Tränen Trauer Trost | 23-10-15

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19.30 U
Fr, 23.10.15 –
Fr 23.10.2015 — 19.30 Uhr
Martinskirche Basel
Besetzung Kammerorchester Basel
Einführung 18.45 Uhr von SRF2-Moderator/Redaktor Florian Hauser
Leitung
Renaud Capuçon
Solist
Renaud Capuçon, Violine
1. Violine
Irmgard Zavelberg, Konzertmeisterin
Valentina Giusti
Elisabeth Kohler
Carolina Mateos
Angelika Som Huber
2. Violine
Anna Faber
Tamás Vásárhelyi
Yukiko Tezuka
Vincent Durand
Rosalie Adolf
Viola
Mariana Doughty
Bodo Friedrich
Anna Pfister
Stefano Mariani
Renée Straub
Cello
Christoph Dangel
Mara Miribung
Georg Dettweiler
Dorran Alibaud
Camille Bloch
Johann Sebastian Bach
Konzert für Violine und Streicher a-moll BWV 1041
(Allegro moderato) – Andante – Allegro assi
Frank Martin
«Polyptyque» pour violon solo et deux petits orchestras a cordes (1973)
I. Image des Rameaux
II.
Image de la Chambre haute
III.
Image de Juda
IV.
Image de Héthsémané
V.
Image du Jugement
VI.
Image de la Glorification
Pause
Stefan Wirth – Uraufführung
«Through the looking glass» für Violine und Streichorchester
Der Kompositionsauftrag wurde realisiert mit der Unterstützung von
Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, Fondation Nestlé pour l’Art und Fondation
Nicati – de Luze
Richard Strauss
Metamorphosen für 23 Solostreicher
Adagio ma non troppo – Agitato – Piu allegro – Adagio, tempo primo
Kontrabass
Daniel Szomor
Ivica Nestic
Sven Kestel
Cembalo
David Blunden
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Programm 23.10.2015
Wir freuen uns, dass Daniel Hope die Auftragskomposition von Stefan Wirth auf
unserer Südamerika-Tour im Mai 2016 mit Konzerten in Rio de Janeiro, São Paulo,
Quito, Bogotá und Lima spielen wird.
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Renaud Capuçon Als Geigenvirtuose mit
enorm breitem Repertoire wie auch als
sensibler Kammermusikpartner international
geschätzt, gastiert Renaud Capuçon regelmässig bei den renommiertesten Orchestern
und grossen Festivals der Welt.
1976 in Chambéry geboren, begann er sein
Musikstudium im Alter von vierzehn Jahren
am Conservatoire National Supérieur de
Musique in Paris bei Gérard Poulet und zog
anschliessend nach Berlin, um seine Ausbildung bei Thomas Brandis und Isaac Stern zu
vervollkommnen. Mittlerweile hat sich
Renaud Capuçon als Interpret von Weltrang etabliert. Er trat bei den
Festivals in Salzburg, Luzern, Edinburgh, Aix-en-Provence und
Tanglewood auf. Als Solist konzertiert er regelmässig mit Orchestern
wie den Berliner Philharmonikern, dem Orchestre de Paris, dem
London Symphony Orchestra, sowie mit den grossen amerikanischen
Orchestern, darunter Boston Symphony, Los Angeles Philharmonic,
das Philadelphia Orchestra unter der Leitung von u.a. Bernard
Haitink, Christoph Eschenbach und Valery Gergiev.
Capuçon widmet sich intensiv der Kammermusik. Zu seinen musikalischen Partnern zählen u.a. Martha Argerich, Daniel Barenboim,
Hélène Grimaud und Maria João Pires ebenso wie sein Bruder, der
Cellist Gautier Capuçon. Insbesondere auch die Aufführung selten
gespielter Werke sowie neuer und neuester zeitgenössischer Musik
(Rihm, Ligeti, Widmann u.v.a.) liegt Renaud Capuçon am Herzen. Im
Rahmen seines Exklusivvertrags für die Labels Erato/Warner Music
und EMI/Virgin Classics hat Renaud Capuçon mittlerweile mehr als
zwanzig, teils mehrfach preisgekrönte CDs eingespielt.
Renaud Capuçon ist Mitbegründer und Künstlerischer Leiter des
Osterfestivals in Aix en Provence. Seit 2007 wirkt er auch als
Botschafter für das «Zegna & Music Project» zur Förderung des
musikalischen Nachwuchses. 2011 wurde Capuçon von der Republik
Frankreich zum «Chevalier dans l'Ordre National du Merite» ernannt.
