Bei der Hymne kamen den Fans die Tränen

DIENSTAG, 16. FEBRUAR 2016
23
Sport in der Region
NUMMER 38
Matthias Holderried, Michael Frei, Alexander Kindig, Sebastian Kugelmann, Michael Spindler, Trainerin Elfriede Weigelt, Co-Trainerin Stephanie Baur, Susanne Roß und Anna Korakaki.
Bei der Hymne kamen den Fans die Tränen
Triumph 40 Anhänger feuerten die Waldkircher an. Ihre Nerven waren dabei mindestens so angespannt wie die der Sportler
VON MARTIN GAH (TEXT UND FOTOS)
Rotenburg/Waldkirch „Die einen haben sich mental vorbereitet, die anderen waren gut drauf“, so beschreibt Matthias Holderried von
der Mannschaft Luftpistole 1 der
Waldkircher Edelweiß-Schützen die
Atmosphäre im Mannschaftsbus
während der fünfstündigen Fahrt
zum Austragungsort der Bundesliga-Endrunde in Rotenburg an der
Fulda (Hessen).
Am frühen Abend stand dann ein
Training in der Göbels-Arena auf
dem Plan. Als die Schützen die Halle
zum ersten Mal betraten, waren sie
überwältigt von deren Größe. „So
viel Raum für die Zuschauer hat es
bisher noch nirgendwo gegeben,
egal, wo wir waren“, sagt der Edelweiß-Schütze Alexander Kindig aus
Burgau. Im Vergleich zur Waldkircher Schießhalle hat die Rotenburger Arena das zehnfache Fassungsvermögen (150:1500 Plätze). Doch
die Waldkircher Fraktion im Publikum konnte personenmäßig mit den
größeren Vereinen gut mithalten. So
reiste die HSG München inklusive
ihrer Schützen mit 50 Personen an.
Bei den Waldkirchern waren es 40
Anhänger. Diese feuerten ihre
Mannschaft bei jedem Wettkampf
mit Trommeln, Kuhglocken und
Rasseln an. Aus vollen Kehlen erklang es ohne Ende: „Auf geht’s,
Waldkirch, auf geht’s!“
Im Training traten die Waldkircher gegen die SG Braunschweig an,
die später auch der Gegner im ersten
offiziellen Wettkampf war. Im Training gaben die einzelnen Schützen
mehr als die regulären 40 Schuss ab.
Aber auch schon als die 40 Schuss
erreicht waren, stand fest: Wäre das
Training bereits der Wettkampf gewesen, hätten die Waldkircher (mit
4:1) gewonnen. „Ich war ziemlich
entspannt und ziemlich gut“, sagt
der Edelweiß-Schütze Michael Frei
aus Jettingen-Scheppach.
Das gute Abschneiden im Probelauf gab den Waldkirchern im offiziellen Viertelfinale Aufwind. Sie
gewannen den Kampf mit 3:2 (wir
berichteten).
Michael Frei hatte seinen ersten
Einsatz im Halbfinale gegen Berlin.
Dieses wurde mit 3:1 gewertet, da
Matthias Holderried mit seinem
Gegner gleichauf lag. „Bei den ersten drei Schuss hatte meine Gegnerin nur Zehner, da konnte ich noch
nicht mitziehen. Aber als sie in der
zweiten Serie den ersten Achter
schoss, konnte ich mit 98:92 gut angreifen“, sagte Michael Frei zu seinem Duell.
Zu den mitgereisten Fans gehörten Josef und Maria Baur aus Gundremmingen. Die beiden waren den
Waldkirchern zu den meisten ihrer
Bundesligakämpfe hinterhergefahren. Josef ist langjähriger Luftpistolenschütze, seine Frau Maria hat
sich von seiner Leidenschaft für diesen Sport anstecken lassen. „Wir haben zwar gewollt, dass die Waldkircher ins Finale kommen, aber wir
hätten nie damit gerechnet. In der
Nacht vor dem Finale haben wir
sehr unruhig geschlafen. Während
des Endkampfes war die Mannschaft dann wieder voll motiviert“,
sagte Maria Baur.
Die größte Fraktion innerhalb
der Waldkircher Fans waren die Fa-
milienangehörigen, darunter auch
Hermine Holderried. Sie ist überrascht, wie sich ihr Sohn Matthias
im Verlauf der gesamten Saison gesteigert hat, und fieberte bei den Final-Wettkämpfen voll mit: „Als es
am Anfang des Viertelfinales nach
einer Niederlage aussah, wäre ich
am liebsten rausgegangen. Aber ich
bin dann doch dringeblieben, man
kann als Zuschauer ja nichts machen.“
Mit Gerhard Furnier, dem Vizesportleiter des DSB, sprach ein
bayerischer Schwabe die einleitenden Worte vor der Siegerehrung.
