Ergänzungsbotschaft zur Botschaft 14.197 Neuregelung der

REGIERUNGSRAT
BOTSCHAFT AN DEN GROSSEN RAT
15.89
Ergänzungsbotschaft zur Botschaft 14.197
Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung
•
Aargauische Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen
•
Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz, KiBeG) (Gegenvorschlag)
Bericht und Entwurf zur 1. Beratung
Inhaltsverzeichnis
1. Ausgangslage .............................................................................................................................6
1.1 Botschaft vom 24. September 2014 und Rückweisungsbeschluss vom 20. November 2014 ...6
1.2 Volksinitiative der CVP ...........................................................................................................7
1.3 Volkswirtschaftlicher Nutzen...................................................................................................7
1.4 Frühere Rechtssetzungsprojekte ............................................................................................9
1.5 Parlamentarische Vorstösse .................................................................................................10
1.5.1 (12.12) Motion der CVP-BDP-Fraktion ..........................................................................10
1.5.2 (12.13) Motion der FDP-Fraktion...................................................................................11
1.5.3 (12.14) Motion der SP-Fraktion.....................................................................................11
1.5.4 (12.15) Motion Ruth Jo Scheier (Sprecherin) ................................................................11
1.5.5 (12.22) Postulat Samuel Schmid (Sprecher) .................................................................12
2. Volksinitiative............................................................................................................................12
2.1 Rechtsgrundlagen ................................................................................................................14
2.2 Formelle Prüfung..................................................................................................................14
2.3 Materielle Prüfung ................................................................................................................14
2.4 Sachliche und politische Wertung .........................................................................................15
2.4.1 Argumentation der Initiative ..........................................................................................15
2.4.2 Sachliche und rechtliche Beurteilung ............................................................................16
2.4.3 Anpassung geltendes Recht .........................................................................................18
2.4.4 Politische Beurteilung des Regierungsrats ....................................................................18
3. Handlungsbedarf.......................................................................................................................19
3.1 Bedarf an Betreuungsangeboten ..........................................................................................19
3.2 Revisionsbedarf des geltenden Rechts.................................................................................20
3.3 Parlamentarische Vorstösse .................................................................................................21
4. Umsetzung des Rückweisungsbeschluss ...............................................................................21
5. Grundzüge des Gegenvorschlags sowie Umsetzung des Rückweisungsbeschlusses ........22
5.1 Zugang zu bedarfsgerechtem Angebot .................................................................................22
5.1.1 Bedarfsdeckungsgrad...................................................................................................22
5.1.2 Umsetzung Rückweisungsbeschluss ............................................................................22
5.2 Bedarf ..................................................................................................................................22
5.2.1 Von den Gemeinden zu berücksichtigender Bedarf.......................................................22
5.2.2 Bedarfserhebung ..........................................................................................................23
5.2.3 Auf- beziehungsweise Ausbau eines familienergänzenden Betreuungsangebots ..........24
5.2.4 Umsetzung Rückweisungsbeschluss ............................................................................24
5.3 Vernetzung und Kooperation ................................................................................................25
5.3.1 Praxisbeispiele .............................................................................................................25
5.3.2 Umsetzung Rückweisungsbeschluss ............................................................................26
5.4 Rechte der Erziehungsberechtigten......................................................................................26
5.4.1 Wahlfreiheit ..................................................................................................................26
5.4.2 Fehlender Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz ...........................................................26
5.4.3 Umsetzung Rückweisungsbeschluss ............................................................................27
5.5 Qualität und Aufsicht ............................................................................................................27
5.5.1 Kommunale Zuständigkeit ............................................................................................27
5.5.2 Umsetzung Rückweisungsbeschluss ............................................................................28
5.6 Finanzierung ........................................................................................................................31
5.6.1 Beteiligung der Erziehungsberechtigten........................................................................31
5.6.2 Beteiligung der Gemeinden ..........................................................................................32
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5.7 Ausgestaltung der Subventionierung ....................................................................................32
5.7.1 Normkostenmodell........................................................................................................32
5.7.2 Betreuungsgutschein-Modell.........................................................................................33
5.7.3 Umsetzung Rückweisungsbeschluss ............................................................................33
6. Gegenüberstellung Gesetzesentwürfe.....................................................................................35
7. Mittelfristige Aufgaben- und Finanzplanung............................................................................37
8. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Gegenvorschlags................................37
9. Weiteres Vorgehen....................................................................................................................41
Antrag ............................................................................................................................................42
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Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Staatskanzlei sind am 9. April 2013 die Unterschriftenbogen der Aargauischen Volksinitiative
"Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen mit 3'289 gültigen Unterschriften
eingereicht worden. Wir unterbreiten Ihnen Bericht und Antrag zur Volksinitiative und zum Gegenvorschlag zur Beschlussfassung. Die vorliegende Botschaft ergänzt die (14.197) Botschaft über die
Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung vom 24. September 2014, die der Grosse
Rat mit Beschluss vom 20. November 2014 an den Regierungsrat zurückgewiesen hat.
Zusammenfassung
Die Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfeund Präventionsgesetz, SPG) im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung wurde am
10. Januar 2012 in zweiter Lesung vom Grossen Rat abgelehnt. Am 27. März 2012 überwies der
Grosse Rat vier Motionen in der Form des Postulats zum Thema.
Am 9. April 2013 reichte der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) die Aargauische
Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen bei der Staatskanzlei
ein. Die Volksinitiative entspricht den Formvorschriften und ist in formeller Hinsicht gültig zustande
gekommen. Sie ist als rechtsetzerisch vollständig ausformulierte und formell somit ohne Weiteres
umsetzbare Regelung konzipiert und genügt den Erfordernissen der Einheit der Form und Materie
(§ 57 Abs. 2 Gesetz über die politischen Rechte [GPR]).
Die Initiantinnen und Initianten der Volksinitiative beabsichtigen eine umfassende Regelung der familienergänzenden Kinderbetreuung mit relativ hoher Regelungsdichte. Der Gesetzesentwurf lehnt sich
inhaltlich stark an die schliesslich abgelehnte SPG-Änderung an und geht zum Teil darüber hinaus.
Der Initiativ-Entwurf stellt sich wie folgt dar:
• Der Entwurf verpflichtet die Gemeinden für ein bedarfsgerechtes Angebot an familienergänzender
Betreuung von Kindern bis Ende der Schulpflicht zu sorgen und legt sowohl die Betreuungsformen als auch die Öffnungszeiten fest. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten zur Erhebung
des Bedarfs. Dabei hat er die Zweckbestimmung angemessen zu berücksichtigen.
• Die familienergänzende Kinderbetreuung bezweckt die Förderung der Entwicklung und Integration und die Verbesserung der Chancengerechtigkeit der Kinder sowie die Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit oder Ausbildung.
• Die Leistungserbringer unterstehen einer Bewilligungspflicht. Die Standortgemeinde erteilt die
Bewilligung, sofern die vom Regierungsrat festzulegenden Voraussetzungen erfüllt sind in Bezug
auf die Ausbildung des Personals, die Infrastruktur der Betreuungsangebote und die Qualitätssicherung.
• Die Aufsicht obliegt der Standortgemeinde, die Oberaufsicht dem zuständigen Departement.
• Der Subventionierung liegt ein Normkostenmodell zugrunde. Die Finanzierung soll durch die Erziehungsberechtigten, die Gemeinden und den Kanton erfolgen. Die Erziehungsberechtigten sind
nach Massgabe ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit an den Kosten zu beteiligen. Die Wohnsitzgemeinde legt die Beteiligung fest, die höchstens kostendeckend sein darf. Die Restkosten sind je
zur Hälfte von der Wohnsitzgemeinde und dem Kanton zu tragen. Der Regierungsrat regelt die
Einzelheiten.
• Das zuständige Departement berät und unterstützt die Gemeinden und stellt für jede Betreuungsform ein Muster-Elternbeitragsreglement zur Verfügung.
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Der Regierungsrat lehnt die Volksinitiative insbesondere mit Verweis auf die Ablehnung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Rahmen der Änderung des SPG ab. Damals wurden insbesondere
Umfang und Tiefe der vorgeschlagenen Detailregelungen in Zweifel gezogen.
Der Regierungsrat erachtet es nicht als zielführend, einen ausformulierten Gesetzesvorschlag zu
empfehlen, der in wesentlichen Teilen neuerlich Detailregelungen vorschlägt. Mit der gleichen Argumentation lehnt er einen detaillierten Gegenvorschlag ab, der sich aus Sicht des Stimmvolks nur
unwesentlich vom Initiativ-Entwurf unterscheidet. Den Stimmberechtigten soll eine wirkliche Alternative geboten werden. Aus diesem Grund hält der Regierungsrat an seinem mit (14.197) Botschaft
unterbreiteten Gegenvorschlag fest, welcher weitgehend den Forderungen der Postulanten entspricht.
Der Regierungsrat trägt dem Rückweisungsbeschluss der (14.197) Botschaft vom November 2014 in
dem Sinne Rechnung, dass die vorliegende Ergänzungsbotschaft ausformulierte Bestimmungen enthält, die dem Rückweisungsantrag entsprechen. Es liegt in der Kompetenz des Grossen Rats, diese
in den Gegenvorschlag zu integrieren.
Mit dem regierungsrätlichen Gegenvorschlag werden die Voraussetzungen geschaffen, dass im Kanton Aargau eine Regelung der familienergänzenden Kinderbetreuung erfolgen kann, welche die
Grundzüge derselben in einem separaten Erlass fasst und den finanzierenden Gemeinden bei der
Umsetzung auf der Grundlage von soliden Empfehlungen den notwendigen Spielraum lässt. Auf
diese Weise kann sichergestellt werden, dass die dynamische Entwicklung der Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung zum Einen in einem sicheren gesetzlichen Rahmen, zum Andern
mit Rücksicht auf unterschiedliche regionale und kommunale Bedürfnisse stattfinden kann.
Der Gegenvorschlag stellt sich wie folgt dar:
• Die Gemeinden werden verpflichtet, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Die
Aufgabe kann in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten erfüllt werden.
• Die Bedarfsgerechtigkeit richtet sich nach folgenden Kriterien: Die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf oder Ausbildung wird erleichtert. Die gesellschaftliche, insbesondere sprachliche Integration
sowie die Chancengerechtigkeit der Kinder werden verbessert.
• Die Benützung der Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung ist freiwillig. Die Erziehungsberechtigten haben die Wahlfreiheit in Bezug auf das Betreuungsangebot und den Betreuungsort.
• Die Standortgemeinden erlassen Vorschriften zur Qualität des Betreuungsangebots und sind für
die Aufsicht zuständig.
• Das zuständige Departement kann Massnahmen zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung treffen.
• Die Erziehungsberechtigten tragen die Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung. Die
Wohnsitzgemeinden beteiligen sich nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Erziehungsberechtigten an den Kosten. Sie legen den Umfang der Kostenbeteiligung fest.
• Die Lastenverschiebung, die sich durch den Wegfall bisheriger Kantonsbeiträge in der Höhe von
1,5 Millionen Franken ergibt, soll ausgeglichen werden. Die Mehrkosten der Gemeinden werden
in der Übersicht über die reformbedingten Mehr- und Minderbelastungen von Kanton und Gemeinden dargestellt.
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Der Regierungsrat stellt dem Grossen Rat den Antrag, die Initiative in formeller und materieller Hinsicht als gültig zu erklären, dem Volksinitiativbegehren den Gegenvorschlag des Regierungsrats
gegenüberzustellen und den Stimmberechtigten das Volksinitiativbegehren zur Ablehnung zu empfehlen.
1. Ausgangslage
1.1 Botschaft vom 24. September 2014 und Rückweisungsbeschluss vom 20. November 2014
Der Regierungsrat hat mit (14.197) Botschaft über die Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung dem Grossen Rat beantragt, die Aargauische Volksinitiative "Kinder und Eltern" für
familienergänzende Betreuungsstrukturen in formeller und materieller Hinsicht als gültig zu erklären,
diese abzulehnen und dem Volksinitiativbegehren einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Mit
oben erwähnter Botschaft unterbreitete er dem Parlament einen entsprechenden Gesetzesentwurf.
Der Grosse Rat ist im November 2014 mit 80 zu 47 Stimmen auf den regierungsrätlichen Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Kinder und Eltern" eingetreten und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass
eine Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung notwendig ist. In der Folge hat er den
Gegenvorschlag jedoch mit 66 zu 59 Stimmen bei vier Enthaltungen an den Regierungsrat zurückgewiesen. Konkret soll der als schlankes Rahmengesetz ausgestaltete Gegenvorschlag mit einer
Delegationsnorm ergänzt werden, die dem Regierungsrat die Kompetenz einräumt, Detailbestimmungen zur Bedarfserhebung zu erlassen, kantonale Qualitätsstandards festzulegen und die Betreuungsformen zu definieren. Weiter soll die Elternbeteiligung kantonal vereinheitlicht werden und
der Kanton eine Aufsichtsfunktion übernehmen.
Die vorliegende Botschaft ergänzt die (14.197) Botschaft vom 24. September 2014 und äussert sich
insbesondere zur Volksinitiative, zum Gegenvorschlag und zur Rückweisung. Sie beinhaltet also jene
Themen, die in direktem Zusammenhang stehen mit den vorliegend gestellten Anträgen an den
Grossen Rat, sowie Themen, die für die Herleitung der gestellten Anträge zentral sind. Die weitergehenden Ausführungen sind der (14.197) Botschaft zu entnehmen. Es sind dies:
Kapitel
Ausgangslage
Seite der (14.197) Botschaft
6
• Gesellschaftliche Bedeutung
6
• Aktuelles Angebot im Kanton Aargau und Versorgungsgrad
9
• Inanspruchnahme familienergänzender Betreuung
• Geltendes Recht
• Aktuelle Planungen der staatlichen Tätigkeiten
Anhörung zum Gegenvorschlag
10
13–15
16
33
• Gesamtbeurteilung
33
• Familienergänzende Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der
Primarschule
35
• Qualitätsstandards
36
• Finanzierung des familienergänzenden Betreuungsangebots
38
• Subventionierung
38
• Massnahmen des Kantons
39
• Weitere Themen (Mitfinanzierung des Kantons, Blockzeiten, Engagement der Wirtschaft)
39–40
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Kapitel
Seite der (14.197) Botschaft
Aufgabenteilung und Lastenausgleich
40
Kostenschätzung
42
Auswirkungen
51
• Auswirkungen auf den Kanton
51
• Auswirkungen auf die Gemeinden
52
• Auswirkungen auf die Anbieter familienergänzender Kinderbetreuung
53
• Auswirkungen auf die Umwelt
53
• Auswirkungen auf die Wirtschaft
53
• Auswirkungen auf die Gesellschaft
54
1.2 Volksinitiative der CVP
Die CVP hat am 25. März 2015 beschlossen, eine Volksinitiative für die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie zu lancieren. Das Initiativbegehren ist in der Form einer ausgearbeiteten Vorlage und entspricht weitgehend dem Text des regierungsrätlichen Gegenvorschlags. Die Initiative wurde am
10. April 2015 im Amtsblatt veröffentlicht. Nach Publikation hat die CVP ein Jahr Zeit, um die nötigen
3'000 Unterschriften von Stimmberechtigten zu sammeln und bei der Staatskanzlei einzureichen
(Ablauf der Sammelfrist: 10. April 2016). Volksinitiativen sind innert 24 Monaten seit Einreichung bei
der Staatskanzlei zur Abstimmung zu bringen.
Die Volksinitiative der CVP steht noch am Anfang des beschriebenen Prozesses und ist nicht Gegenstand dieser Botschaft. Falls sie zustande kommt, wird diese dem Stimmvolk zeitlich nach der
Abstimmung über die Volksinitiative "Kinder und Eltern" des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) unterbreitet werden. Letztere wurde am 9. April 2013 eingereicht.
1.3 Volkswirtschaftlicher Nutzen
(Im Vergleich zur [14.197] Botschaft überarbeitetes Kapitel)
Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich eine Investition in die familienergänzende Kinderbetreuung, da
dies zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt.
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Verschiedene Studien belegen den volkswirtschaftlichen Nutzen der familienergänzenden Kinderbetreuung:
Tabelle 1: Übersicht Nutzen der familienergänzenden Kinderbetreuung
Familien
Direkte
Nutzen
Unternehmen
Höhere Erwerbsbeteiligung
Höhere Verfügbarkeit
von (qualifizierten) Arbeitnehmerinnen
Höhere Einkommen,
höhere Sozialabgaben
Indirekte
Nutzen
Bessere
Karrierechancen
Arbeitsmarkt- und
Gesellschaftsintegration
Immaterielle
Nutzen
Höhere
Lebensqualität
Gemeinden/Kanton
Zusätzliche Arbeitsplätze in
den Betreuungsinstitutionen
Höhere Steuereinahmen
Geringere Sozialleistungsausgaben
Attraktiver
(familienfreundlicher)
Arbeitgeber
Wirtschaftliches Wachstumspotenzial
Standortattraktivität
Wohnortattraktivität
Ganz besonders der besseren Ausschöpfung des Bildungs- und Arbeitspotenzials – insbesondere
der Frauen – ist eine grosse Bedeutung beizumessen. Ein ausreichendes und bezahlbares Betreuungsangebot kann längere Arbeitsunterbrüche nach der Familiengründung verhindern. Eine kontinuierliche und erhöhte Erwerbspartizipation führt zu einem höheren Lohnsatz und verbessert insgesamt
die Altersvorsorge. Des Weiteren trägt eine höhere Erwerbspartizipation wesentlich dazu bei, dass
Eltern durch das Zweiterwerbseinkommen den Lebensunterhalt ihrer Familie besser bestreiten können, wodurch geringere Sozialleistungsausgaben resultieren.
Eine Kosten-Nutzen-Analyse zur familienergänzenden Kinderbetreuung in der Stadt Zürich1 zeigt,
dass jeder in die familienergänzende Kinderbetreuung investierte Franken rund 1,6-fach unmittelbar
zurückfliesst: Fr. 1.20 in Form von Steuereinnahmen und Fr. –.40 in Form von eingesparten Sozialausgaben. Über indirekte Nutzen fliesst gar ein drei- bis vierfaches der Investitionen an die Gesellschaft zurück. Eine Abklärung des finanziellen Nutzens der Kinderbetreuungsangebote der Gemein2
de Horw (Kanton Luzern) zeigt auf, dass pro Franken, den die Gemeinde investiert, das rund
1,8-fache direkt an die Gemeinde Horw zurückfliesst. Der Grossteil in der Höhe von 72 % erfolgt
dabei in Form von eingesparter Sozialhilfe. Die restlichen 28 % fliessen in Form höherer Steuererträge aufgrund des erhöhten Einkommens der unterstützten Eltern in die Gemeindekasse. Zusätzliche
Steuereffekte auf Kantons- oder Bundesebene wurden von der Studie nicht berücksichtigt. Die Studie stützt sich dabei auf effektive Steuerdaten der Gemeinde Horw aus dem Jahr 2007 und verzichtet
auf die Quantifizierung des langfristigen Nutzens sowie von Multiplikatoreffekten.