Renaud Capuçon spielt auf einer Guarneri del Gesù «Panette» (1737),
die einst Isaac Stern gehörte und ihm von der Banca Svizzera Italiana
zur Verfügung gestellte wurde.
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Programm 23.10.2015
Stefan Wirth Der Komponist und Pianist
Stefan Wirth gehört zu den vielseitigsten
Musikern seiner Generation. Er spielt als
festes Mitglied im Collegium Novum Zürich
sowie im Ensemble Contrechamps (Genf).
Verschiedentlich hat Stefan Wirth mit Heinz
Holliger zusammengearbeitet, so zum
Beispiel als Solist beim Orchestra della
Svizzera italiana oder bei den Ittinger
Pfingstkonzerten.
Im Jahr 2013 erarbeitete er mit Pierre Boulez
dessen zweite Klaviersonate. Auch ist Stefan
Wirth Mitglied der Vier-Flügel-Formation
«Gershwin Piano Quartet», mit der er auf bedeutenden Festivals
konzertierte, so unter anderem am Schleswig-Holstein Musik Festival,
dem Festival de Musique de Menton, den Schwetzinger Festspielen,
dem Mozarteum Basileiro in São Paulo, dem Rheingau Musik Festiva
und dem Menuhin Festival Gstaad.
Stefan Wirth erhielt seine kompositorische Ausbildung vornehmlich
in den USA, wo er unter anderem bei Michael Gandolfi und P.Q. Phan
studierte. Er erhielt das «Leonard Bernstein Fellowship» für die
Teilnahme an den Tanglewood Sommerkursen, wo er mit George
Benjamin arbeitete. Er studierte bei Oliver Knussen und Colin
Matthews im «Britten–Pears Young Artist Programme» in Aldeburgh,
England.
Aufträge erhielt Stefan Wirth u. a. vom Collegium Novum Zürich, dem
Münchener Kammerorchester, dem Ensemble Makrokosmos, dem
Ensemble ö!, dem Berner Kammerorchester, dem Ensemble Aequatuor, vom WDR für die Wittener Tage für neue Kammermusik und dem
Lucerne Festival. Seine Werke wurden dreimal in die «Grammont
Séléction» aufgenommen, auf der jeweils die besten Schweizer
Uraufführungen eines Jahres vereinigt werden.
Ausserdem hat Stefan Wirth als Pianist, Komponist und Arrangeur
für verschiedene Musiktheater-Produktionen mit Regisseuren wie
Christoph Marthaler, Frank Castorf und Anna-Sophie Mahler zusammengearbeitet.
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Drei Fragen an Stefan Wirth
Der Komponist zu «Through the looking glass»
Wenn ich Sie zitieren darf:
«Alle Geschichten, die das Violinkonzert üblicherweise erzählt, sind
leidlich bekannt. Darum habe ich mich bemüht, eine eigene Geschichte zu erfinden»: diesen hohen Anspruch haben Sie als Idee für ihre
Komposition genannt. Was genau bedeutet das?
Ich meinte damit vor allem, dass die traditionelle dreisätzige Anlage
mit dramatischem ersten, lyrischem zweiten und schmissigem dritten
Satz für mich wie eine Art Hollywoodfilm wirkt, bei dem man ja von
Anfang an weiss, dass am Schluss die Guten siegen und die Bösen
untergehen. Die Form, die ich in meiner Komposition versuche, ist
weniger zielgerichtet und gleicht eher einer Art Odyssee, bei der man
nie weiss, was für ein Monster einen auf der nächsten Insel erwartet.
Die Trauer um die nicht allein materielle Zerstörung der Welt ist
Richard Strauss’ «Metamorphosen» deutlich anzuhören, Frank
Martins «Polyptyque» ist gleichsam das in Töne gesetzte Altarbild
von Duccio di Buoninsegna – wird man Alice in Ihrer Komposition
hören können?
