Kapitel 2 Karl Hummel ADI Hummel GmbH, Werkstätte zur Erhaltung und Pflege historischer Holzsubstanz, Heiligenberg Türen in Süddeutschland Von der Romanik bis Anfang des 20. Jahrhunderts Zum Thema Türen und Tore gibt es einige Sammelwerke und Publikationen, die sich in erster Linie auf den architektonischen und kunsthistorischen Bereich beschränken. Die sehr schönen und für das Auge gut aufgemachten Bildbände faszinieren zwar den Betrachter, tragen aber zur Identifizierung wenig bei. Will man etwas über zeittypische Konstruktionen, Beschläge, Glas und vor allem handwerkliche Fertigungen erfahren, wird es bei der Literatursuche dagegen etwas eng. Ist man fündig, handelt es sich vornehmlich um Portale, also Einzelstücke berühmter Bauwerke. Mittlerweile gibt es auf dem Literaturmarkt zwar Nachdrucke alter bekannter Schreiner- und Zimmererfachbücher, sie decken jedoch, abgesehen von einigen Ausnahmen, hauptsächlich nur das 19. Jahrhundert ab. Im Mittelpunkt stehen hier also nicht die repräsentativen überreich gestalteten Portale berühmter Bauwerke, sondern die alltäglichen Haus- und Zimmertüren, wie auch Portale, so wie wir sie eigentlich überall antreffen bzw. vorfinden können. Da es wegen des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Platzes wenig Sinn macht, die geschichtliche Entwicklung der Türen im allgemeinen mit den übergreifenden Themen wie Beschläge, Gläser, Oberflächen usw. auch nur ansatzweise darzustellen, beschränke ich mich stellvertretend auf einen kleinen Ausschnitt an Türen und Toren, mit denen ich beruflich, sei es durch Restaurierung, Dokumentation oder Beratung, verbunden bin. Aus dem Bodenseeraum stammend, einer reichen Kulturlandschaft mit vielen kunstgeschichtlichen Zeugnissen, interessierte ich mich schon recht früh für die Arbeit meines Vaters, der sich mit der Restaurierung von Holzobjekten im vorgenannten Gebiet beschäftigte. Frühzeit Seit Urzeiten dienen Türen und Tore der Abgrenzung und auch der Verbindung von Räumen und Behausungen. Sie bieten zum Beispiel Schutz vor Feinden und Eindringlingen und auch vor den Unbilden des Wetters. Aus dem zufälligen Verschluss einer Höhle mit vorgerolltem Stein oder einem dicken Ast entwickelte sich im Laufe der Jahrtausende etwas ähnliches wie eine Tür. Pfahlbaubefunde am Bodensee in Unteruhldingen belegen einfache, derb behauene Bretter mit Holzzapfen an den Stirnenden, die in Löchern von Querhölzern, wie hier Schwelle und Sturzholz, geführt wurden. (Abb. 3) Übrigens begleitet uns dieser einfache und funktionale Türen- Abb. 1 ########################### typ auch im süddeutschen Raum über Jahrhunderte vornehmlich bei alten Schwarzwaldhäusern, im Allgäu bzw. im ganzen Alpenraum in sogenannten Stadeln, kleineren freistehenden, landwirtschaftlich genutzten Vorratsräumen und Ställen. Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 29 Türen in Süddeutschland Karl Hummel Von innen verschlossen und verriegelt wurden diese Türen, zumindest in unserem Raum, sicherlich nur mit einem stabilen, quergelegten, sperrenden Rund- oder Kantholz. Ob der abgebildete rekonstruierte hölzerne Schubriegel (Abb. 2) in der Ausführung dieser Zeitepoche zuzuordnen ist, mag von meiner Seite bezweifelt werden. Abb. 2 + 3 Romanik Wenden wir uns der Zeitepoche der Romanik zu, also etwa vom 8. bis ungefähr Mitte des 13. Jahrhunderts. Man kann wohl sagen, dass unter der Regentschaft der Könige und Kaiser in den germanischen Gebieten sich die erste große zusammenhängende