1
Volkswirtschaftlicher Nutzen von Kindertagesstätten, Studie des Büro BASS im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich; 2000;
http://www.buerobass.ch/projekte_d.php?id_subkern=12
2
Kinderbetreuungsangebot der Gemeinde Horw – Abklärung des finanziellen Nutzens, Studie der Hochschule Luzern im Auftrag der Gemeinde
Horw, Familie plus; 2009; http://www.horw.ch/dl.php/de/0cynx-ocnxov/Schlussbericht_HSLU_finanz_Nutzen_Kinderbetreuung_Horw.pdf
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Weitere Studien weisen ebenfalls auf einen positiven volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen von Investitionen in die familienergänzende Kinderbetreuung hin.3
Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirkt aber auch dem Fachkräftemangel entgegen
und verbessert grundsätzlich die Verfügbarkeit der Arbeitnehmenden. Bedürfnisorientierte Kinderbetreuungsangebote können den Zuzug von bildungsnahen Familien und gut qualifizierten Berufsleuten
fördern. Damit tragen sie zur Entschärfung des Fachkräftemangels bei. Mit der eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014 wurde die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" angenommen, mit welcher die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern in die Schweiz begrenzt
werden soll. Vor dem Hintergrund, dass bereits heute ein Mangel an gut ausgebildeten Arbeitnehmenden herrscht, wird die Umsetzung der Initiative den Fachkräftemangel weiter verschärfen. Umso
wichtiger ist, dass der Wirtschaft einheimische Fachkräfte – ganz besonders auch die grosse Anzahl
an hochqualifizierten Frauen – zur Verfügung stehen. Gemäss einer Berechnung der Industrie- und
Handelskammer St. Gallen–Appenzell wurden 5,75 Milliarden Franken in die Ausbildung von Frauen
investiert, die zurzeit nicht erwerbstätig sind. Dieses ungenutzte Potenzial sollte der Staat nur schon
aus ökonomischen Gründen nicht brachliegen lassen. Zur Bewältigung des Fachkräftemangels muss
das Reservoir an inländischen Arbeitskräften zwingend besser ausgeschöpft werden.
Dafür kann ein bedürfnisorientiertes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung unterstützend
wirken. Eine bezahlbare Kinderbetreuung vereinfacht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und
dient der Zielsetzung, die Fachkräftelücke mit inländischen Arbeitnehmenden zu füllen und dafür insbesondere auch gut ausgebildeten Frauen während der Familienphase die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Mit der besseren Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt kann der Mangel an einheimischen Fachkräften abgeschwächt werden. Insgesamt steigert der Kanton Aargau mit einem gut
organisierten Angebot für familienergänzende Kinderbetreuung seine Attraktivität, sowohl als Wohnund Arbeitsort für qualifizierte Arbeitskräfte als auch als Standort für Unternehmungen.
Der volkswirtschaftliche Nutzen lässt sich für den Kanton Aargau zwar nicht exakt beziffern, aufgrund
der Erkenntnisse aus den Studien kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Obengenanntes
auch für den Kanton Aargau zutrifft und sich Investitionen in die familienergänzende Kinderbetreuung
mittel- und langfristig auszahlen werden.
1.4 Frühere Rechtssetzungsprojekte
(Entspricht Kapitel 1.7 der [14.197] Botschaft)
Die familienergänzende Kinderbetreuung für Schulkinder war bereits Thema der Bildungsreform
(Bildungskleeblatt Teil 3). Im Mai 2009 wurde dieser Teil des Bildungskleeblatts vom Stimmvolk verworfen. Unter Berücksichtigung der abgelehnten Bildungsreform hat der Regierungsrat im Oktober
2009 einen Grundsatzentscheid für eine schrittweise Weiterentwicklung der Volksschule einerseits
und Massnahmen zur Stärkung der Familien anderseits gefällt.
3
Volkswirtschaftlicher Nutzen von Kindertageseinrichtungen in der Region Bern, Studie des Büro BASS im Auftrag des Vereins Region Bern
(VRB); 2007; http://www.buerobass.ch/pdf/2007/volkswirtschaftlicher_nutzen_kita_schlussbericht.pdf
• Wirtschaftliche Effekte von Kindertagesstätten – Region Werdenberg-Sarganserland, Studie der HTW Chur – Forschungsstelle für Wirtschaftspolitik; 2009; www.htwchur.ch/uploads/media/kindertagesstaetten.pdf
• Evaluation des Pilotprojekts Betreuungsgutscheine für die familienergänzende Kinderbetreuung in der Stadt Lutzern, Interface Politikstudien;
2012; http://www.stadtluzern.ch/de/dokumente/publikationen/?action=info&pubid=50802
• Betreuungsgutscheine in den Gemeinden Luzern, Emmen und Kriens, Studie der Universität St. Gallen – Schweizerisches Institut für empirische Wirtschaftsforschung; 2014; http://extranet.kriens.ch/dokus/14/BeilageNr1zuBAWirkungsberichtBetreuungsgutschriften2011-2013BerichtProjektBetreuungsgutscheine.pdf
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In der Folge beabsichtigte der Regierungsrat, die familienergänzende Kinderbetreuung durch eine
Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und
Präventionsgesetz, SPG) sowie ein Dekret über die familienergänzende Kinderbetreuung neu zu regeln.
Im Wesentlichen sah der Vorschlag des Regierungsrats Folgendes vor:
• Pflicht der Gemeinden, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender
Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen.
• Bewilligungspflicht für die Leistungserbringer der familienergänzenden Kinderbetreuung.
• Qualitätsstandards für Kindertagesstätten, Tagesstrukturen, Mittagsbetreuungen, Tagesfamilien
und Spielgruppen.
• Festlegung von Normkosten (marktübliche Vollkosten) für jede oben erwähnte Betreuungsform.
• Kostentragung durch die Erziehungsberechtigten, Gemeinden und den Kanton.
• Die Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten erfolgt nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Sie ist höchstens kostendeckend.
• Der Gemeindebeitrag bemisst sich an den Normkosten abzüglich Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten und Dritter.
• Der Kanton übernimmt 20 % des Gemeindebeitrags.
Am 10. Januar 2012 lehnte der Grosse Rat überraschend die Änderung in zweiter Lesung ab. Ausschlaggebend für die Ablehnung war die Annahme eines Antrags, nach welchem die gesetzlichen
Grundlagen für das Dekret über die familienergänzende Kinderbetreuung zu streichen seien. Das
Dekret enthielt in der Hauptsache die Qualitätsvoraussetzungen für die einzelnen Betreuungsformen.
1.5 Parlamentarische Vorstösse
(Entspricht Kapitel 1.8 der [14.197] Botschaft)
Bereits eine Woche nach Ablehnung der SPG-Änderung wurden im Grossen Rat die folgenden fünf
parlamentarischen Vorstösse zur familienergänzenden Kinderbetreuung eingereicht:
1.5.1 (12.12) Motion der CVP-BDP-Fraktion
(12.12) Motion der CVP-BDP-Fraktion vom 17. Januar 2012 betreffend Einführung von bedarfsorientierten Tagesstrukturen:
"Der Regierungsrat wird gebeten, basierend auf der am 10. Januar 2012 abgelehnten Vorlage, eine
überarbeitete Botschaft betreffend Schaffung von bedarfsorientierten Tagesstrukturen vorzulegen.
Dabei sind folgende Rahmenbedingungen zu beachten:
• Die Gemeinden haben den Zugang für schulergänzende und bedarfsorientierte Tagesstrukturen
sicherzustellen.
• Das Angebot ist für die Kinder fakultativ.
• Die Gemeinden regeln die Qualitätsstandards und sind verantwortlich für das Monitoring.
• Die Finanzierung erfolgt durch Elternbeiträge und Beiträge der Gemeinden.
• Die Beiträge der Gemeinden müssen an den Lastenausgleich zwischen Kanton und Gemeinden
angerechnet werden."
Der Grosse Rat hat die in ein Postulat umgewandelte Motion an den Regierungsrat überwiesen.
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1.5.2 (12.13) Motion der FDP-Fraktion
(12.13) Motion der FDP-Fraktion vom 17. Januar 2012 betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen zur bedarfsorientierten Einführung von Tagesstrukturen:
"Der Regierungsrat wird eingeladen, dem Grossen Rat eine neue Vorlage für die Schaffung von
Rahmenbedingungen für bedarfsorientierte Tagesstrukturen vorzulegen, die folgende Anliegen abdecken:
• Die Gemeinden sind verpflichtet, für Kinder bis zum Abschluss der Primarschule den Zugang zu
schulergänzenden Tagesstrukturen sicherzustellen.
• Der Besuch der Angebote ist fakultativ.
• Die Tagesstrukturen werden nach Bedarf eingeführt. Nicht jede Gemeinde muss eine Betreuung
anbieten, aber jedes Kind muss die Möglichkeit haben, innert angemessener Reisezeit eine Tagesbetreuung zu besuchen, wobei die Betreuungskosten durch die entsendenden Gemeinden zu
tragen sind.
• Die Finanzierung der Tagesstrukturen hat kostendeckend auf Stufe Gemeinde zu erfolgen. Die
Gemeinden sind frei, ob sie die Eltern mit Einheitstarifen oder einkommensabhängigen Tarifen
beteiligen wollen. Die Tarife sind höchstens kostendeckend. Für sozial schwache Familien sind
reduzierte Tarife anzubieten.
• Die Finanzierung kann als Subjektfinanzierung oder über ein System auf der Basis von Betreuungsgutschriften erfolgen.
• Die Betreuungskosten der Gemeinden sind im Finanzausgleich zwischen Kanton und Gemeinden
auszugleichen."
Der Grosse Rat hat die in ein Postulat umgewandelte Motion an den Regierungsrat überwiesen.
1.5.3 (12.14) Motion der SP-Fraktion
(12.14) Motion der SP-Fraktion vom 17. Januar 2012 betreffend gesetzliche Grundlagen zur Sicherstellung eines bedarfsgerechten familienergänzenden Kinderbetreuungsangebots in der Verantwortung der Gemeinden:
"Der Regierungsrat wird beauftragt, schnellstmöglich die gesetzlichen Grundlagen zur Sicherstellung
eines bedarfsgerechten familienergänzenden Kinderbetreuungsangebots in der Verantwortung der
Gemeinden vorzulegen.
Dabei sind die Kostenbeteiligung des Kantons sowie infrastrukturelle und personelle MindestQualitätsstandards festzuschreiben.
Die Detailbestimmungen auf Dekrets- und Verordnungsebene sollen zusammen mit dem Gesetzesentwurf vorgelegt werden."
Der Grosse Rat hat die in ein Postulat umgewandelte Motion an den Regierungsrat überwiesen.
1.5.4 (12.15) Motion Ruth Jo Scheier (Sprecherin)
(12.15) Motion Ruth Jo. Scheier, GLP, Wettingen (Sprecherin); Titus Meier, FDP, Brugg; Gertrud
Häseli, Grüne, Wittnau; Esther Gebhard-Schöni, EVP, Möriken-Wildegg; Samuel Schmid, SLB, Biberstein, vom 17. Januar 2012 betreffend Revision für die familienergänzende Kinderbetreuung:
"Der Regierungsrat wird gebeten, unverzüglich einen Neustart der Revision betreffend die familienergänzende Kinderbetreuung anzugehen. Als Basis für die Subventionierung soll das Betreuungsgutschein-Modell dienen."
Der Grosse Rat hat die in ein Postulat umgewandelte Motion an den Regierungsrat überwiesen.
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1.5.5 (12.22) Postulat Samuel Schmid (Sprecher)
(12.22) Postulat Samuel Schmid (Sprecher), SLB, Biberstein; Ruth Jo Scheier, GLP, Wettingen; Esther Gebhard-Schöni, EVP, Möriken-Wildegg; Martin Köchli, Grüne, Boswil; René Kunz, SD, Reinach,
vom 17. Januar 2012 betreffend familienergänzende Kinderbetreuung und Betreuungsgutscheine:
"Der Regierungsrat wird gebeten, einen Vorschlag für die familienergänzende Kinderbetreuung auf
der Basis von Betreuungsgutscheinen vorzulegen. Er wird eingeladen zu prüfen und Vorschläge zu
unterbreiten, ob und wie Betreuungsgutscheine unabhängig von der Betreuungsform (familienextern/familienintern) zur Anwendung kommen können mit dem Ziel der Gleichbehandlung und freien
Kombinierbarkeit von familienergänzender und familieninterner Kinderbetreuung."
Der Grosse Rat hat das Postulat abgelehnt.
2. Volksinitiative
(Entspricht Kapitel 2 der [14.197] Botschaft)
Nachdem der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) die im Jahr 2004 eingereichte und
bislang sistierte Initiative "Schule und Familie" zurückgezogen hat, reichte er am 9. April 2013 eine
neue Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen bei der Staatskanzlei ein. Die Initiative beinhaltet das folgende, ausformulierte Gesetz:
"Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz)
Gestützt auf § 38 der Kantonsverfassung
§ 1 Zweck
1
Das Gesetz legt den Rahmen für die Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung
fest.
2
Die familienergänzende Kinderbetreuung bezweckt die:
a) Entwicklung und Integration der Kinder zu fördern sowie die Chancengerechtigkeit für die
Kinder zu verbessern;
b) Vereinbarkeit von Familie und Arbeit oder Ausbildung zu erleichtern.
§ 2 Angebot der Gemeinden
1
Die Gemeinden sorgen für ein bedarfsgerechtes Angebot an familienergänzender Betreuung
von Kindern bis Ende Schulpflicht.
Sie bieten das Angebot der familienergänzenden Betreuungsstrukturen selber an oder stellen
sicher, dass die Aufgabe mittels Leistungsvereinbarungen an Dritte übertragen oder das Angebot in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden bereitgestellt wird.
2
Das Angebot umfasst folgende Betreuungsformen:
a) Kindertagesstätten oder Tagesfamilien für Kinder bis zum Eintritt in den Kindergarten;
b) Tagesstrukturen für Schulkinder bis Ende Primarschulstufe;
c) Mittagstisch für die Jugendlichen der Oberstufe.
3
Die Betreuungsformen gemäss Absatz 2 lit. a und b, werden in der Regel ganzjährig von
Montag bis Freitag von 7 Uhr bis 18 Uhr angeboten.
4
Der Regierungsrat definiert die Betreuungsformen und regelt die Einzelheiten zur Erhebung
des Bedarfs. Er berücksichtigt dabei die Zwecke in § 1 angemessen.
5
Die Benützung der Betreuungsangebote ist freiwillig.
§ 3 Kantonale Aufgaben
1
Das zuständige Departement
a) nimmt die Oberaufsicht über die familienergänzende Kinderbetreuung wahr;
b) berät und unterstützt die Gemeinden;
12 von 42
c) stellt den Gemeinden für jede Betreuungsform ein Musterreglement über die finanzielle Beteiligung der Erziehungsberechtigten zur Verfügung;
d) definiert die Begriffe der Betreuungsformen.
2
Der Regierungsrat legt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgestaltung der Angebote die Anforderungen fest für:
a) die Ausbildung des Personals;
b) die Infrastruktur der Betreuungsangebote;
c) die Qualitätssicherung, insbesondere die pädagogischen Anforderungen.
§ 4 Aufsicht und Bewilligung
1
Leistungserbringer, die familienergänzende Kinderbetreuung gemäss § 2 anbieten, benötigen eine Bewilligung der Standortgemeinde.
2
Die Bewilligung wird erteilt, sofern die Anforderungen gemäss § 3 Absatz 2 erfüllt sind.
3
Die Aufsicht obliegt der Standortgemeinde.
§ 5 Allgemeine Grundsätze der Finanzierung
1
Die Erziehungsberechtigten haben Anspruch auf Beiträge der öffentlichen Hand, wenn sie
ein Angebot im Kanton Aargau nutzen, das die Betriebsbewilligung gemäss § 4 erhalten hat.
2
Die Finanzierung erfolgt durch:
a) Beiträge der Erziehungsberechtigten;
b) Beiträge der öffentlichen Hand; je zur Hälfte von Kanton und Wohnsitzgemeinde der Erziehungsberechtigten.
3
Die Auszahlung der Beiträge der öffentlichen Hand erfolgt in Form der Subjektfinanzierung
durch die Gemeinde. Sie kann direkt an die Erziehungsberechtigten oder an die betreuende
Institution erfolgen.
4
Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten.
§ 6 Beiträge der Erziehungsberechtigten
1
Die Wohnsitzgemeinde legt die Beiträge der Erziehungsberechtigten fest.
2
Bei der Festlegung der Beiträge ist auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten und deren Konkubinatspartner sowie auf die Anzahl der zu betreuenden Kinder
einer Familie Rücksicht zu nehmen.
3
Die Beiträge der Erziehungsberechtigten sind höchstens kostendeckend und so angesetzt,
dass sich auch Erziehungsberechtigte mit tiefem Einkommen, die Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung leisten können.
§ 7 Beiträge der öffentlichen Hand
1
Bei den Angeboten gemäss § 2 Abs. 2 legt die Wohnsitzgemeinde der Erziehungsberechtigten den Beitrag der öffentlichen Hand mittels Normkosten abzüglich des Elternbeitrags, der sich aus Sockel- und abgestuftem Leistungsbeitrag zusammensetzt, fest. Die
Wohnsitzgemeinde kann auf eigene Kosten über die Normkosten hinausgehende Beiträge
leisten.
2
Bei den Angeboten gemäss § 2 Abs. 2 lit. a kann die Wohnsitzgemeinde den Beitrag der öffentlichen Hand den Erziehungsberechtigten in Form von Betreuungsgutscheinen zustellen.
3
Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten. Insbesondere legt er für jede Betreuungsform die
Normkosten und die Rahmenbedingungen für die Tarifmodelle fest. Der Regierungsrat nimmt
periodisch eine Evaluation vor.
