Die «Insel der Götter und Dämonen» kennen viele Touristen nur als

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Die «Insel der Götter und Dämonen» kennen viele Touristen
nur als Badedestination. Wer sich auf persönliche Begegnungen einlässt,
nimmt hingegen mehr nach Hause mit als Postkartenbilder
28 «z – die schönen seiten» ausgabe 4/13
Fotos: claudius wirz, roberto zimmermann
Linke Seite:
Blick auf den See
Danau Batur.
Links:
Gläubiger legt im
Tempel Pura Pasar
Opfergaben nieder.
scHWeiZer iM dscHungel
Vor zehn Jahren machte Bassi Bali zu seinem Hauptwohnsitz. Er baute sich ein
schönes Anwesen in einem versteckten
Tal mitten im wuchernden Grün, das eine
Zeitlang auch als Unterkunft für Touristen
diente. Bassi spricht über die Schwierigkeiten, in einem Schwellenland ein Unternehmen aufzubauen, über Mindestlöhne,
die er überbietet, und natürlich über seine
Passion, den Film. Mit seinem Qualitätsbewusstsein hat er es geschafft, zu einem
wichtigen Player im globalen Business für
Haarersatz und Profi-Make-up zu werden.
Eine Begegnung mit dem quirligen SanktGaller vergisst man nicht so schnell. Bassi
gehört zu dem guten Dutzend Menschen,
die ich auf einer siebentägigen Reise
über die Insel der Götter und Dämonen,
der Mythen und Heilsuchenden kennenlernen werde. Dazu liessen wir uns auf
ein Angebot der Boutique-Reiseagentur
Seventheaven in Zürich ein, die weltweit
massgeschneiderte Reisen mit Schwerpunkten
auf Kulinarik, Kultur
und Lifestyle anbietet
(siehe Kasten Seite 31).
So wurde für den Journalisten auf dessen Anregung ein Abstecher zu Bassis verstecktem Fabrikgelände eingeplant, der
sich nahtlos in ein gutes Dutzend Begegnungen mit gebürtigen und zugezogenen
Balinesen einreihte. Am Tag nach der Ankunft beispielsweise fährt der stets gut gelaunte Fahrer Yanie mit mir zu einer
Hohepriesterfamilie. Balis Bevölkerung
betet zum überwiegenden Teil hinduistische Götter an, auch wenn einige Touristen hier den Buddhismus erwarten oder
suchen. Der Zugang zum einfachen Anwesen führt über einen grünen Hügel. Die
Tore sind zugewachsen, wer sie passiert,
betritt eine andere, stille Welt.
besucH bei den braHManen
Herzlich begrüsst werden wir vom Sohn
des Hohepriesterpaars, er ist 54 Jahre alt
und arbeitet als Biologielehrer. Nicht er,
sondern seine fast gleichaltrige und unverheiratete Schwester soll dereinst das Amt
übernehmen, sobald die über neunzigjährigen Eltern es nicht mehr ausfüllen
können. Die zu der höchsten Kaste der
Brahmanen gehörende Familie bewohnt
mitsamt Enkeln ein paar einfache Häuser,
die zwei Höfe mit Naturboden umrahmen. Die Küche ist offen, und einer der
Enkelsöhne, der demnächst sein Studium
beginnt, bügelt in aller Ruhe Wäsche an
der frischen Luft. Das sympathische
Priesterpaar sitzt derweil auf einer kleinen Terrasse und bereitet mein Segnungsritual vor. Dazu benötigen sie Wasser,
Blüten und Reis. Im Schneidersitz bespritzt der Priester zunächst mein Gesicht
mit Wasser und gibt mir Reiskörner, die
ich in den Mund nehme, auf Stirn und
Scheitel klebe. Dann werde ich aufgefordert, dreimal aus einer Schale mit
bunten Blumenblättern (jede Farbe stehe
für eine andere Gottheit, erklärt Yanie) zu
trinken und meine Hände zu falten. Einige Minuten halte ich meine Augen geschlossen, während ich den segnenden
Sentenzen des Greisenpaares lausche.