Stilperiode der mittelalterlichen Kunst entwickelte. Wir unterscheiden folgende Perioden: die vorromanische bzw. karolingische Bauzeit von ca. 800–900 mit den ersten Darstellungen des Menschen in Bildnerei und Malerei; die Frühromanik von ca. 950–1050, auch ottonische Zeit genannt; die Hoch- und Spätromanik von ca. 1050–1250 mit fließendem Übergang zur Gotik. Die Kirchen und Klöster sind in dieser Zeit durch Kaiserschenkungen reich geworden und waren somit ein wichtiger Auftraggeber für die Kunst. Diese diente zur Verherrlichung Gottes und vor allem der Repräsentation kirchlicher Machtfülle. Die Türme wurden immer höher und somit ein Wahrzeichen. Die Fenster dagegen blieben im Format weiterhin relativ klein, da Glas noch sehr schwierig herzustellen war. In dieser Zeit behalf man sich zur Belichtung von Innenräumen auch mit vorgespannten Pergamenthäuten. Als Zeugnisse dieser Zeitepoche seien stellvertretend die Abtei Maria-Laach, der Dom zu Speyer und in meiner Heimat die Insel Reichenau, ein Weltkulturerbe mit drei Klöstern aus der Zeit von 800–1100, genannt. Intensive Nachforschungen nach erhalten gebliebenen Türen und Portalen aus dieser Zeitepoche blieben auf der Reichenau allerdings ohne Erfolg. Im Elsaß, also im Oberrheingebiet, wurde ein romanisches Portal innenseitig im 18. Jahrhundert zugemauert und ein Abb. 4 ############## 30 Altar davorgestellt. Diesem glücklichen Umstand verdanken wir sicherlich dessen unversehrten Erhalt. (Abb. 5) Unter anderem weist es folgende Details auf: Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 Karl Hummel Türen in Süddeutschland • Zusammengefügte Bohlen, vermutlich mit rückseitigen vernagelten Querbrettern. • Die Form der Scheinbänder lassen auf ungefähr 1100–1200 schließen. • Typische durchgehende Breitkopfnägel, die in der Regel rückseitig nur krummgeschlagen wurden. • Pforte mit hoher Schwelle. Die Schwelle diente früher gleichzeitig als Besitz- oder auch Territoriumsgrenze, was von jedermann zu respektieren galt. Man kennt den Spruch »der kommt mir nicht über die Schwelle» oder auch »die Braut über die Schwelle tragen«. Die Gestaltung und Anordnung der Bänder und des Verschlusses auf der zugemauerten Seite wären sicherlich sehr interessant gewesen. Abb. 5 ############## Gleich um die Ecke befindet sich eine kleine unscheinbare Tür. (Abb. 6) Ihre Ausstrahlung und Würde spricht für sich und muss wohl nicht kommentiert werden. Eine kleine Anmerkung sei aber zu Abb. 7 gestattet, wo die Abfolge verschiedener Schließmöglichkeiten erahnt werden kann: Die Löcher im Mittelfries deuten auf ein längliches, vielleicht bauzeitliches offenes Schnappriegelschloss hin, das später gegen ein Kastenschloss ausgetauscht und in neuerer Zeit durch ein Abb. 6 + 7 ############## Profilzylinderschloss ersetzt wurde. Gotik Die Gotik ist die Zeit der Städtegründungen, das Handwerk und der Handel blühen auf. Ein gewisser Wohlstand auch beim Bürgertum macht sich breit. Handwerkszeuge werden verbessert, der Schreiner wird ein Handwerksberuf und gehört nun zu den ehrbaren Zünften. Um 1300 wird die Sägemühle erfunden, das heißt, es konnten Bretter hergestellt werden. Es entwickelten sich Holzverbindungen wie Zinken, Schlitzen, Graten, Nuten usw., die bis heute ihre Anwendung finden. Die stilistischen Merkmale jener Epoche sollen nur grob umrissen werden: • Maßwerk im Spitzbogen, • Maßwerk auch in der Fläche, • Faltwerk und Laubwerk, • unendliche Flächenornamentmuster, • feingliedrige Profile, die an den Enden abgesetzt, bzw. abgestochen wurden. Gleichgültig ob bei Fenstern, Türfüllungen, Möbelstücken, Truhen – das Maßwerk wird zum dominierenden Element. Ein weiteres wesentliches handwerkliches Merkmal sind die aus dem vollen Holz herausgearbeiteten Profile. Zunehmend wurden auch edlere Hölzer wie Nuss- und Kirschbaum verarbeitet. Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 Abb. 8 ############## 31 Türen in Süddeutschland Karl Hummel Parallel entwickelte sich die Schmiedekunst. Die geschmiedeten Bänder mit den Kloben wurden reich gestaltet. Als Verschluss entwickelte sich ein Kastenschloss mit Überwurfbügel oder Stange, das mit einem archaischen Schlüssel von außen verriegelt werden konnte. Drücker kannte man noch nicht. Abb. 9 + 10 Konstanz, Münster, Portal an der Westfassade mit Dar- stellungen aus dem Leben Jesu Die beiden mächtigen Portale in der Westfassade des Konstanzer Münsterturmes (Abb. 9, 10) verkörpern für mich sowohl das künstlerische wie auch das handwerkliche Schaffen der Gotik in höchster Vollendung. Geschaffen wurden diese Türen um 1470 vom Bildhauer Simon Haider. Das konstruktive Element der Flügel sind starke Eichenholzbohlen, die rückseitig mit kräftigen geschwungenen Bändern zusammengehalten werden. Das geschnitzte Rahmenwerk aus Nussbaum ist außenseitig auf die Bohlen aufgedoppelt. Der bestens erhaltene Zustand ist auf die geschützte Lage in der Vorhalle zurückzuführen. Kräftige geschwungene und gespaltene Langbänder mit entsprechenden Kloben geben der Türe heute noch einen Abb. 11 guten Halt. Angeschlagen wurden die Flügel nach dem Turmtür Konstanz, Münster, Prinzip »Stumpf im Steinfalz liegend«, d.h. überfalzte Rahmen im heutigen Sinne waren unbekannt. Jede Türe ist in zehn Felder aufgeteilt, welche vom Leben Jesu erzählen. Diese in der Ausdruckskraft und der künstlerischen Ausführung einzigartigen biblischen Darstellungen sind bei verschiedenen Tafeln fast vollplastisch ausgearbeitet. Etwas bescheidener nimmt sich die Turmtür des Konstanzer Münsters aus (Abb. 11). Das Maßverhältnis von Breite zu Höhe, die rechteckige Form, jetzt nun eine Rahmenkonstruktion mit Füllung, obzwar im oberen Teil noch gotisch gestaltet, kündigt die Epoche der Renaissance an. 32 Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 Karl Hummel Türen in Süddeutschland Renaissance Begeben wir uns nun in die Zeit um 1500–1650. Es ist die Zeit der Reformation und der Bauernkriege. Entdecker bringen die ersten überseeischen Artikel und Hölzer. Der Stilwandel wird beeinflusst vor allem aus Italien, die antike griechische Philosophie spielt wichtige eine Rolle. Burgen werden zu repräsentativen Schlössern umgebaut, so auch in meiner Heimatgemeinde Heiligenberg, wo der Burg aus dem 13. Jahrhundert in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine dreiflügelige Renaissanceanlage angefügt wurde. Die Innentüren erhalten nun eine Rahmenkonstruktion mit Füllungen, die mit relativ feinen Profilen eingefasst werden. Die Türrahmen werden durch breite Blenden zum Beispiel mit aufgesetzten Halbpilastern und einem sogenannten gesprengten Ziergiebelaufsatz betont. Die bauzeitliche Stube von 1585 auf Abb. 12 befindet sich in einem unscheinbaren Schwarzwaldhof. Sie ist fast vollständig erhalten geblieben – die frühere Armut auf abgelegenen Abb. 12 ############## Höfen war schon immer ein recht guter Denkmalpfleger, indem sie die Komplett- und Unversehrtheit dieser Einrichtung sicherte. Typisch