Ja und nein. In denke, es ist nicht so wie in Richard Strauss’ «Don
Quixote», wo man die Hammelherde blöken und die Windmühlen rauschen hört, sondern es geht eher darum, von einem ungewöhnlichen
Bild aus eine ebenso ungewöhnliche Musik zu erfinden. Es gibt
beispielsweise eine Stelle, wo Alice durch den Spiegel geht und die
Solo-Violine von den restlichen Streichern allmählich übertüncht und
absorbiert wird – es ist vielleicht auch ein bisschen so, als würde man
in der Dämmerung eine Katze beobachten, bis diese von der Dunkelheit ununterscheidbar ist, oder, von mir aus, als würde sich ein Stück
Zucker in Wasser auflösen. Wichtig ist nicht das Bild, das evoziert
werden soll, sondern vielmehr die Musik, die durch ein bestimmtes
Bild entsteht.
Wichtige Anhaltspunkte für die Umsetzung haben Sie in Lewis
Carrolls «Alice hinter den Spiegeln» gefunden. Per Zufall? Wie
wichtig ist eine solche Inspiration für das Komponieren?
Literarische Muster können sehr hilfreich sein, wenn es darum geht,
neue Formen zu entwickeln und «Alice hinter den Spiegeln» ist in
seiner umwerfenden Mischung von Logik und Absurdität tatsächlich
sehr inspirierend. Ich habe für dieses Stück eine Folge von 12 kurzen
Bildern ausgewählt, die musikalisch umgesetzt werden. Alle Figuren
in dem Buch bewegen sich wie Schachfiguren, und so habe ich für die
Solo-Violine Bewegungsmuster entworfen, die den einzelnen
Schachfiguren zugeteilt werden können. Und die rote Königin hat die
Fähigkeit, sich blitzschnell zu bewegen, um schliesslich wieder am
selben Ort anzukommen, wo sie eben gerade war.
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Programm 23.10.2015
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«Tränen – Trauer – Trost»
Wenn Sie die Worte ‹Musik› und ‹Trost› in eine Internetsuchmaschine
eingeben, wird sie Ihnen innerhalb von Sekundenbruchteilen weit über
eine halbe Million Ergebnisse liefern. Ähnlich ist es bei der Kombination
mit ‹Tränen› oder ‹Trauer›. Und auch wenn manche der Suchergebnisse
seltsam anmuten («Musik als Trost fürs schlechte Wetter»), ist eines
doch offensichtlich («Musik zum Trösten», «Trost spenden mit Musik»):
Die Verbindungen zwischen menschlichen Emotionen und Musik, die
solche Emotionen be- und umschreiben kann, ohne konkret zu werden,
sind eng und vielfältig. Das ist bei Freude, Resignation oder Wut nicht
anders als bei Trauer. Tränen und Trauer können eine Komposition
auslösen wie umgekehrt auch Musik die Tränen fliessen lassen kann.
Und doch kann Musik noch mehr: Sie ist Ausgangspunkt, Mittel und
Ziel, und sie ist kein Spiegel, der im Massstab 1:1 abbildet. Sie spiegelt –
die Wünsche der Hörer, die Handschrift des Komponisten und nicht
zuletzt die Inspirationen, die ihre Entstehung erst ausgelöst haben:
ästhetisch sublimiert, übersetzt ins Uneindeutige. Also spiegelt sie
diffus, ist Versenkung, Erinnerung und Befreiung zugleich.
Strauss: Klangstrom der Trauer.
Kurz vor Ende der fast halbstündigen Metamorphosen taucht in den
unteren Streichern ein punktiertes Motiv auf … und im Rückblick kann
man erkennen, worauf sich alles bezieht: die glühende Tonalität des
späten Richard Strauss, die so anders ist als die wilde Fortschrittsmusik
des jungen Komponisten; und auch der Titel «Metamorphosen». In
unterschiedlichsten Formen geisterte jenes Motiv durchs ganze Werk,
jetzt am Ende wird deutlich, woher es kommt: vom Anfang des 2.
Satzes, des «Marcia funebre» aus Beethovens «Eroica».
