CO2-Zertifikate dienen dem Anlagebetrug bei

CO2-Zertifikate dienen dem Anlagebetrug bei Privatpersonen
und mittelständischen Unternehmen
Der freiwillige Emissionshandel – Was ist das?
Ihren Klima-Fußabdruck bilanzieren heute alle größeren Unternehmen, selbst wenn sie nicht am
verpflichtenden Emissionshandel teilnehmen. Auch private Verbraucher fragen zunehmend nach den
Klimawirkungen ihrer Konsumgewohnheiten. BahnCard-Besitzer fahren klimaneutral, DHL
transportiert klimaneutral Päckchen und Flugreisende gleichen schon bei der Buchung ihren
Klimaschaden aus. Wie das geht? Unternehmen und Verbraucher beteiligen sich an
Klimaschutzprojekten weltweit und gleichen ihre errechneten Treibhausgasemissionen damit wieder
aus. Im Jahr 2013 wurden weltweit 76 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente dieser freiwilligen
Ausgleichszertifikate gehandelt, davon 4,4 Millionen in Deutschland.
Klimaprojekte verkaufen jedoch keine Anteile, sondern nur ihre Emissionsverringerungen. Ein Report
der Interpol bezeichnet diese sogenannten „Offsets“ oder „freiwilligen Zertifikate“ denn auch als
„legal fiction“. Diese immaterielle Ware ist für den normalen, nicht spezialisierten Käufer zunächst
ebenso wenig überprüfbar, wie die Zusicherung des Verkäufers, ihn in sein Abendgebet
einzuschließen.
Dies ist ein ideales Feld für kriminelle Elemente, die aber nicht nur durch Manipulationen rund um das
Klimaschutzprojekt und den zugehörigen Zertifikaten ihren Gewinn maximieren, sondern auch noch
mit Versprechungen über hypothetische Wertsteigerungen unbedarfte Privatkunden in Massen über
den Tisch ziehen.
Die Standards im freiwilligen Markt der Emissionsrechte
Zum Glück gibt es verschiedene Standards, die den Zweck verfolgen, die Klimawirksamkeit der
Projekte zu verifizieren und Markttransparenz herzustellen.
Zertifikate aus dem CDM, dem Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean
Development Mechanism) werden inzwischen ebenfalls auf dem freiwilligen Markt gehandelt. Der
CDM hat ein internationales Kontrollgremium, das CDM Executive Board. Es soll sicherstellen, dass
die Klimaschutzeffekte „echt, messbar und langfristig wirksam“ und außerdem zusätzlich zu allen
anderen Minderungsmaßnahmen sind, wie es im Kyoto-Protokoll heißt. Es gibt zwar immer wieder
Kritik an den Entscheidungen dieses Gremiums, aber grundsätzlich ist eine Registrierung als CER
(Certified Emission Reduction) ein Qualitätssiegel, denn die Projekte werden regelmäßig durch
unabhängige Auditoren überprüft. Erwirbt ein freiwilliger Käufer diese Zertifikate und legt sie still,
dann stehen sie dem regulierten Markt (verpflichtenden Emissionshandel) nicht mehr zur Verfügung.
Neben dem eigentlichen Emissionsausgleich trägt dieser Kauf also ein klein wenig zur Verknappung
der Emissionsrechte für die Industrie bei. Weil es noch keinen Nachfolger für das Kyoto-Protokoll
gibt und niemand weiß, wie sich die Nachfrage entwickeln wird, sind CERs im Augenblick zu
Schleuderpreisen weit unter 1 Euro erhältlich. Das liegt um den Faktor 10 bis 20 unter den Preisen, zu
denen sie ursprünglich verkauft wurden.
Im Windschatten des regulierten Markts hat sich nun seit etwa 2010 ein zweiter Zertifikatemarkt für
den freiwilligen Handel entwickelt. Sein Volumen betrug 2012 nur 0,03% des Kyoto-Markts, aber mit
stark wachsender Tendenz.
Den Anfang machte der Gold Standard. Dieser von Umweltverbänden initiierte Standard sollte
ursprünglich ökologisch und sozial besonders wertvolle CDM-Projekte im Bereich erneuerbare
Energien hervorheben. In der Zwischenzeit genehmigt er auch Projekte, die nicht beim CDMAufsichtsrat eingereicht werden. Da die USA dem Kyoto-Protokoll nicht beitraten, entstand parallel
dazu in Nordamerika der Verified Carbon Standard VCS. Er bildet methodisch und institutionell
weitgehend den CDM nach, zertifiziert inzwischen auch Projektformen und Zielgebiete, die für den
CDM nicht zugelassen sind. Eine ganze Reihe zusätzlicher Standards bietet an, ergänzend die
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Sozialverträglichkeit oder Biodiversitätsaspekte der Klimaprojekte zu prüfen. Die Qualität der derart
zertifizierten freiwilligen Projekte ist tendenziell höher als die der Projekte unter dem CDM.
Umstrittene Kategorien, wie große Wasserkraftwerke und Industriegasprojekte, kommen auf dem
freiwilligen Markt nicht vor. Die beiden großen Systeme Gold Standard und VCS lassen auch
Waldprojekte zu, die der CDM derzeit nicht erlaubt. Sie produzieren Zertifikate, die 1:1 untereinander
austauschbar sind.
Entwicklung des Zertifikatehandels im freiwilligen Markt. Immer weniger regulierter Handel über Börsen und
ab 2011 nur noch bilateraler Handel mit leicht sinkenden Preisen. Quelle: A Report by Forest Trends’
Ecosystem Marketplace May 2014
Oftmals wird im freiwilligen Markt auch der Begriff VER (Voluntary Emission Reduction)
verwendet, der gern als Oberbegriff für alle entsprechenden Zertifikate verwendet wird. VER ist aber
auch das Kürzel für Verified Emission Reduction. Dies sind dann nur einmalig kontrollierte
Emissionsreduktionen, im Gegensatz zu den CERs, die mehrmals von unabhängiger Stelle geprüft
sind. Solche Doppelbezeichnungen tragen auch nicht gerade zur Transparenz in der Branche bei.
Klimaschutzprojekte und Emissionshandelssysteme
Fast alle freiwilligen Projekte lassen ihre Emissionsverringerungen von unabhängiger Seite
zertifizieren. Weil die Zertifikate in einheitlichen Registern geführt werden, die untereinander
abgeglichen werden, können sie theoretisch nur einmal verkauft und gelöscht werden. Auf dem
freiwilligen Markt werden zwar viel kleinere Mengen gehandelt. Diese erzielen jedoch Preise bis zu
50 € pro Tonne. Mehr noch als im regulierten Markt achten die Käufer auf die „Story“ und auf den
sozialen und ökologischen Zusatznutzen des Projekts. Die Zahl der Käufer, die auf eine künftige
Verwendung der Zertifikate auch im regulierten Markt setzten, schwindet – laut der jährlichen
Marktstudie von Ecosystems Marketplace ist sie inzwischen auf null gesunken.
