„NIXE“ hilft. Die Klangkunst-Ausstellung „NIXE“ des musikprotokoll im steirischen herbst 2015 ist nach dem Schiff des Mittelmeerforschers Erzherzog Ludwig Salvator benannt. ensemble recherche Sa 10.10.2015, 19:30 Uhr Helmut-List-Halle Kreuz und quer durch das Mittelmeer war er auf der Suche nach Dokumentierbarem, Schützenswertem, Erzählbarem. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges setzte seinem Forschen ein jähes Ende. 100 Jahre später kreuzen tausende Flüchtlinge das Mittelmeer auf der Flucht vor Krieg. Scelsi Projekt Das ORF musikprotokoll im steirischen herbst 2015 bittet Sie, sich mit einer Spende an der ORF Hilfsaktion „Helfen. WIE WIR“ zu beteiligen. Sa 10.10.2015, 21:00 Uhr http://musikprotokoll.orf.at/nixe-hilft Helmut-List-Halle Dolomite Dub Sa 10.10.2015, 22:30 Uhr Helmut-List-Halle musikprotokoll.ORF.at infos/programm/biografien/archiv musikprotokoll 2015 Das musikprotokoll 2015 wurde kuratiert von Elke Tschaikner, Susanna Niedermayr, Christian Scheib und Fränk Zimmer. Sa 10.10.2015 Helmut-List-Halle Tagespass 18,– € Veranstalter Koproduktion 19.30 Uhr Koproduktion: Nigredo Kooperation: NIXE Wen Liu Imprint Brian Ferneyhough Liber Scintillarum 4 Pause Milica Djordjevic´ Rdja Johannes Maria Staud Wheat, not oats, dear. I’m afraid. Koproduktion: Pure Elektronik ensemble recherche 21.00 Uhr Förderer Scelsi Projekt Uli Fussenegger San Teodoro 8 (un omaggio) Mindestgröße Schriftzug: 12,2 x 3,5 mm Grad Bakar 12 Uli Fussenegger, Kontrabass, Komposition, Tonband Andreas Lindenbaum, Violoncello Ernesto Molinari, Kontrabassklarinette Martin Siewert, Gitarren, Devices Medienpartner www.skug.at 22.30 Uhr Dolomite Dub 18 Ulrich Troyer, Elektronik, Komposition Susanna Gartmayer, Bassklarinette Jürgen Berlakovich, E-Bass 3 Pure Neugier ist das Markenzeichen des Freiburger ensemble recherche. ensemble recherche Sa 10.10.2015, 19.30 Uhr Helmut-List-Halle Pure Neugier ist das Markenzeichen des Freiburger ensemble recherche. Es kommt mit einem Sextett des britischen Grandseigneurs Brian Ferneyhough und mit drei Uraufführungsstücken. Wen Liu Imprint Brian Ferneyhough Liber Scintillarum Pause Seit mittlerweile 30 Jahren ist die zielgerichtete Klangrecherche, das stete, konzentrierte Erforschen immer wieder neuer kompositorischer Denkweisen und Strukturen, das Aufspüren von Spannendem, ist also pure Neugier das Markenzeichen des Freiburger ensemble recherche. Heuer besuchen die neun Instrumental-Forscher Graz mit einer reichhaltigen Mischung aus verschiedenen Himmels- und Klangrichtungen: mit einem kraftvollen Sextett des britischen Grandseigneurs Brian Ferneyhough und mit gleich drei Uraufführungsstücken. Neben einem druckfrischen Ensemblestück von Johannes Maria Staud, der auch für die musikalische Eröffnung des heurigen herbst verantwortlich zeichnet, werden Stücke zweier junger Komponistinnen uraufgeführt – der in Wien lebenden Chinesin Wen Liu sowie der in Berlin lebenden Serbin Milica Djordjević. Milica Djordjevic´ Rdja Johannes Maria Staud Wheat, not oats, dear. I’m afraid. ensemble recherche 4 5 Imprint Liber Scintillarum (2012) für Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Viola und Violoncello Brian Ferneyhough Wen Liu Es lässt sich nicht festhalten, nicht fassen, es kommt und geht. Ob ich es empfinden, ob ich es fühlen kann? Manchmal ist es eine Idee, die in mir aufblitzt, eine Stimme, die ich höre. Es fließt dahin, erinnert mich an etwas. Die Stimme ist geblieben, auch wenn sie jetzt anders klingt. Ist es wahrnehmbar? Überschreitet das, was ich wahrnehmen kann, die Dimensionen von Zeit und Raum? Wenn ich es auch nicht bewusst wahrnehmen kann, vielleicht sollte ich einfach