§ 8 Übergangsbestimmungen
1
Das Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung ist spätestens zwei Jahre nach
Annahme durch das Volk in Kraft zu setzen.
2
Der Regierungsrat erlässt Koordinationsbestimmungen mit der Zielsetzung, dass bisher vom
Kanton unterstützte Einrichtungen keinen Nachteil erleiden."
13 von 42
2.1 Rechtsgrundlagen
Gemäss § 64 der Verfassung des Kantons Aargau (Kantonsverfassung) vom 25. Juni 1980 können
3'000 Stimmberechtigte das Begehren auf Totalrevision der Verfassung oder auf Ergänzung, Änderung und Aufhebung einzelner Verfassungsbestimmungen oder eines Gesetzes stellen.
Volksinitiativbegehren werden als allgemeine Anregung oder, sofern sie nicht die Totalrevision der
Verfassung verlangen, als ausgearbeitete Vorlage eingereicht. Der Grosse Rat hat gestützt auf § 65
Abs. 1 der Kantonsverfassung bei der Behandlung eines Volksinitiativbegehrens vorweg zu prüfen,
ob dasselbe den Formvorschriften nachkommt, dem Bundesrecht nicht widerspricht und, soweit es
sich auf Gesetzesrecht bezieht, mit dem kantonalen Verfassungsrecht im Einklang steht. Genügt es
einem Erfordernis nicht, ist es als ungültig zu erklären. Gemäss § 57 des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) vom 10. März 1992 muss das Initiativbegehren zudem den Erfordernissen der
Einheit der Form und der Materie genügen.
Nach den §§ 65 Abs. 3 Kantonsverfassung und 59 Abs. 1 GPR kann der Grosse Rat einem Volksinitiativbegehren einen ausgearbeiteten Gegenvorschlag oder einen Gegenvorschlag in Form der allgemeinen Anregung gegenüberstellen (Kommentar EICHENBERGER, N 17 ZU § 65). In diesem Fall
haben die Stimmberechtigten gleichzeitig in einer Hauptabstimmung über die Initiative und in einer
Eventualabstimmung über den Gegenvorschlag zu entscheiden.
2.2 Formelle Prüfung
Nach Vorprüfung des Titels und der formellen Erfordernisse an ein Initiativbegehren gemäss § 51
GPR durch die Staatskanzlei erfolgte die Publikation des Initiativtexts in der Amtsblattausgabe Nr. 15
vom 13. April 2012. Mit der Einreichung der Unterschriftenlisten bei der Staatskanzlei am 9. April
2013 ist die Frist gemäss § 54 Abs. 1 GPR eingehalten.
Die Volksinitiative genügt den Formvorschriften gemäss § 50 Abs. 2 GPR. Die Unterschriftenliste ist
mit einem Titel und einer Begründung versehen, enthält das Datum der Veröffentlichung (13. April
2012), weist eine vorbehaltlose Rückzugsklausel auf, führt die Namen und Adressen von fünf Personen des Initiativkomitees an und enthält auch den Hinweis auf die Strafbestimmungen der Art. 281
und 282 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB) in rechtsgenüglicher Fassung. Unter Berücksichtigung der bereits bei der Kontrolle in den Gemeinden als ungültig abgestrichenen Unterschriften ist die vorliegende Initiative mit 3'289 gültigen Unterschriften von im Kanton Aargau stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürgern eingereicht worden.
Mit Beschluss vom 17. April 2013 hat der Regierungsrat im Hinblick auf die Prüfung durch den Grossen Rat gemäss § 65 Abs. 1 Kantonsverfassung festgestellt, dass die Aargauische Volksinitiative
"Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen den Formvorschriften entspricht
und daher in formeller Hinsicht als zustande gekommen zu erklären ist (RRB Nr. 2013-0029).
Die Volksinitiative sieht ein neues "Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung" vor. Das
Volksinitiativbegehren ist demzufolge vollständig in der Form der ausgearbeiteten Vorlage gemäss
§ 64 Abs. 2 der Kantonsverfassung eingereicht worden, das heisst das Erfordernis der Einheit der
Form ist eingehalten. Ebenso bezieht sich das Volksinitiativbegehren auf einen einheitlichen Regelungsgegenstand. Das Gebot der Einheit der Materie gemäss § 64 Abs. 2 Kantonverfassung bleibt
somit ebenfalls gewahrt (vgl. BGE 129 I 370 ff., 113 Ia 52 f. Erwägung 4a, mit weiteren Hinweisen).
2.3 Materielle Prüfung
Die vorliegende Volksinitiative entspricht in formeller Hinsicht den einschlägigen Bestimmungen des
kantonalen Rechts. Im Weiteren steht sie auch materiell im Einklang mit dem kantonalen Verfassungsrecht sowie dem Bundesrecht. Gemäss Art. 41 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April
1999 haben sich Bund und Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür einzusetzen, dass Familien als Gemeinschaften von Erwachsenen und Kindern geschützt
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und gefördert werden (lit. c), dass Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter
sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können (lit. f) sowie, dass Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbstständigen und sozial verantwortungsvollen Personen gefördert und in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden (lit. g). Bund und
Kantone streben diese Sozialziele im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer
verfügbaren Mittel an (Art. 41 Abs. 3 Bundesverfassung). Es handelt sich somit um Parallelkompetenzen des Bundes und der Kantone. Solche Parallelkompetenzen liegen vor, wenn auf einem bestimmten Sachgebiet Bund und Kantone gleichzeitig und unabhängig voneinander tätig sein können
(ULRICH HÄFELIN/W ALTER HALLER/HELEN KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Auflage,
2012, N 1110 ff.).
Die Sozialziele von Art. 41 der Bundesverfassung begründen keine klagbaren Rechte des Individuums, sondern richten sich an politische Instanzen und weisen diese zum Tätigwerden in sozial wichtigen Bereichen an (ULRICH HÄFELIN/W ALTER HALLER/HELEN KELLER, N 910 f.). In Umsetzung der in
Art. 41 der Bundesverfassung formulierten Sozialziele erging auf Bundesebene das Bundesgesetz
über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz, FamZG) vom 24. März 2006 (SR 836.2). § 38 der
Kantonsverfassung bildet sodann die verfassungsmässige Grundlage für den Familienschutz auf
kantonaler Ebene. Dabei wird der Kanton beauftragt, Vorkehren zur Erhaltung und Stärkung der
bis
Familie zu treffen. § 38 Abs. 2 der Kantonsverfassung bestimmt sodann, dass der Kanton und die
Gemeinden bezüglich der Anliegen und Bedürfnisse der Jugend die Schaffung entsprechender Infrastrukturen unterstützen können. Wie und auf welcher Erlassstufe der Kanton die Massnahmen veranlassen soll, darüber schweigen sich die §§ 38 und 38bis Abs. 2 der Kantonsverfassung aus.
Mit dem vorliegenden Volksbegehren bezwecken die Initiantinnen und Initianten, die familienergänzenden Betreuungsstrukturen gesetzlich zu regeln. Das Initiativbegehren ist als ausgearbeiteter Entwurf abgefasst. Der Entwurf regelt das Angebot, welches die Gemeinden bereit zu stellen haben, die
kantonalen Aufgaben, Grundsätze der Finanzierung und die Aufsicht und Bewilligung für Leistungserbringer. Dabei sollen die Gemeinden für ein bedarfsgerechtes Angebot familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Ende der Schulpflicht sorgen.
Der ausgearbeitete Entwurf steht weder mit dem Bundesrecht noch mit der Kantonsverfassung im
Widerspruch.
2.4 Sachliche und politische Wertung
2.4.1 Argumentation der Initiative
Das Initiativkomitee begründet die Initiative wie folgt:
"Betreuungsstrukturen fördern die Entwicklung der Kinder und erhöhen ihre Chance auf eine erfolgreiche Schulzeit. Betreuungsstrukturen sind Investitionen in die Zukunft. Betreuungsstrukturen zahlen sich aus.
Das Wohl der Kinder steht im Zentrum. Sie haben ein Recht auf möglichst gute Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung und Integration. Gute familienergänzende Betreuung ist eine wirkungsvolle
und letztlich günstige Möglichkeit, die Erziehungsberechtigten in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Viele Frauen und Männer möchten oder müssen nach der Geburt ihrer Kinder weiterhin ihrer Erwerbsarbeit nachgehen. Sie sind auf gute Betreuungsstrukturen für ihre Kinder angewiesen.
Der Kanton Aargau als viertgrösster Kanton und wichtiger Wirtschaftsstandort kann, gerade auch in
Zeiten des Fachkräftemangels, nicht auf die Frauen und Männer mit Familienverpflichtungen verzichten.
Alle Berechnungen zeigen: Betreuungsstrukturen zahlen sich aus. Sie verringern die Sozialkosten
und erhöhen die Steuererträge.
15 von 42
Betreuungsstrukturen sind das ideale Gefäss, um allen Kindern eine erfolgreiche Laufbahn in der
Schule zu ermöglichen, besonders auch Kindern von Erziehungsberechtigten mit tiefem Einkommen
und wenig Bezug zur Bildung.
Die Kinder werden beim Erlernen der Landesprache vor dem Eintritt in den Kindergarten unterstützt.
Erziehungsberechtigte mit tiefem Einkommen können ihre Kinder nur in die Betreuungsstrukturen
schicken, wenn diese für sie erschwinglich sind. Gerade diese Kinder sind in besonderem Masse auf
die Förderung in den Betreuungsstrukturen angewiesen. Erziehungsberechtigte mit hohem Einkommen sollen nicht ungebührend zur Kasse gebeten werden.
Die Erfahrungen zeigen, dass sich Familien mit sehr tiefen Einkommen einen Betrag von Franken 8.– für eine Betreuungseinheit gerade noch leisten können. Für eine eintägige Betreuung mit
Mittagessen in einer Kindertagesstätte hätten die Eltern mindestens Franken 16.– zu bezahlen.
Viele Kantone verfügen über ein gesetzlich garantiertes Angebot an familienergänzenden Betreuungsstrukturen.
Diese dienen der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit und fördern die Entwicklung und Integration
der Kinder. Auch im Kanton Aargau sollen dafür nun endlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen
geschaffen werden."
2.4.2 Sachliche und rechtliche Beurteilung
Die Initiantinnen und Initianten der Volksinitiative beabsichtigen eine umfassende Regelung der familienergänzenden Kinderbetreuung mit relativ hoher Regelungsdichte. Der Gesetzesentwurf lehnt sich
inhaltlich stark an die schliesslich abgelehnte SPG-Änderung an und geht zum Teil klar darüber hinaus. Im Vergleich zur SPG-Änderung ist der Handlungsspielraum der Gemeinden geringer ausgestaltet.
Im Folgenden wird themenspezifisch das Wesentliche kurz zusammengefasst und sachlich wie auch
rechtlich sowie in Bezug auf die Vollziehbarkeit beurteilt:
Angebot der Gemeinden
Der Entwurf verpflichtet die Gemeinden für ein bedarfsgerechtes Angebot an familienergänzender
Betreuung von Kindern bis Ende der Schulpflicht zu sorgen und legt sowohl die Betreuungsformen
(Kindertagesstätten oder Tagesfamilien für Vorschulkinder, Tagesstrukturen für Primarschulkinder,
Mittagstische für Jugendliche der Oberstufe) als auch die Öffnungszeiten (ganzjährig von Montag bis
Freitag von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr, ausgenommen Mittagstische) fest (§ 2 Abs. 1–3 Initiativ-Entwurf). Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten zur Erhebung des Bedarfs. Dabei hat er die Zwecke
gemäss § 1 des Entwurfs angemessen zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 Initiativ-Entwurf).
Die Regelung lässt den Gemeinden kaum Spielraum für Lösungen, die auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt sind. Schulkinder können nicht durch Tagesfamilien betreut werden, obwohl diese
Form bei geringem Bedarf die kostengünstigste ist. In Kindertagesstätten und Tagesstrukturen werden die Kinder in Gruppen betreut, wobei eine Gruppe in der Regel 10–12 Plätze umfasst. Damit ein
kostendeckender Betrieb möglich ist, müssen bei Kindertagesstätten rund 90 %, bei Tagesstrukturen
rund 70 % der Plätze belegt sein. Eine Regelung, wie in der Volksinitiative vorgesehen, birgt die Gefahr, dass ein Angebot aufgebaut werden muss, das die effektive Nachfrage übersteigt. Dies kann im
Zusammenhang mit einer Subjektfinanzierung (vgl. § 5 Abs. 3 Initiativ-Entwurf) dazu führen, dass
sich die Zahl der privaten Leistungserbringer reduziert.
Der Regierungsrat beurteilt die Regelung grundsätzlich als vollziehbar, jedoch aus den genannten
Gründen als kostenintensiv und lehnt sie ab. Der Vorschlag geht weiter als die in der schliesslich
abgelehnten SPG-Änderung vorgesehene Normierung.
16 von 42
Aufsicht und Bewilligung
Der Entwurf sieht vor, dass die Leistungserbringer sämtlicher Betreuungsformen einer Bewilligungspflicht unterstehen (§ 4 Abs. 1 Initiativ-Entwurf). Die Standortgemeinde erteilt die Bewilligung, sofern
die vom Regierungsrat festzulegenden Voraussetzungen erfüllt sind in Bezug auf die Ausbildung des
Personals, die Infrastruktur der Betreuungsangebote und die Qualitätssicherung (§ 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Initiativ-Entwurf). Die Aufsicht obliegt der Standortgemeinde, die Oberaufsicht
dem zuständigen Departement (§§ 4 Abs. 3 und 3 Abs. 1 lit. a Initiativ-Entwurf).
Wer eine Kindertagesstätte oder eine Tagesstruktur betreibt, benötigt bereits heute gestützt auf geltendem Bundesrecht eine Bewilligung. Der Vorschlag erweitert dieses Erfordernis auf Tagesfamilien
und Mittagstische. Die vorgeschlagene Regelung führt einerseits zu einer einheitlicheren Qualität der
Betreuungsleistungen und stellt das Wohl des Kindes ins Zentrum. Andererseits wird der Vollzugsaufwand erhöht. Der Vorschlag entspricht der im Rahmen der SPG-Änderung vorgesehenen Regelung.
Finanzierung
Das Finanzierungsmodell entspricht annäherungsweise dem Vorschlag der SPG-Änderung. Der
Subventionierung liegt ein Normkostenmodell zugrunde (§ 7 Abs. 1 Initiativ-Entwurf; vgl. Ziffer 4.8.1).
Die Finanzierung soll durch die Erziehungsberechtigten, die Gemeinden und den Kanton erfolgen
(§ 5 Abs. 2 Initiativ-Entwurf). Die Erziehungsberechtigten haben im Grundsatz einen Anspruch auf
Beiträge der öffentlichen Hand, wenn sie ein Angebot im Kanton Aargau nutzen und die Leistungserbringer über eine Betriebsbewilligung verfügen (§ 5 Abs. 1 Initiativ-Entwurf).Sie sind nach Massgabe
ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit an den Kosten zu beteiligen (§ 6 Abs. 2 und 3 Initiativ-Entwurf).
Die Wohnsitzgemeinde legt die Beteiligung fest, die höchstens kostendeckend sein darf (§ 6 Abs. 1
und 3 Initiativ-Entwurf). Die Restkosten sind je zur Hälfte von der Wohnsitzgemeinde und dem Kanton zu tragen (§ 5 Abs. 2 lit. b Initiativ-Entwurf). Eine wesentliche Differenz zur SPG-Änderung besteht im Umfang der Kantonsbeteiligung. Der Regierungsrat beabsichtigte dannzumal eine Kostenbeteiligung von 20 %. Er erachtet eine weitergehende Kostenbeteiligung nach wie vor als nicht gerechtfertigt. Die fiskalische Äquivalenz (wer zahlt, befiehlt) wäre damit in einem Ungleichgewicht.
§ 5 Abs. 3 des Initiativ-Entwurfs sieht vor, dass die Beiträge der öffentlichen Hand direkt an die Erziehungsberechtigten oder an die Leistungserbringer ausbezahlt werden. Betreuungsgutscheine
können jedoch nur bei der Betreuung von Vorschulkindern angewendet werden (§ 7 Abs. 2 InitiativEntwurf). In der Tat sind Betreuungsgutscheine nur dann sinnvoll, wenn die Erziehungsberechtigten
unter verschiedenen Leistungserbringern auswählen können. Die Initiantinnen und Initianten gehen
davon aus, dass dies bei der Betreuung der Schulkinder in der Regel nicht der Fall sein wird. Die
Regelung wird aber dazu führen, dass Gemeinden mit verschiedenen Angeboten im Vorschulbereich, die Betreuungsgutscheine einführen wollen beziehungsweise dies bereits getan haben, gezwungen werden, verschiedene Subventionierungsarten anzuwenden, was insgesamt den Vollzugsaufwand erhöhen wird. Der Regierungsrat beurteilt diesen Vorschlag zwar als vollziehbar, lehnt ihn
aus oben genannten Gründen ab.
Der Entwurf ist nicht in allen Teilen eindeutig und beinhaltet gewisse Widersprüche. § 5 Abs. 3 des
Initiativ-Entwurfs ist zu entnehmen, dass die Auszahlung der Beiträge der öffentlichen Hand durch
die Gemeinde in Form der Subjektfinanzierung erfolge. Die Initiantinnen und Initianten bringen den
Begriff der Subjektfinanzierung mit dieser Formulierung in Zusammenhang mit dem Auszahlen der
Beiträge. Im Verständnis des Regierungsrats wird mit diesem Begriff zum Ausdruck gebracht, dass
die Beiträge in Abhängigkeit zu den bestehenden Betreuungsverhältnissen stehen, das heisst leistungsabhängig sind. Dies im Unterschied zu einer Objektfinanzierung, die oftmals als Defizitdeckung
ausgestaltet ist. Die Subjektfinanzierung umschreibt somit die Beitragsbemessung und nicht die
Auszahlungsmodalitäten. Da sich die Initiative stark an der SPG-Änderung orientiert und die Subjektfinanzierung bereits in der entsprechenden (11.150) Botschaft zur 1. Beratung definiert wurde,
17 von 42
geht der Regierungsrat davon aus, dass die Initiantinnen und Initianten den Begriff im oben beschriebenen Sinne verwendet haben.
