Ernährung und Schulerfolg – neue Erkenntnisse Monika Halsegger-Hofer Aufgrund des großen Interesses am Thema Ernährung und Schulerfolg, über das ich schon im Sommer dieses Jahres in dieser Zeitschrift geschrieben habe, möchte ich das Thema mit neueren Erkenntnissen ergänzen. Die von mir damals beschriebene Studie ist zwar in ihrem Vorgehen und ihrer Größenordnung einzigartig, aber es gibt auch aktuellere Arbeiten zu Ernährung und Schule, deren Ergebnisse Beachtung verdienen. Zur Erinnerung: Schoenthaler, Doraz und Wakefield konnten 1986 in einer groß angelegten Studie zeigen, dass sich eine Ernährungsumstellung in Form von Reduktion von Fabrikzucker, sowie dem Weglassen von Nahrungsmittelzusatzstoffen, positiv auf die Lernleistungen von Schulkindern auswirkt. Die Leistungen der Kinder steigerten sich generell. Kinder mit bereits bestehenden Lernschwierigkeiten reagierten am offensichtlichsten auf die Verbesserung der Ernährung. 2012 haben Li und O’Connell ihre Ergebnisse über den Zusammenhang von Übergewicht und hoch kalorischer Kost mit den akademischen Leistungen von amerikani- schen Schulkindern veröffentlicht. Sie konnten folgende Erkenntnisse gewinnen: 1.) Je häufiger die Kinder Fast Food zu sich nahmen, desto schlechter waren deren Mathematik- und Leseleistungen. Auch zwischen dem Konsum von salzigen Snacks und schlechteren Mathematikleistungen konnte ein Zusammenhang gefunden werden. 2.) Es konnte keine statistisch signifikante Korrelation zwischen Übergewicht und Lernleistungen nachgewiesen werden. Diese beiden Dinge verdienen meines Erachtens insofern eine explizite Erwähnung, weil einerseits auch daraus abzulesen ist, dass schlechte Ernährungsgewohnheiten sich auf das Gehirn von Kindern auswirken können – was nicht allgemein bekannt ist. Andererseits wird aber auch aufgezeigt, dass Kinder, die auf Fehlernährung schon mit Übergewicht reagieren, anscheinend davon nicht betroffen sind. Obwohl beide Gruppen von Kindern unter Folgen einer Fehlernährung leiden, leiden anscheinend kaum Kinder unter beiden Folgen gleichzeitig. Monika Halsegger-Hofer, [email protected], 0676/917 66 44 Seite 1 Ich konnte schon öfters beobachten, dass bei schlanken Kindern teilweise wenig auf die Ernährung geachtet wird, weil für die Betreuungspersonen keine offensichtliche Notwendigkeit dafür gegeben ist. Die genannten Forschungsergebnisse zeigen aber, dass das Schlanksein eines Kindes nicht gleichbedeutend damit ist, dass dem Kind durch ungesunde Ernährung kein Schaden zufügt wird. Frndak hat 2014 in einer weiteren Studie den Zusammenhang zwischen dem Zugang zu frischen Lebensmitteln und den erbrachten schulischen Leistungen verglichen. Er wählte dafür gezielt Regionen aus, in denen frische Lebensmittel nur mit einigem Aufwand besorgt werden konnten, diese werden als food deserts bezeichnet. Schulen mit einer großen Anzahl an Kindern aus solchen food deserts erzielten im Vergleich zu anderen Schulen geringere Leistungen in den Bereichen Wissenschaft, Muttersprache und Mathematik. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass insbesondere Kinder, die aus einer food desert sind UND gleichzeitig aus Familien mit wenig Einkommen stammen, besonders davon betroffen sind. Auch das Fehlen eines Autos in der Familie wirkt sich in einem food desertGebiet statistisch gesehen auf die Lernleistungen aus. Familien mit höherem Einkommen und/oder Auto haben vermutlich Gelegenheit, die fehlenden frischen Lebensmittel anderweitig zu besorgen. Außerdem kann angenommen werden, dass das höhere Einkommen zum Teil auch