Das bringt Yanie zum Sinnieren über
das Leben. Er erzählt später, dass er täglich mindestens 15 Minuten bete; auch um
«eine Ruhepause einzuschalten und Gedanken und Wünsche zu sammeln». Balinesen liessen sich zu allen religiösen Feiern (z. B. an Voll- oder Neumond) vom
Priester segnen, sagt er, das seien hier
auch Familienfeste. Und prompt klingelt
sein Mobiltelefon, am anderen Ende ist
seine Mutter, die ihn daran erinnert, am
Abend ein Fest nicht zu vergessen.
Auf dem Weg zum höchstgelegenen
Tempel Balis, dem Pura Pasar Agung auf
1600 Metern, erzählt er von seinen zwei
Söhnen, die neun und zwei Jahre alt sind
und eine bessere Schulerziehung geniessen sollen, als er selbst es vermochte. Für
Yanie scheint der heutige Tag nicht weniger ein Ferientag zu sein als für mich. Auf
dem Parkplatz des Heiligtums
angekommen, sehen wir Dutzende Pilger jeden Alters, die
den Weg bergauf zum Tempel
erklimmen. Die Stimmung im
Tempelgelände ist feierlich, viele
der Betenden haben sich besonders
prachtvoll eingekleidet, Fotografieren ist
nicht nur erlaubt, sondern gehört auch
für die Gläubigen zum Ausflug dazu. Frauen in bunten, Kebaya genannten Kostümen tragen geflochtene Körbe mit Opfergaben auf ihrem Kopf. Die Götterstatuen aus dunklem Vulkanstein sind mit
weissen Bändern geschmückt, Tische und
Altare mit farbigen, meist gelben Tüchern. Einige Männer rauchen Zigaretten, was Yanie zum Anlass nimmt, sich
ebenfalls eine anzuzünden. Die Religiosität der Balinesen werde ich zwei Tage später noch einmal beobachten können,
wenn wir den königlichen Wassertempel
Tirta Empul besuchen, wo ich den komplizierten Ablauf bei rituellen Waschungen erklärt bekomme, denen sich Dutzende von Gläubigen – auch aus dem
Westen – unterziehen.
Am folgenden Tag statten wir dem
Wassergarten Tirta Gangga («Wasser des
Ganges») auf halbem Weg nach Ubud,
dem kulturellen Zentrum der Insel,
einen Besuch ab. Obwohl er «ein beliebtes Ziel von Einheimischen und Touristen» ist, wie es ein Reiseführer beschreibt, sind kaum Fremde zu sehen. Zu
abgelegen ist der von Reisfeldern umge-
Das
Priesterpaar
bereitet das
segnende
Ritual vor
bene Ort bereits, um die Touristenmassen vom Süden der Insel heranzulocken,
wo in Städten wie Nusa Dua, Kuta und
Jimbaran jährlich Hunderttausende ihre
Körper an Stränden bräunen und abends
billiges Bier in Massen hinunterkippen.
An heiligen Tagen hingegen soll es in
Tirta Gangga von Gläubigen nur so wimmeln, wie mir mein neu hinzugestossener Guide Dumya erklärt, der von sich
sagt, er sei ein rationaler Mensch, der
sich aber nicht vom Glauben trennt,
«weil ich sicher bin, dass es mehr als nur
die sichtbare Welt gibt» – das tun die
meisten Balinesen, die ich antreffe. Eine
in Religionsfragen tolerante, weltoffene
Haltung ist auf Bali weit verbreitet. Jede
und jeder hier sucht sich sein Glaubensbekenntnis inner- und ausserhalb seiner
eigentlichen Konfession zusammen. Die
Insel der Tempel ist auch die Insel der
▼
M
itten im üppigen Dschungel
Balis stehen wir vor einer
riesigen Halle, gute 20 auf 15
Meter gross, das Giebeldach
erreicht fast zehn Meter.
