Juristische Ausbildung 2014(6): 580–584 Grundstudium ZR Prof. Dr. Jens Petersen Der Dritte im Allgemeinen Schuldrecht DOI 10.1515/jura-2014-0066 Im Anschluss an einen früheren Beitrag über den Dritten in der Rechtsgeschäftslehre (JURA 2004, 306) soll im Folgenden der Dritte im Allgemeinen Schuldrecht überblicksartig behandelt werden. I. Einführung Klausur- und Übungsfälle bestehen nicht nur aus Zweipersonenverhältnissen, in denen die Frage, wer von wem was verlangen kann, zumindest von der Seite der Anspruchsbeteiligten her klar ist. Vielmehr ist es gerade für anspruchsvollere Fallgestaltungen typisch, dass Dritte mitwirken und den Schwierigkeitsgrad der Übungsaufgabe dadurch beträchtlich erhöhen. Für die Bewältigung solcher Herausforderungen im Anspruchsaufbau empfiehlt es sich, nicht einfach Meinungsstreitigkeiten bekannter Dreipersonenverhältnisse auswendig zu lernen, sondern sich im Ausgangspunkt zu vergegenwärtigen, wie das Gesetz selbst die Person des Dritten ausdrücklich einbezieht und regelt, weil sich darin bereits entscheidende Wertungen des Interessenausgleichs unter der Mitwirkung Dritter abbilden1. Ein konkret geregeltes Beispiel bildet die im Übrigen nicht zu vertiefende Sonderregelung des § 311 b Abs. 4 BGB, wonach ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten nichtig ist. Das Gleiche gilt von einem Vertrag über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlass eines noch lebenden Dritten, § 311 b Abs. 4 Satz 2 BGB. Die Rechtsordnung hält solche Geschäfte ersichtlich für anstößig, weil damit der Tod des Dritten zum Gegenstand der Spekulation wird2. Damit kommt eine privatrechtliche Grundwertung an versteckter Stelle zum Vorschein, die es im Klausurfall gegebenenfalls zu erken nen gilt. Denn nichts ist peinlicher, als den Interessenwiderstreit bei der Mitwirkung Dritter unter Rückgriff auf eine diffuse herrschende Meinung oder vermeintliche Rechtsprechung lösen zu wollen, wenn das Gesetz (nicht selten im zweiten Absatz) eine ausdrückliche Regelung für den Dritten bereithält. Daher sollen im Folgenden überblicksartig diejenigen Vorschriften genannt werden, die den Dritten ausdrücklich voraussetzen, um auf diese Weise einen Begriff von der Vielschichtigkeit der Problematik zu erhalten. Denn das Gesetz hat in weitaus mehr Fallgestaltungen eine ausdrückliche Regelung parat. Die Einzelheiten dazu sind früheren bzw. späteren Beiträgen vorbehalten, auf die verwiesen sei. II. Die einzelnen Ausprägungen Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger nach § 241 Abs. 1 berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Das Gesetz geht also zunächst von einer ZweiPersonen-Beziehung aus: Gläubiger und Schuldner. Das ist Ausdruck des Prinzips der Relativität der Schuldverhältnisse, in denen eine Mitwirkung Dritter in den rechtlichen Beziehungen grundsätzlich nicht vorgesehen ist3. 1. Drittwirkung von Schutz- und Leistungspflichten a) Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 1 Dazu auch Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001, passim. 2 BGHZ 37, 323. Jens Petersen: Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität in Potsdam und Mitherausgeber der Zeitschrift. Demgemäß bestimmt § 241 Abs. 2, dass das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann. Vor diesem systematischen Hintergrund versteht sich die Bestimmung des § 311 Abs. 3 BGB: Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Ver- 3 Lehrreich zur Relativität des Schuldverhältnisses und der Rechtsstellung Dritter Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721. Angemeldet | [email protected] Heruntergeladen am | 29.06.15 22:08 Grundstudium ZR – Jens Petersen: Der Dritte im Allgemeinen Schuldrecht trauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Hier ist der Dritte ausdrücklich genannt. Der Sache nach geht es dabei um die Drittwirkung von Schutzpflichten, die unter dem Gesichtspunkt des Vertrags- bzw. Schuldverhältnisses mit Schutzwirkung zugunsten Dritter diskutiert wird4. Der Dritte erhält unter bestimmten Voraussetzungen einen eigenen vertraglichen Schadensersatzanspruch, obwohl er nicht Vertragspartner wird bzw. werden sollte. Damit droht dem Anspruchsgegner auf der anderen Seite eine Risikostreuung, da er die vertraglichen Ansprüche möglicherweise kaum vorhersehen kann. Um die Risiken des Vertragspartners nicht unkalkulierbar zu vergrößern, müssen daher die folgenden Voraussetzungen vorliegen: Der Dritte muss der Gefahr einer Schutzpflichtverletzung in gleicher Weise ausgesetzt sein wie der Vertragspartner (Leistungsnähe)5. Dieser muss dem Dritten gegenüber fürsorgepflichtig sein (Gläubigernähe)6 und der andere Teil musste entsprechend §§ 133, 157 BGB den Kreis der geschützten Dritten subjektiv erkennen können (Erkennbarkeit)7. Weiteres Erfordernis ist die Schutzbedürftigkeit des Dritten, die entfällt, wenn ihm ein eigener vertraglicher Ersatzanspruch zusteht8. Wird also beispielsweise das an der Hand der Mutter mitgeführte Kind beim Einkauf durch eine Unachtsamkeit eines Gehilfen des Ladenbesitzers verletzt, dann hat das Kind einen eigenen Anspruch gegen den Ladenbesitzer aus § 280 Abs. 1 BGB9: Das erforderliche Schuldverhältnis ist ein solches mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Das Kind, das eigentlich nicht Vertragspartner werden sollte, ist in den Verkaufsräumen der gleichen Gefahr einer Schutzpflichtverletzung des Ladenbesitzers ausgesetzt wie seine Mutter, womit Leistungsnähe bestand. Die Mutter als Vertragspartnerin des Ladenbesitzers war dem Wohl und Wehe ihres Kindes verpflichtet, so dass wegen des personenrechtlichen Einschlags (§§ 1626, 1629 BGB) auch ein Einbeziehungsinteresse (Gläubigernähe) bestand. Dies konnte der Ladenbesitzer auch erkennen. Schließlich war das Kind auch schutzbedürftig, da es keinen eigenen vertraglichen Anspruch gegen den Ladenbesitzer hat (allenfalls einen deliktischen aus § 831 BGB, der aber nicht zuletzt wegen der Schwäche der Exkulpationsmöglichkeit – § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB – nicht gleich wirksam ist). Somit 4 Dazu Petersen, Die Drittwirkung von Schutzpflichten, JURA 2013, 893. 5 BGH NJW 2008, 2245. 6 BGH NJW 1985, 489. 7 BGH NJW 1996, 2929. 8 BGH NJW 2004, 3630. 9 Zu diesem Fall auch Petersen, JURA 2013, 893. 581 liegt ein Schuldverhältnis (§ 280 Abs. 1 BGB) mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor. Innerhalb dessen hat der Ladenbesitzer durch seinen Gehilfen zurechenbar und schuldhaft (§ 278 BGB) eine Pflicht verletzt. Er ist also dem Kind schadensersatzpflichtig. b) Vertrag zugunsten und zu Lasten Dritter Nicht nur Schutzpflichten, sondern auch Leistungspflichten können unter bestimmten Umständen Drittwirkung erzeugen. Dies bestimmt der Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 Abs. 1 BGB10. Danach kann durch den Vertrag eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. Sogar ein bloßer Vorvertrag kann als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet werden11. Beim Vertrag zugunsten Dritter erhält dieser also einen primären Leistungsanspruch12. Ein Vertrag zu Lasten Dritter ist dem BGB hingegen unbekannt und ist als Verstoß gegen die Privatautonomie und als Eingriff in die Willensfreiheit des Dritten unwirksam13, wenn