In § 5 Abs. 4 des Initiativ-Entwurfs wird der Regierungsrat beauftragt, die Einzelheiten bezüglich der
Finanzierung der familienergänzenden Betreuung zu regeln. Darunter fällt vor allem die Ausgestaltung der Kostenbeteiligung des Kantons. Die Höhe der Kostenbeteiligung ist im Initiativ-Entwurf normiert (§ 5 Abs. 2 lit. b Initiativ-Entwurf). § 7 Abs. 3 beauftragt den Regierungsrat ausserdem, für jede
Betreuungsform Normkosten und Rahmenbedingungen für die Tarifmodelle festzulegen. Unter
Normkosten werden in der Regel die zu erwartenden Vollkosten verstanden. Was unter "Rahmenbedingungen für die Tarifmodelle" zu subsumieren ist, ist nicht eindeutig. Der Regierungsrat geht davon
aus, dass die Festlegung des Sockelbeitrags in seiner Kompetenz liegen wird.
Kantonale Aufgaben
Gemäss § 3 Abs. 1 des Initiativ-Entwurfs berät und unterstützt das zuständige Departement die Gemeinden und stellt für jede Betreuungsform ein Muster-Elternbeitragsreglement zur Verfügung. Weiter soll das zuständige Departement die Oberaufsicht wahrnehmen. Dem Regierungsrat obliegt es,
Qualitätsstandards zu erlassen (§ 3 Abs. 2 Initiativ-Entwurf). Der Regierungsrat beurteilt die Norm als
vollziehbar.
2.4.3 Anpassung geltendes Recht
Wie bereits in Ziffer 1.5.3 ausgeführt ist die familienergänzende Kinderbetreuung bereits im SPG, in
der SPV wie auch im Schulgesetz geregelt.
Gemäss § 39 SPG können die Gemeinden, soweit möglich in Zusammenarbeit mit Privaten und anderen Gemeinden, für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung sorgen. Die Gemeinden regeln die Kostenbeteiligung der Benützenden unter
Berücksichtigung sozialer Aspekte. § 51 Abs. 2 SPG sieht eine Mitfinanzierung des Kantons vor. Die
Vorschriften im Schulgesetz betreffen die Tagesschulen. § 7 Abs. 4 sieht vor, dass die Schulträger
über die Einführung von Blockzeiten und von Tagesschulen entscheiden können. Wegen der durch
die Tagesschulen verursachten Mehrkosten können die Schulträger von den Inhabern der elterlichen
Sorge Beiträge verlangen, die höchstens kostendeckend sein dürfen (§ 68a Schulgesetz). Wird die
Initiative vom Volk angenommen, sind diese Bestimmungen obsolet. (Vgl. dazu die Erläuterungen
zur Fremdänderung des Schulgesetzes).
2.4.4 Politische Beurteilung des Regierungsrats
Der Regierungsrat lehnt die erwähnte Volksinitiative mit Verweis auf die Ablehnung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Rahmen der Änderung des SPG nach 2. Beratung im Grossen Rat
am 10. Januar 2012 sowie aufgrund der beschriebenen rechtlichen und inhaltlichen Inkonsistenzen
ab. Damals wurden insbesondere Umfang und Tiefe der vorgeschlagenen Detailregelungen in Zweifel gezogen. Diese Kritik führte letztlich zur Ablehnung der Vorlage. Vor diesem Hintergrund erachtet
es der Regierungsrat nicht als zielführend, einen ausformulierten Gesetzesvorschlag zu empfehlen,
der in wesentlichen Teilen neuerlich Detailregelungen vorschlägt, die offensichtlich nicht mehrheitsfähig sind.
Gleichzeitig verweist der Regierungsrat auf die verschiedenen parlamentarischen Vorstösse, die im
Gefolge der Ablehnung des SPG eingereicht wurden und den Regierungsrat aufforderten, dem
Grossen Rat eine neue Vorlage zu unterbreiten. Diese wurden in der Postulatsform an den Regierungsrat überwiesen.
Der Regierungsrat trägt mit der Ablehnung der Volksinitiative sowie mit der Vorlage eines direkten
Gegenvorschlags sowohl der Ablehnung der SPG-Änderung als auch den Anliegen der Postulanten
Rechnung. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, dass im Kanton Aargau eine Regelung
der familienergänzenden Kinderbetreuung erfolgen kann, welche die Grundzüge derselben in einem
separaten Erlass fasst und den finanzierenden Gemeinden bei der Umsetzung auf der Grundlage
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von soliden Empfehlungen den notwendigen Spielraum lässt. Auf diese Weise kann sichergestellt
werden, dass die dynamische Entwicklung der Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung
zum Einen in einem sicheren gesetzlichen Rahmen, zum Andern mit Rücksicht auf unterschiedliche
regionale und kommunale Bedürfnisse stattfinden kann.
3. Handlungsbedarf
(Im Vergleich zur [14.197] Botschaft überarbeitetes Kapitel)
3.1 Bedarf an Betreuungsangeboten
Die familienergänzende Kinderbetreuung entwickelt sich dynamisch. In den letzten Jahren entstanden im Kanton Aargau viele neue Betreuungsplätze, hauptsächlich in den Städten und ihren Agglomerationen. Dieser Zuwachs betrifft in erster Linie Kindertagesstätten und Tagesstrukturen. Das
Platzangebot bei den Mittagstischen entwickelt sich leicht rückläufig. Allein der Bund hat in den letzten Jahren (2003–2014) gesamtschweizerisch rund 273 Millionen Franken in die Errichtung von neuen Kinderbetreuungsplätzen investiert. Seit dem Start des Impulsprogramms im Jahr 2003 bis Ende
2014 wurden von 162 Trägerschaften aus dem Kanton Aargau Gesuche um Finanzhilfen des Bundes bewilligt. Damit konnten beziehungsweise können insgesamt 1'626 neue Plätze in Kindertagesstätten und 1'042 Plätze im Bereich schulergänzende Betreuung geschaffen werden. 4
Dieser Ausbau ist einerseits darauf zurückzuführen, dass mit der Bevölkerungszunahme, der zunehmenden beruflichen Qualifikation und Erwerbstätigkeit der Mütter, aber auch der steigenden gesellschaftlichen Akzeptanz der familienergänzenden Betreuung der Bedarf kontinuierlich steigt. Auch
die verstärkte Zuwanderung von gut ausgebildeten Eltern, die im Kanton Aargau Wohnsitz nehmen,
bewirkt eine Bedarfssteigerung, die auch weiterhin anhalten wird. Diese Beurteilung teilt auch der
Bund, weshalb das Parlament das Impulsprogramm bis Januar 2019 verlängert und einen neuen
Verpflichtungskredit von 120 Millionen Franken bewilligt hat. Dass der Bedarf an Betreuungsplätzen
im Kanton Aargau noch nicht gedeckt ist, zeigen auch die aktuell vorhandenen Wartefristen. Im März
2015 führte das Departement Gesundheit und Soziales bei den Kinderbetreuungsinstitutionen (Kindertagesstätten und Tagesstrukturen) eine Umfrage zu den Wartefristen durch, an der sich 70 Institutionen aus dem ganzen Kanton Aargau beteiligten. Die Auswertung der Umfrage zeigt, dass von
den teilnehmenden Institutionen jede zweite eine Warteliste führt. Zu klein ist insbesondere das Angebot an Betreuungsplätzen für Säuglinge bis 18 Monate. Hier beträgt die Wartefrist bei 18,6 % der
Krippen bis sechs Monate, bei 17 % 6–12 Monate und in einigen Fällen mehr als ein Jahr. Bei 14 %
der Krippen variieren die Wartezeiten stark.
Für Kinder über 18 Monate können 17 % der Krippen innerhalb von sechs Monaten einen Platz anbieten, 13 % der Betreuungsinstitutionen haben eine Wartefrist von 6–12 Monaten. 13 % der Betreuungsinstitutionen gaben an, die Zeitspanne, bis ein Platz verfügbar werde, sei sehr unterschiedlich
und nicht festlegbar. Einen grossen Einfluss auf die Wartefristen hat jeweils der für die Betreuung
gewünschte Wochentag, denn nicht alle Wochentage sind gleichermassen begehrt bei den Eltern.
41 von den 70 Kinderbetreuungsinstitutionen, die an der Umfrage teilgenommen haben, werden von
einer oder mehreren Gemeinden subventioniert. Zwölf Institutionen geben an, von Privaten finanzielle Unterstützung zu erhalten. Rund 60 % der subventionierten Kinderbetreuungsinstitutionen verfügen über Wartefristen. Bei den nicht subventionierten sind es rund 35 %. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Plätze in subventionierten Betreuungsinstitutionen für die Eltern eher erschwinglich und
daher begehrter sind. Weiter fällt auf, dass insbesondere subventionierte Kindertagesstätten in Städten und grossen Gemeinden lange Wartefristen aufweisen. Eine Ursache dafür ist, dass die Eltern
4
Gemäss Reporting Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung, Bilanz nach zwölf
Jahren (Stand am 1. Februar 2015)
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aufgrund des fehlenden oder noch wenig ausgebauten Angebots in den kleineren Gemeinden in die
grösseren Zentren ausweichen. Die Eltern führen einen aufwendigen Suchprozess durch und melden sich bei mehreren Betreuungsinstitutionen an. Dabei wird oft eine schnelle Lösung einer optimalen vorgezogen.
Die folgende Darstellung verschafft einen Überblick über das vorhandene Angebot an Kindertagesstätten/Tagesstrukturen und Mittagstischen im Kanton Aargau. Ob das vorhandene Betreuungsangebot den vorhandenen Bedarf deckt, kann der Abbildung nicht entnommen werden.
Abbildung 1: Aargauer Gemeinden mit einem Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung
Gemeinden mit Kindertagesstätten und/oder Tagesstrukturen
Gemeinden mit Mittagstisch
Quelle: Datenbank www.kinderbetreuung-aargau.ch (Stand 16. März 2015)
3.2 Revisionsbedarf des geltenden Rechts
Auf kantonaler Ebene ist die familienergänzende Kinderbetreuung vorwiegend im SPG und der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung (SPV) geregelt. Gemäss § 39 SPG können die Gemeinden, soweit möglich in Zusammenarbeit mit Privaten und anderen Gemeinden, für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung sorgen. Die Gemeinden
regeln die Kostenbeteiligung der Benützenden unter Berücksichtigung sozialer Aspekte. § 51 Abs. 2
SPG sieht eine Mitfinanzierung des Kantons vor. Diese ist als reine Defizitdeckung ausgestaltet. Sie
setzt voraus, dass die Institutionen im Auftrag einer Gemeinde tätig sind und sich die mit den Gemeinden abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen an schweizerische oder kantonale Qualitätsstandards ausrichten (§ 35 Abs. 1 SPV).
Die geltenden Regelungen sind insbesondere in Bezug auf den Kantonsbeitrag nicht mehr zeitgemäss. Viele Gemeinden sind in den letzten Jahren im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung aktiv geworden und haben eine Subjektfinanzierung eingeführt. Die Bestimmungen im SPG
20 von 42
und in der SPV sind demgegenüber auf eine Objektfinanzierung ausgerichtet und im Vollzug nur
unbefriedigend auf die aktuellen Verhältnisse anwendbar.
3.3 Parlamentarische Vorstösse
Der Gegenvorschlag entstand vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung und der schliesslich
abgelehnten SPG-Änderung. Für die Erarbeitung eines Gegenvorschlags ausschlaggebend waren
die nach der Ablehnung des SPG überwiesenen parlamentarischen Vorstösse, die den Regierungsrat aufforderten, dem Grossen Rat eine neue Vorlage zu unterbreiten. Der mit (14.197) Botschaft
unterbreitete Gegenvorschlag setzte denn auch weitgehend diese Vorstösse um. Mit Eintreten auf
die Botschaft bestätigte der Grosse Rat den Handlungsbedarf im Bereich der familienergänzenden
Kinderbetreuung.
4. Umsetzung des Rückweisungsbeschluss
Der Grosse Rat hat im November 2014 auf Antrag der SP-Fraktion den Gegenvorschlag mit 66 zu
59 Stimmen an den Regierungsrat zurückgewiesen. Die SP-Fraktion begründete ihren Rückweisungsantrag wie folgt:
"Fragen des Bedarfs (Definition, Ermittlung), der Qualitätsanforderungen und deren Kontrolle, der
betriebswirtschaftlichen Qualifikation sowie der sozial verträglichen Finanzierung sollen auf Stufe
Kanton durch entsprechende Verordnungen geregelt werden."
Die SVP und die EDU stimmten der Rückweisung geschlossen zu, ebenso die SP bei vier Enthaltungen. Ausserdem haben sechs Mitglieder der FDP die Rückweisung befürwortet.
Die SP-Fraktion verfolgte mit der Rückweisung das Ziel, dass der Gegenvorschlag mit detaillierten
und für die Gemeinden verbindlichen Regelungen ergänzt wird. Die SVP hingegen stimmte der
Rückweisung aus taktischen Gründen zu. Sie lehnt eine Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung grundsätzlich ab.
Ein im Sinne des Rückweisungsbeschlusses überarbeiteter Gegenvorschlag würde im Vergleich zur
gescheiterten SPG-Änderung eine höhere Regelungsdichte und eine Kompetenzverschiebung zugunsten des Regierungsrats aufweisen. Eine solche Vorlage wäre wohl im Grossen Rat nicht mehrheitsfähig. Im Übrigen würde sich ein solcher Gegenvorschlag – mit Ausnahme der Kantonsbeteiligung – inhaltlich kaum von der Volksinitiative unterscheiden. In Bezug auf die für die Bürgerinnen
und Bürger zentralen Themen würde dem Stimmvolk keine eigentliche Alternative geboten. Eine
Überarbeitung des Gegenvorschlags im Sinne der Rückweisung erscheint daher nicht zielführend.
Vor diesem Hintergrund führte das Departement Gesundheit und Soziales im Januar 2015 mit Vertretern von BDP, EVP, FDP.Die Liberalen, Grünen, GLP und SP und einer Vertretung des alv zum
weiteren Vorgehen einen Runden Tisch durch. Die CVP und die SVP verzichteten auf eine Teilnahme. Im Gespräch zeigte sich, dass es auf allen Seiten Kompromissbereitschaft brauchen wird, um
die Vorlage im Grossen Rat mehrheitsfähig zu machen. Mit vorliegender Ergänzungsbotschaft unterbreitet der Regierungsrat dem Grossen Rat eine Vorlage, auf deren Basis der angestrebte Kompromiss gefunden werden kann. Ausgangslage ist der Gegenvorschlag, wie er in der (14.197) Botschaft
dargestellt ist. Die Ergänzungsbotschaft zeigt mittels ausformulierten Bestimmungen auf, wie die einzelnen Komponenten des Rückweisungsbeschlusses (Fragen des Bedarfs, der Qualität und Kontrolle und der Finanzierung) umgesetzt werden könnten. Es liegt in der Kompetenz des Grossen Rats,
die einzelnen Bestimmungen in den Gegenvorschlag zu integrieren.
Im folgenden Kapitel werden nochmals die Grundzüge des im Vergleich zur (14.197) Botschaft unveränderten Gegenvorschlags dargestellt, jedoch ergänzt mit Ausführungen zur Umsetzung des
Rückweisungsbeschlusses. Kapitel 6 stellt den Gesetzesentwurf des Gegenvorschlags als Gesamtes demjenigen der Variante "Rückweisung" gegenüber.
21 von 42
5. Grundzüge des Gegenvorschlags sowie Umsetzung des Rückweisungsbeschlusses
(Im Vergleich zur [14.197] Botschaft überarbeitetes Kapitel)
5.1 Zugang zu bedarfsgerechtem Angebot
§ 2 Abs. 1 des Gegenvorschlags (Angebot)
1
Die Gemeinden sind verpflichtet, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an
familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Die Aufgabe kann in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten erfüllt werden.
5.1.1 Bedarfsdeckungsgrad
Wie bereits in Ziffer 3.1 dargelegt, ist im Kanton Aargau der Bedarf an Betreuungsplätzen noch nicht
gedeckt. Vielerorts müssen die Erziehungsberechtigten lange Wartefristen auf Betreuungsplätze in
Kauf nehmen. Auch bei grösstmöglicher Flexibilität der Eltern in Bezug auf die Betreuungstage respektive Betreuungszeiten bestehen mancherorts Wartefristen von 6–12 Monaten. Erfahrungsgemäss
müssen jene Eltern mit wesentlich längeren Wartefristen rechnen, die aus beruflichen Gründen beziehungsweise aufgrund betrieblicher Gegebenheiten an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten auf die Kinderbetreuung angewiesen sind. Darüber hinaus bestehen vielerorts für Betreuungsplätze für Babys Wartefristen bis zu einem Jahr oder mehr. Das Gleiche gilt für Plätze im Bereich der
schulergänzenden Betreuung. Hier sind der Flexibilität bezüglich Betreuungsort Grenzen gesetzt,
weil das Angebot in angemessener Distanz zur Schule gelegen sein muss. In ländlichen Gebieten
fehlt oftmals jedes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung. Die Neuregelung sieht deshalb
vor, dass jede Gemeinde verpflichtet wird, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Sie
können die Aufgabe in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten, wie beispielsweise
Arbeitgeber, erfüllen. Das Betreuungsangebot muss nicht zwingend vor Ort sein, es muss aber in
angemessener Zeit erreichbar sein. Das Angebot kann mittels eigenen Angeboten oder durch private
Trägerschaften, Tagesfamilienvereinen und insbesondere im Zusammenhang mit der Schule bereitgestellt werden. Es soll den Gemeinden überlassen sein, mit welchen Betreuungsformen sie den
Bedarf decken. Ein Kantonsvergleich hat gezeigt, dass insbesondere in der Westschweiz Netzwerke
– bestehend aus Betreuungseinrichtungen, Gemeinden und Unternehmen – gegründet wurden, die
den freien Zugang zu den Betreuungsplätzen sichern. Die vorgeschlagene Regelung lässt solche
Kooperationen zu.
Bei Angeboten für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe steht nicht die Betreuung im engeren
Sinn, sondern eine Begleitung, mit welcher soziale und integrative Ziele verfolgt werden, im Vordergrund. Den Gemeinden ist es selbstverständlich freigestellt, auch für dieses Alterssegment geeignete
Strukturen wie beispielsweise Jugendtreffs, Aufgabenhilfen oder Mittagstische bereitzustellen.
5.1.2 Umsetzung Rückweisungsbeschluss
Die Regelung, dass die Gemeinden verpflichtet werden sollen, den Zugang zu einem Betreuungsangebot sicherzustellen, ist nicht Gegenstand des Rückweisungsbeschlusses.