darauf vertrauen … ensemble recherche Jaime González, Oboe Shizuyo Oka, Klarinette Christian Dierstein, Schlagzeug Barbara Maurer, Viola Åsa Åkerberg, Violoncello Komposition: Wen Liu Das Werk von Wen Liu entstand im Rahmen des Emil-Breisach-Kompositionsauftrags, der vom musikprotokoll vergeben wird. Wen Liu (geb. 1988 in China) ist Komponistin und Medienkünstlerin. Sie absolvierte einen Master in Komposition am Konservatorium Wien und studiert seit 2009 bei Clemens Gadenstätter und Winfried Ritsch an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Ihre Stücke waren bislang u. a. beim Festival Wien Modern, beim Stockholm Fringe Fest, bei Dimanche Rouge Paris oder beim Mani-Feste am IRCAM zu hören. Für ihre Arbeit, in der sie sich von der chinesischen Philosophie und vom Klang ihrer chinesischen Mutter sprache inspirieren lässt, wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. 2012 erhielt sie den Ö1-TalentebörseKompositionspreis, wurde beim 5. Internationalen Composition Competition Francisco Escudero mit dem ersten Preis ausgezeichnet und erhielt für ihre Multimedia-Performance Monster den Fidelio-Preis (2012). Beim musikprotokoll war ihre Arbeit erstmals 2013 zu hören. Jahrelang wurde die Uraufführung des Sextetts von Brian Ferneyhough erwartet – am 22. Juli 2012 war es soweit. Bei sommerlicher Hitze, an einem Sonntagvormittag, war Liber Scintillarum in einem besonderen Format erstmals zu hören: Die Musiker spielten das Werk zweimal, daz wischen stellte sich Ferneyhough den Fragen dreier junger Komponisten (Schüttler, Barden, Kreidler). Und die Teilnehmer der 46. Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt hatten jede Menge Diskussionsstoff! Das Liber Scintillarum ist ein Buch aus dem frühen 8. Jahrhundert. Defensor, ein Mönch aus der Abtei St. Martin in Ligugé, hat darin Reden und Weisheiten früh christlicher Kirchenmänner gesammelt und sie nach Themen wie Weisheit, Glaube, Fasten etc. in 81 Kapitel geordnet. Dieses „Buch der Funken“ diente nicht als Vorlage für die Komposition, faszinierend fand Brian Ferneyhough die Idee, nur das Wichtigste, Kernaussagen zu dokumentieren. Text: Sabine Franz ensemble recherche Martin Fahlenbock, Flöte Jaime González, Oboe Shizuyo Oka, Klarinette Melise Mellinger, Violine Barbara Maurer, Viola Åsa Åkerberg, Violoncello Komposition: Brian Ferneyhough „Mein Interesse galt einer Musik, die vermittelt: zwischen verschriftlichter Notation und auditiver Erfahrung, zwischen unserer Wahrnehmung von Zeit und einem gefühlten Pulsieren, zwischen unserem inneren Selbst und der äußeren Welt.“ Nur wenige Komponisten haben die Ansätze, die von der Avantgarde in den 1950er- und 1960er-Jahre entwickelt wurde, so konsequent vertieft, ausgelotet und vorangetrieben, wie es Brian Ferneyhough in seiner Musik und seinen theoretischen Schriften getan hat. Brian Ferneyhough wurde 1943 in Coventry geboren, studierte bei Lennox Berkeley, Ton de Leeuw und Klaus Huber und erhielt bereits sehr früh für seine Kompositionen Anerkennung. In spiel- und notationstechnischer Hinsicht hat er die Gestaltungsmöglichkeiten stark ausgeweitet. Seine Streichquartette, die fast alle vom Arditti Quartet uraufgeführt wurden, gehören zu den schwierigsten Stücken dieser Gattung. Ferneyhough koordinierte von 1984 bis 1996 die Darmstädter Kompositionskurse und lehrt seit 2000 an der Stanford University. Im Jahr 2007 erhielt er den Ernst von Siemens Musikpreis für sein Lebenswerk. Das Liber Scintillarum entstand als Kompositionsauftrag des ensemble recherche mit freundlicher Unterstützung der Alexander Bürkle Gruppe/Paul Ege. 6 7 Rdja Wheat, not oats, dear. I’m afraid. für Ensemble Johannes