Indem Richard Strauss die Worte «in memoriam» nicht nur unter die
Noten schreibt, sondern ihnen auch noch ein Ausrufezeichen verpasst,
legt er inner- und aussermusikalisch viele Bezüge offen: die Erinnerung
an den grossen Urahn Beethoven wie auch die Erinnerung an das Motiv
selbst, das eine halbe Stunde lang das gesamte Timbre der Musik
imprägniert hat, um jetzt am Ende endlich deutlich hervorzutreten; die
Erinnerung an sein geliebtes und nun im Krieg zerstörtes München; die
Erinnerung an das Ideal der Wiener Klassik in einer Zeit des Untergangs
– und nicht zuletzt die Erinnerung an das eigene Künstlerleben, das sich
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Programm 23.10.2015
von der rauschhaften Musik der «Salome» über die raffiniert instrumentierten sinfonischen Dichtungen zum spätklassizistischen Wohlklang entwickelte. Zwar hat Strauss nach diesem Werk noch andere,
kleiner dimensionierte Musik geschrieben («Handgelenksübungen, um
das vom Taktstock befreite Handgelenk nicht vorzeitig ermüden zu
lassen»), aber die «Metamorphosen» sind sein Abgesang. Ein Abgesang
auf eine ganze Epoche der Tonkunst, sogar auf die ganze Tradition der
abendländischen Kultur. Verständlich, sieht man sich Strauss‘ Lebenswirklichkeit in diesen Tagen an. Fünf Millionen Kubikmeter Schutt liegen
in seiner Heimatstadt München, von 257.000 Wohnungen sind noch
25.000 unbeschädigt, 264.000 Einwohner sind obdachlos, 35% aller
Geschäfte sind zerstört.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 war für Richard Strauss
auch eine persönliche Tragödie. Deutschland, das er als patriotischer
Künstler nie verlassen und dessen Regime er mehr oder weniger offen
zu sanktionieren geholfen hatte (in der Zeit des Nationalsozialismus war
er sogar fast zwei Jahre lang Präsident der Reichsmusikkammer
gewesen, was ihm später grosses Unverständnis einbrachte), dieses
Deutschland lag am Boden, seine langjährige Wirkungsstätte, das
Nationaltheater war in Trümmern. Im Frühling 1945 begann er mit den
Skizzen einer Komposition, die er «Trauer um München» überschreiben
wollte. Nach vier Wochen war sie am 12. April fertig. Nun hatte sie aber
einen neuen Titel: «Metamorphosen», eine Studie für 23 Solo-Streicher.
Der französische Kritiker Roland-Manuel (sic) meinte dazu: «Vielleicht
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lebte Strauss einfach nur 85 Jahre, um dieses herrliche Werk zu
schaffen. Vielleicht waren seine Exzesse, seine Beleidigungen des guten
Geschmacks nur Stationen auf einem Weg, der diesen alten Mann zur
Entdeckung der Weisheit führte.»
Ist der Klangstrom der «Metamorphosen» in seinen Eintrübungen und
Aufhellungen nur ein depressiver, in sich kreisender Abgesang der
Trauer auf eine in Trümmer versunkene Kultur, als deren letzter
Repräsentant sich Richard Strauss verstand? Kippen die «Metamorphosen» nicht auch gleichzeitig – die Macht der Musik! – in eine diffuse
Ausdruckssphäre um, die weit hinausgeht über Trauer und sie in ihr
Gegenteil umgiesst?
Musik als tönendes Dokument der Trauer – das geht natürlich – und
geht gleichzeitig auch nicht, weil Musik vieldeutig ist und über Inhalte
und Intentionen immer das spezifisch Musikalische stülpt: das sinnliche
Scheinen der Idee. Mag sie auch noch so schrecklich sein, die Idee, sie
muss scheinen und tönen und in ihrer musikalischen Form verkehrt sie
sich immer auch in Schönheit. Aus Tränen und Trauer wird Trost. Nach
dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel sind Tränen und Trauer
im Trost gar dreifach aufgehoben. Denn bei Hegel heisst aufheben 1) auf
eine höhere Stufe heben, 2) verschwinden lassen und 3) für später
bewahren.
Martin: Gemälde aus Tränen und Trost.
Und die Trauer bei Frank Martin? Auch bei ihm ist sie umgebogen, aber
nicht mehr wie bei Strauss zur Meditation, zur Trance, zur absichtslosen
Schönheit, sondern zum harmonischen Reichtum. Musikalisch sublimierte Trauer kann auch elegant daherkommen. Martins «Polyptyque»
entzündet sich nicht an am eigenen Leib erfahrener Zerstörung,
sondern an am fremden Leib erfahrener: dem Schicksal Jesu. Frank
Martin, 1890 in Genf als jüngstes von zehn Kindern eines calvinistischen
Pfarrers geboren, war ein tief gläubiger Mensch und laut Yehudi
Menuhin ein «nobler, gottesfürchtiger, im weitesten, tolerantesten Sinn
ein frommer Mann». Bach war für ihn das Höchste. «Die Passionen
Bachs bedeuteten für mich den stärksten musikalischen Eindruck
meines Lebens. Ich kann nicht mehr genau sagen, wie alt ich war, ich
glaube zehn oder elf Jahre: da hörte ich eine Aufführung der Matthäuspassion, die für mich das Ereignis meines Lebens geblieben ist. Ich hörte
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Programm 23.10.2015
diese Passion von Anfang bis Ende, ohne mehr zu wissen, wo ich mich
befand. Ich war jedenfalls nicht mehr im Konzertsaal, ich kannte
niemanden mehr, ich war wie in den Himmel versetzt.» Frank Martin
zögerte lange Zeit, bevor er eine eigene Passionsmusik komponierte.
