Der Matrosenknoten Die »Wäsche achtern« oder wie zieht sich Frau oder Herr Matrose richtig an von Jürgen Egerland Das Bild zeigt einen Matrosen im vollständigen Exerzier- und Ordonanzanzug der Kaiserlichen Marine um 1890 »Post-Ordonanz« Der Begriff »Wäsche achtern« bezeichnet den Matrosenanzug, der, im Gegensatz zu Hemd und Krawatte, den Kragen hinten hat. Wenn wir uns die Matrosenblusen unserer Kameraden anschauen, so gibt es die verschiedensten Knoten und Fliegen. Große, kleine, lange, breite, die Fliege als Strich, die Fliege als Andreaskreuz, eine Schummel-Fliege und, und, und. Kann das so richtig sein? Ist denn nicht alles in der Bundeswehr geregelt? Mit diesem Beitrag möchte ich versuchen, etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Aussagen aus der Vorschrift Wir alle wissen, dass Vorschriftentexte nicht immer einfach zu lesen sind. Am Beispiel des Matrosenknotens lässt sich erkennen, dass das richtige Binden und Anlegen dieses Teils der Dienstuniform bis heute nur durch traditionelle Überlieferung möglich ist. Ich möchte heute versuchen, unterstützt durch entsprechendes Bild- und Textmaterial, für jedermann und Frau klarzustellen, wie es richtig sein sollte. Dienstvorschriftengeschichte der Bundeswehr: 1. Der Vorläufer zur ZDv 37/10 war eine einfache Bilderbroschüre ohne erklärenden Text und verschiedene Erlasse, die die Anzugordnung betrafen. Man ging zur Gründung der Bundeswehr davon aus, dass dieses ausreichend wäre. Das Bild zeigt einen Ausschnitt eines Werbeposters der Bundeswehr aus dem Jahr 1958 2. ZDv 37/10 »Anzugordnung für die Bundeswehr (A.O.)«, Ausgabe 1959: Hier gehört zum Dienstanzug das »seidene Tuch, schwarz«. 45 Das seidene Tuch für Mannschaften und Unteroffiziere o. P. ist schräg zusammenzulegen und so zu einem Schifferknoten zu schlagen, dass der Schrägstreifen von rechts oben nach links unten verläuft (vom Mann gesehen). Beide Enden sind hinter dem Hemdkragen glatt zuzubinden. Hierzu muss man wissen, dass die Maaten und Obermaaten bis 1971 ebenfalls noch die »Wäsche achtern« getragen haben und das Seidentuch noch quadratisch war. Das Bild zeigt einen Ausschnitt einer Vorschriftenseite aus der ZDv 37/10 (Ausgabe 1959) 3. In der Ausgabe »Leitfaden für den Dienstunterricht an der Marineunteroffizierschule«, Ausgabe 1966, findet sich zu dem Text aus der Vorschrift von 1959 folgende Ausführungsbestimmung: »Die am Kragen befestigten weißen Bändsel werden über dem Unterteil des Knotens zu einer Schleife gebunden.« Tag der offenen Tür an der Marineunteroffiziersschule (MUS) in Plön um 1963 4. Die Ausgabe von 1968 schreibt gar nichts darüber, wie das »seidene Tuch, schwarz« zu binden ist. Aber ein Bild findet sich auch in dieser Vorschrift. 5. In der Ausgabe der »Anzugordnung für die Soldaten der Bundeswehr« seit 1989 findet sich der Verweis auf die Fliege. Hier spricht man vom: »Seidenen Tuch, schwarz mit Fliege«. Mit welchem Knoten das Tuch zu binden ist, findet sich hier nicht mehr. 418 (3) Der Knoten des seidenen Tuches ist so zu binden, dass der blaue Strich - vom Mann aus gesehen - von links unten nach rechts oben verläuft. Die Enden der Bändsel des Hemdkragens sind zu säumen. (In der zurzeit gültigen Ausgabe von 1996 ist es die Ziffer 246.) Die Formulierung »vom Mann aus gesehen« ist heute nicht mehr zeitgemäß, da auch die weiblichen Mannschaftsdienstgrade seit 2001 die Wäsche achtern tragen. Und was soll uns der Text »Die Enden der Bändsel des Hemdkragens sind zu