Rundherum zwitschert es aus dem grünen
Dickicht, Hitze und Feuchtigkeit lassen
das Gebäude wie eine Fata Morgana erscheinen. Der deplaciert wirkende Bau ist
aber kein Traum, sondern das Traumobjekt eines Mannes aus dem St. Galler
Rheintal und enthält ein voll funktionierendes Filmstudio, das bereits für mehrere Produktionen benutzt wurde. Orlando
Bassi heisst dieser Mann, dessen Augen
glänzen, als er uns in die Halle führt und
von den Settings erzählt, die hier bereits
errichtet wurden, selbst ein wogendes
Meer gehört dazu. Schon immer habe er
ein Studioboss sein wollen, verrät er. Seine
Karriere begann er allerdings mit einer
Lehre als Coiffeur. Danach arbeitete er als
Make-up-Artist, zunächst in lokalen
Theaterproduktionen, später für Fernsehsender wie RTL.
Doch das Filmstudio ist längst nicht
alles, was Orlando Bassi – feste Statur,
Glatze und dunkler Bartschatten – hier
geschaffen hat. Gleich um die Ecke stehen langgezogene Gebäude, die seine Manufakturen für Perücken, Profi-Make-up
samt passenden Koffern und Filmprothesen, die in Gruselstreifen Verwendung finden, beherbergen. Gut zwanzig Kilometer von Balis Kulturzentrum Ubud entfernt, sind hier 140 Frauen und Männer
aus umliegenden Dörfern beschäftigt, die
Requisiten und Hilfsmittel für Theater
und Filmstudios in aller Welt herstellen.
1990 hatte Bassi in Buchs (SG) das Atelier
Bassi gegründet, das mit Perücken und
Make-up-Accessoires für Film, Fernsehen
und Theater handelte. Später baute er
zusammen mit einem Partner die Fabrik
in Bali auf, wo in den letzten 15 Jahren
Perücken für Musicals («Beauty and the
Beast», «Les Misérables»), Theaterstücke
und Opern (z. B. an der Metropolitan
Opera in New York) oder Hollywood-Filme hergestellt wurden.
Fortsetzung Seite 30
«z – die schönen seiten» ausgabe 4/13 29
Links:
Hahn mit gefärbten
Federn im
Dorf Tenganan.
Unten:
Historische
Steinfiguren in der
Stadt Ubud.
▼
Fortsetzung von Seite 29
Pragmatiker im Glauben, wie ich während der Reise immer wieder feststelle.
Schliesslich besuchen wir Tenganan,
eines von drei Dörfern, in denen die prähinduistische Kultur lebendig geblieben
ist. Ihre Bewohner gehören zum Stamm
der Ur-Balinesen, genannt Bali Aga. Nur
wer einen Einheimischen heiratet, darf
hierherziehen. Die meisten Bewohner
pflegen Hobbys, ein Handwerk oder das
süsse Nichtstun, da sie Reisfelder in der
Umgebung besitzen, die sie an Auswärtige
verpachten. In den langen Reihenhäusern
werden lokale Handwerkserzeugnisse wie
kunstvoll gewebte Ikat-Stoffe verkauft,
die es in dieser Qualität sonst nirgendwo
in Indonesien mehr gibt. Hunde und Kinder spielen ausgelassen im Schatten. Auch
hier hat es erstaunlich wenig Touristen,
obwohl der Ort mit seiner speziellen Lebenskultur sehr sehenswert ist.