er dem nicht am Vertrag beteiligten Dritten unmittelbar eine Rechtspflicht auferlegt und nicht lediglich als Reflex benachteiligt14. Auch eine analoge Anwendung des § 328 BGB kommt hierfür nicht in Frage, da eine Begründung vertraglicher Pflichten ohne die Mitwirkung des Schuldners einen Eingriff in sein Selbstbestimmungsrecht darstellen würde15. Ein Dritter ist zwar mit dem unmittelbaren Entstehen von Begünstigungen in der Regel einverstanden, nicht jedoch mit der Auferlegung von Pflichten. Etwas anderes kann auch nicht daraus gefolgert werden, dass der belastete Dritte analog § 333 BGB berechtigt wäre, die Pflicht zurückzuweisen. Dies würde wiederum ein unzumutbares Risiko für den Gläubiger darstellen, der seinen Schuldner ohne eigenes Zutun verlieren könnte16. Zulässig können dagegen Belastungen des Dritten sein, die sich in einer Einschränkung seiner Begünstigung erschöpfen, etwa indem sein Leistungsanspruch einer Verfallklausel unterstellt ist. Die Grenze bilden jedoch solche Nebenbestimmungen, die ohne Mitwirkung 10 Dazu näher Petersen, Die Drittwirkung von Leistungspflichten, JURA 2013, 1230. 11 Schmalzl AcP 164 (1964) 446. 12 Dazu Petersen, JURA 2013, 1230. 13 BGHZ 61, 361; 78, 374; Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 2011, Rdn. 1051. 14 BGH NJW 2004, 3326, 3327. 15 Jauernig/Stadler, 15. Aufl. 2014, § 328 Rdn. 7. 16 Bettermann, JZ 1951, 321, 323 f. Angemeldet | [email protected] Heruntergeladen am | 29.06.15 22:08 582 Grundstudium ZR – Jens Petersen: Der Dritte im Allgemeinen Schuldrecht des Dritten erzwingbar sind – weswegen Auflagen wiederum als unzulässig beurteilt werden müssen17. b) Der Dritte bei der Abtretung Das eigentliche Abtretungsrecht der §§ 398 ff. BGB behandelt vordringlich das Verhältnis des Schuldners zum bisherigen bzw. neuen Gläubiger. Der Dritte wird folgerichtig nur bei der mehrfachen Abtretung genannt: Wird eine abgetretene Forderung von dem bisherigen Gläubiger nochmals an einen Dritten abgetreten, so findet nach § 408 Abs. 1 BGB, wenn der Schuldner an den Dritten leistet oder wenn zwischen dem Schuldner und dem Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen oder ein Rechtsstreit anhängig wird, zugunsten des Schuldners die Vorschrift des § 407 BGB dem früheren Erwerber gegenüber entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn die bereits abgetretene Forderung durch gerichtlichen Beschluss einem Dritten überwiesen wird oder wenn der bisherige Gläubiger dem Dritten gegenüber anerkennt, dass die bereits abgetretene Forderung kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen sei, § 408 Abs. 2 BGB. Das erklärt sich daraus, dass bei der Abtretung als Verfügung das Prioritätsprinzip gilt. Daher wird derjenige, an den zuerst abgetreten wurde, der wirkliche Gläubiger, während der Dritte, also der an den durch den Altgläubuiger erneut abgetreten werden sollte, der Sache nach nicht berechtigt ist20. Dennoch ist mit der Verweisung auf den besonders prüfungsrelevanten § 407 BGB sichergestellt, dass dem Schuldner keine Nachteile aus einer Zahlung an den vermeintlichen Neugläubiger entstehen. Somit lässt sich also nach dem Grundmuster des § 408 BGB eine besonders anspruchsvolle Fallgestaltung dergestalt einbetten, dass sie auf dieser Grundlage allgemeine Grundwertungen und Probleme des Abtretungsrechts enthält. Gerade dieser Gesichtspunkt der Verweisung auf § 407 BGB mit seinem Grundproblem der Leistung an den Nichtberechtigten veranschaulicht eine weitere Dimension der Mitwirkung Dritter. 