für Renaissancetüren sind geometrische Felder, strenge Gliederungen, Ornamente, Muscheln, Säulen, Kapitelle, kannelierte Pilaster usw. (Abb. 13) Ein typisches gestalterisches Element ist auch das Triglyphenfries, also ein schmales horizontal angeordnetes Band mit dreischlitzigen Unterteilungen vornehmlich über dem Türsturz oder als oberer Abschluss bei hohen Wandvertäferungen. Kurzum: eine klare und harmonisch gegliederte Gestaltung. Die bildhauerischen Leistungen treten immer mehr in den Vordergrund. Über die Frage, ob das handwerkliche Schaffen eher dem Bildhauer oder dem Schreiner zuzuschreiben ist, streiten sich bei vielen Objekten die Historiker. Abb. 13 ############## Parallel zur Schreinerei und Bildhauerei entwickelte sich die Schmiede- und Schlosserkunst zu einer Hochblüte. Die Raffiniertheit der Verschlussmechanik bei Schlössern und die Genauigkeit der Bearbeitung lassen heute noch staunen. (Abb. 14) Abb. 14 Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 ############## 33 Türen in Süddeutschland Karl Hummel Beeinflusst von der italienischen Renaissance fand auch in Deutschland – vor allem in Häusern des Adels – die flächige bildhafte Darstellung unter Verwendung verschiedenfarbiger Hölzer weite Verbreitung. (Abb. 15) Für solche Einlegearbeiten, auch Intarsie oder Marqueterie genannt, wurden so ziemlich alle heimischen Holzarten verwendet. Edle kostbare Materialien wie Mahagoni und Ebenholz, natürlich in kleinen Mengen, waren nur ganz wertvollen Arbeiten vorbehalten. Auch die farbige Gestaltung zum Beispiel von Frieskanten, Profilen und Füllungen spielte in dieser Zeitepoche bei vielen Ausstattungen eine wesentliche Rolle. Doch allmählich sind die ersten Vorboten des Frühbarockes ablesbar. Die kannelierten Pilaster treten zurück und machen runden oder gewundenen Säulen mit Basen und Kapitellen Platz. Die Profilierungen ändern sich, und das ausladende Gesims tritt zurück. Abb. 15 ############## Barock, Rokoko, Klassizismus Nun kommt die Zeit der Könige und Herrscher, der Fürstbischöfe und Äbte. Die unumschränkte Machtentfaltung des Adels und der Kirchen bzw. Klöster sowie deren Drang nach größter Machtentfaltung führte in der Folge zu einer Formen-, Farben-, und Materialvielfalt fast ohne Ende. Das Bürgertum dagegen und überhaupt die Masse des Volkes war durch Kriege, Seuchen und hohe Steuern ausgelaugt und verarmt. Abb. 16 ,17 und 18 zeigen das Hauptportal des Klosters Birnau am Bodensee. Es weist Türflügel mit einer Rahmenkonstruktion auf, ferner geschnitzte Füllungen mit Engelsköpfen und eine Schlagleiste mit einem aus dem vollen Holz herausgearbeiteten Blütenband auf der Schlagleiste. Vor etwa vierzig Jahren wurde die Außenseite mit viel Spachtelmasse und einem zweikomponentigen Acryllack wahrlich dauerhaft »geschützt«. Ein neuer Anstrich mit einer recht bunten Farbgebung vervollständigte diese Maßnahme. Im Zuge der notwendigen Restaurierung geschah u.a. folgendes: • Voruntersuchungen und Befunde belegten die bauzeitliche, nur mit Leinölfirnis und Wachs geschützte Natursichtigkeit des Holzes • • • • Mühselige Abnahme der Farb- und Spachtelschichten Reparatur und holztechnische Überarbeitung nach denkmalpflegerischen und restauratorischen Gesichtspunkten Farbliche Angleichung der Reparaturstellen Neuer Oberflächenaufbau mit einer eigens darauf abgestimmten Rezeptur auf Leinölbasis • Reinigung der verzinnten Bänder und des Kastenschlosses. Im Spätbarock bzw. Rokoko, d.h. bis ca. 1780, wich die