5.2 Bedarf
§ 2 Abs. 2 des Gegenvorschlags (Angebot)
2
Die Gemeinden erheben den Bedarf und berücksichtigen dabei die in § 1 Absatz 2 erwähnten Zwecke.
5.2.1 Von den Gemeinden zu berücksichtigender Bedarf
Der Regierungsrat hat bewusst darauf verzichtet, den Bedarf präzise festzulegen. Den Gemeinden
wird dadurch eine gewisse Flexibilität zugestanden, welche qualitativen und quantitativen Aspekte
sie bei der Bedarfserhebung zu berücksichtigen haben. Gesetzlich verankert ist lediglich, dass sie
22 von 42
sich an der Zweckbestimmung zu orientieren haben. Der Gegenvorschlag ist als schlankes Rahmengesetz konzipiert, der nur das Wesentlichste regelt und den Gemeinden einen möglichst grossen
Handlungsspielraum belässt. Eine präzise Definition der Bedarfsgerechtigkeit widerspricht diesem
Ansatz und entspräche auch nicht dem Äquivalenzprinzip (wer zahlt, befiehlt).
Mit dem KiBeG werden gemäss § 1 Abs. 2 des Gegenvorschlags zwei Zwecke verfolgt: Zum Einen
soll die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit beziehungsweise Ausbildung erleichtert, zum Andern
soll die Integration sowie Chancengerechtigkeit der Kinder verbessert werden. Die Gemeinden sollen
diese beiden Zielsetzungen bei der Bedarfserhebung im Rahmen der folgenden Erläuterungen berücksichtigen:
• Die Erziehungsberechtigten sollen die Möglichkeit haben, ihre Kinder während ihrer erwerbs- oder
ausbildungsbedingten Abwesenheit familienergänzend betreuen zu lassen.
• Damit eine arbeitsuchende Person Leistungen gemäss Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG;
SR 837.0) beziehen kann, muss sie vermittlungsfähig sein. Damit dies gewährleistet ist, hat sie
dafür zu sorgen, dass sie im Umfang des geltend gemachten Beschäftigungsgrads beziehungsweise Arbeitsausfalls einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
• Neben der Erwerbstätigkeit ist auch die Freiwilligenarbeit von Bedeutung. Der Grosse Rat hat mit
Beschluss von Strategie 17 der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) 2010 die Wichtigkeit der Freiwilligenarbeit im Gesundheitsbereich zum Ausdruck gebracht und den Kanton zu deren Anerkennung und Förderung verpflichtet. Aus diesem Grund soll die Freiwilligenarbeit und
insbesondere die Angehörigenpflege bei der Bedarfserhebung durch die Gemeinden berücksichtigt werden.
• Ebenso ist die frühe Förderung von Kindern sowohl unter dem Aspekt der Integration als auch
unter jenem der Chancengerechtigkeit von Bedeutung. Dies vor dem Hintergrund, dass für den
Bildungserfolg und den Einstieg in die Berufswelt die frühe soziale ebenso wie die frühe sprachliche Förderung bedeutsam ist. Bei der frühen Förderung geht es nicht um Bildungsmassnahmen
im engeren Sinn, sondern um Entwicklungseffekte, die sich aus dem frühen Erwerb sozialer und
sprachlicher Kompetenzen in dafür geeigneten Umfeldern wie Angeboten der familienergänzenden Kinderbetreuung ergeben. Gefördert werden sollen in erster Linie Kinder, die keine oder wenig Möglichkeiten haben, sich die erwähnten Kompetenzen ausserhalb von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung zu erwerben. Dieser Ansatz der Förderung ist zu
unterscheiden von spezifischen Angeboten zur frühen Sprachförderung.
• In quantitativer Hinsicht sollte das Betreuungsangebot so ausgestattet sein, dass die Erziehungsberechtigten innert nützlicher Frist einen Betreuungsplatz für ihr Kind finden (keine längeren Wartefristen als sechs Monate).
Ist kein Bedarf vorhanden, sind keine Massnahmen von Seiten der Gemeinden notwendig.
5.2.2 Bedarfserhebung
Bei der Bedarfserhebung ist der frühe Einbezug von Schlüsselpersonen und Schlüsselorganisationen wie zum Beispiel Schulen, Kindergärten, Mütter-/Väterberaterinnen, Erziehungsberatung, Elternvereinigungen, Vertreterinnen von Krabbelgruppen, Spielgruppen, Tagesfamilienvermittlungsstellen
sehr wichtig. Im Austausch mit diesen Personen und Organisationen kann eruiert werden, welcher
Bedarf besteht und welches Angebot aufgebaut werden soll. Bedarfsschätzungen mittels Befragung
der Erziehungsberechtigten sind mit Vorsicht anzuwenden, weil der Bedarf in der Regel überschätzt
wird. Im Weiteren können Informationen betreffend Bedarf und gesellschaftlicher Entwicklung aus
Studien und Statistiken herangezogen werden.
23 von 42
Wie wissenschaftliche Studien für den Frühbereich zeigen, besteht in städtischen Gebieten vor allem
Bedarf nach Betreuung in Kindertagesstätten, während in ländlichen Gebieten auch häufig eine Betreuung in Tagesfamilien nachgefragt wird (Stern et al. 2005). Im Schulbereich besteht eine unterschiedlich hohe Nachfrage nach Mittags- und Nachmittagsbetreuung (INFRAS, MecoP und Tassinari
Beratungen 2008). Viele Gemeinden verfügen bereits über entsprechende Strukturen, die dem Bedarf entsprechend weiterentwickelt werden können. Der Bedarf wird je nach Familien- und Bevölkerungsstruktur von Gemeinde zu Gemeinde anders aussehen. Des Weiteren steht er in Wechselwirkung mit der Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten. Ist kein Bedarf vorhanden, muss auch
kein Zugang zu einem Betreuungsangebot geschaffen werden.
Die Gemeinden haben den Bedarf regelmässig zu erheben. Sinnvollerweise erfolgt dies auf den
Schuljahresbeginn.
5.2.3 Auf- beziehungsweise Ausbau eines familienergänzenden Betreuungsangebots
Das Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung hat sich am Bedarf der Vielen und nicht an
den Bedürfnissen der Wenigen zu orientieren. Die Gemeinden sind nicht verpflichtet, jedes subjektive Bedürfnis einzelner Erziehungsberechtigter nach spezifischen Angeboten in Bezug auf Art, Umfang oder zeitlicher Verfügbarkeit zu befriedigen.
Der Auf- beziehungsweise Ausbau eines familienergänzenden Betreuungsangebots kann in Zusammenarbeit mit privaten Trägerschaften, Tagesfamilienvereinen, anderen Gemeinden oder Dritten und
insbesondere im Zusammenhang mit der Schule geschehen. Wichtig ist, dass die Kinder möglichst
in ihrem gewohnten sozialen Umfeld eingebettet bleiben. In ländlichen Gemeinden mit wenigen Kindern wird der Bedarf an Betreuungsplätzen häufig zu klein sein, damit Kindertagesstätten oder Tagesstrukturen betrieben werden könnten. Der Aufbau eines Tagesfamilienangebots wird in diesen
Fällen sinnvoller sein. Dabei können auch Kooperationen mit anderen Gemeinden zielführend sein.
Insbesondere bei gemeinsamen Schulstandorten sowie bei Tagesfamilienvermittlungen ist eine enge
Zusammenarbeit der Gemeinden sinnvoll beziehungsweise notwendig. Zur besseren Veranschaulichung werden im folgenden Kapitel Praxisbeispiele dargestellt.
Es ist den Gemeinden überlassen, mit welchen Betreuungsformen sie den Bedarf decken. Für den
Aufbau von Betreuungseinrichtungen werden seitens der Behörden häufig Arbeitsgruppen gebildet.
Darin vertreten sind in der Regel Exekutivmitglieder, Schulleitungsmitglieder, eventuell Fachpersonen oder Vertreterinnen beziehungsweise Vertreter von sozialen Organisationen.
Damit die Gemeinden genügend Zeit haben, den Bedarf abzuklären und für ein entsprechendes
Angebot zu sorgen, ist eine Übergangsfrist ab Inkraftsetzung bis zum Schuljahresbeginn 2017/18
geplant.
Aufgrund der Planbarkeit müssen Erziehungsberechtigte auch nach Inkrafttreten der neuen Regelung mit Wartefristen rechnen. Diese sollten aber massvoll sein und werden in der Regel nicht mehr
als sechs Monate betragen. Gerade der Auf- beziehungsweise Ausbau von Kindertagesstätten ist
anspruchsvoll und bedarf einer gewissen Zeit. Zur Überbrückung eignet sich die Betreuung in Tagesfamilien.
5.2.4 Umsetzung Rückweisungsbeschluss
Gemäss Rückweisungsantrag soll der Regierungsrat ermächtigt werden, durch Verordnung den Bedarf zu definieren und die Bedarfsermittlung festzulegen.
24 von 42
Will der Grosse Rat den Rückweisungsbeschluss im Sinne des Antrags umsetzen, wäre § 2 Abs. 2
des Gegenvorschlags wie folgt zu ändern:
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 2 Abs. 2 (Angebot)
§ 2 Abs. 2 (Angebot)
2
2
Die Gemeinden erheben den Bedarf und berücksichtigen dabei die in § 1 Absatz 2 erwähnten Zwecke.
Die Gemeinden erheben den Bedarf. Der Regierungsrat legt den massgeblichen Bedarf fest und regelt
die Bedarfserhebung durch Verordnung. Er berücksichtigt dabei die in § 1 Absatz 2 erwähnten Zwecke.
Eine über den ganzen Kanton einheitliche Regelung führt einerseits zu einer grösstmöglichen
Gleichbehandlung der Erziehungsberechtigten, andererseits schwächt sie das Grundprinzip des Föderalismus und das Äquivalenzprinzip ("wer zahlt, befiehlt"). Ob eine solche Bestimmung befürwortet
oder abgelehnt wird, ist eine Frage der Interessenabwägung.
Die vom Volk verworfene Vorlage zur familienergänzenden Kinderbetreuung für Schulkinder (Bildungskleeblatt Teil 3) sah auf Stufe Dekret vor, dass Tagesstrukturen soweit zu führen sind, als sie
nachgefragt werden. Bis zu einer regelmässigen Nachfrage von sechs Plätzen hätte der Bedarf über
Tagesfamilien gedeckt werden können, ab sechs Plätzen hätten zwingend Tagesstruktureinrichtungen geführt werden müssen. Der Bedarf hätte halbjährlich abgeklärt werden müssen.
Bei der schliesslich vom Grossen Rat abgelehnten SPG-Änderung hat der Regierungsrat von vornherein auf eine derartige Regelung verzichtet. Auch derzeit erachtet er eine solche als zu tiefgehende Einschränkung der Gemeindeautonomie.
5.3 Vernetzung und Kooperation
§ 2 Abs. 1 des Gegenvorschlags (Angebot)
1
Die Gemeinden sind verpflichtet, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen.
Die Aufgabe kann in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten erfüllt werden.
5.3.1 Praxisbeispiele
Eine Vernetzung und Kooperation unter den Gemeinden bringt Vorteile mit sich. Gemeinden mit
bereits etablierten und bewährten Strukturen und Angeboten können einerseits ihre Instrumente und
Erkenntnisse interessierten Gemeinden zur Verfügung stellen, andererseits lassen sich auf einer
solchen Basis Kooperationsgespräche führen und pragmatische Lösungen finden. Der Krippenpool
der Gemeinden Baden, Ennetbaden, Obersiggenthal und Wettingen bildet in diesem Zusammenhang ein "Best-Practice-Beispiel". Ebenso denkbar ist die Prüfung einer Kooperation mit ortsansässigen Unternehmen.
Im Kanton Aargau existieren bereits gute und bedarfsgerechte Lösungen und innovative Kooperationen, die auch in kleinen Gemeinden funktionieren. In der Gemeinde Stein wurde beispielsweise die
Kindertagesstätte "Zauberstei" 2007 ins Leben gerufen. Diese wird auf der Basis einer Leistungsvereinbarung und in enger Kooperation mit dem "Verbund Kindertagesstätte Sisslerfeld" geführt, zu dem
sich die Gemeinde und die Unternehmen Novartis, Syngenta und DSM zusammengeschlossen haben. Die Einrichtung wird über die Organisation thkt (ehemals "Familienservice"), welche in Kinderbetreuungsfragen spezialisiert ist, professionell geführt. Darüber hinaus finden jährlich zwei bis drei
Sitzungen statt, wo die Beteiligten prüfen, wie viele Plätze genutzt werden und wie die Plätze auf die
Firmen und Gemeinde aufgeteilt werden. Falls offene Plätze vorhanden sind, können auch externe
Kinder aufgenommen werden. Dies sei gemäss Auskunft der Gemeinde ein innovatives Konzept in
Zusammenarbeit mit Firmen. Das Angebot der Tagesfamilien wird über den "Verein Möhlin und Um-
25 von 42
gebung" geregelt, an welchen sich die Eltern wenden können. Bezüglich Tagesstrukturen wird ein
Mittagstisch und Aufgabenhilfe angeboten.
Die Gemeinde Olsberg hat eine Tagesschule für die Primarstufe, in welcher Eltern wahlweise Module für ihre Kinder buchen können. Grundlage für dieses Angebot bildet ein Reglement sowie eine Tarifordnung. Des Weiteren besteht im Bereich von Tagesfamilien eine Zusammenarbeit mit dem "Tagesfamilienverein Magden". Die Gemeinde Olsberg ist Vereinsmitglied.
Die Gemeinde Attelwil hat ebenfalls eine Tageschule (Oberstufe), welche privat organisiert wird und
staatlich anerkannt ist. Als Mikrogemeinde mit nur 280 Einwohnerinnen und Einwohner hat Attelwil
weder eine staatliche Schule (Kinder gehen auswärts in Kindergarten und Schule) noch eine Kindertagesstätte. Falls Eltern Bedarf an einer familienergänzenden Betreuung haben, wird das Vorgehen
individuell entschieden. So kann beispielsweise eine Zusammenarbeit mit einem Tagesfamilienverein infrage kommen oder auch Angebote in anderen Gemeinden.
5.3.2 Umsetzung Rückweisungsbeschluss
Die Regelung, dass die Gemeinden ihre Aufgaben in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder
Dritten erfüllen können, ist nicht Gegenstand des Rückweisungsbeschlusses.
5.4 Rechte der Erziehungsberechtigten
5.4.1 Wahlfreiheit
§ 2 Abs. 3 des Gegenvorschlags (Angebot)
3
Die Benützung des Angebots ist freiwillig.
Die Benützung der Betreuungsangebote ist freiwillig. Niemand wird gezwungen, ein bestimmtes Angebot zu benützen. Erziehungsberechtigte sollen vielmehr die Möglichkeit haben, ihren individuellen
Bedarf nach familienergänzender Kinderbetreuung zu decken. Entspricht das Betreuungsangebot
der Wohnsitzgemeinde den Erziehungsberechtigten nicht, beziehungsweise beabsichtigen diese, ihr
Kind in einer anderen Gemeinde (zum Beispiel Arbeitsort) betreuen zu lassen, hat sich die Wohnsitzgemeinde an den auswärtigen Betreuungskosten zu beteiligen.
Die Wahlfreiheit der Erziehungsberechtigten führt nicht dazu, dass die Gemeinden eine Auswahl an
verschiedenen Betreuungsformen bereitstellen müssen.
5.4.2 Fehlender Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz
Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Ausbildung erleichtert wird sowie die Integration und Chancengerechtigkeit der Kinder verbessert werden.
Beides setzt eine längerfristige familienergänzende Betreuung voraus. Es ist nicht Ziel der vorgeschlagenen Regelung, dass die Gemeinden den Erziehungsberechtigten einen kurzfristigen "Hütedienst" bereitstellen. Wie erwähnt haben sich die Gemeinden am Bedarf der Vielen und nicht an den
Bedürfnissen der Wenigen zu orientieren. Rechtliche Abklärungen haben ergeben, dass aus dem
vorliegenden Entwurf kein rechtlich durchsetzbarer Anspruch der Erziehungsberechtigten auf fami5
lienergänzende Betreuung abgeleitet werden kann, da Aufgabenbestimmungen nicht direkt auf Pri6
vate anwendbar sind . Gestützt auf das im Entwurf vorliegende KiBeG können die Erziehungsberechtigten keinen Anspruch auf einen Betreuungsplatz erheben. Liegen jedoch auf Seiten der
Gemeinden Vollzugsdefizite vor, können aufsichtsrechtliche Massnahmen (vgl. §§ 100 ff. Gesetz
5
§ 2 Abs. 1 des Gegenvorschlags stellt eine reine "Aufgabenbestimmung" dar. Sie nimmt die Gemeinden in die Pflicht, eine Aufgabe zu erfüllen
(Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot sicherstellen). Die Erziehungsberechtigten sind in der Bestimmung explizit nicht erwähnt.
6
Rechtsgutachten zu den Tagesstrukturen für die schulergänzende Kinderbetreuung in der Stadt Winterthur, Tobias Jaag/Markus Rüssli im
Auftrag des Departements Schule und Sport der Stadt Winterthur, September 2010.
26 von 42
über die Einwohnergemeinde [Gemeindegesetz] vom 19. Dezember 1978 [SAR 171.100]) ergriffen
werden oder die Betroffenen machen ihren Bedarf mit Hilfe ihrer Bürgerrechte geltend.
5.4.3 Umsetzung Rückweisungsbeschluss
Sowohl die Wahlfreiheit der Erziehungsberechtigten wie auch der nicht vorhandene Anspruch auf
einen Betreuungsplatz sind nicht Gegenstand des Rückweisungsbeschlusses.
5.5 Qualität und Aufsicht
§ 3 Abs. 1 des Gegenvorschlags (Angebot)
1
Der Gemeinderat der Standortgemeinde legt Standards zur Qualität des Angebots fest und
ist für die Aufsicht zuständig.