2. Abtretung Das Allgemeine Schuldrecht nennt die Person des Dritten aber noch an früherer Stelle. Ses materiae ist nicht zuletzt das Abtretungsrecht, das neben dem Schuldner und dem Altgläubiger (Zedent) den Neugläubiger (Zessionar) voraussetzt. a) Ansprüche auf Abtretung Äußerlich vergleichsweise unscheinbar, von der inneren Systematik des BGB her aber eminent wichtig wird der Dritte in § 255 BGB vorausgesetzt. Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, ist danach zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die den Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache oder aufgrund des Rechts gegen Dritte zustehen. Hier ist es nicht ein bestimmter Dritter, sondern es sind entsprechend der Grundwertung des § 255 BGB alle möglichen Dritten, gegen die unter diesen Voraussetzungen Ansprüche bestehen können. § 255 BGB verhindert eine doppelte Kompensation des Geschädigten, der zwar einerseits Ersatz seines Schadens selbst dann verlangen kann, wenn er gleichzeitig einen Anspruch gegen einen Dritten hat18. Der mögliche Anspruch gegen einen Dritten ändert also nichts an der Inanspruchnahme des Schädigers. Jedoch soll der Geschädigte nicht doppelt Ersatz verlangen können. Man sieht darin das schadensrechtliche Bereicherungsverbot verwirklicht19. Ebenso wie nach § 285 Abs. 1 BGB, der den Dritten nicht voraussetzt, aber gleichwohl in einem systematischen Näheverhältnis zu § 255 BGB steht, besteht die Rechtsfolge in einem Anspruch auf Abtretung. Bei § 285 Abs. 1 BGB steht dies in der Variante, die demnach so lautet: Erlangt der Schuldner infolge des Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen. 17 MünchKomm BGB/Gottwald, 6. Aufl. 2012, § 328 Rdn. 255. 18 BGH NJW 1998, 749, 751. 19 BGH NJW 1997 1008, 1012. 3. Erfüllung und Ablösung durch Dritte Für das Recht der Erfüllung durch Dritte gilt § 362 Abs. 2 BGB. Danach ist eine an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung erfolgte Leistung nur dann wirksam, wenn sie entsprechend § 185 Abs. 1 BGB mit der Einwilligung des wahren Gläubigers erfolgt oder nach § 185 Abs. 2 BGB später von diesem genehmigt wird21. Nur der Vollständigkeit halber sei § 365 BGB genannt, wonach der Schuldner, 20 Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 408 Rdn. 1. 21 Zur Leistung an den Nichtberechtigten allgemein Petersen, JURA 2010, 281. Angemeldet | [email protected] Heruntergeladen am | 29.06.15 22:08 Grundstudium ZR – Jens Petersen: Der Dritte im Allgemeinen Schuldrecht der eine Sache, eine Forderung gegen Dritte oder ein anderes Recht an Erfüllungs statt hingibt, hinsichtlich etwaiger Mängel dieser Sachen oder Rechte wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten hat. Diese Vorschrift steht bereits in einem systematischen Übergang zum Besonderen Schuldrecht. Von der Leistung an einen Dritten zu unterscheiden ist der Fall der Leistung durch Dritte, der in § 267 Abs. 1 BGB geregelt ist: Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken, ohne dass die Einwilligung des Schuldners erforderlich ist. Das entspricht der passivischen Formulierung in § 362 Abs. 1 BGB, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Eine schwierige Folgeregelung des § 267 BGB mit Drittbeteiligung findet sich in der Bestimmung über das Ablösungsrecht des Dritten: Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in einem dem Schuldner gehörenden Gegenstand, so ist jeder, der Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an dem Gegenstand zu verlieren nach § 268 Abs. 1 berechtigt, den Gläubiger zu befriedigen. »Jeder« in diesem Sinne ist also jeder mögliche Dritte, auf den nach § 268 Abs. 3 BGB die Forderung übergeht, soweit dieser den Gläubiger befriedigt. Die Einzelheiten dieses gesetzlichen Forderungsübergangs können im Rahmen dieses Überblicks nicht dargestellt werden22. 