Allerdings trägt die Vielzahl der Standards und ihrer Kriterien nicht gerade zur Markttransparenz bei.
Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr regionale Emissionshandelssysteme entstehen. In
Südkorea, China, Kalifornien, Mexiko, Costa Rica und Chile, um nur einige zu nennen, gibt es
nationalen oder subnationalen Emissionshandel. Diese Inselsysteme sind teilweise untereinander
vernetzt, so dass Zertifikate, die unter verschiedenen Kriterien entstanden sind, gegeneinander
aufgerechnet werden können. Vom Klimaschutzprojekt bis zum Endverbraucher können diese
Zertifikate auf teils verschlungenen Pfaden durch die Kontinente reisen. Angesichts der steigenden
Nachfrage ist zu erwarten, dass solche Emissionsrechte früher oder später auch auf dem freiwilligen
Markt landen.
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Die kriminellen Aktivitäten erfassen die Privatkunden
Zusammen mit dem zunehmenden Interesse an freiwilligen Zertifikaten steigt auch die Kriminalität in
diesem Bereich. Sie betrifft in der Regel die 25% der Käufer, die sich jedes Jahr neu auf diesen
unübersichtlichen und bislang wenig regulierten Markt wagen oder gezogen werden.
Die Betrüger agieren seit 2011 mit Vorliebe aus Großbritannien, manchmal auch aus Spanien. Um
auch für deutsche Kunden salonfähig zu sein, wurden attraktive Büroadressen in bester Lage
angemietet, wie z. B. im Bankenviertel von Frankfurt/Main oder am Berliner Kurfürstendamm.
Fast jede Woche stellt der „REDD+Monitor“, ein Blog zum Thema Entwaldungsvermeidung, windige
Broker und Vertriebsorganisationen an den Pranger, deren Praktiken ausführlich beschrieben werden.
Das britische Büro zur Betrugsbekämpfung Serious Fraud Office hat bereits einige spektakuläre
Verhaftungen durchgeführt und Vermögen beschlagnahmt. Die Opfer, die teilweise ihre ganzen
Ersparnisse angelegt hatten, wurden fast immer durch „kalte Anrufe“ geködert. Die Broker
versprachen dabei in der Regel immense Wertsteigerungen, oft in der beliebten Kategorie der WaldKlima-Projekte: Entwaldungsvermeidung und Aufforstung/ Wiederaufforstung.
Die politischen Ebenen werden aktiv
Diese Entwicklungen sind inzwischen auch auf politischer Ebene bekannt. Bundesinnenminister
Thomas de Maizière sagte auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes am 19.11.2014 in Mainz:
„Wenn wir die Entwicklung der Organisierten Kriminalität in den letzten zehn Jahren beobachten, so
zeigt sich jedoch ein deutlicher Wandel beim Betätigungsfeld. Heute sind nicht unbedingt die
traditionellen Bereiche Drogen- und Waffenhandel die lukrativsten - Medikamentenfälschung,
Umweltkriminalität, Wirtschaftskriminalität und Massendelikte per Internet können mehr Gewinne
abwerfen, bei deutlich niedrigerem Risiko für die Täter.“
Auch die Spezialeinheiten von Interpol, des politisch gewollten internationalen Zusammenschlusses
nationaler Polizeibehörden, nennen in einem Handbuch vom Juni 2013 den „Verkauf von
Emissionsgutschriften, die entweder nicht existieren oder einer anderen Person gehören“ als eine der
Haupttätigkeiten von kriminellen Organisationen. Sinngemäße Zitate aus dem englischsprachigen
Guide von Interpol:
 „Durch die immaterielle Natur von Emissionsgutschriften ist es möglich, das Eigentum an
Emissionsrechten von einem physischen Projekt zu trennen.
 Ein Projekt wie das Pflanzen von Bäumen oder die Energieeffizienzverbesserung einer Fabrik
kann beispielsweise von einer Person oder Gesellschaft verwaltet werden, während ein
anderer die erzeugten Emissionsgutschriften übernimmt und diese gesetzlichen Rechte
handelt.
 Die relative Unreife des CO2-Marktes, gepaart mit der immateriellen Natur der Ware selbst,
macht den Emissionshandelsmarkt besonders anfällig für Verbrechen, die in der Regel so
nicht in anderen Rohstoffmärkten möglich wären.“
Ausgangspunkt und Zentrum der bisherigen Europaweiten kriminellen Aktivitäten
Im Gegensatz zu den kriminellen Bandenaktivitäten im verpflichtenden Emissionshandel, die sich
vorwiegend im Bereich Umsatzsteuerhinterziehung und Schwarzgeldwäsche in verschiedenen
Hauptstädten in Europa konzentrierten, befand sich das Zentrum der kriminellen Aktivitäten im
freiwilligen Emissionshandel anfangs fast ausschließlich in London - mit Außenstellen in Luxemburg,
Deutschland und der Schweiz.
Es darf vermutet werden, dass sich ein größerer Teil der Broker und Händler, die sich nun im
freiwilligen CO2-Markt tummeln, finanzielles Startkapital aus anderweitigen „Aktivitäten“ aus dem
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verpflichtenden Emissionshandel herübergerettet haben - sofern ihnen damals von den Behörden nicht
eine Verwicklung in Umsatzsteuerbetrug im CO2-Handel nachgewiesen werden konnte.
Seit Mitte 2010 wurden feine Adressen in der Londoner Innenstadt angemietet, in die dann
Handelshäuser und Brokerunternehmen einzogen. Diese wiederum stellten Trader/Broker ein, die mit
Telefonanrufen ihre potenziellen Kunden in vielen Teilen Europas köderten. In sogenannten „boiler
rooms“ (heißer, stickiger Kesselraum) gingen dann die Trader ihren telefonischen Aktivitäten nach.
Auf engstem Raum zusammengepfercht, kontaktierten sie im Minutentakt potenzielle Kunden in KaltAnrufen.
Der Originalbericht eines geschädigten Anlegers von freiwilligen Zertifikaten
Dies ist nachfolgend der Bericht von „Tencc“ aus London, der als Privatanleger viele tausend Pfund
verlor und der seine Geschichte am 16.03.2013 bei redd-monitor veröffentlichte. (frei übersetzt von
Emissionshändler.com®).
Ich kaufte mir meine ersten VER-Zertifikate Anfang 2012 über Carbonex in Deutschland, die in
10719 Berlin, Kurfürstendamm 21 ihr Büro hatten.
Firmenadresse von Carbonex/Colemans in allerbester Lage in Berlin, Kurfürstendamm 21, Ecke Joachimstaler
Straße im Regus-Büro-Center
Ein Broker namens Adam Capaldi war der Mann, der mit mir die ersten Verkaufsverhandlungen
geführt hatte, und zwar beispielhaft nach dem Muster: Investiere Zehntausende von Pfund und dann
hast du immer zwei Möglichkeiten, die wieder zu verkaufen oder auch zu reinvestieren.