Maria Staud Milica Djordjević Wie viele meiner Kompositionen spielt auch Rdja mit den Phänomenen Zeit, Prozess, Veränderung und Körperlichkeit. Ins Deutsche übersetzt lautet der Titel Rost – Rost, wie er durch den natürlichen Prozess der Oxidation aus Metall entsteht: Als Ergebnis einer sich langsam vollziehenden Metamorphose ist er auch ein Beweis dafür, dass die Zeit verstreicht. Rost als Farbe in allen ihren warmen Schattierungen, von Orange und Rot bis Braun, im Gegensatz zu der kalten, grauen „Ausgangsfarbe“ von Metall. Ein fester Stoff, der brüchig, porös wird … Das Stück setzt sich mit der Verschmelzung von Gesten und Bewegung auseinander, die als untrennbar miteinander verbundene Elemente in der Körperlichkeit meiner Klänge zum Ausdruck kommen, wie auch in meinen Bemühungen, die künstlerisch erweiterten Paradigmen zu einer dynamischen, höchst dramatischen und sich allmählich verändernden Form zu vereinen. Die langsame, aber stete Intensivierung und Steigerung der Spannung, die zunehmende emotionale Aufladung sowohl im musikalischen wie auch im psychologischen Sinne, das Spiel mit der Wahrnehmung von Zeit, die gedehnt und verdichtet wird, das Erzeugen von Bewegung oder Stasis, die Synergien von Klangfarben und Rhythmen, die noch weiter „unterteilten Tempi“ – all das ergibt eine intensive, „rohe“, spannungsgeladene Musik. ensemble recherche Martin Fahlenbock, Flöte Jaime González, Oboe Shizuyo Oka, Klarinette Christian Dierstein, Schlagzeug Melise Mellinger, Violine Barbara Maurer, Viola Åsa Åkerberg, Violoncello Milica Djordjević, geboren 1984 in Belgrad, erhielt ihre Ausbildung in Komposition und elektronischer Musik bis 2007 an der Universität der Künste in ihrer Heimatstadt, anschließend bei Ivan Fedele am Conservatoire de Strasbourg. Nach einem Aufenthalt am IRCAM in Paris setzte sie ab 2011 ihre Studien bei Hans-Peter Kyburz an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin fort. Sie wurde u.a. mit dem Belmont Preis der Forberg-Schneider Stiftung 2015, dem Musica Femina München 2013, Berlin-Rheinsberger Preis 2013, Kompositionspreis des Festival Luzern 2013, Preis des Thailand International Composition Festival 2012, Tesla Preis für Jugendkreativität 2011 ausgezeichnet. Die Werke Djordjevićs, unter denen kammermusikalische Besetzungen den Schwerpunkt bilden, wurden von Ensembles wie dem Arditti Quartet, dem Münchener Kammerorchester, den Neue Vokalsolisten Stuttgart, dem Ensemble Musikfabrik aufgeführt. Milica Djordjević lebt und arbeitet in Berlin. ... and coming out of the brownstone house to the gray sidewalk, the watered street, one side of the buildings rises with the sun like a glistening field of wheat. – Wheat, not oats, dear. I’m afraid if it’s wheat it’s none of your sowing, nevertheless I’d like to know what you are doing and where you are going. Text: Elizabeth Bishop, Letter to N.Y. (aus: A Cold Spring, 1955) ensemble recherche Martin Fahlenbock, Flöte Jaime González, Oboe Shizuyo Oka, Klarinette Christian Dierstein, Schlagzeug Melise Mellinger, Violine Barbara Maurer, Viola Åsa Åkerberg, Violoncello Komposition: Johannes Maria Staud Das Werk von Johannes Maria Staud ist ein Kompositionsauftrag des ensemble recherche und des ORF musikprotokoll, gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung. Der 1974 in Innsbruck geborene Komponist Johannes Maria Staud bezieht für seine Musik immer wieder Inspi ration aus anderen Künsten wie Literatur, Film und bildender Kunst. Auch Reflexionen über philosophische Fragen, gesellschaftliche Prozesse oder politische Ereignisse sind Anlass für seine kompositorische Arbeit. Dabei folgen seine kunstvoll konstruierten Werke