4. Zurechnung Ebenfalls nicht ausdrücklich vorausgesetzt ist der Dritte im Regelungstext des § 278 BGB, anders als in der Überschrift: Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte. Danach hat der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Hierbei ist wichtig, dass nicht einfach der Definition des »Erfüllungsgehilfen« subsumiert wird, sondern auch die Möglichkeit eines gesetzlichen Vertreters in Betracht gezogen wird. Handelt also beispielsweise der Vorstand für einen Verein (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB) oder werden die Eltern für ihr minderjähriges Kind tätig (vgl. §§ 1626, 1629 BGB), so stellt sich im Rahmen der Verschuldenszurechnung nicht die Frage nach dem Erfüllungsgehilfen, sondern dem gesetzlichen Vertreter. Gerade im Bereich des § 278 BGB ist also eine exakte Subsumtion unerlässlich. Es hilft ersichtlich nicht weiter, sich merken zu wollen, wer Erfüllungsgehilfe ist und wer nicht, weil dies von der 22 Näher Petersen, Ablösungsrechte Dritter, JURA 2013, 1026. 583 jeweiligen Verbindlichkeit im Einzelfall abhängt. Vor allem darf der Begriff des Erfüllungsgehilfen nicht zusammenhanglos dem des Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB gegenübergestellt werden. Denn § 831 BGB ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage, während § 278 BGB die Zurechnung betrifft. Beide Vorschriften begegnen im Rahmen der Fallbearbeitung also auf unterschiedlichen Ebenen, wie im Übrigen der weiter oben zum Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten Dritter genannte Beispielsfall veranschaulicht. 5. Allgemeine Geschäftsbedingungen Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich eine wertungsmäßig wichtige Regelung in § 309 Nr. 8 b aa BGB. Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist demnach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen darf also nicht einfach die eigene Haftung ausschließen und seinen Kunden auf die Rechtsverfolgung gegenüber irgendwelchen Dritten verweisen, die dieser nicht kennt. Bei der Eigenhaftung des Verwenders bleibt es auch dann, wenn er – was möglich ist – dem Kunden Ansprüche abtritt, die er gegen Dritte hat oder er insoweit einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) schließt. Auf diese Weise kann der Kunde beispielsweise das Recht einer Herstellergarantie im Sinne des § 443 BGB erlangen23. Nur der Vollständigkeit halber sei § 309 Nr. 13 BGB genannt, wonach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam ist, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden. Hier ist die Person des Dritten nicht konstitutiv für das Verständnis der gesetzlichen Systematik, weil es nur um die Erklärung gegenüber möglichen anderen Personen geht24. 23 Palandt/Grüneberg, § 309 Rdn. 64. 24 Zu einem ähnlichen Mechanismus Petersen, Liber amicorum für Detlef Leenen, 2012, S. 219, 225. Angemeldet | [email protected] Heruntergeladen am | 29.06.15 22:08 584 Grundstudium ZR – Jens Petersen: Der Dritte im Allgemeinen Schuldrecht 6. Verbraucherschutz Im Rahmen der sogenannten Vertriebsformen ist der Dritte an zwei unscheinbaren und unspektakulären Stellen vertreten: Nach § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt Folgendes: Bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB), der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung bestimmt worden ist (sog. »Kaffeefahrt«), steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Hier genügt es zu wissen, dass die Vorschrift bereits dann vorliegt, wenn dem Dritten