Versprochen wurden durch ihn die ersten Verkaufsmöglichkeiten in 6 bis 12 Monaten, was dann aber
nie so eintrat. Deswegen gab es auch nie Geld.
Im September 2012 fragte mich Adam bei einem Telefonat, ob ich VERs von einem seiner Kunden
günstig kaufen wollte, um ihm einen Gefallen zu tun, weil der Kunde das Geld schnell brauchen
würde. Ich habe nicht gekauft!
Danach herrschte auf meine Anrufe hin immer Schweigen, weil - wie ich hörte - die Geschäftsführung
wohl bei denen gewechselt hatte. Ich bekam aber selber trotzdem immer öfter Anfragen, ob ich
weitere VER-Zertifikate kaufen wolle.
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Dann kam im November 2012 ein Anruf von MH Carbon aus London von einem Trader Jake
"Tencc, wie geht es dir … ich bin Jake, ich übernehme dein Portfolio … bla bla bla ...du hast 25.000
Pfund investiert und du könntest dann alle Zertifikate im Februar 2013 verkaufen, wenn du jetzt
nochmal für 7 Pfund pro Stück Zertifikat nachkaufst.“
Ich gestehe, wenn ich drüber nachdenke, wie ich in der Vergangenheit übers Ohr gehauen wurde in
diesem Geschäft, dann war dieses Angebot zu gut, um wahr zu sein und so widerstand ich dann doch,
gutes Geld einem schlechtem Szenario hinterher zu werfen.
Ich habe dann im Februar 2013 beim Broker MH im Londoner Büro persönlich vorbeigeschaut und
sprach mit Frank, einem der Trader, den ich mit Glück an der Rezeption erwischte. Der sagte mir
nun, ein solcher Ausstieg aus einem Vertrag sei noch nie vorgekommen, und er wusste auch nicht,
warum Jake mir ein solches Szenario vorgeschlagen hätte! Sie würden mir dann bis April
weiterhelfen, so die Aussage.
Bald darauf kam dann ein Anruf von Jake "Hey Tencc, wie geht es dir bla bla bla." Er machte mir ein
weiteres Angebot zu investieren, aber er war sich nicht sicher, wie viele Zertifikate ich eigentlich im
Portfolio hatte!
Ich sagte: "Jake – überlege mal, wie viele Zertifikate ich habe und dann ruf mich bitte zurück."
Als nächstes telefonierte ich mit einem Dominic, der mir einen ellenlangen Vortrag über die
Werthaltigkeit und die Chancen der VER hielt, wobei ich dachte, er würde mir nun aus diesen
Zertifikaten raushelfen, so plausibel hat er mit mir gesprochen. Er ist wohl der Großkunden-Manager
oder so.
Sicher, er wird mir helfen, wenn ich auf Großkunden-Ebene nochmal 50.000 Pfund investiere, dann
wird er anschließend die Verkäufe der Zertifikate telefonisch über meine Bank bis zum 12. März 2013
veranlassen. Dann verschob sich dieses Datum nochmal auf den 27. März. Dann tat sich nichts mehr
und der Kontakt brach ab, auch weil ich eine Weile abwesend war.
Dann Mitte März 2013 kommt irgendwie zufällig die Firma Edgebrook aus Deutschland auf den
Plan und bietet mir an, gegen eine Gebühr von £ 895 einen Verkauf meiner Zertifikate in die Wege zu
leiten!
Es gibt allerdings keinen Hinweis von denen, wie das Geschäft aufgezogen werden soll; alle E-Mails
werden weitergeleitet nach Großbritannien, Holland und Deutschland oder kommen von da. Anrufe
kommen von einer britischen Nummer, obwohl die Website auf eine deutsche Nummer hinweist, die
allerdings schon bei meinem letzten Anruf nicht funktioniert hat, auf jeden Fall klingelt es immer
irgendwo!
Firmenadresse von Edgebrook in bester Lage in Berlin, Kurfürstendamm 96 in einem Büro-Center
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Es kamen dann Anrufe aus der Schweiz (angeblich), die Telefonnummer lokalisierte ich aber 5 Meilen
von mir entfernt in London. Die E-Mails wiederrum kamen alle aus Spanien!
Seltsam in dem Zusammenhang ist doch auch, dass die Adresse von EDGEBROOKS in
Deutschland, 10709 Berlin, Kurfürstendamm 96 nur wenige Türen weiter ist wie die von
Carbonex / Colemans am Kurfürstendamm 21.
Na ja, es ist eben sehr wahrscheinlich, dass wenn jemand wie ich irgendwelche solche Zertifikate
besitzt, für die er mehr als 1 € bezahlt hat, dieses Geld verloren hat!
Kriminelles Netzwerk von Brokern und Handelshäusern
Im Laufe der dann folgenden Jahre wurde das Ausmaß der kriminellen Aktivitäten immer größer,
gleichzeitig aber auch immer transparenter.
So stellte man z. B. fest, dass die Geschwindigkeit der Firmengründungen und Firmenschließungen
immer mehr zunahm sowie auch immer mehr (geplante/ungeplante) Insolvenzen auftraten.
Ende Mai 2014 leiteten die Londoner Behörden deswegen eine Untersuchung über eine Serie von
Insolvenzen unter britischen Broker- und Handelshäusern ein, die zuvor alle vorwiegend im Geschäft
mit CO2-Zertifikaten tätig waren. Begründet wurde dies mit dem öffentlichen Interesse, da diese bis
dahin 13 Firmen offensichtlich Tausende von Menschen um mehr als 19 Millionen Pfund betrogen
hatten.
Warum erfolgt ein Betrug mit VER-Zertifikaten im freiwilligen Emissionshandel?
Hintergrund des wahrscheinlich bereits in 2009 beginnenden Betruges mit VER-Zertifikaten im
freiwilligen Emissionshandel ist, dass die Strukturen, das Know-how und das Kapital dafür bereits seit
mehr als 2 Jahren vorhanden waren.
So hatten bereits im Jahre 2008 kriminelle Banden angefangen, Umsatzsteuerkarusselle im
verpflichtenden Emissionshandel aufzuziehen und damit Milliarden von Euro meist in Großbritannien
und Frankreich zu hinterziehen. In Deutschland hingegen lagen den Steuerbehörden erst Anfang 2009
konkretere Informationen vor, die einen systematischen, bandenmäßigen Steuerbetrug im
verpflichtenden Emissionshandel nahelegten.
So lagen etwa den Hamburger Steuerfahndern der Abteilung Umsatzsteuerbetrugs-bekämpfung nach
eigenen Angaben Anfang 2009 Informationen aus England vor, wonach sich die des Betrugs
verdächtigten Händler den deutschen CO2-Markt als nächstes Ziel für Steuerbetrügereien ausgesucht
hatten.