bisher dominierende Symmetrie zunehmend der Asymmetrie. Spielerische Formgebung, aufgebrochene Rocaillen und leichte Pastelltöne dominierten. Die überladene Architektur und Formensprache des Spätbarockes fand dann jedoch ein fast jähes Ende. Bereits um 1770 gab es eine Gegenbewegung unter dem Sammelbegriff Klassizismus. Die nun folgende Epoche des Zopfstiles – Louis Seize und Empire – ist durch Geradlinigkeit gekennzeichnet, wobei jedoch weiterhin ein recht auffälliges Dekor in Formgebung und Verzierung bestimmend bleibt. Schmuckornamente sind Girlanden, 34 Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 Karl Hummel Abb. 16, 17, 18 Türen in Süddeutschland Kloster Birnau, Hauptportal vor, während und nach der denkmalgerechten Restaurierung Kränze, Schleifen, Medaillons, Säulen sowie der Perlstab. Auch die natürliche Holzsichtigkeit ist wieder gefragt, und für die Beschläge werden gerne Messing und Bronze verwendet. (Abb. 19) Zur bewegten Geschichte des Portals auf Abb. 19: Vor einigen Jahren wurde ich von einer Rechtsanwaltkanzlei aufgefordert, zwei in einem Keller eingelagerten Türflügel zu begutachten und auf eine Restaurierung und Wiederverwendung hin zu beurteilen, da das durch Herrn Dipl.-Ing. Caesar vertretene Denkmalamt es so wolle. Nachgeschoben wurden noch die typischen Drohungen wie hundertprozentige Dichtigkeit, Wärmeschutzverordnung und Einbruchssicherheit. Folgendes war vorgefallen: Da der Besitzer des Hauses bzw. seine Familie endlich eine neue – dichte und funktionstüchtige – Türe wollte, wurde der ortsansässige Schreiner beauftragt, Abhilfe zu schaffen. Die beiden historischen Flügel, zum Entsorgen irgendwie doch zu schade, wanderten in den Keller. Doch diese Maßnahme ging nicht am zuständigen Denkmalpfleger vorbei. Mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln und Herrn Caesars ausgesprochener Zähigkeit wurde schließlich der Erhalt des Portals erreicht. Nun ist die Tür wieder der ganze Stolz des Besitzers. Abb. 19 ############## Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 35 Türen in Süddeutschland Karl Hummel Biedermeier Diese Zeitepoche schloss sich als bürgerliche Periode an die Empire-Zeit an. Sie zeichnet sich durch Schlichtheit in Material und Dekor aus. Die Ornamente waren vergleichsweise bescheiden. Bei den Türen fallen die gestalterischen Elemente noch viel reduzierter aus. In der Regel beschränkt man sich auf eine Flügelrahmenkonstruktion mit vier Füllungen, bei zweiflügeligen Türen gern auch mit sechs Füllungsfeldern. Die Füllungen selbst sind abgeplattet und oft mit einem rautenförmigen Spiegel ausgestattet. Man zeigt gerne edles Nuss-, Kirsch- oder Birnbaumholz. Schwarzgebeizte Fasen oder Profilstäbe betonten die Linien. (Abb. 20) Die Außentüren erhielten in der Regel einen Blendrahmen oft mit einem verglasten Oberlicht, Zimmertüren dagegen Futter mit beidseitiger Bekleidung. Das damals beliebte Schellackpolieren ermöglichte die Betonung der Maserung unter einer fast klaren geschlossenen Lackfläche bei Innentüren. Abb. 20 ############## Historismus – Gründerzeit Es begann die Zeit der Romantik und Neugotik. Nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Architektur gab es eine Rückbesinnung auf das Mittelalter und mithin die Gotik. Viele neugotische Kirchenausstattungen, Burgen und Schlösser bereichern unsere Landschaft; ich erinnere nur an König Ludwig in Bayern mit seinen Schlössern. Nationaler Stolz auf eine an Stilen reiche Kunstgeschichte und