einer konsequenten Dramaturgie. Staud schrieb Orchesterwerke u. a. für die Berliner und Wiener Philharmoniker sowie das Symphonie orchester des Bayerischen Rundfunks. Ensemblewerke entstanden u. a. für Trio Catch, Klangforum Wien, Ensemble Modern, Ensemble Intercontemporain und ensemble recherche. Das Lucerne Festival, welches Johannes Maria Staud 2014 zum Composer in residence ernannte, präsentierte die Uraufführungen seines Violinkonzerts Oskar (Towards a Brighter Hue II) und der Oper Die Antilope (Text: Durs Grünbein). Ein Auftragswerk des ensemble recherche mit der freundlichlichen Unterstützung von Herrn Paul Ege. Komposition: Milica Djordjević 8 9 Das ensemble recherche ist eines der profiliertesten Ensembles für neue Musik. Mit über fünfhundert Uraufführungen seit der Gründung 1985 hat das Ensemble die Entwicklung der zeitgenössischen Kammer- und Ensemblemusik maßgeblich mitgestaltet. Das neunköpfige Solistenensemble hat mit seiner eigenen dramaturgischen Linie einen festen Platz im internationalen Musikleben gefunden. Neben seiner ausgedehnten Konzerttätigkeit wirkt das ensemble recherche bei Musiktheaterprojekten mit, produziert für Hörfunk und Film, gibt Kurse für Instrumentalist/innen und Komponist/innen und bietet dem Nachwuchs Einblick in seine Probenarbeit. Das Repertoire beginnt bei den Klassikern des ausgehenden 19. Jahrhunderts, reicht u.a. vom französischen Impressionismus über die Zweite Wiener Schule und die Expressionisten bis zur Darmstädter Schule, dem französischen Spektralismus bis zu avantgardistischen Experimenten der Gegenwartskunst. Ein weiteres Interesse des ensemble recherche gilt der zeitgenössischen Sicht auf die Musik vor 1700. Von der enormen Bandbreite des Repertoires zeugen etwa 50 CDs. Das ensemble recherche veranstaltet zusammen mit dem Freiburger Barockorchester die jährlich stattfindende Ensemble-Akademie Freiburg, die ein Forum für die Weiterbildung professioneller Musiker im Ensemblespiel in Alter und neuer Musik und für die Begegnung beider Musikbereiche bildet. Die Musiker des ensemble recherche geben Kurse an Musikhochschulen und unterrichten bei den renommierten Internationalen Ferienkursen in Darmstadt. 10 11 „Scelsi, c’est moi“ Scelsi Projekt Sa 10.10.2015, 21.00 Uhr Auf Basis der sogenannten „Improvisationen“ von Giacinto Scelsi nähert sich der Musiker Uli Fussenegger der Welt des italienischen Komponisten an. „Scelsi, c’est moi“, so lautete 1989, ein Jahr nach dem Tod von Giacinto Scelsi, eine Schlagzeile der italienischen Musikzeitschrift Il Giornale della Musica. Der Komponist Viero Tossati, der in den letzten Lebensjahren von Scelsi Notationen für ihn anfertigte, behauptete, die Kompositionen von Scelsi seien eigentlich die seinen. Daraufhin entbrannte ein Streit über Original und Autorenschaft, der die Musikwelt beschäftigte. Helmut-List-Halle Scelsi Projekt Uli Fussenegger San Teodoro 8 (un omaggio) Uli Fussenegger, Kontrabass, Komposition, Tonband Andreas Lindenbaum, Violoncello Ernesto Molinari, Kontrabassklarinette Martin Siewert, Gitarren, Devices Scelsi, lange einer größeren Öffentlichkeit kaum bekannt, wurde in Insiderkreisen schnell zum Idol. Bereits in den 1970er-Jahren gab das italienische Ensemble von Ennio Morricone, Gruppo di Improvvisazione Nuova Consonanza, ein Ommagio a Scelsi heraus. Die Ensemblemitglieder hingen der Utopie einer spontanen Komposition während experimentellen Musizierens nach, mit der Hommage huldigten sie dem Eigenbrötler Scelsi und seiner musikalischen Vorgabe. Diese beiden historischen Ereignisse beruhen auf der von Giacinto Scelsi gepflegten sehr speziellen Art, sich in und innerhalb eines Klangs, eines Tons