Der Grund für die Verlagerung der Steuerbetrugsgeschäfte von Großbritannien und Frankreich nach
Deutschland war, dass die die kriminellen Banden durch die Abschaffung der Umsatzsteuerpflicht auf
CO2-Zertifikate im verpflichtenden Emissionshandel in diesen beiden Ländern keine
Geschäftsgrundlage mehr hatten. Das dort eingeführte Reverse-Charge-Verfahren kehrte die
Umsatzsteuerpflicht um und entzog so dem kriminellen Geschäft die Basis.
Nachdem sich im Herbst des Jahres der Verdacht der deutschen Steuerfahnder verstärkte, wurden
schlussendlich nach intensiven Ermittlungen im Frühjahr 2010 unter Leitung der Hamburger
Staatsanwaltschaft im Rahmen einer weltweiten Razzia in Hongkong, USA, Luxemburg, Belgien,
Bulgarien, Zypern und Liechtenstein ein Berg von Beweisen sichergestellt und über 3 Millionen Euro
auf den Konten von Beschuldigten sichergestellt und diese langjährig in Haft genommen.
Da nach Angaben von Interpol bis 2012 mehr als 6 Milliarden Euro Steuern im verpflichtenden
Emissionshandel hinterzogen wurden, ist zu vermuten, dass nur ein Bruchteil der hinterzogenen
Gelder gefunden und längst nicht alle Banden und Netzwerke entdeckt wurden bzw. deren Schuld
gerichtlich bewiesen werden konnte.
Damit wird erklärlich, dass spätestens nach Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens zum Juli 2010
auch in Deutschland die kriminellen Banden ihr Geschäftsmodell im Verpflichtenden Emissionshandel
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nicht fortsetzen konnten und sie sich seit diesem Zeitpunkt intensiv krummen Geschäften im
freiwilligen Emissionshandel widmeten. Hier gab es zwar nicht mehr die Möglichkeit, Umsatzsteuer
zu hinterziehen, jedoch konnten mit Schwarzgeldwäsche und vor allem ausgeklügelten
Anlagenbetrügereien mit freiwilligen CO2-Zertifikaten Privatanleger und kleinere Unternehmen um
ihr Geld gebracht werden.
Die Voraussetzungen, die dazu benötigt wurden - Kapital,
Produktkenntnisse, tolle Webseiten, funktionierende Gefüge - waren schon vorhanden. Einzig die
Vertriebsstrukturen mussten modifiziert werden, da nunmehr nicht mehr emissionshandelspflichtige
Kraftwerke und Industriekunden als (meist ahnungslose) Mitglieder eines Steuerkarussells benötigt
wurden, sondern Privatkunden und Kleinunternehmen, die auf eine andere Weise angesprochen
werden mussten.
Der Betrug mit CO2-Zertifikaten wird zum Massengeschäft
Die meist als Maklerhaus oder Handelshaus bezeichneten Unternehmen, die mit betrügerischer
Absicht VER/VCS-Zertifikate aus dem freiwilligen Emissionshandel unter ihre Kundschaft bringen
wollten, mieteten ab 2010 meist in Großbritannien, Luxemburg, Schweiz und in selteneren Fällen
auch in Deutschland und Spanien Büroräume an. In diesen Räumen saßen dann die Trader/Broker eng
wie Hühner in stickiger Luft zusammen, um Neukunden mit Kaltanrufen zu ködern oder ihre
„Stammkunden“ zu weiteren Geschäften zu überreden. Die meist in feinsten Geschäftslagen liegenden
Büros wurden deswegen auch bald von Insidern als „boiler rooms“ (heißer Kesselraum) bezeichnet, in
denen die Broker im Minutentakt potenzielle Kunden kontaktierten.
Kunden, die einmal in die Datenbank eines „boiler-room“-Unternehmens gelangten, wurden meist
über Jahre hinweg nicht nur mit meist betrügerischen Angeboten zu CO2-Zertifikaten kontaktiert,
sondern auch zu anderen „Produkten“. Durch das auch hemmungslose Weiterreichen der Kontaktdaten
der Makler an Dritte oder das Mitnehmen des Kundenbestandes eines Maklers zu einem neuen
Handelshaus wurde der jeweilige Kunde auch mit verschiedensten Angeboten zu Filmprojekten,
Investments in Rotweine, rosa Diamanten, Holzplantagen in Indonesien, Seltene Erden oder
Ackerland in der Ukraine traktiert. Nichts war und ist den Handelshäusern und ihren Brokern zu
ausgefallen, um das Interesse hochzuhalten und den Kunden zu binden. In jedem Falle fanden die
Makler aber bei ihren angesprochenen Kunden zu CO2-Zertifikaten ein hohes Interesse, da diese nicht
nur bis heute voll im Klima- und Umwelttrend liegen, sondern durch ihre immateriellen Eigenschaften
interessant, neu und vielversprechend waren (siehe auch Infobox rechts).
Warnung von INTERPOL zum Handel mit CO2-Zertifikaten zu nicht existierenden oder
doppelt vorhandenen Zertifikaten (Juni 2013).
„Durch die immaterielle Natur von Emissionsgutschriften ist es möglich, das Eigentum an
Emissionsrechten von einem physischen Projekt zu trennen. Ein Projekt, wie das Pflanzen von
Bäumen oder die Energieeffizienzverbesserung einer Fabrik, kann beispielsweise im Besitz von einer
Person oder Gesellschaft sein, während ein anderer die gleichen Rechte vertreibt und verkauft.
Das Risiko von Betrug und Korruption entsteht durch die Tatsache, dass es keine physische Kontrolle
der Identität des Besitzers gibt, dem die Zertifikate zustehen, die auf einem Stück Papier oder in einem
Datensatz vermerkt sind.
Ein Betrug kann also auch durch die Korruption einer Regierung entstehen, die Personen gefälschte
Dokumente bezüglich des Eigentums an Emissionsgutschriften ausstellt.
Die relative Unreife des Zertifikatemarktes, gepaart mit der immateriellen Natur der Ware selbst,
macht den Markt besonders anfällig für Verbrechen, die in anderen Rohstoffmärkten in der Regel
nicht möglich wären. Das bemerkenswerte Potenzial des CO2-Zertifikatemarkts für Verbrechen
beruht auf seiner einzigen bedeutenden Schwachstelle, die sich von anderen Märkten unterscheidet der immateriellen Natur von CO2 selbst.“
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Handelshäuser, Makler, Broker und „Hilfe-Betrüger“ ziehen ein internationales Netzwerk auf
Ab Mitte 2010 nahmen die Aktivitäten der Handelshäuser, Makler, Broker immer mehr zu und riefen
vor allem in Großbritannien mehr und mehr Ermittler auf den Plan, die sich wegen der sich massiv
häufenden Hinweise der Kunden zu Betrugsfällen der Maklerhäuser annahmen.
Auch ein neues, besonders perfides Geschäftsmodell wurde erfunden: „Recovery Scams“. Darunter
versteht man Unternehmen, die den betrogenen Anlegern und Käufern von CO2-Zertifikaten bei der
Verwertung und Verkauf der Zertifikate „helfen“ wollten. Natürlich gegen Geld und natürlich in
betrügerischer Absicht.