säumen« sagen? Aussehen des Matrosenknotens Dieser - aus einem Dreiecktuch gefertigte - traditionell von Hand gebundene Schifferknoten muss so gebunden werden, dass der blaue Diagonalstreifen von links unten nach rechts oben verläuft. Auf dem unteren Teil befindet sich eine weiße Schleife in Form eines Andreaskreuzes, die so genannte »Fliege«. Dieser Knoten (Aussehen und Herstellung) wird schon seit 1873 in der deutschen Marine verwendet und hat die Kaiserliche Marine, die Reichsmarine, die Kriegsmarine und die Bundesmarine (1977 sollte die Matrosenuniform abgeschafft werden) bis heute überlebt. Wenn das Binden des Knotens und der Fliege so einfach wäre, bräuchte dieser Text nicht geschrieben zu werden. Ich möchte hier nur kurz die Geschichte eines ehemaligen Maaten und Gruppenführers aus der Grundausbildung schildern: »Das erste Quartal in meiner Tätigkeit als Gruppenführer ging zu Ende. Kaum waren die alten Rekruten vom Hof, kamen schon die neuen. Ich freute mich auf meine neue Gruppe. Der Hauptbootsmann, mein Zugführer, nahm mich zur Seite und teilte mir mit, dass ich nun die Matrosenknoten für meine Gruppe anfertigen solle, da ich im letzten Quartal zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend war. "Erst mal müssen die Tücher einen Tag im Wasser liegen. Das feuchte Element gehört zu jedem Seemann! Ich habe die Tücher schon gestern vorbereitet." Wir betraten den Waschraum. In diesen war ein Tisch gestellt worden und um den Tisch standen ein Dutzend oder mehr mit Wasser und schwarzen Tüchern gefüllte Eimer. Die gesamten Tücher für ein Quartal der Inspektion. Auf der Fensterbank lagen ein paar alte Zeitungen und eine Kleiderbürste. Schrittweise führte er mir die Tätigkeiten vor. Das Tuch auf dem Tisch ausbreiten. Welche Seite muss nach oben? Mit der Kleiderbürste das Tuch glatt streichen. Zwei Seiten Zeitungspapier auf ca. DIN A 4 falten und in einer bestimmten Position auf das Tuch legen. Nun das Tuch zu einer Krawatte falten. Nicht zu locker, nicht zu fest, nicht zu dünn, nicht zu dick und auch nicht rollen. Nun war ich an der Reihe. Mehrfach versuchte ich mein Glück. Nachdem ich das Tuch (jedes Mal neues Zeitungspapier) zum neunten Male gefaltet hatte, war er damit zufrieden. Er sagte: "Sehr gut! Jetzt machen Sie erst mal zwanzig Stück und wenn Sie damit fertig sind, melden Sie sich bei mir!" Angestachelt von seinem Lob fing ich an, die Tücher zu falten. Es versteht sich von selbst, dass nicht ein Tuch gleich beim ersten Mal die Qualitätsmaßstäbe des Hauptbootsmanns erfüllte. Nach ca. zwei Stunden meldete ich mich bei ihm. "Ja, das kann man gebrauchen!" Er zeigte mir nun, wie man das gefaltete Tuch in die Hand nimmt, wo man es knicken muss, damit der blaue Diagonalstreifen an der richtigen Position liegt. Auch der Schifferknoten ging ihm leicht von der Hand. "Jetzt nur noch ausschlagen und die Enden verknoten!" Nun nahm er die beiden Enden des Knotens in die Hand und begann den Knoten zu schleudern. Mit einem lauten Krachen schlug er den Knoten auf die Tischplatte, ein, zwei oder drei Mal, bis er mit dem Aussehen zufrieden war. "Das sorgt für die nötige Festigkeit des Knotens!" Was soll ich sagen, ich brauchte 15 Knoten, bis der erste Knoten durch die Qualitätsschranken meines Zugführers kam. Die bis dahin 'geübten' Knoten mussten alle wieder geöffnet und neu gefaltet werden. "Das ist jetzt auch verstanden", sagte mein Zugführer: "Jetzt können Sie die restlichen Tücher knoten!" Ich glaube, ich muss es nicht