zu bewegen und diesen zu phrasieren, zu gestalten. Auch heute noch üben die Mitschnitte der sogenannten „Improvisationen“, die Scelsi auf der Ondiola eingespielt hat, eine hypnotische Faszination aus. Uli Fussenegger hörte im Archiv der Fondazione Isabella Scelsi in Rom diese alten Tonbänder, näherte sich danach behutsam wie respektvoll dieser Scelsi-Welt und findet nun gemeinsam mit seinen Mitmusikern zeitgemäße Wege durch diesen Zauberwald an eintönig Vielklanglichem und vieltönig Einklanglichem. Text: Christian Scheib Koproduktion von ORF musikprotokoll und ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe mit finanzieller Unterstützung der Ruhrtriennale (UA, Graz 2003). 12 13 San Teodoro 8 (un omaggio) (2013) formal-musikalischen Matrix zu etwas ungewollt Fremdartigen zu mutieren. Man könnte von einem Remix sprechen, nicht eines spezifischen Stückes, sondern von Klangmaterial, das in einem Zeitraum von 25 Jahren entstanden ist. Uli Fussenegger Im Zuge meiner Recherchen in der Fondazione Isabella Scelsi in Rom für das Projekt Giacinto Scelsi Revisited im Jahr 2011 hatte ich die Möglichkeit, den kompletten zu dem damaligen Zeitpunkt digitalisierten akustischen Nachlass von Giacinto Scelsi zu hören, das waren so an die 600 Stunden Klangmaterial. Neben meiner konzeptionellen Arbeit für das Projekt eröffnete sich mir auch die Möglichkeit, ein neues Stück auf Basis der Scelsischen Klangdokumente zu machen. Der Umgang mit historischem Klangmaterial wirft unausweichlich die Frage auf, wie man sich ihm nähert. Die Qualität dieser Aufnahmen ist bestenfalls auf Homerecording-Niveau; was mir aber bedeutend erscheint, ist der spezifische Ondiolaklang, der etwas eigentümlich Trashiges an sich hat. Besonders angesprochen hat mich die unglaublich individuelle und manchmal auch komplexe Art, wie Scelsi es verstand, dem Ondiolaklang eine Unverwechselbarkeit einzuhauchen. Seine Raffinesse der Phrasierung, Artikulation und des Vibrato, die spektakulär fein gerasterte Mikrotonalität, die oft elegante Art, die genannten Parameter zu variieren – und eben die „herausgelöste“ Zeitlichkeit mit einem weitgehenden Verzicht auf ein Metrum: All das macht dieses Material zu etwas Eigentümlichem und Autonomem. Auch deswegen, und mehr noch der Liebe und des Respekts wegen – un omaggio! Der Kontrabassist Uli Fussenegger arbeitet als Solist, Ensemblemusiker und Komponist. Zudem konzertiert er im Bereich der freien Improvisation und Elektronik. Geboren 1966, studierte er bei Franz Dunkler in Feldkirch und Ludwig Streicher in Wien, spezialisierte sich auf zeitgenössische Musik und ist seit 1987 Mitglied des Klangforum Wien, für das er auch als Projektentwickler tätig ist. Fussengger ist Gründer und Betreiber des CD Labels DURIAN Records, hat an zahlreichen CD-/DVD-/Film-/ TV-Produktionen mitgewirkt und unterrichtet an der Hochschule für Musik in Luzern, an der Kunstuniversität Graz und bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt. Die Aufführung, der Auftritt beginnt mit dem Hören dieses Tonbandstückes. Nach 24 Minuten steigen nacheinander die Musiker ein, es beginnt ein Auflösungsprozess und der Gestus wird individuell. Die Idee ist eine Mehrfachperspektive: Die Tonbandkomposition ist meine persönliche Scelsi-Betrachtung und Weiterführung, diese Betrachtung wird abermals durch die vier Musiker relativiert, die sich von einem gemeinsamen, organisierten Prozess mit Fortdauer des Stücks immer mehr in Richtung Individualität bewegen. Die auskomponierten Teile beziehen sich explizit auf das Tonband, der Weg der Improvisation lässt die Intensität, den Betrachtungswinkel und das Wegdriften offen. Man könnte das Stück als