20 DER DEUTSCHE MITTELSTAND D ie Geschichte über German Pellets weist viele Ungereimtheiten auf. Und es scheint so zu sein, dass auch noch ein paar hinzukommen. Was einen ratlos zurücklässt, ist die Tatsache, dass hier wohl ein Unternehmer komplett macht, was er will. Es gibt keinen Aufsichtsrat oder Beirat, und auch die Rolle des Wirtschaftsprüfers erweist sich als mindestens merkwürdig. Nun könnte man meinen, ein Unternehmen wie German Pellets, das bereits mehrere Anleihen begeben hat, verfüge über Kontrollinstanzen. Doch weit gefehlt. Aufsichtsrat oder Beirat? Fehlanzeige. Das sei nicht ungewöhnlich für ein Unternehmen, das wie German Pellets gerade einmal elf Jahre alt ist, erklärt mir ein Insider. Aber Unternehmen in diesem Alter drehen gemeinhin auch nicht immer so ein großes Rad. Schließlich lag der letzte für ein Gesamtjahr gemeldete Umsatz 2014 bei mehr als 590 Millionen Euro. Eine Studie der Beratung für Unternehmensführung und -nachfolge (BFUN) zum Thema Beiräte zeigt: 90 Prozent der Unternehmen in dieser Größen- HandelsblattRedakteurin Anja Müller klasse verfügen über ein Aufsichtsgremium. Bei den darunter liegenden Umsatzgruppen werden sie immer seltener. In der Umsatzgruppe zwischen 50 und 125 Millionen Euro sind es nur rund die Hälfte. Der Grund: Viele Unternehmer, zumal wenn sie die Firma selbst gegründet haben, wollen ihre Entscheidungen wie eh und je gern allein treffen. Und wenn sie sich doch dazu durchringen können, Beiräte zu installieren, dann sitzen darin oft ihre Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Doch das ist keine gute Idee. Ein Beirat muss Strategien und Geschäftsmodelle infrage stellen und mithelfen, neue zu entwickeln. Ein Wirtschaftsprüfer hat andere Aufgaben. Ob ein Beirat die Schieflage hätte verhindern können, habe ich Experten gefragt: Sie sagen, es gebe noch immer einige Abnickgremien im deutschen Mittelstand, immer häufiger aber auch professionelle Beiräte, die zumindest für Vorsatz und Fahrlässigkeit haften, selbst Unternehmer sind und Verantwortung tragen. So jemand hätte wohl bei German Pellets die Notbremse gezogen. [email protected] Ein Pleitier hebt ab DER DEUTSCHE MITTELSTAND 21 MONTAG, 29. FEBRUAR 2016, NR. 41 Chinesen greifen nach Manz German Pellets Wings Flugbewegungen der Privatmaschine von Peter Leibold Martin Buchenau Stuttgart Datum von nach Abflugzeit Flugzeit geschätzte Kosten* Während die Insolvenzverwalterin von German Pellets nach neuen Geldquellen sucht, tourt der alte Chef in seinem Privatflugzeug quer durch Europa. Eine seltsame Rolle spielt sein Wirtschaftsprüfer. weder die Vorgänge um das Kraftwerk noch die Privatflüge ihres Chefs. Mehr über Leibolds Reisen verrät das Internet. Webseiten wie flightradar24.com geben Daten aus der Kommunikation der Maschinen mit der deutschen Flugsicherung wieder. Bei der Behörde müssen sie sich melden, sobald sie in der Nähe großer Flughäfen oder mit Autopilot fliegen. Bis Freitag ließen sich die Flugbewegungen Leibolds mit seinem Privatflieger vom Typ „Beech B 200 Super King Air“ lückenlos im Internet verfolgen (siehe Grafik). Während der Recherchen des Handelsblatts verschwanden die Daten teilweise aus dem Netz. Nach Belegen, die der Redaktion vorliegen, fungiert als Betreiber des Flugzeugs eine Gesellschaft mit dem Namen German Pellets Wings GmbH. Diese gehört laut Handelsregister Peter Leibold. Solche Flüge kann er sich wohl leisten. Laut