Die vielen neugegründete Firmen hatten die Daten der bisherigen Betrugsopfer gekauft bzw. waren
selbst schon durch vorherige Betrügereien in ihrem Besitz. So konnten sie sich ihren Betrugsopfern
problemlos annähern und baten an „zu helfen“.
Bei den betrügerischen Hilfsangeboten gab es dann wieder verschiedenste Varianten. Die einen
verlangten eine Vorauszahlung oder Bearbeitungsgebühr wie etwa die Firma Edgebrook Carbon
Invest. Etliche verlangten ein Zusatzinvestment in beträchtlicher Höhe, um dann kurz später angeblich
alles erfolgreich verkaufen zu können wie z. B. Clark Carbon Capital. Andere boten an, die VERZertifikate in CER-Zertifikate „umzuwandeln“, da diese Art von Zertifikaten (zugelassen im
verpflichtenden Emissionshandel) liquider seien.
Die Masche des Zusatzinvestments, die naturgemäß für die Handelshäuser am attraktivsten war, wurde
auch von Clark Carbon Capital in der Schweiz und Carbon-ex mit Sitz in Luxemburg angeboten.
Hier war es gängige Praxis, dass man sich für den Verkauf der eigenen Schrott-Zertifikate erst
qualifizieren musste, indem man noch einige tausend Carbon Credits dazukaufen sollte.
Nachdem das „Hilfe-Geschäft“ immer besser lief, stiegen ständig weitere betrügerische Handelshäuser
in das lukrative Geschäft ein. Durchaus bemerkenswert war dabei, dass durch das offensichtliche
Kursieren von Kundendaten innerhalb der betrügerischen Broker immer häufiger wieder alternative
Produkte angeboten wurden bzw. weitere Hilfestellungen zu schlecht gelaufenen Investments den
Kunden Trost und Perspektive aufzeigen sollten.
Durch die immer höher werdende Taktfrequenz der Firmengründungen und Schließungen (geplante
und ungeplante Insolvenzen der betrügerischen Firmen) wurden in einigen Fällen auch nationale
Behörden auf den Handel mit VER/VCS/CER-Zertifikaten aufmerksam. Dies naturgemäß auch
deswegen, weil die Anzahl der betrogenen Kunden ständig wuchs.
Eine der bekanntesten Untersuchungen leiteten die Londoner Behörden Ende Mai 2014 ein, da
mindestens 13 Unternehmen mit Londoner Firmensitz in kurzer Zeit insolvent waren bzw. insolvent
sein wollten, die alle zuvor vorwiegend im Geschäft mit CO2-Zertifikaten tätig waren. Nach
Ermittlungen der Behörden wurden dabei Tausende von Menschen um mehr als 19 Millionen Pfund
gebracht.
Der Verkauf von fast wertlosen Zertifikaten bringt hohe Gewinne
Nach den Ermittlungen der britischen Behörden stand im Mittelpunkt dieses Firmennetzes das
Unternehmen Eco-Synergies. Es versorgte als Großhändler die Mitglieder des Netzwerkes mit
VER/VCS CO2-Zertifikaten aus dem freiwilligen Markt.
Nach den Ermittlungen kaufte Eco-Synergies die Zertifikate für durchschnittlich 65 Pence pro Stück
an (ca. 0,80 Euro) und blies deren Wert durch seine Vertriebspartner, darunter insbesondere die
Unternehmen MH-Carbon und Carbon-ex, bis auf 6 Pfund (7,20 Euro) für die privaten Käufer auf.
Diesen wurden dann Versprechungen auf Wertsteigerungen bis zu 11 Pfund (über 13 Euro) pro Stück
gemacht.
Eco-Synergies bezeichnete sich damals auf seiner Webseite selbst als der größte Anbieter von Carbon
Credits in diesem Markt: mit über 25 aktiven Handelsagenten sowie dem Einkauf von jeweils zwei bis
fünf neuen Klimaprojekten pro Monat wurden in Summe 1 bis 2 Millionen Zertifikaten pro Monat an
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Handelspartner und Kunden verkauft. Dass dies mit einem Aufschlag von bis zu 869% geschah, wurde
auf der inzwischen vom Netz genommenen Webseite natürlich nicht verraten.
Stattdessen erfuhren potenzielle und bestehende Kunden auf den Webseiten der angeschlossenen
Vertriebsfirmen von exorbitanten Umsatzsteigerungen im CO2-Markt, die einen hohen zukünftigen
Gewinn suggerieren sollten.
„Saubere Energie, Investments in Carbon Credits nehmen in 2010 um 30% zu und steigen auf 243
Milliarden Dollar“. Dem potenziellen Kunden werden neben Traumrenditen auch Traumumsätze des
Marktes suggeriert, die um bis zu 3 Kommastellen zu hoch waren.
Teile der betrügerischen Handelshäuser gehen in die Insolvenz, andere arbeiten weiter
Der bestellte Liquidator des Londoner Insolvenzgerichtes für die bisher 13 in die Insolvenz
gegangenen Handelshäuser, Mr. Clive H. Jones, sagte Ende Mai 2014, er sei auf der Grundlage der
vorliegenden Beweismittel sicher, dass der Verkauf von VER-Emissionsgutschriften auf
betrügerischen Falschdarstellungen beruhte, wonach die Zertifikate deutlich im Wert steigen
würden. Diese Versprechungen seien jedoch vollkommen falsch und irreführend.
Diese erste größere Untersuchung zum Betrugsunwesen bei CO2-Zertifikaten im freiwilligen Markt
bedeutet nun keineswegs, dass das dieses kriminelle Geschäftsmodell potenziellen Betrugsopfern
keinen Schaden mehr zufügen könnte.
Das Kapital und das Wissen der betrügerischen Handelshäuser und Makler, wie man im CO2 Markt
mit VER- und VCS-Zertifikaten Privatpersonen und Kleinunternehmen um ihr Geld bringt, ist nur das
eine. Der riesige Datenbestand der geprellten Kunden und die Mehrfachverwendung dieser Kontaktund Produktdaten durch die kriminellen Elemente ist ein weiterer Vorteil. Diese „Sucker Listen“
genannte Datenbestände (Name, Adresse, Telefonnummer und Hintergrundinformationen) garantieren
den Besitzern der Daten, dass diese immer wieder an ihren Opfern „saugen“ können, weil diese leider
sehr oft auch entsprechenden Neigungen haben, sich betrügen zu lassen.
Potenziellen Interessenten wie auch bereits betrogenen Opfern kann man nur raten, sich auf
www.redd-monitor.org zu informieren, wo immer die neuesten Betrugsmaschen und auch Berichte
von geschädigten Anlegern veröffentlicht werden.
Des Weiteren gibt es nun nach über 5 Jahren des Betruges zu CO2-Zertifikaten im verpflichtenden
und im freiwilligen Emissionshandel genügend Erfahrungen und Hinweise, wie ein Betrugsversuch
bzw. eine betrügerische Absicht erkannt werden könnte.