5.5.1 Kommunale Zuständigkeit
Gemäss der Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (Pflegekinderverordnung, PAVO;
SR 211.222.338) sind Einrichtungen bewilligungspflichtig, die dazu bestimmt sind, mehrere Kinder
unter zwölf Jahren regelmässig tagsüber zur Betreuung aufzunehmen (Kindertagesstätten, Tagesstrukturen; Art. 13 Abs. 1 lit. b PAVO). Weiter ist die regelmässige Betreuung von Kindern unter zwölf
Jahren tagsüber im eigenen Haushalt und gegen Entgelt meldepflichtig (Tagesfamilien; Art. 12
Abs. 1 PAVO). Gemäss § 55e Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB; SAR 210.100) ist der Gemeinderat für die Bewilligungserteilung und Aufsicht der Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung zuständig. Ebenso
hat die Meldung der Tagesfamilien an den Gemeinderat der Wohnsitzgemeinde zu erfolgen (§ 55e
Abs. 2 EG ZGB).
Sowohl bei der Erteilung oder dem Entzug einer Bewilligung wie auch bei der Ausübung der Aufsicht
ist vorrangig das Kindeswohl zu berücksichtigen (Art. 1a Abs. 1 PAVO). Weiter dürfen die oben erwähnten Betreuungseinrichtungen nur bewilligt werden, wenn (Art. 15 Abs. 1 PAVO):
• eine für die körperliche und geistige Entwicklung förderliche Betreuung gesichert erscheint
• die Leiterin oder der Leiter und die Mitarbeitenden nach Persönlichkeit, Gesundheit, erzieherischer Befähigung und Ausbildung für ihre Aufgabe geeignet sind und die Zahl der Mitarbeitenden
für die zu betreuenden Kindern genügt
• für gesunde und abwechslungsreiche Ernährung und für ärztliche Überwachung gesorgt ist
• die Einrichtungen den anerkannten Anforderungen der Wohnhygiene und des Brandschutzes
entsprechen
• die Einrichtung eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage hat und
• eine angemessene Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung der Kinder gewährleistet ist.
Unabhängig von der Bewilligungspflicht kann die Aufnahme von Kindern untersagt werden, wenn die
beteiligten Personen erzieherisch, charakterlich oder gesundheitlich ihrer Aufgabe nicht gewachsen
sind oder die Verhältnisse offensichtlich nicht genügen (Art. 1 Abs. 2 PAVO). Diese Regelung kann
auch auf Tagesfamilien angewendet werden.
Familienergänzende Kinderbetreuung leistet gemäss unbestrittenen wissenschaftlichen Erkenntnissen einen Beitrag zur kindlichen Entwicklung. Die positive beziehungsweise negative Ausprägung
hängt von der Qualität der Kinderbetreuung ab. Familieninterne und familienergänzende Kinderbetreuung weisen Effekte in der kindlichen Entwicklung auf, welche in einer Wechselwirkung stehen.
Bestehen negative kindliche Erfahrungen innerhalb der Familie, so werden diese in der familienergänzenden Kinderbetreuung intensiviert, wenn dort keine Qualitätsstandards vorhanden sind. Eine
hohe Qualität hingegen kann die negativen Auswirkungen von familiären Einflüssen kompensieren.
Sind gute und förderliche Rahmenbedingungen für die heranwachsenden Kinder innerhalb der Familie, jedoch nicht in der Tagesbetreuung vorhanden, so werden die positiven familiären Effekte durch
eine unprofessionelle und ungeeignete familienexterne Betreuung abgeschwächt beziehungsweise
27 von 42
gefährdet. Sowohl benachteiligte wie auch privilegiert aufwachsende Kinder können somit in ihrer
sozialen und kognitiven Entwicklung von der familienergänzenden Kinderbetreuung profitieren
(beziehungsweise wird diese nicht gefährdet), wenn die Betreuungseinrichtungen und Betreuungspersonen eine entsprechende Professionalität aufweisen7.
Der regierungsrätliche Vorschlag der abgelehnten SPG-Änderung sah eine Bewilligungspflicht für
Kindertagesstätten, Tagesstrukturen, Mittagsbetreuungen, Tagesfamilien und Spielgruppen vor. Die
Bewilligungen hätten von den zuständigen Gemeinden erteilt werden sollen, wenn die Qualitätsvoraussetzungen betreffend Personal und Infrastruktur erfüllt gewesen wären. Die Vorgaben zum Personal betrafen den Betreuungsschlüssel und die Ausbildungen sowie eine Weiterbildungspflicht. In
Bezug auf die Infrastruktur wurden kindersichere und zweckdienliche Räumlichkeiten gefordert. Im
Vergleich zu anderen Kantonen war die Regulierungsdichte eher gering. Dennoch waren die Qualitätsvorschriften für das Scheitern der SPG-Änderung ausschlaggebend.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass dasjenige Gemeinwesen, das die Kosten einer staatlichen Leistung trägt, auch über diese Leistung bestimmen soll,
schlägt der Regierungsrat in seinem Gegenvorschlag vor, dass gänzlich auf kantonale Qualitätsvorschriften verzichtet wird. Damit sichergestellt ist, dass die Gemeinden diesem Thema genügend Beachtung schenken, sollen diese aber verpflichtet werden, Qualitätsvorschriften zu erlassen. Dabei
werden ihnen kantonale Empfehlungen (vgl. dazu das Musterhandbuch) sowie fachliche Beratung
und Begleitung zur Verfügung gestellt werden. Der Vorschlag trägt dem Umstand Rechnung, dass
die familienergänzende Kinderbetreuung eine kommunale Aufgabe ist und belässt den Gemeinden
konsequent die Entscheidungskompetenz.
Der Gegenvorschlag sieht vor, dass dem Gemeinderat der Standortgemeinde die Aufsicht über die
Leistungserbringer obliegt. Die Regelung entspricht dem geltenden Recht. Aufgrund der lokalen Nähe der Gemeinden zu den Anbietern erscheint es naheliegend, diese Aufgabe auf kommunaler Ebene zu belassen.
5.5.2 Umsetzung Rückweisungsbeschluss
Gemäss Rückweisungsantrag soll der Regierungsrat die "betriebswirtschaftliche Qualifikation" und
die Qualitätsanforderungen an die Leistungserbringer festlegen. Zudem müsse kontrolliert werden,
ob die Anforderungen eingehalten würden. Im Rahmen der Eintretensdebatte des Grossen Rats am
24. Oktober 2014 äusserten sich Mitglieder der SP-Fraktion dahingehend, dass eine Oberaufsicht
durch den Kanton als zweite Instanz etabliert werden soll, damit die Aufsicht und der Gesetzesvollzug getrennt sei.
7
Barnett, W.S. (1998). Long-term effects on cognitive development and school success. In W .S. Barnett & S.S. Boocock (Eds.), Early care and
education for children in poverty. Promises, programs and long-term results (pp 11–44). Albany: State University of New York Press. Zitiert in:
Stamm, Margrit (2010). Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung. Bern: Haupt Verlag.
28 von 42
Definition der Angebotsformen und kantonale Qualitätsstandards
Will der Grosse Rat den Rückweisungsbeschluss im Sinne des Antrags umsetzen, wäre § 3 Abs. 1
des Gegenvorschlags wie folgt zu ändern:
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 3 (Qualität und Aufsicht)
§ 3 (Qualität und Aufsicht)
1
1
Der Gemeinderat der Standortgemeinde legt
Der Regierungsrat definiert die Angebotsformen und
Standards zur Qualität des Angebots fest und ist für legt für diese Qualitätsstandards durch Verordnung
die Aufsicht zuständig.
fest.
Absatz 1 der Variante "Rückweisung" ermächtigt den Regierungsrat, die Angebotsformen zu definieren, so dass im Einzelfall die Leistungserbringenden eindeutig einer Form zugeordnet werden könnnen und somit feststeht, welchen Qualitätsanforderungen sie zu genügen haben.
Die Bewilligungspflicht für Kindertagesstätten und Tagesstrukturen wie auch die Meldepflicht für Tagesfamilien sind bereits im Bundesrecht verankert. Auf eine entsprechende kantonale Regelung
kann deshalb verzichtet werden.
Wie oben bereits ausgeführt, lehnt der Regierungsrat vor dem Hintergrund der abgelehnten SPGÄnderung und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips (wer zahlt, befiehlt) eine Regelung im
Sinne der Rückweisung ab.
Aufsicht
Wie erwähnt fordert der Rückweisungsbeschluss eine Oberaufsicht durch den Kanton als zweite
Instanz. Im kantonalen Recht wird der Begriff "Oberaufsicht" im Sinne einer parlamentarischen Aufsicht verwendet. Gemäss § 80 der Kantonsverfassung vom 25. Juni 1980 (SAR 110.00) übt der
Grosse Rat über alle Behörden und Organe, die kantonale Aufgaben wahrnehmen, die Oberaufsicht
aus. Zum Kontrollinstrumentarium gehören beispielsweise periodische Rechenschaftsablagen oder
Befragungen im Plenum und in den parlamentarischen Kommissionen. Es handelt sich um eine politische Kontrolle. Die Oberaufsicht umfasst keine direkten Eingriffsmöglichkeiten. Die Wirkung der
Oberaufsicht liegt vorwiegend in der Tatsache, dass kontrolliert wird und dass die Öffentlichkeit von
den Beanstandungen erfährt (KURT EICHENBERGER, Kommentar zur Verfassung des Kantons Aargau,
1986, N 3-5 zu § 80 Kantonsverfassung).
Auch auf kommunaler Ebene gibt es eine vergleichbare Aufsicht. Gemäss § 20 Gemeindegesetz übt
die Gemeindeversammlung die Aufsicht über die Gemeindebehörden und sämtliche Zweige der
Gemeindeverwaltung, einschliesslich Gemeindeanstalten, aus. Es handelt sich wiederum um eine
Ausgestaltung der Gewaltenteilung und bezweckt eine demokratische Kontrolle.
Die Gemeindeaufsicht ist in den §§ 100 ff. des Gemeindegesetzes geregelt. Die Gemeinden, die
Gemeindeverbände und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen unter der Aufsicht
des Kantons. Aufsichtsbehörden sind der Regierungsrat und die Departemente. Die Aufsicht des
Kantons umfasst die Überwachung der Gemeinden in ihren Tätigkeitsbereichen und das Recht, die
Gemeinden zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben aufzufordern. Der Kanton darf die Gemeinden nach Massgabe von Verfassung, Gesetz, Dekret oder Verordnung in ihrer Autonomie beschränken. Der Aufsichtsbehörde stehen vielfältige Aufsichtsmittel zur Verfügung, so zum Beispiel
Anfragen, Berichterstattungen sowie Kontrollen, Einsichtnahmen und Befragungen, aber auch Weisungen, Widerruf von Verfügungen der Gemeindebehörden bis zu Ersatzvornahmen.
29 von 42
§ 102 Abs. 2 des Gemeindegesetzes lautet wie folgt:
"Der Regierungsrat lässt den Sachverhalt unter Anhörung der verantwortlichen [kommunalen] Behörden untersuchen und fordert unter angemessener Fristsetzung zur Behebung erwiesener Mängel
auf. Im Unterlassungsfall ordnet der Regierungsrat die Ersatzvornahme und in dringenden Fällen
vorläufige Massnahmen an."
Zur Veranschaulichung des Umfangs der Gemeindeaufsicht folgende Beispiele zu den Qualitätsvorschriften:
• Der Gegenvorschlag sieht vor, dass die Gemeinden verpflichtet werden, Qualitätsstandards für
die Betreuungsformen, die in ihrer Gemeinde angeboten werden, zu erlassen. Wie dargestellt
wird der Umfang der Aufsicht durch das Recht bestimmt. Dies bedeutet, dass die Aufsichtsbehörde überprüfen kann, ob eine Gemeinde die Qualitätsstandards festgelegt hat. Weiter ist eine Prüfung zulässig, ob die kommunalen Qualitätsstandards den bundesrechtlichen Mindestqualitätsvorschriften entsprechen (PAVO; vgl. Ziffer 5.5.1).
• Wenn gemäss Rückweisungsbeschluss der Regierungsrat verpflichtet wird, kantonale Qualitätsstandards zu erlassen, kann die Gemeindeaufsichtsbehörde überprüfen, ob eine Gemeinde diese
bei der Bewilligungserteilung beziehungsweise Aufsichtstätigkeit gegenüber den Leistungserbringern rechtskonform anwendet.
Die Gemeindeaufsicht gemäss Gemeindegesetz erstreckt sich selbstverständlich nicht nur auf die
Qualitätsvorschriften, sondern auf sämtliche, den Gemeinden übertragene Aufgaben.
Beabsichtigt der Grosse Rat, die Aufsicht durch den Kanton zusätzlich zum bereits geltenden Gemeindegesetz noch zusätzlich im Kinderbetreuungsgesetz zu verankert, wäre § 3 mit einem weiteren
Absatz 2 zu ergänzen:
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 3 (Qualität und Aufsicht)
§ 3 (Qualität und Aufsicht)
1
1
Der Gemeinderat der Standortgemeinde legt Standards zur Qualität des Angebots fest und ist für die
Aufsicht zuständig.
Der Regierungsrat definiert die Angebotsformen und
legt für diese Qualitätsstandards durch Verordnung
fest.
2
Der Gemeinderat der Standortgemeinde ist für
die Aufsicht zuständig. Aufsichtsbehörde zweiter
Instanz ist das zuständige Departement. Es stehen
ihm die Aufsichtsmittel gemäss § 102 Abs. 2 des
Gesetzes über die Einwohnergemeinden (Gemeindegesetz) vom 19. Dezember 1978 zur Verfügung.
Auf den Begriff "Oberaufsicht" wird aus den oben ausgeführten Überlegungen verzichtet. Aufgrund
der sachlichen Nähe des zuständigen Departements und zur Entlastung des Regierungsrats soll die
Aufsicht durch das Departement wahrgenommen werden.
Der aufsichtsrechtliche Handlungsbedarf ist derzeit nicht einschätzbar und hängt davon ab, wie umfangreich der Grosse Rat die Aufsichtspflicht des Kantons ausgestaltet. Je nach Umfang resultiert
ein Ressourcenbedarf.
30 von 42
5.6 Finanzierung
§ 4 des Gegenvorschlags (Finanzierung)
1
Die Erziehungsberechtigten tragen die Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung. Ihr
Beitrag ist höchstens kostendeckend.
2
Die Wohnsitzgemeinde beteiligt sich unabhängig vom Betreuungsort nach Massgabe der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten.
3
Der Umfang der Beteiligung wird durch die Gemeindeversammlung beziehungsweise durch
den Einwohnerrat festgelegt.
Die Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung als kommunale Aufgabe geht zulasten
der Erziehungsberechtigten und der Gemeinden. Selbstverständlich können sich auch Dritte, wie
zum Beispiel Arbeitgeber, an den Kosten beteiligen. Das neue Kinderbetreuungsgesetz sieht keine in
diesem Gesetz verankerte Kostenbeteiligung des Kantons vor.
5.6.1 Beteiligung der Erziehungsberechtigten
Die Höhe der Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten wirkt sich auf den Bedarf aus. Familienergänzende Kinderbetreuung wird nur nachgefragt, wenn die Erziehungsberechtigten auch finanziell
in der Lage sind, die daraus resultierenden Kosten zu tragen, beziehungsweise wenn die daraus resultierenden finanziellen Vor- und Nachteile in einem günstigen Verhältnis stehen. Ziel ist es, dass
Kinder aller Bevölkerungsschichten Zugang zu familienergänzender Betreuung haben. Dies erfordert, dass bei der Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten soziale Aspekte berücksichtigt werden. Diese Zielsetzung stimmt mit der Motion der FDP-Fraktion in dem Sinne überein, als dass in
dieser für sozial schwache Familien reduzierte Tarife gefordert werden.
Die Neuregelung sieht vor, dass primär die Erziehungsberechtigten die Betreuungskosten ihres Kindes zu tragen haben. Die Wohnsitzgemeinden sind verpflichtet, sich unabhängig vom Betreuungsort
und nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten an diesen
Kosten zu beteiligen. Eine Quersubventionierung zugunsten finanziell schwach gestellter Erziehungsberechtigten ist unzulässig.
Die Gemeinden legen den Umfang ihrer Kostenbeteiligung und damit den Kostenanteil der Erziehungsberechtigten fest. Sie bestimmen, welche Faktoren sie für die Ermittlung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit berücksichtigen wollen (zum Beispiel steuerbares Einkommen und Vermögen).
Zudem regeln sie, ab welcher wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kostenanteil der Erziehungsberechtigten kostendeckend ist und ob Erziehungsberechtigten mit mehreren Kindern eine Ermässigung gewährt wird. Somit liegt es einzig in der Kompetenz der Gemeinden, den Kostenbeteiligungsgrad der Erziehungsberechtigten zu bestimmen.
Die Reglementierung der Kostenbeteiligung ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Es ist insbesondere
darauf zu achten, dass keine negativen Erwerbsanreize oder Schwelleneffekte im Bedarfsleistungssystem entstehen. Ein Schwelleneffekt oder negativer Erwerbsanreiz besteht dann, wenn eine Erhöhung des Erwerbseinkommens zu einer Verringerung oder Aufhebung von Bedarfsleistungen (wie
beispielsweise die Alimentenbevorschussung oder die Krankenkassenprämienverbilligung) führt, so
dass das verfügbare Einkommen sinkt. Eine Erwerbstätigkeit beziehungsweise eine Steigerung der
Erwerbstätigkeit sollte sich ökonomisch lohnen. Erste Erfahrungen aus den Kantonen Zürich und
Basel-Stadt zeigen, dass Schwelleneffekte beispielsweise durch eine entsprechende Tarifgestaltung
mit Verzicht auf Einkommensklassen zugunsten von stufenlosen Tarifen verhindert werden können.
Grundsätzlich ist die Tarifierung mit den bestehenden Sozialleistungen abzugleichen, da sich
Schwelleneffekte nur verhindern lassen, sofern das gesamte System der Bedarfsleistungen entsprechend ausgestaltet wird.
Für die Reglementierung der Kostenbeteiligung wird der Kanton den Gemeinden geeignete Hilfsmittel zur Verfügung stellen.
31 von 42
5.6.2 Beteiligung der Gemeinden
In der familienergänzenden Betreuung ist seit mehreren Jahren eine Abkehr von der Defizit- und
Objektfinanzierung feststellbar. Viele Gemeinden und teilweise auch Kantone wechseln zu einem
Modell mit Subjektfinanzierung. Dabei bemessen die Gemeinden ihre Beiträge in Abhängigkeit zu
den existierenden Betreuungsverhältnissen, das heisst leistungsabhängig. Demgegenüber erhalten
bei der Objektsubventionierung die privaten Anbieter einmalig oder jährlich wiederkehrende Pauschalbeiträge unabhängig von der tatsächlich erbrachten Betreuungsleistung, oftmals in Form einer
Defizitgarantie beziehungsweise eines Defizitbeitrags. Die Neuregelung verpflichtet die Gemeinden
zur Subjektfinanzierung.