einem Insider soll der German-PelletsChef allein 650 000 Euro Jahresgehalt bezogen haben. Seine Sprecherin gab dazu keinen Kommentar ab. Merkwürdig auch: Die German Pellets Wings, auf die das Flugzeug mit dem Kennzeichen D-IRAR läuft, ist nicht an Leibolds Wohnoder Geschäftssitz in Wismar angemeldet, sondern in Fulda. Als Ansprechpartner ist das Büro des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Hans-Dieter Alt registriert. Alt kennt German Pellets wie kaum ein Zweiter. Er prüft seit Jahren die Jahresabschlüsse des Konzerns. A. Dörnfelder, G. Hussla, J. Koenen Düsseldorf, Frankfurt L eipzig, Maastricht, Wien, Mailand – Peter Leibold ist in der vergangenen Woche viel herumgekommen. Die Reisezeit verging für den ÖkoUnternehmer buchstäblich im Flug. Der Geschäftsführer der insolventen German Pellets Gruppe, bei der rund 17 000 deutsche Anleger um 270 Millionen Euro bangen, unternahm seine Europa-Tour in einer Privatmaschine. Geschätzte Kosten für sieben Flüge: rund 25 000 Euro. Es ist das nächste Kapitel eines Wirtschaftskrimis, der beinahe täglich neue Überraschungen bietet. Bei den Gläubigern des mit wohl mindestens 443 Millionen Euro verschuldeten Brennstoffherstellers dürften Leibolds Privatflüge für Verwunderung sorgen. Schließlich fand Insolvenzverwalterin Bettina Schmudde nach ihrem Antritt am 10. Februar nur noch 5 000 Euro in der Kasse. Um den Betrieb wieder aufnehmen zu können, soll das Familienunternehmen mehrere Millionen Euro frisches Kapital benötigen, erfuhr das Handelsblatt. Einen Teil des Geldes sollte eigentlich Familie Leibold beisteuern können. Sie müsste nur einen Privatkredit von 4,5 Millionen Euro zurückzahlen, den sie sich bei ihrem Unternehmen genehmigt hat. Der Kredit ist im jüngsten Halbjahresbericht dokumentiert. Doch während 550 Mitarbeiter um ihre Jobs und Tausende Anleger um ihr Erspartes bangen, flog der Mann, der die Pleite verursachte, in seinem Privatflugzeug durch Europa und gab den Großinvestor. Eine einzige Flugstunde kostet nach Expertenschätzung rund 3 000 Euro. So viel dürfte Peter Leibold allein am vergangenen Dienstagmorgen verflogen haben, als er von Lübeck aus in Maastricht landete. Im nahen Kohlekraftwerk Langerlo in Genk kündigte er vor einem Dutzend Augenzeugen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich an. Das Kraftwerk hatte er am 8. Januar für German Pellets erworben und offenbar drei Tage später in eine österreichische Gesellschaft verschoben, die Familie Leibold indirekt kontrolliert. Bei einer Umrüstung von Steinkohle auf Biomasse winken in Belgien bis zu zwei Milliarden Euro Subventionen. All diese Schritte werfen Fragen auf. Was treibt Peter Leibold hier? Passen die teuren Flüge und die eigenmächtigen Schachzüge zu seiner Verantwortung als Chef eines in schwere Not geratenen Unternehmens? Peter Leibold ist für die Öffentlichkeit nicht zu erreichen. Seine Sprecherin kommentierte auf Anfrage Ein Wirtschaftsprüfer, der nebenher das Privatflugzeug des Geschäftsführers verwaltet? In der Branche sorgt das für Kopfschütteln. „So eine Konstellation werden Sie in keiner größeren Wirtschaftsprüfungsgesellschaft finden“, sagt ein Partner einer bekannten Kanzlei. Hans-Dieter Alt selbst erklärte auf Anfrage: „Wir haben für die German Pellets Wings GmbH die klassischen Leistungen als Steuerberater erbracht.