Das Mittagessen nehmen wir im BioRestaurant «Bali Asli» («Original-Bali»)
ein, das an einem wunderbaren Aussichtspunkt auf einem Hügelrücken liegt und
einige seiner Gemüse und Früchte aus
dem eigenen Garten bezieht. Bio (oder
«Eco») breitete sich in den letzten Jahren
auf der Insel aus. Immer mehr Touristen
legen Wert auf natur- und umweltfreund-
Die Insel
der Tempel
ist auch die
Insel der
Pragmatiker
im Glauben
liche Gastronomie und Hotellerie, entsprechend wird das Angebot stetig ausgebaut. Seit kurzem ist Umwelt- und Naturschutz ein politisches Thema auf der
Insel, deren Bevölkerung und Strassenverkehr von Jahr zu Jahr zunimmt. Penelope
Williams, die australische Besitzerin des
schönen Restaurants, erklärt uns, dass die
Balinesen bis jetzt wenig an das Morgen
dächten, ausser wenn es um ihre Kinder
gehe. Meistens aber liessen sie die Zukunft einfach auf sich zukommen. «Das
ändert sich jetzt langsam.» Offen und luftig ist der Speiseraum des Lokals, im Hintergrund quillt einlullende Degung-Musik
aus Lautsprechern, die aus dem Westen
Javas, der (muslimischen) Nachbarinsel
Balis, stammt. Dumya erklärt mir beim
Verspeisen des Desserts in Form köstlicher Salak-Früchte, dass viele Javaner auf
Bali arbeiten, oft im Strassen- und Häuserbau (oder überall dort, wo hart gearbeitet werden muss). Die Einheimischen
seien zu bequem für solche Jobs und wür30 «z – die schönen seiten» ausgabe 4/13
den sich lieber dem Verkauf und der Repräsentation widmen.
Gegen Abend kommen wir in Ubud an,
einer Stadt, die in den letzten Jahren auch
wegen Zuwanderern aus dem In- und Ausland um ein Mehrfaches gewachsen ist
und weiter wächst. Ubud war früher der
Treffpunkt von Aussteigern aus dem Westen, noch heute trifft man sie allenthalben
auf den Strassen oder in Cafés.
Hotelier als Kunstförderer
Längst droht der Tourismus den Charme
des alten Künstler- und Handwerkerstädtchens zu überwuchern: An den
wichtigen Strassen wie der Monkey Forest Road reihen sich Läden mit Souvenirs, Internet-Cafés und Restaurants aneinander, die hauptsächlich Touristen anlocken. Eine Oase im Trubel liegt einige
Kilometer ausserhalb der Stadt: das Neka-Museum, die Heimat einer der besten
Sammlungen indonesischer Kunst und
einer Kollektion von Krisen, den balinesischen Kurzschwertern. Hier treffen
wir Koman W. Suteja, dessen an Kunst
interessierter Vater Lehrer war und das
Museum gründete. Suteja führt mich
durch die Räume und erzählt, wie er in
einem der Gebäude hier geboren wurde,
unter Künstlern aufwuchs und schliesslich seine eigene Komaneka Fine Art
Gallery für zeitgenössische Kunst gründete. Heute ist er aber in erster Linie Hotelier. Ich übernachte in einem seiner
vier rund um Ubud gelegenen Häuser,
dem «Komaneka at Bisma», einem Fünf­
sternehotel in einem üppig-grünen Tal.
Auf der Fahrt vom Museum zum Hotel,
auf der mich Suteja in einem schwarzen
SUV mitnimmt, erzählt er, wie er zum
Land kam, auf dem seine Gebäude stehen. «Der Boden gehört hier normalerweise einer ganzen Gemeinschaft, etwa
einer Sippe, die von der Landwirtschaft
lebt. Damit ich alle vom Verkauf überzeugen konnte, musste ich ausserhalb
Ubuds Felder für die Bauernfamilien
kaufen.» Begonnen habe er seinen Aufstieg als Hotelbesitzer mit einer kleinen
Pension für seine Künstler. Bald wurde
ein zweites Haus nötig. Heute plant der
Unternehmer mehrere Projekte, und
die Qualität seiner eleganten, mit
Kunst ausgestatteten Herbergen ist bereits über die Insel
hinaus bekannt. «Bali ist zu
einer Billigdestination geworden, dem möchte ich
abhelfen», sagt er und zeigt
Verständnis für TourismusKritiker, Umweltschützer
und Künstler, die sich politisch engagieren, weil sie
fürchten, dass die Insel allmählich ihre Seele verliert.