Denn die Hypothek wog schwer und es war ihm eine Anmassung, «eine
Passion zu schreiben nach denjenigen, die uns J. S. Bach hinterlassen
hat.» Als er fast 60 Jahre alt war, brach das Eis. Martin schrieb ein
Passions-Oratorium, Jahre später eine Kantate und ein Jahr vor seinem
Tod schliesslich «Polyptyque» (ein Auftrag von Paul Sacher und dem
Zürcher Kammerorchester). Martin dazu: «Angesichts von Bachs
Meisterwerken hielt ich es für besser, eine Folge relativ kurzer Stücke zu
schreiben, eine Folge von Bildern über ein Thema, von dem ich noch
keine Vorstellung hatte. Dann sah ich in Siena ein Polyptychon – eine
Folge kleiner Bilder auf Holztäfelchen mit den verschiedenen Stationen
der Passion, und plötzlich kam mir der Gedanke, ich könnte doch etwas
Ähnliches in der Musik versuchen.»
Palmsonntag – eine lärmende Menge, die den Einzug des Herrn in
Jerusalem miterleben will; sie drängen sich um ihn und jubeln ihm zu.
Jesus (die Solovioline) erhebt sich darüber, denn er weiss, wie brüchig
der Ruhm des Augenblicks ist
Der Abendmahlssaal – der Abschied Jesu von seinen Jüngern, die
bangen Fragen, die sie an ihn richten (aufsteigende Motive, zunächst
von beiden Orchestern abwechselnd, dann gemeinsam vorgetragen),
und seine Worte des Trostes. Der traurige Satz Endet übrigens in Dur,
ganz in der Tradition Bachs.
Judas – der angsterfüllte, gequälte Mensch, den schliesslich die
Verzweiflung überwältigt.
Gethsemane – Jesu Ringen mit dem Schicksal, bis die Violine über leisen
Akkorden der Orchester das inbrünstige Gebet «Vater, willst du, so
nimm diesen Kelch von mir» vorträgt.
Die Verurteilung – das ist die tobende Menge mit ihrer sadistischen
Freude am Leiden als Schauspiel. Taktwechsel, Sforzati, Dissonanzen
und Stereoeffekte der Orchester.
Die Verherrlichung – das eigentliche Hauptbild des Polyptychons von
Duccio di Buoninsegna (1308), die Kreuzigung – hat Frank Martin nicht
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Herzlichen Dank
aufgegriffen: «Als ich an diese Stelle kam, merkte ich, dass es keinen
anderen Schluss geben konnte als eine Lobpreisung». Yehudi Menuhin
dankte es ihm: er sei ihm sehr dankbar, dass er ihm «die Kreuzigung
erspart hätte». Und Menuhin sagte auch: «Polyptyque» ist eines der
Werke, auf die unser Jahrhundert stolz sein kann.»
Trost ist? Ein Blick nach oben …
Wir danken ganz herzlich unseren
Sponsoren, den Subventionsgebern
und Mäzenen für Ihre Treue, Hilfe
und Unterstützung!
Bach: Trost ohne Trauer.
Was Bach mit Tränen, Trauer und Trost zu tun hat? Alles. Bach habe
überhaupt nicht diese etwas selbstdemonstrative imperiale Geste – so
hat es sinngemäss einmal der Musikkritiker Joachim Kaiser gesagt –, die
man noch bei Beethoven, auch bei Wagner und überhaupt im ganzen
19. Jahrhundert bis hin zu Strauss finden könne. Denn da zeigen die
Komponisten, was sie können. «Bei Bach ist die Geschichte der Musik
und der Musiksprache in unglaublicher Weise in seinem Werk enthalten.» Trost genug. Ist bei Beethoven beides zu finden: Synthese und
Aufbruch, die Zusammenfassung der bisherigen Entwicklungen, die
dann aber gleichzeitig nach vorne weisen, neu erhitzt werden – dann
liegt bei Bach das Gewicht viel mehr auf der Synthese selber, und statt
der neuen Hitze strahlt die ruhige Kraft grosser Klarheit. Purer Trost, ob
mit oder ohne Tränen.