erwähnen: über 100 Knoten sollte ich herstellen. Es waren eintönige Tage, die folgten. Aber dann war es geschafft. Mein Hauptbootsmann kam zur Kontrolle. Alle Knoten waren fein säuberlich auf den Rippenheizkörpern zum Trocken ausgehängt. Er betrachtete stumm jeden einzelnen Knoten genau. Ab und zu legte er einen nicht auf die Heizung zurück, sondern auf den Tisch. Zum Ende lagen dort sieben Knoten. Ich dachte bei mir: "Das ist ein guter Schnitt. Nur 7% haben nicht bestanden!" Stolz wartete ich auf seinen Kommentar. Er sagte: "Diese sieben Knoten sind mit ausreichend zu benoten. Der Rest ist mangelhaft! Aufmachen und neu knoten!" Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Heute betrachte ich diese Geschichte aus einer anderen Sichtweise. Qualität hat ihren Preis, und noch heute kann ich die Seidentücher wie im Schlaf knoten.« Falten des Halstuches Binden des Schifferknotens Geschichte des Matrosenknotens Nicht belegt, aber schön ist die Geschichte, dass die Königin von England aus Anlass des Todes von Lord Nelson (21.10.1805) das schwarze Tuch als Zeichen der Trauer für die britische Marine gestiftet haben soll. Die deutsche Marine, die in Sachen Matrosenuniform die englische Ausführung übernahm, hat 1872/73 den eingewebten blauen Diagonalstreifen eingeführt. Dieser soll beim Binden des Schifferknotens von links unten nach rechts oben verlaufen, da dieses als Zeichen des waffenfähigen Mannes ausgelegt wurde - bekanntlich wird das Schwert/der Degen so gezogen. Der blaue Diagonalstreifen hat aber auch noch eine andere Bewandtnis: Reine Seide war sehr begehrt und der Matrose verschenkte diese gerne mal an seine Angebetete. Um nun im Rahmen der Kostendämpfung dieser Seidentücher wieder habhaft zu werden, wurde das Tuch durch den eingewebten blauen Streifen als militärisches Eigentum gekennzeichnet. Ein Vorläufer also der heutigen Materialkennzeichnung wie »Bund« oder »Bundeswehr«. Was hat es mit dem »Nordsee-« und »Ostseeknoten« auf sich? Nach altem Brauch pflegten die der Marinestationen Ostsee zugehörigen Soldaten den Knoten so zu binden, dass der blaue Streifen in entgegengesetzter Richtung (von links oben nach rechts unten) verlief, um sich so von den Soldaten der Nordseestationen zu unterscheiden. Dieser Brauch war aber vorschriftswidrig und wurde bei anderen Verbänden nicht geduldet, bei anderen jedoch sogar befohlen (noch in der Kriegszeit bis 1945). Nordseeknoten Ostseeknoten Woher kommt die Fliege? Auch hier geht die Anekdote weiter: Nach dem abgelaufenen Trauerjahr für Lord Nelson gefiel der Königin dieser schwarze Matrosenknoten so sehr, dass uns die Überlieferung erzählt, die Schleife (Fliege) sei als Aufhebung der Trauer um Nelson gestiftet worden. Um die Geschichte der Fliege zu erklären, müssen wir hier kurz auf den Hemdkragen der Matrosenbluse eingehen. Der Hemd- oder auch Exerzierkragen gehörte eigentlich nicht zur Bluse. Er war weder angenäht (wie bei der heutigen weißen Bluse) noch einknöpfbar (siehe heutige blaue Matrosenbluse). Der Hemdkragen wurde unter der Bluse an-gelegt (auch noch bei der Bundesmarine, siehe »Leitfaden für den Dienstunterricht an der Marineunteroffizierschule«, Ausgabe 1966). Der Hemdkragen hatte ein Brust- und Rückenteil, welche mit dem eigentlichen Kragen vernäht waren. An den unteren Ecken des Brustteils war je eine Bandschlaufe angenäht, an jenem des Rückenteils je ein ca. 45 cm langes und 1 cm breites weißes Band. Die Bänder wurden durch die Schlaufen gezogen, so