Am folgenden Tag treffen
wir einen dieser Künstler,
den
bekannten
Maler
Wayan Karja, der sich nach
einem Motorrad-Unglück
gerade mit einem gebrochenen Bein herumplagen muss.
Er empfängt mich trotzdem
– während seine Frau schweigsam ein hervorragendes Mahl auftischt. Karja berichtet über die neuesten Entwicklungen in
einem Skandal an der Uni, für die er als
Dozent arbeitet – oder gearbeitet hat.
Der neue Rektor der Schule, eingesetzt
von der indonesischen Zentralregierung,
führe eine «Säuberung» im Lehrkörper
durch und e­ rsetze altgediente Professoren
mit politischen Unterstützern. Karja ist
zu seinem Glück nicht abhängig von seinem Gehalt als Lehrer. Er besitzt ein
Guest-House (Zimmer ab 25 Franken pro
Nacht), gibt Workshops für Einheimische
und Touristen und verkauft seine Bilder
sehr gut. Als politisch wacher Zeitgenosse
bezeichnet er Indonesien als «Demokratie, der die Zivilgesellschaft fehlt». Dennoch ist das Land eine Erfolgsgeschichte,
wenn man bedenkt, dass es bis zum Sturz
des Dik­tators Suharto 1998 nacheinander
von einem Unabhängigkeitskrieg, einem
Bürgerkrieg und einer faktischen Militärregierung gebeutelt wurde. Heute scheine
die Demokratie auf leidlich festen Säulen
zu stehen, meint Karja.
Auch für ein Entwicklungsprojekt, das
wir am zweitletzten Tag besichtigen,
mussten die Initianten einige Sträusse
mit der staatlichen Administration ausfechten. «Zukunft für Kinder» heisst es,
kümmert sich aber vielmehr um eine
ganze Region als «lediglich» um Kinder.
Der Schweizer Daniel Elber nahm sich
vor zehn Jahren vor, das Los der Familien
aus der Umgebung der Region Munti­
gunung im Norden zu verbessern. Seine
Motivation entstand, als er in Ubud von
Bettlerinnen angesprochen wurde, die
alle aus dieser ärmlichen Gegend kamen.
Die männlichen Dorfbewohner schickten ihre Frauen in die Stadt, wo diese mit
Betteln Geld verdienen sollten, während
sie selbst sich dem Nichtstun und dem
Alkohol hingaben.
Heute führen dieselben Frauen Gäste
auf einem Trekking über die Hügel der
Region und hinunter in die Dörfer, wo
sich die Einwohner unter den Dächern
der von Elbers Organisation erstellten
Wassertanks versammeln und gemeinsam
arbeiten. Ein Hauptproblem von Muntigunung ist der Wassermangel. Es regnet
nur im kurzen Winter, und das Wasser
konnte früher nicht gespeichert werden,
so dass die Landwirtschaft nicht einmal
zur Subsistenz ausreichte, geschweige
denn für einen einkömmlichen Handel.
Heute hingegen haben 13 der 35 Gemeinden Muntigunungs genug Wasser, um Cashewnüsse, Bohnen, Papaya, Chili und andere Pflanzen anzubauen, die danach in
eigenen Manufakturen zu Produkten veredelt werden, wie Projektleiter I Pande
Ketut Pica berichtet.
Neues Selbstvertrauen
Einige der Werkstätten bekommen die
Touristen auf der Wanderung zu sehen.
Das «Trekking» ist für jeden durchschnittlich fitten Wanderer problemlos zu bewältigen, geht es
doch hauptsächlich abwärts.
Es beginnt in der Nähe des
1700 Meter hohen Bergs
Batur. Die Aussicht von
dort auf den See Danau
Batur und das Meer ist
einmalig.