Wirth: Nicht Trauer, Trost und Tränen. Aber ein Verschwinden.
Und Stefan Wirth? «Through the looking glass» (nach Alice im Wunderland). Dem Schweizer Pianisten und Komponisten Stefan Wirth geht es
um die Frage, wie von einem ungewöhnlichen Bild aus eine ebenso
ungewöhnliche Musik zu erfinden wäre. «Es gibt beispielsweise eine
Stelle, wo Alice durch den Spiegel geht und die Solo-Violine von den
restlichen Streichern allmählich übertüncht und absorbiert wird – es ist
vielleicht auch ein bisschen so, als würde man in der Dämmerung eine
Katze beobachten, bis diese von der Dunkelheit ununterscheidbar ist,
oder, von mir aus, als würde sich ein Stück Zucker in Wasser auflösen
– wichtig ist nicht das Bild, das evoziert werden soll, sondern vielmehr
die Musik, die durch ein bestimmtes Bild entsteht.» Denn die kann alles:
sublimieren, überwinden, adeln.
Presenting Sponsor
Clariant International Ltd.
Produktsponsoren
Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus in Basel
Hirslanden, Klinik Birshof
Hotel Basel
Interbit AG
Kestenholz-Holding Mercedes Benz
Remaco AG
Konzertsponsoren
Lonza
Swisscom
Stiftungen
Fondation Nestlé pour l’Art
Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
Stiftung Kammerorchester Basel
Fondation Nicati – de Luze
Subventionsgeber
Kanton Basel-Stadt, Abteilung Kultur
Kanton Basel-Landschaft, kulturelles.bl
Gemeinden
Gemeinde Biel-Benken
Medienpartner
Basellandschaftliche Zeitung
kult.kino
Radio Swiss Classic
Schweizer Radio SRF2 Kulturclub
Szenik
Freunde
Freundeskreis Kammerorchester Basel
Les amis passionnés
Ungenannte Mäzene und Förderer
Florian Hauser
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Programm 23.10.2015
13
Nächste Konzerte
– AUSVERKA
UFT –
Kostprobe II – Di 17.11., 12:30
Basel, Volkshaus
Kooperation mit dem Volkshaus Basel
Das Kammerorchester Basel und Sol Gabetta proben Luigi Boccherinis Konzert
für Violoncello und Orchester D-Dur G 483 für Konzerte in Australien.
Australien-Tournee – So. 22.11.–So 29.11.
Melbourne, Hamer Hall – Brisbane, QPAC Concert Hall –
Canberra, Llewellyn Hall – Sydney, Opera House
Sol Gabetta Cello
Yuki Kasai Violine und Leitung
Clariant-Weihnachtskonzert – Mo 14.12., 19:30
Basel, Martinskirche
Andreas Scholl Contratenor und Leitung
Deutscher Kammerchor
Impressum
Herausgeber
Texte
Redaktion Design Satz
Fotografie Abbildung
Druck 14
14
Kammerorchester Basel
Stefan Wirth; Florian Hauser
Matthias Müller
Stadtluft
Nadin Zeisse
Renaud Capuçon © Francois-Darmigny;
Stefan Wirth © monaneubauer.com; Der Marienhof – 1945 ein Trümmerfeld © Gebardt
Lewis Carroll: «Through the looking glass» (1871) – Zeichnung von
John Tenniel
Hornberger Druck GmbH
Programm 23.10.2015
Programm 26.9.2015
Johann Sebastian Bach
Kantate «Nun komm, der Heiden Heiland» BWV 62
Sinfonia aus der Kantate «Ich habe meine Zuversicht» BWV 188
Kantate «Widerstehe doch der Sünde» BWV 54
Kantate «Ich freue mich in Dir» BWV 133
Kantate «Gott soll allein mein Herze haben» BWV 169
Vorverkauf
www.kulturticket.ch
www.kammerorchesterbasel.ch
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10 2014
Was uns mit Musikern
verbindet, ist die Liebe
ZUR PERFEKTEN
KOMPOSITION.
DAS IST CLARIANT:
LEIDENSCHAFTLICHER
FÖRDERER DER KÜNSTE
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Musik, die uns alle bewegt. Fast wie bei uns:
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