Ein subjektorientiertes Modell hat den grossen Vorteil, dass sowohl bei den Gemeinden als auch bei
den Anbietern die Planbarkeit der finanziellen Mittel deutlich gesteigert wird. Zudem sind die Anbieter
gehalten, ihre Leistungen gewinnorientiert zu erbringen, was bei einer Objektsubventionierung weniger der Fall ist. Die Subjektfinanzierung ermöglicht es den Einrichtungen, bei guter Auslastung einen
Gewinn zu erwirtschaften, um damit mögliche Verluste in den Folgejahren aus den eigenen Reserven decken zu können. So besteht für die Einrichtungen ein Anreiz, eine möglichst hohe Auslastung
zu erreichen. Besteht beispielsweise in einer Gemeinde ein Überangebot und können die bereitgestellten Betreuungsplätze nicht voll ausgelastet werden, wird sich eine Marktbereinigung einstellen.
5.7 Ausgestaltung der Subventionierung
Die Gemeinden sind in der Ausgestaltung der Subventionierung frei. Sie können entscheiden, welches Subventionierungsmodell sie einführen wollen. In der Praxis haben sich sowohl das Betreuungsgutscheine- wie auch das Normkostenmodell bewährt. Wesentlichstes Kriterium der Betreuungsgutscheine ist die stärkere Einflussnahme der Erziehungsberechtigten. Diese können die Betreuungsgutscheine in der Einrichtung ihrer Wahl einlösen. Ein Wettbewerb zwischen den Anbietern
setzt aber erst dann ein, wenn die Erziehungsberechtigten verschiedene Betreuungsmöglichkeiten
zur Auswahl haben. Das Modell der Betreuungsgutscheine ist deshalb typischerweise auf städtische
Verhältnisse ausgelegt. In ländlichen Gebieten, wo der Bedarf an familienergänzender Kinderbetreuung gering ist und dieser in der Regel durch einzelne Tagesfamilien gedeckt wird, wird dieser Effekt
ausbleiben. Dass das Einführen von Betreuungsgutscheinen eine rasche Angebotsentwicklung zur
Folge hat, konnte bis dato nicht belegt werden.
Aufgrund der sowohl ländlichen wie auch städtischen Struktur des Kantons Aargau erachtet es der
Regierungsrat als nicht zweckmässig, kantonsweit Betreuungsgutscheine als einzig mögliche Subventionierungsform einzuführen. Viele Gemeinden haben im Übrigen ihre Subventionspraxis in den
letzten Jahren geändert und das Normkostenmodell eingeführt. Es hat sich gezeigt, dass dieses eine
praktikable und gut funktionierende Methode der Subjektfinanzierung ist. Zum besseren Verständnis
werden nachfolgend die erwähnten Subventionsmodelle umschrieben.
5.7.1 Normkostenmodell
Bei einem Normkostenmodell legen die Gemeinden für jede Betreuungsform die Normkosten (marktübliche Vollkosten) fest. Diese werden so bemessen, dass ein gut geführter Betrieb die qualitativen
Vorgaben einhalten und bei einer guten Auslastung kostendeckend arbeiten kann. Die Gemeinden
übernehmen die Differenz zwischen den Normkosten und der Beteiligung der Erziehungsberechtigten sowie allfälliger Drittleistungen (zum Beispiel Arbeitgeberbeiträge). Die Gemeinden zahlen ihren
Beitrag an die Erziehungsberechtigten oder an die Anbieter.
Eine grosse Entscheidungsfreiheit der Gemeinden birgt aber auch Gefahren. Zum Beispiel können
sich hohe kommunale Qualitätsvorschriften und im Verhältnis dazu zu tief angesetzte Normkosten
negativ auf die Anbieter und somit auf das Angebot auswirken.
32 von 42
5.7.2 Betreuungsgutschein-Modell
Im Frühling 2009 startete in der Stadt Luzern das Pilotprojekt "Betreuungsgutscheine für die familienergänzende Kinderbetreuung im Vorschulalter" (Kindertagesstätten, Tagesfamilien). Aufgrund der
guten Erfahrungen und der breiten Akzeptanz wurden die Betreuungsgutscheine ab 1. Januar 2013
definitiv eingeführt. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Vorgaben und Erfahrungen der
Stadt Luzern.
Der Ablauf vom Auftrag bis zur Auszahlung stellt sich in Luzern wie folgt dar: Zuerst suchen die Erziehungsberechtigten einen Betreuungsplatz in einer anerkannten Betreuungsinstitution. Sobald
ihnen dieser bestätigt wurde, stellen sie einen Antrag auf Betreuungsgutscheine bei der Stadt Luzern. Nach Prüfung der Bezugsbedingungen teilt die Stadt der Familie die Gutscheinhöhe mit. Die
Betreuungsgutscheine werden den Erziehungsberechtigten monatlich für den kommenden Monat
direkt überwiesen. Die Erziehungsberechtigten wiederum zahlen der Betreuungseinrichtung den
vollen Tarif.
Die Betreuungseinrichtungen verrechnen allen Erziehungsberechtigten den gleichen Tarif, unabhängig davon, ob eine Familie Betreuungsgutscheine erhält oder nicht. Die Höhe des Tarifs bestimmt
jede Einrichtung selber. Die Differenz zwischen Tarif und Betreuungsgutschein übernehmen die Erziehungsberechtigten. In begründeten Ausnahmefällen bewilligt die Stadt eine Auszahlung der Betreuungsgutscheine direkt an die Betreuungsinstitution.
Die Bewilligung zur Führung einer Kindertagesstätte wird in der Stadt Luzern durch den Stadtrat
ausgestellt. Grundlagen für die Bewilligungserteilung sind die PAVO sowie die Qualitätskriterien des
Verbands der Luzerner Gemeinden, die weitgehend den Vorgaben des Verbands Kindertagesstätten
Schweiz (kibesuisse) entsprechen. Die Stadt erstellt eine schriftliche Vereinbarung mit der Betreuungsinstitution, die die Entgegennahme von Betreuungsgutscheinen und die Meldepflicht der Institutionen bei Änderungen regelt. Im Bereich Tagesfamilien gelten separate Qualitätsstandards.
Das Einführen von Betreuungsgutscheinen zeigte in der Stadt Luzern positive Wirkungen: Die Anzahl bezahlbare Betreuungsplätze konnte gesteigert werden. Die Existenzsicherung von Familien
sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konnten verbessert werden. Die Erziehungsberechtigten werden rechtsgleich behandelt, indem alle zu den gleichen Bedingungen gleich hohe Unterstützung erhalten.
5.7.3 Umsetzung Rückweisungsbeschluss
Gemäss Rückweisungsantrag soll eine "sozial verträgliche Finanzierung auf Stufe Kanton durch entsprechende Verordnung" geregelt werden. Die Forderung enthält zwei Komponenten: Zum Einen
wird eine kantonal einheitliche Regelung verlangt, zum Andern muss diese der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten Rechnung tragen. Die SP-Fraktion hat bei der Begründung ihres Rückweisungsantrags auf die Regelung in der Volksinitiative "Kinder und Eltern" hingewiesen. Diese entspricht annäherungsweise dem Vorschlag der schliesslich abgelehnten SPG-Änderung. Der wesentliche Unterschied zwischen der Volksinitiative beziehungsweise der SPG-Änderung und dem Gegenvorschlag liegt in der Kostenbeteiligung des Kantons. Gemäss Volksinitiative
tragen die Erziehungsberechtigten, die Wohnsitzgemeinde und der Kanton zur Finanzierung bei.
Demgegenüber sieht der Gegenvorschlag eine Finanzierung nur durch die Erziehungsberechtigen
und die Wohnsitzgemeinden vor. Die daraus resultierende Mehrbelastung der kommunalen Haushalte soll aber in die Übersicht über die reformbedingten Mehrbelastungen des Kantons und der Gemeinden aufgenommen werden (vgl. dazu Ziffer 6 der (14.197) Botschaft vom 24. September 2014).
In der Begründung der Rückweisung wurde keine Kostenbeteiligung des Kantons gefordert.
Der folgende Umsetzungsvorschlag der Rückweisung orientiert sich – mit Ausnahme der Kantonsbeteiligung – an der schliesslich abgelehnten SPG-Änderung.
33 von 42
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 4 (Finanzierung)
§ 4 (Finanzierung)
1
Die Erziehungsberechtigten tragen die Kosten der
familienergänzenden Kinderbetreuung. Ihr Beitrag ist
höchstens kostendeckend.
1
2
Die Wohnsitzgemeinde beteiligt sich unabhängig
vom Betreuungsort nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten.
2
3
3
Der Umfang der Beteiligung wird durch die Gemeindeversammlung beziehungsweise durch den Einwohnerrat festgelegt.
Die Erziehungsberechtigten und die Wohnsitzgemeinden tragen die Kosten der familienergänzenden
Kinderbetreuung.
Die Erziehungsberechtigten beteiligen sich mit einem
Sockel- und Leistungsbeitrag. Der Leistungsbeitrag
bemisst sich nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Sockel- und Leistungsbeitrag sind
gemeinsam höchstens kostendeckend.
Die Wohnsitzgemeinde beteiligt sich unabhängig
vom Betreuungsort. Ihr Beitrag bemisst sich an den
Normkosten abzüglich des Beitrags der Erziehungsberechtigten sowie der Leistungen Dritter. Sie kann über
die Normkosten hinausgehende Beiträge leisten.
4
Der Regierungsrat legt für jede Angebotsform die
Normkosten, den Sockelbeitrag und den Grenzbetrag,
ab welchem die Erziehungsberechtigten einen Leistungsbeitrag entrichten müssen, fest.
5
Die Wohnsitzgemeinde legt die Beiträge der Erziehungsberechtigten fest. Der Regierungsrat erlässt ein
Beitragsreglement, das subsidiär zur Anwendung
kommt, wenn die Gemeinden keines erlassen.
Die Variante "Rückweisung" sieht vor, dass einerseits Grundsätze der Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten im Kinderbetreuungsgesetz verankert werden, andererseits will man den Gemeinden ihren Entscheidungsspielraum soweit als möglich belassen.
Die Beteiligung der Erziehungsberechtigten soll sich nach folgenden Grundsätzen richten:
• Die Erziehungsberechtigten beteiligen sich an den Kosten nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit.
• Ihr Beitrag setzt sich aus einem Sockel- sowie einem Leistungsanteil zusammen. Finanziell
schwach gestellte Erziehungsberechtigte bezahlen nur den Sockelbeitrag.
• Ab einer bestimmten Limite der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entrichten die Erziehungsberechtigten zuzüglich zum Sockel- zudem einen Leistungsanteil. Dieser Leistungsbeitrag bemisst
sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
• Die Erziehungsberechtigten entrichten für die Betreuung ihres Kindes einen höchstens kostendeckenden Beitrag (keine Quersubventionierung zugunsten finanziell schwacher Erziehungsberechtigter).
Gemäss Variante "Rückweisung" konkretisiert der Regierungsrat zwei Punkte auf Verordnungsstufe:
Er würde den Grenzbetrag, ab welchem ein Leistungsbeitrag geschuldet würde, und für jede Angebotsform den Sockelbeitrag festlegen. Die schliesslich abgelehnte SPG-Änderung sah den Grenzbetrag bei einem steuerbaren Einkommen von Fr. 30'000.– vor. Der Sockelbeitrag für einen Betreuungstag in einer Kindertagesstätte wäre zum Beispiel bei Fr. 15.– bis Fr. 25.– gelegen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben, wären die Gemeinden bei der Ausgestaltung der Kostenbeteiligung
der Erziehungsberechtigten frei. Sie könnten selbstständig entscheiden, welche Faktoren sie für die
Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten berücksichtigen wollen (zum Beispiel
steuerbares Einkommen und Vermögen). Zudem würden die Gemeinden bestimmen, ab welcher
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Erziehungsberechtigten kostendeckende Beiträge zu leisten
34 von 42
hätten und ob Familien mit mehreren Kindern eine Ermässigung gewährt würde. Somit läge es in der
Kompetenz der Gemeinden, den Kostenbeteiligungsgrad der Erziehungsberechtigten zu bestimmen.
Massgebend für die geleisteten Betreuungsbeiträge der Gemeinden wären die Normkosten. Diese
entsprächen den marktüblichen Vollkosten. Der Regierungsrat würde für jede Angebotsform auf Verordnungsstufe Normkosten definieren. Die Normkosten würden so bemessen, dass ein gut geführter
Betrieb die qualitativen Vorgaben einhalten und bei einer guten Auslastung (Kindertagesstätten
90 %, Tagesstrukturen 70 %) kostendeckend arbeiten könnte. Die Gemeinden übernähmen die Differenz zwischen den Normkosten und den geleisteten Beiträgen der Erziehungsberechtigten sowie
allfälliger Drittleistungen (zum Beispiel Arbeitgeberbeiträge). Dabei bliebe es den Gemeinden freigestellt, im Sinne einer Verbesserung der Standortattraktivität die Betreuungsqualität zu erhöhen und
deshalb bei der Berechnung des Gemeindebeitrags von einem höheren Ansatz als von den Normkosten auszugehen.
Damit gewährleistet wäre, dass die Eltern auch ausserhalb ihrer Wohnsitzgemeinde ein Betreuungsangebot in Anspruch nehmen könnten, würden die Gemeinden verpflichtet, unabhängig vom Betreuungsort Beiträge zu leisten. Der Gemeindebeitrag berechnet sich dabei auf Grundlage der kantonalen Normkosten sowie des Elternbeitragsreglements der Wohnsitzgemeinde. Falls die Gemeinden
über kein Reglement verfügen würden, käme subsidiär ein kantonales Elternbeitragsreglement zur
Anwendung.
Ersetzt man § 4 des Gegenvorschlags mit § 4 gemäss Variante "Rückweisung" passt sich der Gegenvorschlag inhaltlich wie vom Detaillierungsrat her sehr stark an die Volksinitiative an. Dem
Stimmvolk würde keine wirkliche Alternative mehr geboten. Der Regierungsrat lehnt deshalb die
Regelung gemäss § 4 Variante "Rückweisung" ab. Er bevorzugt einen Gegenvorschlag, der nur das
Wesentlichste regelt, und den finanzierenden Gemeinden bei der Umsetzung den notwendigen
Spielraum lässt, um den lokalen Gegebenheiten bestmöglich Rechnung zu tragen.
6. Gegenüberstellung Gesetzesentwürfe
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 1 (Zweck)
§ 1 (Zweck)
1
Das Gesetz legt den Rahmen für die familienergänzende Kinderbetreuung fest.
1
2
Die familienergänzende Kinderbetreuung bezweckt
a) die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit und Ausbildung zu erleichtern,
b) die gesellschaftliche, insbesondere die sprachliche
Integration und die Chancengerechtigkeit der Kinder
zu verbessern.
2
§ 2 (Angebot)
§ 2 (Angebot)
1
Die Gemeinden sind verpflichtet, den Zugang zu
einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der
Primarschule sicherzustellen. Die Aufgabe kann in
Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten
erfüllt werden.
1
2
Die Gemeinden erheben den Bedarf und berücksichtigen dabei die in § 1 Absatz 2 erwähnten Zwecke.
2
3
3
Die Benützung des Angebots ist freiwillig.
Das Gesetz legt den Rahmen für die familienergänzende Kinderbetreuung fest.
Die familienergänzende Kinderbetreuung bezweckt
a) die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit und Ausbildung zu erleichtern,
b) die gesellschaftliche, insbesondere die sprachliche
Integration und die Chancengerechtigkeit der Kinder
zu verbessern.
Die Gemeinden sind verpflichtet, den Zugang zu
einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der
Primarschule sicherzustellen. Die Aufgabe kann in
Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten
erfüllt werden.
Die Gemeinden erheben den Bedarf. Der Regierungsrat legt den massgeblichen Bedarf fest und regelt
die Bedarfserhebung durch Verordnung. Er berücksichtigt dabei die in § 1 Absatz 2 erwähnten Zwecke.
Die Benützung des Angebots ist freiwillig.
35 von 42
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 3 (Qualität und Aufsicht)
§ 3 (Qualität und Aufsicht)
1
1
Der Gemeinderat der Standortgemeinde legt Standards zur Qualität des Angebots fest und ist für die
Aufsicht zuständig.
Der Regierungsrat definiert die Angebotsformen und
legt für diese Qualitätsstandards durch Verordnung
fest.
2
Der Gemeinderat der Standortgemeinde ist für die
Aufsicht zuständig. Aufsichtsbehörde zweiter Instanz
ist das zuständige Departement. Es stehen ihm die
Aufsichtsmittel gemäss § 102 Abs. 2 des Gesetzes
über die Einwohnergemeinden (Gemeindegesetz) vom
19. Dezember 1978 zur Verfügung.
§ 4 (Finanzierung)
§ 4 (Finanzierung)
1
Die Erziehungsberechtigten tragen die Kosten der
familienergänzenden Kinderbetreuung. Ihr Beitrag ist
höchstens kostendeckend.
1
2
Die Wohnsitzgemeinde beteiligt sich unabhängig
vom Betreuungsort nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten.
2
3
3
Der Umfang der Beteiligung wird durch die Gemeindeversammlung beziehungsweise durch den Einwohnerrat festgelegt.
Die Erziehungsberechtigten und die Wohnsitzgemeinden tragen die Kosten der familienergänzenden
Kinderbetreuung.
Die Erziehungsberechtigten beteiligen sich mit einem
Sockel- und Leistungsbeitrag. Der Leistungsbeitrag
bemisst sich nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Sockel- und Leistungsbeitrag sind
gemeinsam höchstens kostendeckend.
Die Wohnsitzgemeinde beteiligt sich unabhängig
vom Betreuungsort. Ihr Beitrag bemisst sich an den
Normkosten abzüglich des Beitrags der Erziehungsberechtigten sowie der Leistungen Dritter. Sie kann über
die Normkosten hinausgehende Beiträge leisten.
4
Der Regierungsrat legt für jede Angebotsform die
Normkosten, den Sockelbeitrag und den Grenzbetrag,
ab welchem die Erziehungsberechtigten einen Leistungsbeitrag entrichten müssen, fest.
5
Die Wohnsitzgemeinde legt die Beiträge der Erziehungsberechtigten fest. Der Regierungsrat erlässt ein
Beitragsreglement, das subsidiär zur Anwendung
kommt, wenn die Gemeinden keines erlassen.