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11.07.2015
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Empfehlungen zur Ausschaltung der größten Risiken für potenzielle Firmen und Privatkunden
im Offsetting-Markt
Was kann beachtet werden, um im freiwilligen Markt nicht zum Freiwild zu werden?
Über 25% der potenziellen Kunden kommen jedes Jahr neu an diesen Markt. Es sind zum einen
Unternehmen, die ihren CO2-Fußabdruck kompensieren bzw. ihr Geld anlegen möchten. Vor allem
aber ist es das riesige Potenzial an privaten Kunden und Geldanlegern, die für kriminelle Broker und
Handelshäuser zum „Freiwild“ werden.
Einige abschließende Hinweise um den potenziellen Schaden zu minimieren:
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Freiwillige Zertifikate wie VERs sind keine Geldanlage, sie dienen nur zum Ausgleich von
Treibhausgasemissionen.
Verpflichtende Zertifikate wie CERs und EUAs sind theoretisch als Geldanlage möglich, sind
aber wegen ihrer Volatilität hochriskant und zudem für Privatpersonen weiterhin
umsatzsteuerpflichtig
Vorsicht bei unbekannten Brokern, besonders wenn das Geschäft telefonisch angebahnt wird.
Seriöse Verkäufer von freiwilligen Zertifikaten berechnen als Berater zunächst das
individuelle Emissionsprofil ihres Kunden und empfehlen dann erst die Vermeidung unnötiger
Emissionen durch Kauf von Zertifikaten.
Der Kunde erfährt alle Details über das Ausgleichsprojekt.
Idealerweise erhält der Käufer eine Auswahl verschiedener Projekttypen und sucht sich ein
Projekt aus, das regional oder sektoral in seine Nachhaltigkeitskommunikation passt.
Die Emissionsreduktionen sind unter international anerkannten Standards zertifiziert.
Die verkauften Zertifikate werden im Online-Register sofort als stillgelegt markiert.
Die Gebühren des Verkäufers sind transparent.
Auch wenn obige Empfehlungen genauestens beachtet werden, werden sich nach Meinung von
Emissionshändler.com® in diesem ständig wachsenden Offsetting-Markt durch Umwelt-Kriminalität
ein Verlust von Image und/oder finanzielle Einbußen nicht verhindern lassen. Jedoch können sich
diese Verluste durch gesunden Menschenverstand und durch die Erkennung von unrealistischen
Angeboten zu Gewinnsteigerungen von bis zu 100% stark minimieren lassen.
Ein Bericht eines weiteren Opfers von Betrügereien zu CO2-Zertifikaten (Name ist Emissionshändler.com® bekannt)
Als ich damals in den Jahren 2000 bis 2008 in London lebte wurden mir erstmals im Jahre 2007
sogenannte Penny Shares angeboten, also fast wertlose Aktien, die irgendwann dann doch im Wert
explodieren sollten. Dieses Angebot kam damals von Montague Pitman Stockbrokers, einer
Tochtergesellschaft von Falcon Securities, beides Gesellschaften die dann später von der Englischen
Finanzaufsichtsbehörde wegen diverser Unregelmäßigkeiten und ihres Umganges mit ihren Kunden
geschlossen wurde.
Einige der dort beschäftigten Broker gründeten dann eigene Gesellschaften wie z. B. Jonathan Cocks,
der MH Carbon gründete oder Luke Ryan, der mit seiner Gesellschaft Enviro Associates hohe
Auflagen der Finanzaufsichtsbehörden wegen seiner vorherigen „Tätigkeiten“ bekam. Dies hinderte
ihn jedoch nicht seinen Schwerpunkt auf den Vertrieb von fast wertlosen CO2-Zertifikaten zu legen,
bei denen er von der Englischen BBC gefilmt wurde. In jedem Falle entstanden ab 2010 in London
immer mehr Firmen, die sich mit dem Vertrieb solcher Art von Zertifikaten beschäftigten und
spezialisierten.
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Die ganze Sache fing damit an, dass sich die Gesellschaft MH Carbon bei mir Anfang November
2010 meldete und mir erzählte, dass der weltweite Markt der VER (Verified Emission Reduction)
Zertifikate schon bei 144 Milliarden Dollar liegen würde und ständig steigen würde. Ich war überzeugt
und kaufte in zwei Transaktionen insgesamt 1.250 VER Carbon Credits, die mir zu einem
Verkaufspreis von insgesamt GBP 6.187,5 angeboten wurden, was einem Durchschnittspreis von rund
4,95 Pfund/Stück entsprach. Diese am 11.11.2010 und dann am 17.01.2011 erworbenen Zertifikate die
auch im VCS Register der APX registriert waren, sollte ich dann etwa 12-18 Monate halten, um
danach mit hohem Profit aussteigen zu können.
Was mich schon damals wunderte war nicht nur der kurze Vertrag der nur etwa 10 Zeilen Text
enthielt sondern auch die Tatsache, dass der Vertragspartner nicht MH Carbon war sondern die Firma
Carbonex SARL in Luxembourg, wo dann auch meine 1.250 Zertifikate „lagerten“ wie man mir
sagte. Das Geld wiederrum was ich bezahlte musste, sollte ich an ein Anwaltsbüro Colemans-ctts in
London überweisen, welche anscheinend für Carbonex die Gelder verwalteten. Alles etwas
merkwürdig und intransparent.
Pünktlich nach etwa 18 Monaten im Juli 2012 bekam ich durch meinen Broker von MH Carbon einen
Anruf, dass meine Zertifikate „explodiert“ und stark in der Gewinnzone seien. Logischerweise wollte
ich sie daraufhin nach kurzer Bedenkzeit verkaufen.
Ich meldete mich dann mehrere Male per Anruf und per Mail bei MH Carbon mit meinem
Verkaufswunsch, bekam aber nie eine Rückmeldung. Irgendwann rief mal jemand zurück der sich
gleich entschuldigte dass mein Portfolio so vernachlässigt worden wäre und was er für mich tun
könne. Nachdem ich meinen Verkaufswunsch wiederholte, tat sich anschließend wieder nichts.
Da ich keine Zeit mehr verlieren wollte wendete ich mich Anfang August 2012 per mail direkt an
Carbon-ex nach Luxembourg und wies darauf hin, dass der angekündigte Zeitraum von 12-18
Monaten für die versprochene Wertsteigerung abgelaufen wäre und ich die Zertifikate verkaufen
wolle, aber bei MH Carbon keinen erreichen würde. Ob ich denn die Zertifikate nicht direkt durch
Carbon-ex verkaufen könnte. Die Antwort einer Bearbeiterin Olga Gille kam prompt, dass dafür
ausschließlich MH Carbon zuständig wäre.