Teil einer Serie von Projekten sehen, die eigentlich mit unserem Projekt Black Friday – eine 2002 von Christian Scheib ins Leben gerufene, dreiteilige, konzeptionelle Konzertserie – begannen, also der mehr oder weniger expliziten Durchdringung eines sehr genau definierten, musikalischen Ausgangspunktes, der vornehmlich durch die Art der Organisation und die Individualität der Protagonisten gesteuert wird. Text: Uli Fussenegger Das klanglich Spezifische der Ondiolen bleibt ebenso wie Scelsis unverkennbarer Spielgestus in meinem Tonbandstück, mit dessen Hören dieser Auftritt beginnt, unangetastet. Weder die Zeitstrukturen noch die Tonhöhen wurden verändert. Die einzigen klanglichen Manipulationen, die ich vorgenommen habe, sind Entrauschungen, Filterungen und dynamische Kompression, um die spezielle Patina der Originale nicht in Frage zu stellen. Zusammenhängende ein- und zweistimmige Passagen, die ich nach charakteristischen harmonischen und zeitlichen Aspekten ausgewählt und angeordnet habe, bestimmen den formalen Verlauf von San Teodoro 8. Scelsis Klänge sollten ihr Eigenleben behalten, ohne in einer abstrakten 14 15 Der Schweizer Klarinettist Ernesto Molinari wurde 1956 in Lugano geboren. Er studierte Klarinette in Basel und Bassklarinette in Amsterdam und ist ein herausragender und vielseitiger Solist auf jedem Instrument der Klarinettenfamilie. Zahlreiche Kompositionen wurden speziell für ihn geschrieben, und seine wagemutigen Interpretationen hat eine neue Generation von Klarinettisten inspiriert. Seine rege Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker führten ihn zu den wichtigsten Festivals in Europa und auf der ganzen Welt. Neben der Interpretation klassischer, romantischer und zeitgenössischer Werke beschäftigt sich Ernesto Molinari auch mit Jazz und Improvisation. Von 1994 bis 2005 war er Klarinettist des Klangforum Wien. Heute ist er Professor für Klarinette und Bassklarinette, Kammermusik, zeitgenössische Musik und Improvisation an der Hochschule der Künste in Bern. Seit 2000 unterrichtet Molinari auch bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt, ebenso bei der Impuls Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik in Graz. Andreas Lindenbaum wurde 1963 in Detmold geboren. Er studierte Violoncello und Komposition an der Musikhochschule Detmold. 1986 ermöglichte ein Stipendium der Rotary Foundation International Studien an der School of Music in Bloomington, USA, in der Klasse von Janos Starker. Ein Jahr Schauspielunterricht und Mitarbeit in einer freien Schauspielgruppe in Deutschland. Von 1990 bis 1999 Professor für Violoncello am Konservatorium der Stadt Wien. Auftritte als Solist und Kammermusiker unter anderem bei den Salzburger Festspielen, den Bregenzer Festspielen, dem Warschauer Herbst und dem Akiyoshidai Festival. Rundfunk- und CD-Aufnahmen als Solist und Mitglied des Tetras-Quartetts. Seit 1989, dem Jahr seiner Übersiedlung nach Wien, ist Andreas Lindenbaum Mitglied des Klangforum Wien. Martin Siewert, geboren 1972 in Saarbrücken, ist ein Virtuose im Umgang mit der Gitarre, insbesondere der Lap- & Pedal-Steel Gitarre. Siewert bricht früh mit den akademischen Konventionen des klassischen Jazzgitarrenspiels und ist seit langem als erfolgreicher Solist wie auch in Kollektiv- und Bandkontexten (u.a. Trapist, Heaven And, Radian) zu hören – mit improvisierter, komponierter, akustischer und elektronischer Musik. Er lebt und arbeitet heute in Wien. Der Eingang zu Giacinto Scelsis Haus, Via di San Teodoro 8 16 17 Die große Wirkung der kleinen Irritation Dolomite Dub Sa 10.10.2015, 22.30 Uhr Helmut-List-Halle Die große Wirkung der kleinen Irritation: Diesem