dass sich ein straffer Sitz ergab. Vorne am Halsausschnitt befanden sich zwei weitere weiße Bänder. Nachdem die Bluse übergezogen war, wurde der Exerzierkragen ausgeschlagen, das bedeutet, dass er über den einfarbigen Kragen der Bluse gelegt wird. Die weißen Bänder vom Halsausschnitt wurden durch die in der Bluse angebrachten Löcher (diese Löcher gibt es in den heutigen Blusen immer noch) gezogen und der Knoten wurde mit diesen Bändern befestigt. Die meist leicht gestärkten Bänder waren waagerecht in der Mitte des unteren Teils des Knotens festgebunden, wo bei die Schleife (die so genannte Fliege) ein liegendes Diagonalkreuz bildete. Wenn die Bänder weich wurden, dann »stärkte« man sie gewöhnlich wieder mit Zahnpasta. Die Fliege diente also zur Befestigung des Knotens. Heute erfüllt die Fliege keine Funktion mehr (worüber die Matrosen bestimmt nicht traurig sind), sie ist nur noch reine Zierde. Wie entsteht eine Fliege? Schrittweiser Ablauf in fünf Schritten Selbsterstelltes Hilfsmittel eines Ausbilders in der Grundausbildung So wird der Knoten richtig befestigt 1. Die beiden Löcher in der Bluse werden mit dem Bändsel fest verschlossen (Kreuzknoten). 2. Die beiden Knotenenden werden ebenfalls fest miteinander verknotet (Kreuzknoten). 3. Der Knoten wird auf die Bluse gelegt, die Enden verschwinden unter dem Exerzierkragen. Die Bändsel werden - der eine von links, der andere von rechts - durch den unteren Teil des Knotens geschoben. 4. Die Bändsel werden jetzt wieder in die Löcher der Bluse geschoben. 5. Die Bändsel werden in der Bluse fest zusammengezogen und 6. mit einer Schleife gesichert. 7. Der Knoten liegt fest an der Bluse. 8. Die Tuchausläufer des Knotens liegen frei unter dem Kragen. Zusammenfassung Früher lernte jeder Marineangehörige, wie der Knoten und die Fliege zu binden waren. Die Grundwehrdienstzeiten wurden kürzer. Die Grundausbildung wurde immer mehr mit Fachund Spezialthemen gefüllt. So bekam der Matrose dann den ersten Knoten schon fertig gebunden von seinem Gruppenführer. Der zweite musste selbst gefertigt werden. Dann wurde der Exerzierkragen fest mit der Bluse vernäht bzw. war zum Einknöpfen. Nun gehörte auch die Fliege immer auf den Knoten. Heute bekommt der Grundausbildungssoldat einen fertigen Knoten mit Fliege von seinem Ausbilder gestellt. Das zweite Seidentuch, das auch heute zum Bestand dazu gehört, bleibt in der Regel ungebunden. Die Kunst, den Matrosenknoten zu legen, hat in der Marine eine lange Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde und wird. So werden Erfahrungen, Bekanntes, Bewährtes, Kniffe und Tricks von einem Ausbilder zum nächsten weitergereicht. Talent alleine genügt nicht, man braucht außerdem viel Erfahrung und die Bereitschaft, hart an sich zu arbeiten. Auch heute, da wir modernste Fertigungsmaschinen entwickeln können, zehren die jungen Matrosen noch von diesem Wissen und Fertigkeiten einiger weniger Ausbilder in der Marine. Ob ihnen wohl bewusst ist, wie viel Zeit, Wissen und Liebe in ihrem Knoten steckt? Vielen Dank allen Kameraden in den Grundausbildungen, die die Fertigkeiten noch weitergeben können. So ist diese maritime Tradition für uns alle gleichwohl ein permanenter Rückblick in die Vergangenheit, als auch richtungweisend für die Zukunft. Es ist gelebte Marinegeschichte. Überlassen wir dieses Kleinod der Marinetradition nicht dem Zufall! So sieht ein seidenes Tuch, schwarz mit Fliege aus!
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