Der mit den Dingen spricht

MAGAZIN
MENSCHEN & IDEEN
Serie Existenzgründer im Porträt
Zur Dynamik unserer Volkswirtschaft tragen junge Unternehmen bei, die mit
innovativen Ideen die Märkte beleben. Wir stellen Beispiele vor.
Der mit den Dingen spricht
Foto:Maier
Die Rixa GmbH verknüpft reale Produkte mit Social-Media-Kanälen
Fotos:www.fine-images.de
Mit Hilfe eines kleinen Chips bringt Marc Henzler die Dinge zum Sprechen.
Wenn man ein Smartphone auf die
bunte Postkarte mit dem „R“-Sticker
legt, macht sie Musik und übermittelt
eine persönliche Botschaft des Absenders.
Spielerei? Ja, aber auch ein anschauliches Beispiel dafür, was mit der Softwareplattform
Rixa möglich ist – einer Plattform, die mittels
Minichip Gegenstände zum Sprechen bringt.
Und das ist eine ganze Menge: „Sie können
diesen Chip genau so gut als Plagiat-Check
einsetzen“, erklärt Rixa-Gründer Marc
Henzler. Der 39-Jährige hat das Unternehmen
im Januar 2015 gegründet, im März stellte er
bereits auf der Cebit aus. „Der Stand warständig umlagert“, freut sich der studierte Betriebswirt. Eben auch wegen der Karten. Mehr
als zwanzig hochkarätige Kontakte brachte er
mit nach Hause und arbeitet sie jetzt nach und
nach ab.
Wie funktioniert das System? Der Minichip – der übrigens auch direkt in das Produkt eingebaut werden kann, wird von
Smartphones mit NFC-Technologie erkannt.
Also in etwa so, wie die bewährte RFIDTechnik, doch mit zwei entscheidenden Vor-
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teilen: erstens braucht man nicht mehr die
teuren RFID-Lesegeräte, so dass auch Endverbraucher oder kleine Betriebe überprüfen können, ob die neue Maschine wirklich von dem renommierten Hersteller
stammt, dessen Logo sie trägt, die Pillen aus
dem Internet echt sind oder ob das Rindersteak tatsächlich aus Argentinien kommt.
Und der Hersteller kann Kontakt mit seinem
Kunden aufnehmen, denn der Chip führt
ihn ja direkt auf dessen App. „Identity und
Social“, nennt Henzler das.
Dr. Annja Maga
Redaktion Magazin
Wirtschaft
annja.maga@stuttgart.
ihk.de
Er ist nun auf der Suche nach einer
Schlüsselbranche, in der Rixa sein Produkt
im großen Stil im Markt platzieren kann. In
Frage kommen Händler oder Produzenten
in allen Branchen, die mit Produktfälschern
zu kämpfen haben.
Seine eigene Rolle sieht Henzler dabei als
Lizenzgeber. Eine Zusammenarbeit, bei der er
(kostenloser) Consultant oder bloßer Entwickler ist, lehnt er dagegen ab. Allenfalls Projekte,
bei denen er etwas für sein eigenes Unternehmen lernen würde, kann er sich vorstellen.
„Schleckig“ nennt der gebürtige Stuttgarter
diese Einstellung selber, aber schließlich hat er
jahrelang nach einem innovativen Produkt für
die Selbständigkeit gesucht. Selbst als er das
Potenzial von NFC entdeckt hatte, dauerte es
noch zwei volle Jahre, bis er das „passende
Business“ dazu enwickelt hatte.
Natürlich hat er das nicht allein gestemmt,
sondern mit Hilfe von fünf Entwicklern beziehungsweise Werkstudenten. Schließlich
arbeitete er noch bis letzten Herbst bei
einem großen amerikanischen IT-Unternehmen und war für den Konzern international unterwegs. Doch letzten Sommer
wurde ihm klar, dass nun eine neue Entwicklungsstufe kommen musste. Parallel rückte
der 40. Geburtstag näher. „Last Exit“ nennt
er darum die Entscheidung, die erst zu
einem (kurzen) Sabbatical und dann zum
Ausstieg aus dem Konzernleben führte.
Wo kommen eigentlich die Chips her? „Wir
sind herstellerunabhängig, haben aber exzellente Kontakte nach Asien. Eines Tages rief
mich ein Chip-Produzent aus Taiwan an.
Er hatte unsere Webseite über Google gefunden und ist von der NFC-Technik begeistert.
Außerdem hat er in Stuttgart studiert und
spricht sogar ein wenig Schwäbisch, was die
Zusammenarbeit erleichtert“, erzählt Henzler.
Doch ein eigenes Produkt aufzubauen
kostet, und anders als im Consultant- und
Entwicklerbereich fließt das Geld nicht so
schnell zurück. Deswegen ist Henzler auf der
Suche nach einer Anschubfinanzierung, am
liebsten aus öffentlichen Gründerprogrammen, weil die ihm größere Freiheit lassen.
Erste Umsätze kommen aber auch schon
über die Postkarten, die auf der Cebit für
Furore sorgten. Außerdem hat er mit der
Blindenwerkstatt in Untertürkheim sprechende
Türschilder entwickelt.
Hat es Henzler eigentlich geschmerzt, den
sicheren Job im Konzern aufzugeben? „Gar
nicht“, sagt er überzeugend, „meine Frau und
meine Freunde sagen alle, ich sehe besser
aus“. Viel gearbeitet hat er ja schon vorher,
jetzt kann er die Zeit selber einteilen. Und
überhaupt: „Wenn ich jogge und dabei an das
Geschäft denke – ist das Arbeit oder Freizeit?“,
gibt er zu bedenken.
Und wenn es schief geht? „Dann gibt es
noch einen Plan B,C,D,E und F, aber erst einmal konzentriere ich mich auf den Plan A!“
MAGAZIN WIRTSCHAFT 06.15