Prinzip folgend hat Ulrich Troyer stets unterschiedlichste Wege gefunden, um auf neue akustische Formulierungen zu stoßen. Seien es nun skulptural gedachte Klangschichtungen, Optisches zum Hören, Tanzrhythmen fürs Hirn oder Raumvermessungen mit klanglichem Instrumentarium – Troyer versetzt seine Hörer gerne in eine leichte Schräglage, ohne sie dabei das Gleichgewicht verlieren zu lassen. Ulrich Troyer, Elektronik Susanna Gartmayer, Bassklarinette Jürgen Berlakovich, E-Bass Das gelingt ihm, so heißt es in einer Kritik, „with a nimble hand and a light heart“, also fingerfertig und mit leichtem Herzen. Gerade unlängst wurde festgestellt, sein „Zuhörkino“ und seine Abstraktion von Dance-Patterns hätten sich noch weiter ineinander verzahnt. Allerdings könnte man sich noch viel schlichter über seine Arbeit freuen, erinnert seine Musik doch stark an das legendäre Album Iaora Thahiti der Elektroniker Mouse on Mars. Und das mache einfach gute Laune oder eben „ça nous fait plaisir“, wie ein französischer Kritiker über Troyer begeistert festhält. Für das musikprotokoll 2015 wird Ulrich Troyer an weiteren Überlagerungen und Schichtungen von Bass-Linien und Bass-Frequenzen arbeiten, der Arbeitstitel seines neuen Stücks hält geomorphologische Anklänge bereit: Dolomite Dub. Text: Christian Scheib Auftragskomposition ORF musikprotokoll. In Kooperation mit SHAPE – Sound, Heterogeneous Art and Per formance in Europe. Ulrich Troyer ist SHAPE Künstler. Gefördert durch das Programm „Creative Europe“ der Europäischen Union. 18 19 Ulrich Troyer lebt als freischaffender Musiker, Sound Designer, Künstler und DJ in Wien. Geboren 1973 in Innsbruck, lernte Troyer klassische Gitarre und studierte Architektur in Wien. Sein künstlerisches Prinzip wird durch ein Crossover und die Interaktion von Architektur, Musik und bildender Kunst bestimmt. Im Hörspiel Sehen mit Ohren (2007) setzt er sich mit den Raumerfahrungen blinder Menschen auseinander. Der akustische Raum und der Nachhall von Klangereignissen bilden insgesamt ein zen trales Thema in Troyers Schaffen. Troyers Hingabe für die Produktionsmethoden des Dub bieten die perfekte Spielwiese für seine Klangexperimente. Seine Beschäftigung mit Sound System Musik (Bass, Dub, Techno und deren Abstraktionen) führte zur Trilogie SONGS FOR WILLIAM. Das Projekt vereint Musik, animierte Tuschzeichnungen für die Live-Performance und eine Graphic Novel, welche die Geschichte eines Gitarren-Effekt-Gerätes mit dem Namen WILLIAM erzählt. Jürgen Berlakovich (*9.12.1970). Autor und Musiker. Texte, Hörspiele, Soundessays, Audiokarikaturen, Speechsound scapes, Palindromsongs, Filmmusik und DNA-Sonifikationen. Verwendet sprachliche Mikropartikel in Kombination mit Bass, Gitarre und Elektronik für Kompositionen und Improvisationen. Er betreibt das Solo-Musik-Projekt Takamovsky, ist Co-Initiator des Literatur- und Musik performance-Duos Sergej Mohntau und Ensemblemitglied von The Vegetable Orchestra. Studium der Deutschen Philologie und der Philosophie. Lebt in Wien. 20 21 Ö1 Sendungen 18.09.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON EXTENDED, Neugier, Kompetenz & Kreativität. 50 Jahre Institut für Elektronische Musik 26.09.2015 17.05 Uhr DIAGONAL, Zur Person Erzherzog Ludwig Salvator. Der König des Mittelmeers 04.10.2015 23.03 Uhr KUNSTRADIO-RADIOKUNST, In the Darkness of the World von Sol Rezza (CTM RadioLab 2015) 07.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON MAGAZIN, Vorschau auf das Programm des musikprotokoll im steirischen herbst 2015 09.10.2015 17.10 Uhr Ö1 KULTURJOURNAL, Live-Übertragung aus dem Universalmuseum Joanneum in Graz 09.10.2015 17.30 Uhr SPIELRÄUME, Live-Übertragung aus dem Universalmuseum Joanneum in Graz 09.