Zwischenzeitlich erreichte ich einmal MH Carbon telefonisch in London, wo mir mein
Gesprächspartner zu erkennen gab, dass es einige Wechsel im Management gegeben hätte und auch
die Broker unzählige Mal gewechselt haben. Weiterhin wurden dann meine Telefonanrufe und Emails
nicht mehr beantwortet.
Langsam wurde mir klar, dass etwas mit meinem Investment nicht stimmte. Ich wurde dann nach
weiteren Telefonaten mit MH Carbon immer wieder vertröstet, dass in so und so viel Monaten ein
sogenannter „Big Sale“ stattfinden würde und die gesamten Carbon Credits dann endlich alle mit
großem Gewinn verkauft werden würden.
Plötzlich im November 2012 meldete sich jemand von der Firma Clark Carbon Capital aus der
Schweiz. Die wussten komischerweise, dass ich Zertifikate besitzen würde und wollten diese bis
Februar 2013 für mich verkaufen. Das allerdings nur, wenn ich zuvor noch einmal 1.750 Zertifikate zu
je 2,21 GBP zukaufen würde, dann hätte ich dann insgesamt runde 3.000 Stück im Portfolio. Aber das
wäre schon eine große Ausnahme, da in der Regel nur Besitzer von mehr als 5.000 Zertifikaten
berechtigt wären an einer großen Verkaufsaktion im Februar 2013 teilzunehmen.
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11.07.2015
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Zuerst war ich froh, dass mir endlich einer helfen wird meine alten Carbon Credits zu verkaufen, auch
wenn ich dafür erst einmal neue kaufen muss. Ich stimmte dem Vorschlag des Brokers zu und wir
waren uns am Telefon einig, was dieser mir noch am gleichen Tag per Mail bestätigte. In dieser Mail
vom 21.11.2012 wurde ich zudem aufgefordert, gleich eine Anzahlung von rund 2.000 Pfund zu
leisten, welche auf ein Londoner Konto gehen sollte.
Anschließend sah ich mir die Webseite www.clarkcarboncapital.com (die kann man inzwischen
kaufen) genauer an und stellte mir einige selbstkritische Fragen. Ich holte mir dann Informationen von
der Schweizer Finanzaufsichtsbehörde (FINMA) über Clark Carbon Capital ein. Diese teilten mir
dann noch am selben Tage mit, dass Clark Carbon Capital keine Genehmigung in der Schweiz hat,
solche Finanztransaktionen durchzuführen und zudem auch nicht in einem Schweizer Handelsregister
eingetragen ist.
Daraufhin teilte ich der Firma mit, dass ich keine Carbon Credits kaufen würde und auch kein Geld
überweisen werde, da mir auch kein Kaufvertrag zugesandt wurde und ich auch kein anderes
Dokument unterschrieben hatte, was einen Kaufvertrag bestätigen würde. Man drohte mir daraufhin
mit rechtlichen Schritten und einem hausinternen Rechtsanwalt wenn ich das Geld nicht auf das
Londoner Konto überweisen würde. Daraufhin habe ich denen ein bisschen gedroht, von wegen keine
Lizenz und so und seitdem habe ich von Clark Carbon Capital nichts mehr gehört.
Als das mit Clark Carbon Capital dann erledigt war habe ich MH Carbon in London über diesen
Vorfall informiert. Sie bestätigten mir daraufhin, dass mehrere ihrer Kunden von Clark Carbon Capital
kontaktiert worden sind. Sie vermuteten, dass ehemalige Mitarbeiter die Kundendaten mitgenommen
haben, um damit dann ihre eigene Carbon Investment Firma aufzumachen und jetzt das leichte Geld
verdienen möchten. Das glaubte ich dann unbesehen, da ich selber schon die Erfahrung gemacht hatte,
dass meine Broker bei MH Carbon alle paar Monate wechselten. Ich habe inzwischen schon den
vierten oder fünften Broker, der mein Portfolio betreut und sich um mich „kümmert“.
Am 21. Januar 2013 tat sich dann was. Pete Barnett von Carbon-ex aus Luxemburg schrieb mir eine
Mail in der er mir unter dem Betreff „Exit Strategie“ mitteilte, dass sich die Erwartungen in die
Carbon Credits „nicht erfüllt“ hätten. Es würde in Zukunft immer schwieriger, die VER zu verkaufen
und ob ich nicht bereit wäre diese in g-CER (er meinte wohl Gold Standard VER) umzuwandeln. Die
von mir bisher investierte Summe von 6.100 Pfund, für die ich 1.250 VER im Portfolio halte, sollten
dann um die gleiche Menge g-VER aufgestockt werden für nur 2,50 Pfund pro Stück (statt des
Normalpreises von 4,95 Pfund/Stück) plus einer Bearbeitungsgebühr von 125 Pfund. Ich sollte also
nochmal 3.250 Pfund investieren, um dann alles bis Ende 2013 zu ca. 10,80 Pfund pro Stück zu
verkaufen. Praktischerweise war der Vertrag gleich an der Mail angefügt. Das klang viel zu gut, ich
unterschrieb den Vertrag nicht!
Zwischenzeitlich nachdem ich bei MH Carbon in London und auch bei Carbon-ex in Luxemburg
keinen mehr erreichte, wendete ich mich auch an die Luxemburger Finanzaufsicht und wollte wissen,
inwieweit die Aktivitäten von Carbon-ex korrekt seien. Es stellte sich heraus, das Carbon-ex
anscheinend die Adresse gewechselt hatte und nicht mehr auffindbar war. Darüber hinaus war Carbonex in Luxembourg gar nicht registriert und hatte von daher schon gar nicht die Erlaubnis mit
Finanzprodukten zu handeln.
Daraufhin meldete ich der Englischen Finanzpolizei Action Fraud, dass MH Carbon ungenehmigte
Geschäfte macht. Aber ich war wohl schon einer von Vielen der sich dort meldete.
Mitte Mai 2013 wurde dann bekannt, dass MH Carbon in die Insolvenz gegangen war. Es stellte sich
heraus, dass MH Carbon eine 100%-Tochter einer Firma PCS Niminee Limited war, die auf der Isle
of Man registriert war. Damit war dann auch mein Geld weg.
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11.07.2015
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Anfang März 2013 bekam ich dann einen Anruf aus Berlin von Edgebrook Carbon Invest, die
interessiert waren, meine Zertifikate zu kaufen. Man signalisierte mir, dass dies ein gutes Geschäft
wäre und man würde sich bald wieder mit einem Vertragsvorschlag melden. Edgebrook Carbon Invest
hatte seinen Sitz in Berlin am Kurfürstendamm 96, genau wie Carbon-ex zuvor (nur ein paar
Hausnummern weiter), bevor Carbon-ex dann nach Luxembourg umzogen. Ich dachte deswegen, dass
die irgendwie zusammengehören und hörte mir deswegen den Vorschlag an.
Einige Tage später am 13. März bekam ich dann den Vertrag zugesandt. Erstaunlicherweise boten sie
mir 8,70 Pfund/Stück fast das Doppelte, was diese wert sein könnten. Einzige Bedingung wäre nur,
dass ich vorher noch 895 GBP an Administrationsgebühren bezahlen solle und auch ein
Identitätsüberprüfungsformular ausfüllen müsse.
