care Med. 2015 Jul;43(7):1508-19.
Einfluss von Rapid Response Systems auf die Mortalität
In vielen Krankenhäusern in den USA, Australien, Neuseeland, Großbritannien, aber auch in den skandinavischen Ländern, sind sogenannte Rapid Response Systems (RRS) (bestehend aus Arzt/Pflegekraft/ Respiratory Therapist oder aus
Intensivpflegekräften/ Respiratory Therapist) implementiert die von KollegInnen der peripheren Stationen zu Hilfe gerufen werden, sobald sich der Zustand eines Patienten akut verschlechtert Der Schwellenwert eines akut verschlechterten
Zustandes wird nach Checklisten u.a. basierend auf Werten der Atemfrequenz, Blutdruck, Puls, aber auch Veränderung des
kognitiven Status eingeschätzt. Zum einen kann das RRS Hilfestellung zum weiteren therapeutischen Vorgehen geben,
evtl. die Verlegung auf ein IMC/ITS initiieren oder, wenn notwendig, eine kardiopulmonale Reanimation einleiten. Ein
systematische Übersichtsarbeit (Maharaj et al. 2015) mit Meta-Analyse ging der Frage nach, ob a) RRS die Krankenhausmortalität bei stationären PatientInnen senken können sowie b) die Mortalitätsrate bei Herzkreislaufstillstand. 29 Studi-
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Pflegeforschung
en (2000-2013) wurden in die Übersichtsarbeit eingeschlossen mit n= 2.160.213 PatientInnen (1.107.492 in der RRS
Gruppe und 1.108.380 in der Kontrollgruppe). In 19 der Studien befanden sich Ärzte im RRS, in 2 waren Ärzte Mo-Fr
von 8-16 Uhr anwesend, 7 Studien hatten keinen Arzt im RRS Team und eine Studie machte keine Angaben, ob multidisziplinär oder nicht. Ergebnisse: Die Implementation eines RRS konnte in der Population der Erwachsenen eine signifikante Reduktion der Krankenhausmortalität (p<0,001) sowie der Mortalitätsrate bei Herzkreislaufstillstand (p< 0,001)
nachweisen. Weitere Analysen zeigten keinen Zusammenhang zwischen der disziplinären Aufstellung (Arztanwesenheit)
des Rapid Response Teams, Dauer der Einführungsphase (evtl. Benefit einer längeren Implementationsphase des RRS?),
Anzahl der Einsätze pro 1.000 Fälle und Mortalität. Kommentar: Rapid-response-Systems sind ein wirksames Konzept,
welches ein hochqualifiziertes Team mit einem präventiven Ansatz (im Gegensatz zu REA Teams) schnell vor Ort sein lässt,
bevor eine kritische Verschlechterung des Patienten eintritt. Vielleicht eine Idee für ein eventuelles Pilotprojekt? (SK).
Quelle: Maharaj et al. (2015). Rapid response systems: a systematic review and meta-analysis. Critical Care.19.254.
Personalbesetzung und Mortalität
Neuraz et al. (2015) aus Frankreich überprüften in einer Multicenterstudie auf 8 medizinischen, chirurgischen und gemischten universitären Intensivstationen den Einfluss von Personalbesetzungen auf die Mortalität der Intensivpatienten.
Berücksichtigt wurden hierbei pro Schicht die Besetzung von Pflegenden und Ärzten, die Anzahl der Patientenaufnahmen
und -verlegungen sowie auf der Intensivstation durchgeführte lebensunterstützende Prozeduren, die Krankheitsschwere
und Comorbiditäten. Patienten, bei denen die Therapie eingestellt wurde, wurden von der Analyse ausgeschlossen. Im
Ergebnis konnten über ein Jahr 5.718 Patienten untersucht werden, von denen 7 % (n=424) unerwartet verstorben sind.
Durchschnittlich waren pro Schicht das Patienten-Pflegende-Verhältnis (P:P) 1,8:1, das Patienten-Ärzte Verhältnis (P:Ä)
5,6:1. Es lagen ø 13,3 Patienten auf Station, 6,9 Patienten wurden täglich gewechselt und 1,3 Prozeduren pro Schicht und
Patient durchgeführt. Das nach Einflussfaktoren adjustierte relative Risiko, auf der Intensivstation zu versterben, lag bei
einem P:P-Verhältnis von 1:1 bei 1. Lag das P:P-Verhältnis zwischen 1,1:1 und 1,5:1, stiegt das relative Risiko auf 1,9;
bei 1,5:1 - 2:1 auf 2,0; bei 2,1:1 - 2,5:1 auf 2,3 und stieg es über 2,5:1, stieg das relative Risiko auf 3,5. Ähnlich auch bei
Ärzten: stieg das P:Ä auf über 14:1, so verdoppelte sich das relative Risiko. Je höher die Anzahl an Neuaufnahmen und Verlegungen, bzw. die Anzahl an Prozeduren, desto höher ist die Mortalität. Kommentar: die Autoren weisen daraufhin, dass
es weitere Faktoren wie Bildung, Erfahrung, Personalplanung gibt, die einen Einfluss haben können und in der Studie nicht
berücksichtigt wurden. Die Autoren rufen aber auch dazu auf, weitere Studien dieser Art durchzuführen, um mit belastbaren
Daten argumentieren zu können. Diesem Aufruf schließen wir uns an. Zu bedenken ist, dass ein relatives Risiko nicht das absolute Risiko darstellt, es wurde also nur die verhältnismäßige Sterblichkeit berechnet (PN).
Quelle: Neuraz A, Guérin C, Payet C et al. Patient Mortality Is Associated With Staff Resources and Workload in the ICU: A Multicenter Observational Study. Crit Care Med. 2015 Aug;43(8):1587-94.
In eigener Sache: das 4. kleine Intensivpflegesymposium
Vormerken: Am Donnerstag den 24. September 2015 von 14-17 Uhr wird in Lübeck das 4. kleine Intensivpflegesymposium
stattfinden. Programm und Veranstaltungsort werden demnächst per E-Mail versandt und auf den Stationen ausgehängt.
In eigener Sache: Intensivtagebücher
Aufgrund des Artikels in dem Zeitmagazin ist das Interesse an Intensivtagebüchern gestiegen. Am 8.9. gibt es hierzu in
Kiel von 14.00-15.30 Uhr in der Westkurve/Chirurgie ein Training, wie, wann, bei wem, was und was nicht in ein Intensivtagebuch geschrieben werden kann (PN).
Peter Nydahl: [email protected] und Susanne Krotsetis: [email protected] www.uksh.de/Pflege/Pflegeforschung.html
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