Wencke Thiemann ELTERN-AG: Sozial benachteiligte Familien nachhaltig erreichen und unterstützen „Mein Kind soll es einmal besser haben.“ Alle Eltern wünschen sich für ihre Kinder ein erfolgreiches und glückliches Leben. Die Realität schreibt jedoch häufig andere Geschichten. Ein schlechter Start ins Leben prägt Bildungs- und Gesundheitshistorie und erhöht die Chancen auf Schulabbruch, Arbeitslosigkeit und Gesetzeskonflikte. Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind laut KiGGs Studie gesundheitlich besonders gefährdet. Adipositas, Suchterkrankungen und psychische Belastungen mindern nicht nur die Lebensqualität, sondern verringern auch die Lebenserwartung signifikant. In einer Langzeitstudie des amerikanischen Ökonoms Prof. Greg J. Duncan, in dem die Beziehung zwischen Einkommen im frühen Leben und Lebensumständen als Erwachsener untersucht wurde, zeigten sich die beschriebenen Auswirkungen besonders dramatisch. Duncan konnte über einen Zeitraum von 30 Jahren nachweisen, dass soziale Benachteiligung in der Regel an die nächste Generation vererbt wird. Um diesen negativen Entwicklungen entgegen zu wirken, müssen Kinder frühestmöglich gefördert werden und niemand kann das besser als die Eltern! Mütter und Väter sollen Kinder jedoch nicht nur fördern und fordern, sondern auch mit institutionellen Angeboten wie Kindergarten, Frühförderung, präventiven Gesundheitsangeboten und gegebenenfalls Familienhilfe zusammenarbeiten um ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Familien in besonders belastenden Lebenssituationen fällt dies häufig schwer. Neben der hohen Stressbelastung sind vor allem Angst und Scham ausschlaggebend dafür, dass bestehende Unterstützungsangebote nicht aufgesucht werden. Aus diesem Grund werden sozial benachteiligte Familien häufig nicht erreicht, Frühförderangebote können nicht ihre volle Wirksamkeit entfalten, wenn Eltern nicht mitarbeiten oder die Notwendigkeit der Maßnahmen in Frage stellen. Hier setzt das Magdeburger Programm ELTERN-AG an. Es wurde speziell für Familien in besonders belastenden Lebenssituationen entwickelt und bedient sich einer wertschätzenden Methodik, die Familien stärkt, aktiviert und motiviert, mehr Verantwortung für die Lebenssituation ihrer Kinder zu übernehmen. Gesundheit Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Dokumentation 20. Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2015 Seite 1 von 4 Zielgruppe des Programms sind sozial benachteiligte Mütter und Väter, die mindestens ein Kind im noch nicht schulfähigen Alter (in der Regel 0-6 Jahre) haben. Schwangere und andere, an der Erziehung beteiligte Personen (Tante, Großvater, usw.) sind ebenfalls in den zweistündigen Kursen willkommen. ELTERN-AG macht Mütter und Väter fit für Erziehung, verbessert die Ausgangsbedingungen für eine gute Bildungs- und Gesundheitsförderung, vernetzt sie mit anderen Familien im Sozialraum und öffnet sie für bereits bestehende Unterstützungsangebote. Das Programm ist für die TeilnehmerInnen kostenfrei. In 20 Treffen besprechen Mütter und Väter ihre Erfahrungen und Fragen zum Thema Erziehung. Eltern sind Experten ihrer Kinder - Diesem Leitsatz folgt das Programm und offeriert den TeilnehmerInnen lediglich eine festgeschriebene Grundstruktur und kurze Inputs von Seiten der KursleiterInnen. Alle weiteren Inhalte werden von den teilnehmenden Müttern und Vätern bestimmt und orientieren sich an den Interessen und Bedarfen der Gruppen. „Wir wissen, dass diese Eltern nur das Beste für Ihre Kinder wollen, dabei aber oft an ihre Grenzen stoßen. Durch Unterstützung und Rückhalt von anderen Müttern und Vätern bekommen sie zunehmend das Gefühl, nicht allein mit Ihren Sorgen zu sein und erfahren sich als das was sie sind- die Experten ihrer Kinder.“ beschreibt Janet Thiemann, Geschäftsführerin der ELTERN-AG, die Arbeitsweise des Programms. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die besondere Ansprache, mit der TeilnehmerInnen für die Kurse gewonnen werden: „Wir begeben uns auf Augenhöhe, sind dort, wo unsere Eltern sind, beispielsweise auf Spielplätzen, in Einkaufszentren oder Kitas und sprechen sie ressourcenorientiert an“, ergänzt Janet Thiemann. Bis heute haben bereits mehr als 2.839 Eltern mit über 6.452 Kindern an ELTERN-AG Gruppen teilgenommen. In einer Panelstudie im Kontrollgruppendesign, durchgeführt durch das unabhängige nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung, konnte die Verbesserung der Erziehungskompetenzen von Müttern und Vätern, sowie eine bessere emotionale Entwicklung der Kinder nachgewiesen werden. Nach dem Besuch einer ELTERN-AG waren die TeilnehmerInnen offener für Angebote des Sozial- und Gesundheitswesens und sensibilisiert für das Thema gewaltfreie Erziehung. Auch im Bereich Teilnahme und Nachhaltigkeit erzielt das Programm wichtige Effekte: Mehr als 80 Prozent der angemeldeten TeilnehmerInnen absolvieren den gesamten Kurs und haben nur wenig Fehlzeiten. Ein weiteres wichtiges Ziel der ELTERN-AG, die nachhaltige Wirkung durch Vernetzung der Eltern und Bildung von Selbsthilfegruppen, erreichen 68 Prozent aller TeilnehmerInnen. Gesundheit Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Dokumentation 20. Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2015 Seite 2 von 4 „Für die Eltern ist das eine Win-Win-Situation. Treten Probleme auf oder benötigen sie jemanden, der ihnen abends das Kind abnimmt, können sie sich gegenseitig unter die Arme greifen“, sagt Prof. Dr. Meinrad Armbruster, Gründervater des Programms. Yvonne K., eine ehemalige Teilnehmerin, beschreibt ihre Erfahrungen in der ELTERN-AG wie folgt: „Der Erfahrungsaustausch mit den anderen Eltern hat mir sehr geholfen, ich habe viele neue Dinge ausprobiert und fühle mich nicht mehr so allein gelassen. Ich habe auch gemerkt, dass wenn ich mich verändere, es auch meine Kinder tun.“ Um möglichst vielen Familien in Deutschland den Zugang zu einer Gruppe zu ermöglichen, arbeitet die MAPP-Empowerment gGmbH in Kooperation mit Organisationen vor Ort. Bereits mehr als 60 Partner aus 14 Bundesländern befinden sich im Netzwerk des Programms und es werden stetig mehr. „Durch eine standardisierte Ausbildung der MitarbeiterInnen unserer Partner können wir das Konzept schnell weitergeben, durch ein qualitätsbasiertes Kooperationsmodell haben wir die Möglichkeit, Träger bei der Umsetzung zu unterstützen und Herausforderungen gemeinsam zu meistern“ erläutert Janet Thiemann die Zusammenarbeit. Aktuell befinden sich vorrangig Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Netzwerk des Programms. Doch die Anfragen aus dem medizinischen Bereich häufen sich. Besonders in den Bereichen der sozialmedizinischen Nachsorge bietet das Programm beste Voraussetzungen, Familien frühzeitig aufzufangen und bei Bedarf in bestehende Unterstützungsnetzwerke zu integrieren. Im Dezember 2013 erhielt das Programm den internationalen Klaus J. Jacobs Best Practice Prize und wurde für die erfolgreiche und richtungsweisende Arbeit mit sozialbenachteiligten Familien ausgezeichnet. www.eltern-ag.de Literatur / Quellen: Greg J. Duncan & Daniel H. Hill (1989): Assessing the Quality of Household Panel Data: The Case of the Panel Study of Income Dynamics Robert Koch Institut- Internet: http://www.kiggs-studie.de/deutsch/studie.html Gesundheit Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Dokumentation 20. Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2015 Seite 3 von 4 Kontakt: Wencke Thiemann MAPP-Empowerment gGmbH Teamleitung Bildung und Qualtitätsmanagement Klausenerstr. 15 39112 Magdeburg Tel: 0391/7277640 Fax: 0391/72776421 [email protected] www.eltern-ag.de www.facebook.com/ELTERN-AG Gesundheit Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Dokumentation 20. Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2015 Seite 4 von 4
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