§ 5 (Massnahmen des Kantons)
§ 5 (Massnahmen des Kantons)
1
Das zuständige Departement kann zur Förderung der
familienergänzenden Kinderbetreuung Massnahmen
treffen. Es kann insbesondere
a) die Gemeinden beraten und unterstützen,
b) Anbietende beraten und unterstützen,
c) die Weiterbildung der Betreuungspersonen fördern.
1
2
2
Es kann damit Dritte beauftragen.
Das zuständige Departement kann zur Förderung der
familienergänzenden Kinderbetreuung Massnahmen
treffen. Es kann insbesondere
a) die Gemeinden beraten und unterstützen,
b) Anbietende beraten und unterstützen,
c) die Weiterbildung der Betreuungspersonen fördern.
Es kann damit Dritte beauftragen.
36 von 42
Gegenvorschlag
Variante "Rückweisung"
§ 6 (Übergangsrecht)
§ 6 (Übergangsrecht)
1
Das Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung ist bis spätestens zum Beginn des Schuljahrs
2018/19 umzusetzen.
1
2
Für bisher vom Kanton unterstützte Institutionen der
Tagesbetreuung gilt der bisherige § 51 Abs. 2 des
Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und Präventionsgesetz,
SPG) vom 6. März 2001 währen der Übergangszeit bis
zum Abschluss des Schuljahrs 2017/18.
2
§ 7 (Inkrafttreten)
1
Das Gesetz tritt am 1. August 2016 in Kraft.
§ 7 (Inkrafttreten)
1
Das Gesetz tritt am 1. August 2016 in Kraft.
Das Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung ist bis spätestens zum Beginn des Schuljahrs
2018/19 umzusetzen.
Für bisher vom Kanton unterstützte Institutionen der
Tagesbetreuung gilt der bisherige § 51 Abs. 2 des
Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und Präventionsgesetz,
SPG) vom 6. März 2001 währen der Übergangszeit bis
zum Abschluss des Schuljahrs 2017/18.
7. Mittelfristige Aufgaben- und Finanzplanung
Nach der Ablehnung der SPG-Änderung wurde im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2013–2016 der
Entwicklungsschwerpunkt 100ES0022 beendet. Die Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung wird neu als Entwicklungsschwerpunkt 500E001 weitergeführt.
Die Massnahmen zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung (§ 5) sind im AFP 2015–
2018 eingestellt.
8. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Gegenvorschlags
§ 1 Zweck
Absatz 1
Dieser bringt zum Ausdruck, dass es sich um ein Rahmengesetz handelt, das nur die wesentlichen
Grundzüge regelt. Die Detailregelungen sind von den Gemeinden zu erlassen.
Absatz 2
Dieser stellt eine Zweckbestimmung dar, die vor allem bei der Bedarfserhebung durch die Gemeinden von Bedeutung ist (vgl. § 2 Abs. 2). Mit der familienergänzenden Kinderbetreuung werden zwei
Ziele verfolgt: Einerseits soll die Familie und die Arbeit oder Ausbildung leichter vereinbar sein, andererseits soll die Integration sowie Chancengerechtigkeit der Kinder verbessert werden. Absatz 2 lit. a
umfasst neben der Erwerbstätigkeit auch die Freiwilligenarbeit. Die Gemeinden haben bei der Erhebung insbesondere denjenigen Bedarf zu berücksichtigen, der aufgrund eines freiwilligen Engagements in der Angehörigenpflege entsteht. Absatz 2 lit. b zielt darauf ab, die gesellschaftliche und insbesondere die sprachliche Integration von Kindern zu fördern und die Chancengerechtigkeit zu verbessern. Damit ist nicht ein Bildungsauftrag verbunden, sondern die fachlich gestützte Erkenntnis,
dass Kinder mehrere Bezugspersonen brauchen, um ihre sozialen und sprachlichen Kompetenzen
optimal zu entwickeln. Betreuungsangebote im Frühbereich bilden für alle Kinder in Ergänzung zum
familiären Alltag den dafür geeigneten Rahmen. Eine soziale Durchmischung in den betreuten Kindergruppen bildet zudem die wichtigste Voraussetzung für die Chancengerechtigkeit der Kinder aus
allen sozialen Schichten.
37 von 42
§ 2 Angebot
Absatz 1
Die Gemeinden werden verpflichtet, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Sie können
diese Aufgabe zusammen mit anderen Gemeinden oder Dritten, wie beispielsweise Arbeitgeber,
erfüllen. Die Zusammenarbeit unter den Gemeinden kann entweder durch Vertrag oder im Rahmen
eines Verbands erfolgen. Das Betreuungsangebot muss nicht zwingend vor Ort sein, es muss aber
in angemessener Zeit erreichbar sein.
Bei Angeboten für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe steht nicht mehr die Betreuung im engeren Sinn, sondern stehen soziale und integrative Ziele im Vordergrund, die von der vorliegenden
Änderung nicht erfasst werden. In Bezug auf dieses Alterssegment wird deshalb auf eine verpflichtende Regelung verzichtet. Selbstverständlich können die Gemeinden auch in diesem Bereich geeignete Strukturen wie beispielsweise Jugendtreffs, Aufgabenhilfen oder Mittagstische zur Verfügung
stellen.
Da die familienergänzende Kinderbetreuung in den Aufgabenbereich der Gemeinden fällt und auch
von diesen finanziert werden soll, wird auf eine genaue Definition des massgebenden Bedarfs verzichtet.
Absatz 2
Die in § 1 Abs. 2 normierten Zwecke sind von den Gemeinden bei der Bedarfserhebung zu berücksichtigen. Die Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit oder Ausbildung sowie die Verbesserung der gesellschaftlichen, insbesondere sprachlichen Integration und Chancengerechtigkeit
der Kinder müssen nicht kumulativ vorhanden sein, damit ein Bedarf begründet wird. Im Weiteren
vgl. Ziffer 5.2.1 und Kommentar zu § 1 Abs. 2.
Absatz 3
Der Besuch der Betreuungsangebote ist freiwillig. Es liegt in der Wahlfreiheit der Erziehungsberechtigten, ob sie das Betreuungsangebot ihrer Wohnsitzgemeinde nutzen. Bevorzugen sie beispielsweise eine andere Betreuungsform als jene, die von ihrer Wohnsitzgemeinde angeboten wird, oder
möchten sie ihr Kind gerne in einem anderen Ort (zum Beispiel Arbeitsort) betreuen lassen, können
sie auch andere Angebote berücksichtigen. Die Wohnsitzgemeinde hat sich dennoch an den Kosten
zu beteiligen (§ 4 Abs. 2).
§ 3 Qualität und Aufsicht
Absatz 1
Der Gemeinderat der Standortgemeinde kann die Qualitätsvorschriften in Form eines Reglements
oder im Rahmen einer Leistungsvereinbarung erlassen. Selbstverständlich haben die Anbieter auch
bei einer individuell-konkreten Festlegung als Ausdruck des Grundsatzes der Rechtsgleichheit Anspruch auf Gleichbehandlung (Festlegung nach gleichem Massstab). Zur Qualität siehe Ziffer 5.5.
Gemäss § 55e Abs. 2 EG ZGB ist der Gemeinderat für die Bewilligungserteilung und Aufsicht der
Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung zuständig. Tagesfamilien haben gegenüber
dem Gemeinderat eine Meldepflicht. Diesem obliegt wiederum die Aufsicht. Aufgrund der lokalen Nähe der Gemeinden zu den Anbietern erscheint es naheliegend, diese Aufgaben auf kommunaler Stufe zu belassen.
38 von 42
§ 4 Finanzierung
Die Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung erfolgt durch die Erziehungsberechtigten
und die Gemeinden. Dritte, insbesondere Arbeitgeber, können sich daran beteiligen.
Absatz 1
Die Neuregelung sieht vor, dass primär die Erziehungsberechtigten die Betreuungskosten ihres Kindes zu tragen haben. Erziehungsberechtigte sind Personen, die mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft leben. Ihnen obliegt die alltägliche Pflege und Erziehung des Kindes.
Der Beitrag der Erziehungsberechtigten ist höchstens kostendeckend. Eine Quersubventionierung
zugunsten von finanziell schwach gestellter Erziehungsberechtigter ist unzulässig (vgl. Ziffer 5.6.1).
Absatz 2
Die Wohnsitzgemeinden sind verpflichtet, sich nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten an diesen Kosten zu beteiligen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die
Betreuung in einem Angebot der Gemeinde geleistet wird oder durch einen "auswärtigen" Anbieter.
Im Weiteren vgl. Ziffern 5.6.2 sowie 1.5.1 der (14.197) Botschaft vom 24. September 2014.
§ 5 Massnahmen des Kantons
Absatz 1
Das zuständige Departement kann Massnahmen zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung treffen. Damit die Gemeinden in ihren Aufgaben unterstützt werden können, ist die Erarbeitung eines Leitfadens für die Praxis geplant. Dieser soll die aus Sicht der Gemeinden wichtigsten
strategischen Fragestellungen behandeln, Finanzierungsmodelle und Vorschläge zur Beteiligung der
Erziehungsberechtigten beinhalten wie auch die wichtigsten Prozesse aufzeigen. Daneben sollen
auch Formen der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und die Rolle der Wirtschaft thematisiert
werden. Weiter soll der Leitfaden Empfehlungen zur Qualität beinhalten.
Bereits heute berät die Fachstelle Kinder&Familien Aargau im Auftrag des Kantons die Gemeinden
und Anbieter in Bezug auf die familienergänzende Kinderbetreuung (Erstberatung unentgeltlich). Die
Fachstelle ist ausserdem vom Kanton beauftragt, eine Informationsplattform der erwerbskompatiblen
Kinderbetreuungsangebote im Kanton Aargau zu führen (www.kinderbetreuung-aargau.ch). Eine entsprechende Beratung und Unterstützung soll auch in Zukunft angeboten werden können.
Im Weiteren ist eine Förderung im Bereich Weiterbildung der Betreuungspersonen gerade in Bezug
auf das Wohl der Kinder wichtig. § 5 Abs. 1 lit. c ermöglicht beispielsweise eine Kostenbeteiligung an
Weiterbildungsangeboten.
Absatz 2
Das zuständige Departement wird berechtigt, mittels Leistungsvereinbarungen Dritte zu beauftragen.
§ 6 Übergangsrecht
Absatz 1
Das Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung soll auf den 1. August 2016 in Kraft treten.
Es wird eine Übergangsfrist bis zum Schuljahresbeginn 2018/19 (August 2018) ab Inkraftsetzung der
vorgeschlagenen Neuregelung vorgesehen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gemeinden
genügend Zeit zur Verfügung haben, um den Bedarf nach familienergänzender Kinderbetreuung
festzustellen und den Zugang zu einem entsprechenden Angebot sicherzustellen.
39 von 42
Absatz 2
Der Kanton hat bisher im Sinne einer Defizitgarantie Subventionen an private Anbieter geleistet. § 51
Abs. 2 SPG sieht eine Mitfinanzierung des Kantons vor. Dieser beteiligt sich an privaten Institutionen
der familienbegleitenden Kinderbetreuung im Umfang von maximal 20 % der anrechenbaren Betriebskosten, sofern sich die Gemeinden mindestens im gleichen Umfang beteiligen (§ 35 Abs. 2
SPV). Aufgrund der noch geltenden Regelung konnten die Einrichtungen keine Reserven bilden.
Absatz 2 sieht vor, dass § 51 Abs. 2 SPG für bisher vom Kanton unterstützte Institutionen noch während der Übergangszeit bis zum Abschluss des Schuljahrs 2017/18 gelten soll. Damit kann ausgeschlossen werden, dass Einrichtungen während des Wechsels von der Objekt- zur Subjektfinanzierung Nachteile erleiden, die sie wegen ihrer finanziellen Ausstattung nicht verkraften könnten.
§ 7 Inkrafttreten
Absatz 1
Die Inkraftsetzung des neuen Kinderbetreuungsgesetzes musste aufgrund des Zeitverlusts infolge
des Rückweisungsbeschlusses verschoben werden. Neu ist die Inkraftsetzung auf den 1. August
2016 vorgesehen. Die Kommission GSW hat an ihrer Sitzung vom 24. Oktober 2014 den Prüfungsantrag gestellt, es sei der Zeitpunkt der Inkraftsetzung im Gesetz festzusetzen. Dem Prüfungsauftrag
wird mit vorliegender Regelung entsprochen. Ausschlaggebend waren drei Überlegungen: Da es
sich beim vorliegenden Geschäft um einen Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative handelt, kommt
es auf jeden Fall zu einer Volksabstimmung. Somit ist der Zeitpunkt des definitiven Beschlusses über
das neue Gesetz präzis voraussehbar (keine Referendumsfrist). Weiter sind keine kantonalen Ausführungsbestimmungen zum regierungsrätlichen Gegenvorschlag nötig. Die Vollzugsvorbereitung ist
Sache der Gemeinden. Die Übergangsregelung in § 6 Abs. 1 stellt sicher, dass die Gemeinden dafür
genügend Zeit haben.
Wegen der übergangsrechtlichen Regelung (§ 6 Abs. 1) ist die Fremdänderung des Schulgesetzes
auf den Schuljahresbeginn 2018/19, das heisst auf den 1. August 2018 in Kraft zu setzen.
Fremdänderungen
1. Schulgesetz vom 17. März 1981 (Stand 1. August 2010)
§ 7 Abs. 4
§ 7 Abs. 4 des Schulgesetzes (SAR 401.100) sieht vor, dass die Schulträger über die Einführung von
Blockzeiten und von Tagesschulen entscheiden können. Die Zuständigkeiten zur Einführung von
Blockzeiten (in Kraft seit 1. August 1998) wurde vor allem aus politischen Gründen ins Schulgesetz
eingefügt. Aus heutiger Sicht muss diese nicht mehr explizit im Schulgesetz geregelt sein. Wenn mit
der Einführung von Blockzeiten finanzielle Verpflichtungen verbunden sind, gelten die im Gemeindegesetz vom 19. Dezember 1978 (SAR 171.100) vorgesehenen Zuständigkeiten und Verfahren.
§ 68a Abs. 1
Wegen der durch die Tagesschulen verursachten Mehrkosten können die Schulträger von den Inhabern der elterlichen Sorge Beiträge verlangen, die höchstens kostendeckend sein dürfen (§ 68a
Schulgesetz). Das neue Kinderbetreuungsgesetz überlässt es den Gemeinden, ihr Angebot in den
organisatorischen Rahmen der Schule einzubetten oder schulnahe Angebote einzurichten. Schliesslich verfügt der vorliegende Entwurf sowohl über eine Normierung zur Freiwilligkeit der Angebotsnutzung als auch über eine Finanzierungsregelung, weshalb § 68a Abs. 1 des Schulgesetzes mit der
Schaffung des neuen KiBeG obsolet würde.
40 von 42
2. Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und Präventionsgesetz, SPG) vom 6. März 2001 (Stand 1. Januar 2013)
§ 39
Im geltenden Recht ist die familienergänzende Kinderbetreuung vorwiegend im SPG und der SPV
geregelt. Gemäss § 39 SPG können die Gemeinden, soweit möglich in Zusammenarbeit mit Privaten
und anderen Gemeinden, für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung sorgen. Die Gemeinden regeln die Kostenbeteiligung der Benützenden
unter Berücksichtigung sozialer Aspekte. Die Bestimmung wird durch die Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung obsolet und kann aufgehoben werden.
§ 51 Abs. 2
Der geltende § 51 Abs. 2 SPG sieht eine Mitfinanzierung des Kantons vor. Dieser beteiligt sich an
privaten Institutionen der familienbegleitenden Kinderbetreuung im Umfang von maximal 20 % der
anrechenbaren Betriebskosten8, sofern sich die Gemeinden mindestens im gleichen Umfang beteiligen (§ 35 Abs. 2 SPV). Die Kostenbeteiligung des Kantons erfolgt im Rahmen einer reinen Defizitdeckung. Sie setzt voraus, dass die Institutionen im Auftrag einer Gemeinde tätig sind und sich die mit
den Gemeinden abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen an schweizerische oder kantonale Qualitätsstandards ausrichten (§ 35 Abs. 1 SPV). Neu wird auf eine spezialgesetzliche Kantonsbeteiligung verzichtet. Die Regelung ist aufzuheben.
9. Weiteres Vorgehen
Juni 2015
Beratung Botschaft 1. Lesung in Kommission
August 2015
Beratung Botschaft 1. Lesung durch den Grossen Rat
Dezember 2015
Beratung Botschaft 2. Lesung in Kommission
Januar 2016
Beratung Botschaft 2. Lesung durch den Grossen Rat
März 2016
allfällige Redaktionslesung
5. Juni 2016
Volksabstimmung
1. August 2016
Inkraftsetzung
8
Die anrechenbaren Betriebskosten ergeben sich aus der Differenz aus den anrechenbaren Einnahmen (Kostgelder; Elternbeiträge; Vemö-
genserträgnisse; Betriebsbeiträge öffentlicher und privater Körperschaften, mit Ausnahme der Betriebsbeiträge der Gemeinden; übrige Betriebseinnahmen ausgenommen zweckgebundene Spenden) und den anrechenbaren Ausgaben (alle nach Betriebskonzept nötigen Ausgaben mit
Ausnahme von Amortisationen der Bauschuld, Abschreibungen auf Mobilien, Rückstellungen und wertvermehrenden Anlagen) vgl. § 35
Abs. 3–5 SPV.
41 von 42
Antrag
1.
Die Aargauische Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen wird
in formeller und materieller Hinsicht als gültig erklärt.
2.
Das Volksinitiativbegehren wird den Stimmberechtigten zur Ablehnung empfohlen.
3.
Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz, KiBeG) (Gegenvorschlag) wird in 1. Beratung zum Beschluss erhoben.
4.
Dem Volksinitiativbegehren wird der Gegenvorschlag des Regierungsrats gegenübergestellt.
Regierungsrat Aargau
Beilagen
• Aargauische Volksinitiative "Kinder und Eltern" für familienergänzende Betreuungsstrukturen
(Beilage 1)
• Synopse Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kinderbetreuungsgesetz, KiBeG)
(Gegenvorschlag) (Beilage 2)
• (14.197) Botschaft zur Neuregelung der familienergänzenden Kinderbetreuung vom 24. September 2014 (ohne Beilagen) (Beilage 3)
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