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Autor / Herausgeber: Burkhard Brenk
Titel: Meine Erinnerungen über die
Ereignisse an der deutsch-deutschen
Grenze im Harz. Von 1975-1980.
ADZ-Nummer: 059
www.archiv-der-zeitzeugen.com
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Meine Erinnerungen über die Ereignisse an der deutsch-deutschen Grenze im Harz. Von 1975-1980.
Nach meiner BW-Zeit bei einer Radareinheit ging ich zum Zoll-Grenzdienst. Nach den Lehrgängen
kam ich zu Ausbildung auf die Grenzaufsichtsstelle nach Bad Harzburg-Taternbruch, wo ich von den
Stammbeamten in das Grenzgebiet eingewiesen wurden. Sie erzählten dabei viele Ereignisse, die in
diesem Abschnitt der Grenze schon passiert sind. Auch die Geschichte von den Grenzschleusern, die
nach dem Krieg Menschen von Ost nach West schleusten und dann beraubten und umbrachten. Bei
bestimmten Verhältnissen könnte man in der Nacht noch an diesen Stellen die Schreie der armen
Menschen hören. Immer wenn ich später im Dienst an dieser Stelle unterhalb der Eckertalsperre
vorbei musste, hatte ich doch eine kleine Gänsehaut. Nach meiner Ausbildung kam ich zur
Grenzaufsichtsstelle nach Bad Harzburg-Eckertal, wo wir an der Blankenburger Str. auch eine
Dienstwohnung bekamen. Hier verrichtete ich in der Zeit von 1975 bis 1980 als Hundeführer
Grenzaufsichtsdienst entlang des Grenzflusses der Ecker von Lochtum, Abbenrode, Stapelburg,
Eckertal bis zur Eckertalsperre. In dieser Zeit hatten wir noch Dienstfahrräder und im Winter Skier.
Die Sperranlagen an der Grenze, die ein unüberwindliches Hindernis waren, wurden von sehr vielen
Besuchergruppen und Besuchern aus allen Gebieten und Ländern besichtigt. Besonders an dem
Grenzübersichtspunkt in Eckertal gegenüber der DDR-Ortschaft Stapelburg waren bei gutem Wetter
sehr viele Menschen, die staunend auf den mit Hund und Fahrrad ausgestatteten Zöllner blickten.
Die Kommentare waren meisten: „So möchten wir auch einmal Urlaub machen, wie Sie hier Dienst
verrichten und dazu noch bezahlt werden!“ Auch im Winter bei glitzerndem Schnee auf Skiern mit
dem Hund an der Leine waren die Kommentare hörbar. Doch diese Menschen übersahen dabei den
Dienst bei jedem Wetter an jedem Tag, bei Regen und Kälte, bei Sturm und besonders in den langen
Nächten an dieser unmenschlichen Grenze, die Deutschland teilte. Sie hörten nicht die Detonationen
der Selbstschussanlagen in der Nacht. Die einen mit dem Gedanken „Lass es bitte kein Mensch
gewesen sein!“ aus dem Schlaf rissen. Sie hörten nicht die lauten jämmerlichen Schreie der tödlich
verletzten Tiere die im Metallgitterzaun hingen und verendeten. Sie merkten nicht die seelische
Belastung, die auf den Familien der Beamten ruhte. Selten zeigte sich doch manchmal eine
menschliche Seite dieser Todesgrenze. Einmal ging begleitete ich einen sogenannten Grenzaufklärer
(einen sehr zuverlässigen Offizier der DDR-Grenztruppen) auf seinem Kontrollgang vor dem
Metallgitterzaun unmittelbar am Grenzverlauf. Direkt an der Grenze, als er sich zu einem Päuschen
auf einen Stein setzte, dabei aber übersah dass der Stein schon von einer Kröte besetzt war. Die
Kröte überlebte diese Aktion leider nicht, aber auf der Offiziershose zeigte sich ein großer Fleck. Zu
meinem Erstaunen lächelte der Grenzaufklärer zu mir rüber und ich lächelte und grüßte zurück. So
gingen wir beide unseres Weges weiter. Auch an dem ersten Nachtdienst nach meiner Hochzeit gab
es einen sehr menschlichen Kontakt zwischen Ost und West. Ich stand zu später Stunde auf dem
Grenzübersichtpunkt in Eckertal gegenüber dem Grenzführungsbunker mit Beobachtungsturm in
Stapelburg und zeigte den dienstverrichtenden Grenzsoldaten auf dem Turm stolz meinen neuen
Ehering. Plötzlich ging der große Suchscheinwerfer auf dem Turm an und der Hund, der Ring mit mir
standen im hellen Licht, als sich oben im Turm ein Klappfenster öffnete und ein Maßband gezeigt
wurde. Auch heute bin ich mir noch nicht sicher ob es die Anzeige der noch verbleibenden Dienstzeit
bei der Grenztruppe des Soldaten anzeigte, oder ob es die restlichen Tage bis zu seiner Hochzeit
waren. So vergingen die Jahre. Eines Tages postierte ich in den frühen Morgenstunden mit dem
Dienstfahrzeug unterhalb der Eckertalsperre, an der dort durch die Geländeverhältnisse sehr offenen
vorderen Grenz ohne Metallgitterzaun. Mein vierbeiniger Freund, der schwarze Schäferhund „Rauk“
lag abgelegt mit seinen angelegtem Zollkennzeichen vor dem VW-Bus, als eine Herde Muffelwild von
West nach Ost die Grenze wechselte. Die Braten riechend flitzte mein Hund in das Arbeiter-und-
Bauern-Paradies. Nach einiger Zeit kam Rauk jedoch mit eingekniffenen Schweif und hängender
Zunge in den „goldenen“ Westen zurück. Ich hatte meinen Hund schon in Gedanken bei der DDR
Propagandafernsehsendung „Der schwarze Kanal“ mit Karl Eduard von Schnitzler unter dem Motto:
Nun kommen auch die armen Hunde des Klassenfeindes zu uns in Paradies. Eines Tages bekam ich
dann meine Beurteilung von meinen damaligen Vorgesetzten Jürgen Heise und dem
Hauptzollamtsvorsteher von Göttingen, Schöpe ausgehändigt. Diese Beurteilung wurde von mir nicht
anerkannt. Ich leitete die mir zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ein um gegen diese
Wertung anzugehen. Da das Verfahren aber immer weiter rausgezögert wurde, wendete ich mich an
den Petitionsausschuss des deutschen Bundestages, der einen Sonderermittler einsetzte. Nach dem
Ermittlungsergebnis musste meine Beurteilung auf höhere Weisung zurückgezogen werden und eine
neue positive Beurteilung wurde erstellt. Ich hatte danach die Möglichkeit, bei meiner alten
Dienststelle zu verbleiben oder mir eine Wunschdienststelle innerhalb der Bundesrepublik
auszusuchen. Wir zogen mit unserem Sohn Tobias und meinem vierbeinigem Freund in die
wunderschöne Stadt Aachen wo ich sofort befördert wurde und meinen Dienst auf den
internationalen grenzüberschreitenden Zügen verrichtete. Später verrichtete ich bis zu meiner
Pension Dienst bei einer Sondereinheit zur Bekämpfung der Betäubungsmittel- und
Waffenkriminalität und der Kontrolle von Verboten und Beschränkungen auf den Autobahnen des
Dreiländerecks zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland eingesetzt war. Es war eine
sehr spannende und abwechslungsreiche erfolgreiche Dienstzeit. Mit besten Grüßen aus Aachen
Burkhard Brenk .