Heute gehen in den
­Dörfern Kinder ab sechs
Jahren in die Schule, ihre
Mütter müssen nicht
mehr in den Städten betteln, s­ondern gehen einer
Erwerbs­
arbeit nach. Pica
erzählt, wie sich die Ge­
meinschaft mit der Lohnarbeit v­ erändert und an Selbst­
vertrauen gewonnen hat.
Wer rechtzeitig zur Arbeit
kommt, erhält pro Tag
r eisen
linesin verheiratet ist, hebt hervor, dass
inzwischen auch indonesische Organisationen das Projekt unterstützen, was auf
politischer Ebene von Vorteil sei.
benachteiligte frauen
Die teilweise prekäre Stellung der Frauen
auf Bali kommt auf der Fahrt zurück
nach Ubud erneut zur Sprache, als ich
meinen Guide Dumya frage, warum es
entlang der Hauptstrasse ungezählte
kleine Getränkeshops oder Bars gebe.
«In diesen Hütten warten junge Mädchen, um die männlichen Gäste zu bedienen und sich zu prostituieren», antwortet er mit niedergeschlagener Miene.
Tatsächlich sind Frauen in der balinesischen Gesellschaft noch immer benachteiligt. Sie haben in der dörflichen Politik wenig zu sagen, in der «Gemeindeversammlung» Banjar kein Stimmrecht.
Frauen müssen nach der Heirat fast
immer zur Familie des Mannes ziehen,
und nach einer Scheidung werden die
Kinder dem Vater zugeschlagen. Neben
den Javanern sind es die Frauen, die im
Strassen- und Hausbau die schwersten
Arbeiten erledigen müssen. Schliesslich
erinnere ich mich an die Aussage einer
PR-Managerin eines Luxushotels, die erzählt, was sie nach der Heirat mit einem
Mann aus einer niederen Kaste gewärtigen musste: Ihre Eltern kamen nicht an
die Hochzeit und besuchten das junge
Paar bisher nie, erzählte die gebildete
Frau. Selbst das erste Kind war für die Eltern kein Grund, die Frau mit ihrem
Mann zu besuchen.
Der Tourismus auf Bali verhilft nicht
allen Bewohnern zu einem besseren
Leben, auch wenn viele dank dem Boom
ihre Lebensgrundlagen entscheidend
festigen konnten. Wie sich die Insel in
den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt hat, bekommt der Pauschaltourist während seiner Strandferien mit
Ausflügen ins Inland höchstens rudimentär mit. Doch bietet sich Bali Reisenden
geradezu an, um nicht nur das übliche
Sightseeing zu unternehmen, sondern
Hintergründe über die Geschichte und
die heutige Lage der Insel zu erfahren.
Balinesen zeichnet ein aufgeschlossenes,
freundliches und interessiertes Wesen
aus, das sich nicht zuletzt aus der frühen
Begegnung mit Touristen ergeben hat.
Bereits in den zwanziger und dreissiger
Jahren erkundeten Reisende aus Europa
und den USA die Insel. Dass sie heute zu
einer reinen Strand­
ferien-Destination
für Australier, Chinesen und Europäer
verkommt, hat sie nicht verdient. Zu
schön ist ihre Landschaft, zu reich ihre
Kultur und zu faszinierend die Spiritualität ihrer Bewohner, als dass man sie nur
in Form gesichtsloser Badeorte und
kommerzialisierter Sehenswürdigkeiten
kennenlernen sollte.
Am Tag vor der Abreise sehe ich viele
prachtvolle Drachen in Form von
Schmetterlingen, Fabelwesen und Schiffen am blauen Himmel. Ganze Dorfschaften versammelten sich und nähmen
an Wettbewerben teil, erzählt Dumya.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene
lies­sen ihre Kunstwerke steigen, die besten könne man in Denpasar beobachten.