Da ich es eigenartig fand, dass das Büro von Edgebrook Carbon Invest in Berlin und die
Hauptverwaltung in Zürich liegt und das Geld nach London zu überweisen wäre, stellte ich eine
Anfrage an die deutsche Finanzaufsichtsbehörden zu Edgebrook Carbon Invest. Auf eine Antwort
warte ich bis heute. Gezahlt habe ich natürlich nicht und Edgebrook Carbon Invest in Berlin existiert
natürlich auch nicht mehr.
Der Verkauf von Emissionszertifikate trocknete etwas aus, d. h. die Anrufe auch fremder Makler
nahmen ab. Man sollte meinen, dass es sich rumsprach, dass damit viel Betrug gemacht werden
konnte. Das war aber ein Irrtum, da anscheinend nun die sogenannten „recovery scams“ entstanden.
Das waren neugegründete Firmen, die sich ihren bisherigen Opfern unter neuem Namen näherten und
diesen nunmehr „helfen“ wollte.
Dabei gab es durchaus verschiedene Varianten. Die einen verlangten eine Vorauszahlung (Edgebrook
Carbon Invest), die anderen boten an, die VER Zertifikate in CER Zertifikate „umzuwandeln“, da
diese liquider wären. Um sich dann für den Verkauf zu qualifizieren, musste man noch einige tausend
Carbon Credits dazukaufen, wie z. B. bei Clark Carbon Capital.
Immer zahlreicher wurden wieder die Anrufe, die ich erhielt. Meine persönlichen Daten und die
anderer geschädigter Kunden mussten wohl auf einer Database gespeichert sein, denn es kamen viele
Firmen mit den unterschiedlichsten Produkten auf mich zu. Darunter insbesondere Investments in Fine
Wine, Rosa Diamanten, Seltene Erden, Agrarland in der Ukraine, Jatropha Plantagen in Indonesien,
Landkauf in Brasilien, Lagerräume in Deutschland und Investments in Spielfilmen, von denen die
angeblichen Hauptdarsteller selber nie gehört hatten.
Die Angebote sind inzwischen weniger geworden. Ich nehme an, dass die die Polizei in London und
anderen Städten einigen der Urheber das Handwerk gelegt hat.
Vorsichtsmaßnahmen und Hinweise für potenzielle Firmen und Privatkunden im freiwilligen
Emissionsmarkt
Unternehmen und Privatpersonen, die sich im Umfeld des freiwilligen Emissionshandels bewegen
zwecks Kompensation von CO2-Aktivitäten oder sich VER, VCS oder sonstige Offsets (freiwillige
Zertifikate) löschen bzw. als Geldanlage anschaffen möchten (wovon nur dringend abzuraten ist) seien
die nachfolgenden Hinweise gegeben, um zumindest die größten Risiken und Fallen zu erkennen:
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn folgende Regelungen und Bedingungen angeboten werden bzw.
vorliegen:
 Nicht die Zertifikate selbst werden angeboten, sondern Derivate wie Forwards oder Optionen.
 Der Erwerb von Klimazertifikaten wird als Steuersparmodell angepriesen.
 Die Werthaltigkeit wird durch die Investition in Edelholz oder andere Commodities
abgesichert.
 Der Verkäufer verschweigt das derzeitige und zukünftige Überangebot an Zertifikaten.
 Astronomische Wertsteigerungen werden für die Zeit nach 2015 prognostiziert, wenn in Paris
im Dezember 2015 ein weltweites Klimaschutzabkommen unterzeichnet werden soll.
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11.07.2015
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Besonders skrupellose Trader bieten enttäuschten Käufern wertloser Klimazertifikate gegen die
Hinterlegung von Sicherheiten an, damit dann anschließend ein vorteilhafter Verkauf des bisherigen
Portfoliobestandes des Kunden erfolgen kann. Außerdem gibt es auch in diesem Bereich Phishing und
Datenklau, mit Hilfe dessen Zertifikate im Register auf andere übertragen werden können.
Eine zweite Kategorie betrügerischen Zertifikatehandels sind Multi-Level-Marketing-Pyramiden (sog
„Ponzi-Schemes“), in denen Käufer die Chance haben, durch den Weiterverkauf von „Zertifikaten“
die eingesetzte Investition schnell wieder herauszubekommen. Die in der Pyramide verkauften
Einheiten sind oft das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Bevor die aus dem Verkauf zu
finanzierenden Projekte implementiert sind, hat sich das Unternehmen in heiße Luft aufgelöst, und
seine Gründer sonnen sich auf den Bahamas.
Indizien für zweifelhafte Angebote – Auch bei Löschung und Stilllegung
Unabhängig von dem Wunsch mit freiwilligen CO2-Zertifikaten viel Geld zu verdienen, können (und
sollten) diese auch dazu benutzt werden, durch Löschung und Stilllegung das eigene
Umweltgewissen zu beruhigen. Auch in diesem Falle sind viele weitere Kriterien zu beachten, damit
nicht auch das eigene Gewissen noch über den Tisch gezogen wird und die Einsparung von CO2 in
Projekten garantiert und korrekt abläuft.
Folgende Eigentümlichkeiten im Umgang mit Broker- und Handelshäusern zu freiwilligen CO2Zertifikaten sollten verdächtig machen:
 Es werden nur Werttitel angeboten, keine Klimazertifikate.
 Es gibt kein zentrales, online zugängliches Register.
 Die gehandelte Einheit bezieht sich auf ungewöhnliche Maße, etwa „ein Hektar Regenwald“,
nicht aber auf Emissionsreduktionen.
 Eine genaue Lagebezeichnung des Projekts ist nicht verfügbar.
 Das Projekt wird von Umweltverbänden oder Stiftungen mit klingenden Namen unterstützt,
die vom Anbieter selbst gegründet wurden.
 Das Unternehmen kann kein Landeigentum nachweisen.
 Die ansässige Bevölkerung erhält Vergünstigungen, ohne zu wissen, was wirklich geplant ist.
 Die Zentralregierung des Gastgeberlandes hat keine Projektgenehmigung erteilt, allenfalls
liegen Unterstützungsschreiben von Provinzregierungen vor.
Freiwilliger Emissionsausgleich dient sehr oft als Beleg für nachhaltiges unternehmerisches Handeln
(CSR = Corporate Social Responsibility). Er ist jedoch nur dann zu empfehlen, wenn im eigenen
Unternehmen die Potenziale zur Emissionsverringerung ausgeschöpft werden. Doch auch die
Ausgleichsprojekte selbst werden von der Öffentlichkeit kritisch begleitet. Eine falsche Auswahl
dieser Projekte kann zum Imageschaden führen, wenn diese nicht zur Unternehmensphilosophie
passen.
Mehr Infos zum Thema Emissionshandel unter www.emissionshaendler.com
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