„Heute dreht sich die Bundesrepublik um Waldkirch“, sagte er. Danach wurde für die Sieger die Nationalhymne gespielt. „Da sind mir die
Tränen in die Augen geschossen“,
sagt Maria Baur.
Unverhoffte Ehre: Karl Oberschmid, Bürgermeister der Gemeinde Winterbach (braune Jacke), durfte „seinen“ Schützen beim Finale in Rotenburg/Fulda die Goldmedaillen
überreichen. Ein Funktionär hatte dem Gemeindeoberhaupt den Vortritt gelassen.
Luftpistole-Bundestrainer Jan-Erik Aeply gratuliert Waldkirchs Co-Trainerin Stephanie Baur. Im Hintergrund die „eingebayerte“ Griechin Anna Korakaki.
„Lasst euch auf keine Spielchen ein“
Meistertrainerin Im Interview erklärt Elfriede Weigelt, was sie ihren Schützen geraten hat
Rotenburg Die Sensation ist geschafft: Edelweiß Waldkirch ist
deutscher Meister der LuftpistoleSchützen. Elfriede Weigelt, die
Meister-Trainerin, hat GZ-Reporter Martin Gah nach dem Triumph
verraten, wann sie an die Siegchance
geglaubt hat und was ihre persönlichen Höhepunkte bei dem Finalturnier waren.
Frage: Frau Weigelt, wie haben Sie
sich auf das Bundesliga-Finale vorbereitet?
Elfriede Weigelt: Gar nicht, ich habe
mit der Mannschaft trainiert wie
sonst auch.
In der Göbels-Arena von Rotenburg zeigten die Schützen ihr Können. Mit 1500 Fans
haben dort zehnmal so viele Menschen Platz wie im Waldkircher Schützenheim.
Aber Informationen über die gegnerischen Mannschaften haben Sie sich
schon eingeholt?
Weigelt: Ich habe mir die Setzlisten
angesehen und geschaut, welche
Schützen die starken sind. Die Mit-
glieder meiner Mannschaft meinten
zu den Favoriten aus dem Süden:
Die HSG München haben wir schon
geschlagen, Kelheim hätten wir fast
geschlagen.
Mit welchen Erwartungen sind Sie
nach Rotenburg gefahren?
Weigelt: Teilnehmen und feiern. Es
war eh schon eine Riesensensation,
dass wir überhaupt dabei waren.
Wie haben Sie das Training gegen die
SG Braunschweig am Vorabend der
offiziellen Wettkämpfe erlebt?
Weigelt: Da war für mich klar, dass
viel drin ist. Ich wusste, es ist hart,
aber es ist machbar.
Welche taktischen Schlüsse haben Sie
aus diesem Training gezogen?
Weigelt: Ich habe meinen Schützen
gesagt: Macht euer Ding. Lasst euch
auf keine Spielchen mit dem Gegner
ein. Schießt jeder nach eurem Stil,
so, wie ihr es könnt. Dann haben wir
eine Chance.
Wie haben Sie die
Mannschaftsaufstellungen für die
einzelnen Wettkämpfe
ausgewählt?
Weigelt: Das Viertelfinale war für
mich klar, da ging
ich nach der Setzliste vor. Michael
Elfriede Weigelt
Spindler auf Position 5 ist immer
für eine Überraschung gut. Fürs
Halbfinale wusste ich, dass ich Michael Frei einsetzen will, denn er
war in der letzten Zeit sehr gut. Dass
er aber zu einem solchen Überflieger
werden würde, hätte ich nicht gedacht.
Gab es einen wegweisenden Wettkampf
für das Turnier?
Weigelt: Ja, das Viertelfinale. Wir
haben gewonnen. Danach habe ich
gesagt: Jetzt ist alles möglich.
Was waren strategisch und emotional
die wichtigsten Momente des Turniers?
Weigelt: Das Halbfinale. Dieses war
für mich emotional stark, weil Michael Frei 387 Ringe geschossen hat,
und strategisch, weil wir einen neuen Mannschaftsrekord aufgestellt
haben.
Gibt es ein Erfolgsgeheimnis der
Mannschaft?
Weigelt: Wir haben so viele Sympathien auf unserer Seite gehabt, die
haben uns zu diesem Sieg verholfen.
Und zusätzlich der große Teamgeist.
Bei uns heißt es wie bei den drei
Musketieren: Einer für alle, alle für
einen.