bekannt ist und er es wissentlich geschehen lässt, dass der Unternehmer wirbt und verkauft25. Der Dritte muss also keinen eigentlichen wirtschaftlichen Vorteil begehren26. Die zweite, ebenfalls eher untergeordnete Vorschrift enthält § 312 h Nr. 2 BGB: Wird zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ein Dauerschuldverhältnis begründet, das ein zwischen dem Verbraucher und einem anderen Unternehmer bestehendes Dauerschuldverhältnis ersetzen soll, und wird anlässlich der Begründung des Dauerschuldverhältnisses von dem Verbraucher der Unternehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter zur Erklärung der Kündigung gegenüber dem bisherigen Vertragspartner des Verbrauchers bevollmächtigt, so bedarf die Kündigung des Verbrauchers oder die Vollmacht zur Kündigung der Textform (vgl. § 126 b BGB). Wichtiger ist in diesem Zusammenhang die in der Systematik der Rechtsfolgen des Widerrufs (§ 357 BGB) geregelte Vorschrift über die verbundenen Verträge: Nach § 358 Abs. 3 sind Verträge nämlich unter bestimmten Voraussetzungen im Sinne des Gesetzes verbundene Verträge, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine solche wirtschaftliche Einheit ist nach § 358 Abs. 3 Satz 2 insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehens vertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. Die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Gesetzes wird beim Vorliegen einer solchen Mitwirkung unwiderleglich vermutet27. Typisch für solche Fallgestaltungen ist, dass der Darlehensgeber, also regelmäßig eine Bank, dem Verkäufer schon die Unterlagen des Vertrags zukommen lässt28. Zwar sind dies im Sinne des weiter oben genannten Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse zwei gesonderte Verträge, die abgeschlossen werden sollen. Doch stellen sie sich für den Verbraucher als wirtschaftliche Einheit dar, sodass dieser entsprechend geschützt werden muss29. 7. Schuldübernahme Der Dritte wird ferner bei der Schuldübernahme vorausgesetzt. Das BGB regelt nur die befreiende (»privative«) Schuldübernahme:30 Eine Schuld kann nach § 414 BGB von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt. Wird die Schuldübernahme von dem Dritten mit dem Gläubiger vereinbart, so hängt ihre Wirksamkeit nach § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Genehmigung des Gläubigers ab. Die Genehmigung kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte dem Gläubiger die Schuldübernahme mitgeteilt hat. Wird die Genehmigung verweigert, so gilt die Schuldübernahme nach § 415 Abs. 2 BGB als nicht erfolgt. Fordert der Schuldner oder der Dritte den Gläubiger unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Genehmigung nur bis zum Ablauf der Frist erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. Dieser Regelungsmechanismus versteht sich weitgehend von selbst31. 27 BGHZ 156, 46, 51; 167, 252. 28 BGH NJW 2007, 3200, 3201. 29 Weiterführend Schürnbrand, Verbraucherschutzrecht 2011, Rdn. 206 ff.; allg. zur Einschaltung Dritter Ebenda, Rdn. 85 ff. 30 Die kumulative Schuldübernahme, bei der jemand eine Schuld mit übernimmt, ist ohne weiteres zulässig und ungeachtet ihres Risikos formlos möglich; RGZ 59, 233: keine Formbedürftigkeit nach § 766 BGB. 31 Einzelheiten bei Grigoleit/Herresthal, JURA 2002, 393. 25 BGH NJW-RR 1991, 1524. 26 BGH WM 1991, 1634, 1635; Palandt/Grüneberg, § 312 Rdn. 19; a. A. MünchKomm/Masuch, § 312 Rdn. 51, der einen Einfluss des Unternehmers auf die Freizeitveranstaltung für erforderlich hält. Angemeldet | [email protected] Heruntergeladen am | 29.06.15 22:08
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