mit einem höheren Bildungsniveau einhergeht. Das hätte wiederum Auswirkung auf die Unterstützung, die die Kinder beim Lernen bekommen, sowie mög- licherweise auch auf das Wissen um eine gesunde Ernährung. Obwohl man annehmen möchte, dass zumindest Menschen, die mit Kindern arbeiten Zusammenhänge zwischen Ernährung und Schulleistungen bekannt sind, ist es immer noch üblich in Schulen Belohnungssysteme zu verwenden, deren Preise aus ungesundem Essen bestehen. So wurde beispielsweise in Seminole County/Florida der Firma Mc Donalds erlaubt, an alle Schüler und Schülerinnen Werbeumschläge mit einer Belohnung für gute Noten in Form von Happy Meals auszusetzen. Diese Aktion sorgte für internationale Aufregung, weil sie gleich an zwei kritischen Punkten rührt. Einerseits hat sich das Vorkommen von Adipositas bei Kindern von 6 – 11 zwischen 1980 und 2004 verdreifacht, andererseits wurde hier Werbung direkt an Kinder gerichtet (Hann 2008). Da Schulen oft über geringe finanzielle Mittel verfügen, ist es leider nicht nur in Amerika, sondern auch in Österreich üblich, mit Firmen zusammenzuarbeiten. Zum Teil rühmen sich Schulen sogar ihrer Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, weil die Kinder bzw. die Studierenden, dann das lernen könnten, was am Arbeitsmarkt gebraucht würde. Wenn aber beispielsweise die Fachhochschule, Fachrichtung Diätologie, von der Agrarmarkt Austria (AMA) unterstützt wird, ist auch zu befürchten, dass fachlich Einfluss genommen wird. Die AMA ist nichts anderes als die Vermarktungsfirma unserer Landwirte und ihre Aufgabe ist es unter anderem - Fleisch- und Milchprodukte zu verkaufen. Auch die Rü- Monika Halsegger-Hofer, [email protected], 0676/917 66 44 Seite 2 ben(zucker)bauern gehören zu ihren Kunden. D.h. es liegt hier ein offensichtlicher Interessenskonflikt vor. In Österreich gibt es lediglich eine Empfehlung des Gesundheitsministeriums, wie die Versorgung von Schulkindern in der Schule aussehen könnte, von einer verbindlichen Richtlinie wird aber abgesehen. (Bundesministerium für Gesundheit 2012). Ebenso entscheidet in Österreich der Schulleiter bzw. die Schulleiterin darüber, ob und in welchem Ausmaß Werbung an seiner/ihrer Schule erlaubt ist. Lediglich aggressive Werbung in der Schule ist verboten (Bundesministerium für Bildung und Frauen 2015). Literaturverzeichnis Bundesministerium für Bildung und Frauen -. (2015). Verbot aggressiver Geschäftspraktiken. https://www.bmbf.gv.at/ministerium/rs/2015_ 10.html. Zugegriffen 03.12.2015. Bundesministerium für Gesundheit. (2012). Leitlinie Schulbuffet. http://www.bmg.gv.at/home/ Schwerpunkte/Ernaehrung/Empfehlungen/ Leitlinie_Schulbuffet. Zugegriffen 03.12.2015. Frndak, S. E. (2014). An ecological study of food desert prevalence and 4th grade academic achievement in new york state school districts. Journal of public health research 3 (3), 319. Hann, C. (2008). Big Macs for Big Grades. A controversial program rewards high student achievement with fast food. District Administration 44 (5), 40–41. Li, J. & O’Connell, A. A. (2012). Obesity, HighCalorie Food Intake, and Academic Achievement Trends Among U.S. School Children. The Journal of Educational Research 105 (6), 391–403. Schoenthaler, S. J., Doraz, W. E. & Wakefield, J. A. (1986). The Impact of a Low Food Additive and Sucrose Diet on Academic Performance in 803 New York City Public Schools. International Journal of Biosocial Research 8 (2), 185–195. Monika Halsegger-Hofer, [email protected], 0676/917 66 44 Seite 3
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