“ Diese seien auch von der Betreibergesellschaft bezahlt worden. Alt war bis zur Schieflage wohl die einzige echte Kontrollinstanz im Unternehmensgeflecht. Denn die Wismarer German Pellets GmbH hatte bis zuletzt weder einen Beirat noch einen Betriebsrat. Die Wertpapieraufsicht Bafin prüfte sämtliche Emissionsprospekte von German Pellets nur auf Vollständigkeit, nicht auf ihre inhaltliche Schlüssigkeit. Einzig der Wirtschaftsprüfer war dazu verpflichtet, die Unternehmensdaten auch darauf zu kontrollieren, ob sie wirtschaftlich Sinn ergeben und den Grundsätzen eines ordentlichen kaufmänni- © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. W ieder steigt ein chinesisches Unternehmen bei einem schwäbischen Maschinenbauer ein. Nach Betonpumpenhersteller Putzmeister und Strickmaschinenbauer Stoll holt sich jetzt der schwäbische AppleZulieferer Manz Unterstützung aus China. Der Firmengründer und Vorstandschef des angeschlagenen Unternehmens aus Reutlingen, Dieter Manz, ermöglicht dem chinesischen Maschinenbauer Shanghai Electric über eine Kapitalerhöhung den Einstieg mit mindestens 29,9 Prozent der Anteile. Manz erhofft sich für das an der Börse mit 200 Millionen Euro bewertete Unternehmen eine Kapitalspritze von mehr als 90 Millionen Euro. 90 Mio. Euro erhofft sich Manz vom Einstieg der Chinesen. Quelle: Unternehmensangabe Handelsblatt | *Annahme: 3 000 Euro pro Flugstunde Quellen: flightradar24.com, eigene Recherche Viel Geld für sonstige Leistungen Honorare des Abschlussprüfers der German Pellets GmbH Honorar gesamt: 840 000 € 800 000 davon: 474 000 € Sonstige Leistungen 600 000 400 000 215 000 € Bestätigungsund Steuerberatungsleistungen 200 000 0 151 000 € Prüfleistungen 2010 Handelsblatt Holzpellets: Heizmaterial aus gepressten Holzresten und Sägespänen. 2011 2012 2013 2014 Quelle: Jahresabschlüsse schen Gebarens entsprechen. Alt, der am kommenden Sonntag für die CDU bei den Kommunalwahlen antritt, hat wie auch Peter Leibold Wurzeln in Fulda. Seit 2015 trägt er das Bundesverdienstkreuz. Von 2010 bis 2014 hat Alt insgesamt 3,1 Millionen Euro Honorar für seine Prüfertätigkeit bei German Pellets erhalten, geht aus den Geschäftsberichten hervor. Darunter 1,9 Millionen Euro für „sonstige Leistungen“, die im Jahresabschluss nicht näher erläutert sind. Was diese „sonstigen Leistungen“ konkret beinhalteten, darüber macht Alt keine näheren Angaben. Fest steht nur: Alt fungiert auch als Vorstand einer Stiftung in Wien, die im Geflecht von Leibolds Firmenreich eine be- laif, Mike Dietrich Vorsicht vor Firmen außer Kontrolle Fotolia MARKTPLATZ MONTAG, 29. FEBRUAR 2016, NR. 41 deutende Rolle spielt – die Pele-Stiftung in der Tegetthoffstraße 7. Über diese Stiftung schleuste die Familie Leibold Ausleihungen von German Pellets in die USA, die dort zur „Sicherung der Produktion“ dienen sollten, wie versteckt im letzten Genussrechtsprospekt steht. Ein dreistelliger Millionenbetrag ist laut Ratingagentur Creditreform über den Umweg Wien in Amerika gelandet. Hintergrund: In den USA betreibt die Leibold-Familie zwei große Pellets-Produktionswerke, die nur indirekt über umfangreiche Liefergarantien und Bürgschaften mit der German Pellets Gruppe verbunden sind. Dorthin floss das an die Stiftung verliehene Anlegergeld, und zwar in der Form von Eigenkapital. Damit haben die Insolvenzverwalterin in Wismar und die Gläubiger von German Pellets vorerst keinen Zugriff mehr darauf. Alt könnte als ein Vorstand der Stiftung also einer der Akteure bei der Ver- schiebung deutscher Ersparnisse nach Übersee gewesen sein. Gleichzeitig hat er die Zahlen der German Pellets GmbH geprüft. Michael Olbrich, Leiter des Wirtschaftsprüfungsinstituts der Uni Saarbrücken, kommentiert: „Ein Wirtschaftsprüfer kann ohne Zweifel auch Vorstand einer Stiftung sein. Ich halte es jedoch für bedenklich, wenn diese Stiftung mit dem Unternehmen verbunden ist, das er prüft. Mir stellt sich hier die Frage nach der gebotenen Unabhängigkeit.