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON EXTENDED, Live aus der Helmut-List-Halle in Graz 10.10.2015 10.05 Uhr Ö1 KLASSIKTREFFPUNKT, Live von der Grazer Murinsel 11.10.2015 23.03 Uhr KUNSTRADIO-RADIOKUNST, Always here for you von Claire Tolan (CTM RadioLab 2015) und NIXE/Schiffssignale 13.10.2015 17.30 Uhr SPIELRÄUME, Omar Niang – Palma de Mallorca als musikalische Multikulti-Welthauptstadt 15.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, NIXE. Mediterranean Measures, ein Projekt im öffentlichen Raum 19.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Christian Fennesz mit dem RSO Wien 20.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Das RSO Wien spielt die Symphonie fleuve op.20 von Jorge E. López 22.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Ulrich Troyer. Dub-Gebirge in Graz 27.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Am Puls der Zeit. 30 Jahre ensemble recherche 29.10.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Noise Me Tender: Petra Ackermann, Philipp Meier und Jorge Sánchez-Chiong 02.11.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, San Teodoro 8, un omaggio a Giacinto Scelsi 03.11.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, The International Nothing Bildernachweis: S. 6: Wen Liu © Wen Liu / S. 7: Brian Ferneyhough © Agathe Poupeney / S. 8: Milica Djordjević © Pedja Vuc̆ković / S. 9: Johannes Maria Staud © Jonathan Irons / S. 10, 11: ensemble recherche © M. Korbel / S. 14: Uli Fussenegger © Witten / S. 16: Ernesto Molinari © Ernesto Molinari / S. 16: Martin Siewert © Magdalena Blaszczuk / S. 16: Andreas Lindenbaum © Lukas Beck / S. 17: Scelsi Haus © Elfriede Reissig / S. 20, 21: Ulrich Troyer © Eva Kelety / S. 20: Jürgen Berlakovich © Jürgen Berlakovich / S. 22: Susanna Gartmayer © Lisbeth Kovacic 05.11.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Hildur Guðnadóttir & Omár. Der Beginn eines Lebensprojektes. 12.11.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Reshaping Club Music mit Assimilation Process und Pasajera Oscura 19.11.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, Reshaping Club Music mit Ketev und Lorenzo Senni Produktionsteam: Redaktion: Gregor Kokorz, Christian Scheib, Fränk Zimmer / Übersetzungen: Friederike Kulcsar / Herausgeber: ORF musikprotokoll / OMC Creation: Karl Markus Maier / Grafische Gestaltung: studio bleifrei / Druck: ORF Hausdruckerei / © ORF 2015 20.11.2015 23.03 Uhr DIE LANGE NACHT DER NEUEN MUSIK, Pure Elektronik. Vintage Concerts 26.11.2015 23.03 Uhr ZEIT-TON, técnicas recuperadas von Vinzenz Schwab Die Klarinettistin Susanna Gartmayer arbeitet in den Bereichen Improvisation, experimentelle Rockmusik, zeitgenössische Musik und Multimedia Soundperformance. Geboren 1975, studierte Susanna Gartmayer zunächst Druckgrafik an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Ihr besonderes Interesse gilt den erweiterten Klangmöglichkeiten der tiefen Klarinetten sowie der Theorie und Praxis gemeinschaftlicher Arbeitsprozesse in Bands und Kollektiven. Sie ist Mitglied zahlreicher Ensembles (broken.heart.collector, The Vegetable Orchestra, möström, chaosometer). Mit Aouie – Solos für Bassklarinette präsentiert sie 2015 ihre erste Solo-CD. Impressum: Österreichischer Rundfunk, Landesstudio Steiermark / musikprotokoll, Marburger Straße 20, 8042 Graz Tel. (0316) 470-28227, http://musikprotokoll.ORF.at 22 Hier finden Sie Informationen, auf welchen Frequenzen Sie Radio Österreich 1 empfangen können: http://oe1.orf.at/frequenzen Webstream: http://oe1.orf.at
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