neue handwerkliche und nun auch maschinelle Fertigungsmethoden führten zu Rückgriffen auf alle zurückliegenden Stile von der Romanik bis hin zum Barock. Abb. 21, 22, 23 36 Sigmaringen, ######, Türen im Stil der Neogotik, der Neorenaissance und des Neobarock Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 Karl Hummel Türen in Süddeutschland Bei Kirchen und auch öffentlichen Bauten orientierte man sich gern an der gotischen und romanischen Formensprache. Herrschaftliche Villen und Schlösser repräsentieren dagegen oft die allerverschiedensten Stilrichtungen. Als Beispiel sei der Prinzenbau in Sigmaringen genannt. (Ab. 21–23). Er beherbergt: • Neugotik im Speisesaal • Wohnzimmer im Stil der Neorenaissance • einen Salon im Neobarock. Jugendstil Als Antwort auf den Historismus, der genau genommen nur in Stil-Imitationen von hoher handwerklicher Qualität verharrt war, entwickelte sich so um 1900 geradezu explosionsartig eine Kunstbewegung namens Jugendstil. (Abb. 24–26). Diese neue Richtung zeigte eine ungeheuere Vielfalt an Einfällen und Ornamenten und brachte je nach Region viele Spielarten hervor. Ein grundlegendes Symbol ist zum Beispiel die verdrehte »8«; florale Ornamentik umspielt die Kontur von Blumen, Blüten und Blätter. Mich persönlich begeistert die überall spürbare Liebe zum Detail und die gestalterische Stimmigkeit vom Gartentor mit Zaun bis zum Lichtschalter. Abb. 24, 25, 26 ############################ Wer sich ebenfalls dafür interessiert, dem sei übrigens ein Besuch der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt oder des französischen Museums »Ecole de Nancy« mitsamt dem Stadtviertel ringsum zu empfehlen. Der Erste Weltkrieg beendete die Zeitepoche des Jugendstils abrupt. Es begann die Neuzeit mit »Bauhaus«, »Art-Deco« usw., auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, obwohl sie natürlich ebenfalls teils herausragende gestalterische und technische Innovationen hervorbrachte. Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004 37 Türen in Süddeutschland Karl Hummel Schlussbemerkungen Diese oben vorgestellte stilistische Vielfalt von Türen dient nur zur groben Orientierung und deutet auch nur ansatzweise an, wie spannend und vielseitig sich die Formensprache im Verlauf der Jahrhunderte entwickelt hat. Themenbereiche wie Architektur, gesellschaftlicher Wandel, Metallkunst/Beschläge, Konstruktions- und Materialvielfalt sowie Oberflächentechniken konnten aus Zeitgründen schon gar nicht angesprochen werden. Die Zuwendung zu Kulturdenkmalen gilt stets auch ihrer Schönheit und Vielgestaltigkeit. Die Denkmalpflege ist deshalb ein wichtiges Instrument zur Erhaltung und Pflege der uns anvertrauten historischen Schätze. Die Erhaltungsmaßnahmen von bauzeitlichen Außentüren, Toren und auch Fenstern – architektonisch gesehen eine untrennbare Einheit – verlangt vom Besitzer überzeugende Konzepte auch in Bezug auf die Nutzung. Entsprechend den heutigen Schutzbedürfnissen und den fixierten Schall- und Wärmeschutzanforderungen gilt es intelligente Lösungen zu erarbeiten, die einerseits diesen Anforderungen, vielleicht auch mit Kompromissen, gerecht werden, aber andererseits auch die Bewahrung dieser wertvollen historischen Bauteile sicherstellt. Weitere Informationen ADI Hummel GmbH Karl Hummel Zur Öhmdwiese 2 88633 Heiligenberg Tel. 07554/9833–0 Mail [email protected] Web www.adi-hummel.de 38 Pax Classic GmbH Fachtagung Herbst 2004
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