“ Daniel Bauer von der Anlegerschutzgemeinschaft SdK wird noch deutlicher: „Es gab tatsächlich bis auf den Wirtschaftsprüfer keinerlei weitere Personen, die Kontrolle ausüben mussten (...). Da der Wirtschaftsprüfer unserer Einschätzung nach nicht unabhängig gewesen sein dürfte, konnte Herr Leibold unserer Meinung nach quasi walten wie ein Patriarch.“ Linkes Bild: Der Geschäftsführer der insolventen German Pellets, Peter Leibold. Rechtes Bild: Peter Leibolds Privatflugzeug vom Typ „Beech B 200 Super King Air“. Hans-Dieter Alt gab der Redaktion keine Stellungnahme zu seiner Rolle bei der Stiftung ab. Er unterstütze die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung der Vorgänge und wolle diesem Ablauf nicht durch öffentliche Stellungnahmen vorgreifen. Gegenüber der „Zeit“ hatte er zuvor Interessenkonflikte bestritten. Die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt gegen Leibold wegen Verdachts auf Unterschlagung. Dieser schweigt zu den Vorwürfen. Leibold war auch zu den Fragen der Aufsicht über seine Geschäftsführung und zu seinem Umgang mit dem Geld der Gläubiger nicht erreichbar. Seine Sprecherin gab keine Stellungnahme ab. Leibolds „Beech B 200 Super King Air“ stand am Freitag wieder in Lübeck. Dort parkte die Maschine im passenden Umfeld: Der Flughafen Lübeck-Blankensee ist seit 2014 insolvent. Der neue Investor aus China erhält damit Zugang zur Technologie der Energiespeicher-Systeme und der Solar-Sparte von Manz, hieß es in einer Mitteilung. Damit sei auch die Entscheidung gefallen, das defizitäre Geschäft mit Dünnschicht-Solarmodulen (CIGS) fortzuführen, das Manz im vergangenen Jahr infrage gestellt hatte. Manz passt als Anlagenbauer und Solar-Unternehmen genau ins Anforderungsprofil chinesischer Unternehmen, die mit Übernahmen auf deutsche Technologie abzielen. Unter anderem wegen Auftragsverschiebungen vor allem in China schrieb Manz 2015 rote Zahlen. Ein Sanierungsprogramm läuft. Beinahe jede zehnte Stelle wird gestrichen. Der Aktienkurs hat sich in den vergangenen zwölf Monaten auf rund 37 Euro nahezu halbiert. Haupteinnahmequellen des Unternehmens sind Anlagen zur Produktion von Displays für Tablet-PCs, Smartphones und Notebooks. Große Hoffnungen setzt Manz auf das noch junge Batterie-Geschäft, in dem der Spezialmaschinenbauer von der steigenden Nachfrage nach Elektroautos profitieren will. Shanghai Electric soll über eine Kapitalerhöhung um 43 Prozent einsteigen. Vorstandschef Manz und seine Frau Ulrike, die zusammen 39 Prozent halten, wollen nicht mitziehen. Ihr Anteil dürfte nach Verwässerung aber noch über der Sperrminorität liegen. Die Familie Manz und die Chinesen planen, ihre Anteile zu poolen. In diesem Fall müsste den freien Aktionären ein Pflichtangebot gemacht werden. Manz will das Unternehmen weiterhin führen. Der Aufsichtsrat habe seinen Vertrag um fünf Jahre verlängert, teilte er mit. mwb
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