Ein letztes eindrückliches Erlebnis. Was
mich am meisten fasziniert, ist jedoch
die Tatsache, dass nicht etwa der am
höchsten oder längsten fliegende Drache
gewinnt, sondern derjenige, der am
schönsten tanzt. Roberto Zimmermann
Links oben:
In der Region
Muntigunung fertigen
Frauen Souvenirs an.
Ganz oben:
Reinigung im Tempel
Pura Tirta Empul.
Oben:
Gemälde im NekaMuseum, Ubud.
Auf einen Blick
Anbieter: Die Boutique-Reiseagentur
Seventheaven in Zürich, die diese Recherche­
reise unterstützt hat, bietet massgeschneiderte
Reisen in Kulinarik, Kultur und Lifestyle. Die
ideenreichen Reise-Erlebnisse werden dank gut
vernetzten Einheimischen nach den indivi­du­ellen Vorlieben der Kunden kreiert – von
einfach bis luxuriös. Haldenstrasse 65, 8045
Zürich, Tel. 044 777 70 70, www.seventheaven.ch
Hotels: Alila Manggis. Zwischen dem Meer
und dem heiligen Mount Agung gelegen, ideal,
um den Osten zu erkunden, und für Badeurlaub
(www.alilahotels.com/manggis, DZ ab 200 Fr.).
The Menjangan. Resort im Nordwesten, liegt
in einem Naturschutzgebiet, perfekt für Trek­­king
(www.themenjangan.com, DZ ab 200 Fr.).
Komaneka Bisma. Luxuriöses Stadtresort bei
Ubud, in grünem Tal gelegen. Elegant, urban
(www.komaneka.com, Suite ab 250 Fr.).
Wayan Karjas Pension Santra Putra:
www.karjabali.com/santra-putra/index.html
Verein Zukunft für Kinder: www.
zukunft-fuer-kinder.ch (bietet u. a. Trekking an)
Neka-Museum: www.museumneka.com
«z – die schönen seiten» ausgabe 4/13 31
Fotos: roberto zimmermann, claudius wirz, VARIO IMAGES (2), pd
20 000 Rupien (rund 2 Franken), und wer
über ein Minimum hinaus produziert,
bekommt einen Bonus. Hergestellt werden Hüte und Verpackungen, Souvenirs
aus Kürbissen, verarbeitete Lebensmittel und seit kurzem auch modische Accessoires. Jeder Familie wird ein Bankkonto eröffnet, auf das sie Ersparnisse
einzahlen kann. So können ­ei­nige Einheimische ihre Häuser aus­bauen, was auf
der Wanderung eindrücklich zu sehen
ist. Früher verliessen viele J­ugendliche
ihre Heimat, um in Hotels zu arbeiten,
zum Beispiel als Masseure, heute bleiben
mehr denn je hier. Am ersten P
­ ausenplatz
des Trekkings warten frische Kokosnüsse
auf die Besucher, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern g­ leichzeitig mit
Scheu und Neugierde empfangen werden. Pica erzählt, dass die Regierung tatenlos geblieben sei und lediglich eine
«technokratische» Lösung für das Wasserproblem anbiete, indem Wasser aus
dem Danau-Batur-See über den Berg in
die arme Gegend gepumpt werde. Doch
die Stromrechnung von rund sechs Millionen Rupien pro Monat sei für die Bevölkerung unbezahlbar.
Zufällig treffe ich nach der Wanderung
im Hotel, in dem wir das Mittagessen
einnehmen, auf den finanziellen Koordinator und Revisor des Vereins Zukunft
für Kinder. Heute pensioniert und hier
ansässig, arbeitete der Romand Georges
Capt während Jahrzehnten für den Bund
in der ­Entwicklungszusammenarbeit. Er
erzählt gerne von seinen Erfahrungen in
unterschiedlichsten Ländern und über
seine grosse Hoffnung, dass die Unterstützung hier auch langfristig erfolgreich
sein wird trotz einigem Widerstand von
politischer Seite. Capt, der mit einer Ba-