Predigt Dankbarkeit 1

Predigt
vom 21.2.2016
Warum Dankbarkeit so wichtig ist?
von Anke Wiedekind
Kennen Sie diesen erstaunlichen Satz: „Das ist nicht fair“?
Haben Sie das schon mal gedacht? Das ist nicht fair! Als ein anderer Ihren Job bekommen hat, als
Sie beim Sport in der Schule immer als letzter gewählt wurden, als jemand Sie aus unerklärlichen
Gründen benachteiligt oder hintergangen hat? Das ist nicht fair. Ich glaube, dass es unzählige
Momente gibt, in denen wir dieses Gefühl haben. Vielleicht können wir „Das ist nicht fair“ ja
einmal alle laut zusammen sagen. Na, das klingt doch so, als käme es bei einigen von Ihnen von
Herzen.
Ich möchte Ihnen mal ein kleines Experiment vorführen:
Hier sind Joey und Vicky. Zwei total nette Mädchen, die gerne Kekse mörgen. Jetzt passen Sie mal
auf, was passiert, wenn ich die Kekse auspacke, die ich für die beiden mitgebracht habe: Ich gebe
Joey einen Keks. Na: Sie freut sich so richtig. Ist doch auch schön, einen Keks zu haben. Aber jetzt
kommt der „Das ist nicht fair“-Effekt. Ich gebe Vicky - zwei Kekse. Sehen Sie, jetzt freut sich
Vicky. Aber wer sich nicht mehr freut, das ist Joey. Erstaunlich, oder? Sie denkt sich: „Das ist nicht
fair“. Und ihre Freude ist weg.
Stellen Sie sich die beiden jetzt in ein paar Jahren vor. Angenommen, die beiden haben am
gleichen Tag Geburtstag. Ich gebe Joey ein Geschenk. Es ist eine CD ihrer Lieblingsband. Sie ist
begeistert. Jetzt aber aufgepaßt, ich gebe Vicky auch ein Geschenk. Es ist eine Eintrittskarte für
ein Konzert ihrer Lieblingsband. Komischerweise ist Joey jetzt gar nicht mehr begeistert. Sie denkt
sich: „Das ist nicht fair“. Ich halte das für einen ganz merkwürdigen Effekt.
Damit es auch alle nachvollziehen können, betrachten wir die beiden noch mal als
Fünfunddreißigjährige. An diesem Tag zahlt Ihr Chef die Provisionen für das vergangene Jahr aus.
Joey bekommt 9500,- €. Sie ist hochzufrieden. Sie hat gut gearbeitet und ist überzeugt, daß sie das
verdient hat. Dann aber wirft sie zufällig einen Blick auf den Scheck von Vicky. Und die hat
27.000,- € Provision bekommen. Und da, wo eben noch große Freude war, ist jetzt tiefe
Enttäuschung. Sie denkt sich: „Das ist nicht fair!“ Einen herzlichen Dank an unsere beiden Damen.
Es macht einen großen Unterschied in unserem Leben, ob wir mit der „Das ist nicht fair“-Haltung
durchs Leben gehen oder mit der „Ich bin dankbar“-Haltung. Ich wage mal eine drastische These:
Die „Das ist nicht fair-Haltung“ ist die perfekte Anleitung zum unglücklich Sein und die „Ich bin
dankbar“-Haltung ein sehr guter Weg, um fröhlich und zufrieden durch das Leben zu gehen. Also
einfach gesprochen: wenn Sie unglücklich werden wollen, dann denken Sie zehnmal am Tag: „Das
ist nicht fair.“ Es ist nicht fair, dass heute die Sonne nicht scheint. Es ist nicht fair, dass heute
morgen die Lieblingsbrötchen beim Bäcker ausverkauft waren und ich so ein pappiges Ding essen
musste. Es ist nicht fair, dass mir heute vor dem Gottesdienst so eine dumme Nuss den schönen
Parkplatz geklaut hat. Wir sind noch nicht bei 10, aber Anlässe zu beschweren gibt es genug und
ich bin sicher, Sie sind kreativ und schaffen es bis zehn, vielleicht sogar weiter. Nur das Ergebnis
ist einfach nicht schön. Denn je mehr Sie sich einreden, dass das Leben Ihnen übel mitspielt, desto
mehr glauben Sie das auch und werden unglücklich und unzufrieden.
Und weil wir hier in Deutschland sind und wir Deutschen Weltmeister nicht nur beim Fußball,
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sondern auch im Jammern sind, möchte ich Tricks aufzeigen, die uns helfen, immer undankbarer
zu werden:
1. Trick: Vergleiche dich mit anderen.
Das haben wir gerade schon gesehen bei dem kleinen Beispiel vorhin. Es ist schon verrückt, oder:
Ein an sich glücklicher Mensch wird unglücklich, weil er das, was er hat plötzlich in Relation setzt
zu einem, der mehr hat. Und da es immer einen gibt, der mehr von dem hat, was ich habe, ist
vergleichen, der Premium-Tipp. Damit kann man nichts falsch machen. Nur leider scheint das allzu
verbreitet zu sein. Wir denken vielleicht gar nicht daran, uns etwas Bestimmtes zu wünschen, aber
plötzlich sehen wir jemanden, der etwas hat, und schon wollen wir das auch.
2. Trick: Denke daran: es könnte immer noch besser sein
Es gibt ein schönes Märchen, das wahrscheinlich alle von uns kennen: der Fischer und seine Frau.
Sie saßen in einer einfachen Holzhütte, da wünscht sich die gute Frau ein Steinhaus. Verständlich.
So eine Holzhütte am Meer – wer weiß, ob sie den Stürmen so standhält. Aber kaum ist das
Steinhaus da, ist das Steinhaus nicht gut genug und der nächste Wunsch ist auf ihren Lippen. So
geht das weiter, bis sie schließlich das Ende der Fahnenstange erreicht hat und der nächste Wunsch
dazu führt, dass sie wieder in ihrer Holzhütte leben. Das Interessante ist, dass wir gerne unsere
Dankbarkeit an bestimmte Vorstellungen koppeln. Und wir sind da nicht besser als die Fischersfrau,
deren Verhalten so ein bisschen lächerlich gemacht wird. Hand aufs Herz: die meisten von uns
haben schon so oder ähnlich mal gedacht: Ja, wenn ich erst mal das und das habe, dann bin ich
dankbar. Ja, wenn ich erst mal das und das erreicht habe, dann ich bin ich zufrieden. Ich verrate
Ihnen was: die glücklichsten und dankbarsten Menschen leben erwiesenermaßen in den ärmsten
Ländern dieser Welt. Und im reichen Westeuropa, in dem fast jeder alles hat, um gut leben zu
können, gibt es die höchste Selbstmordrate. Dankbarkeit hängt nicht an Umständen. Es ist eine
Lebenshaltung, in die mich einfinden kann oder eben auch nicht.
3. Trick, um undankbar zu sein: vergesse das Gute
Das klingt jetzt ein bisschen provokant. Keiner vergisst absichtlich das Gute. Wir tun es
automatisch. Stellen Sie sich vor, Sie fahren morgens auf die Arbeit. Dreiviertel der Strecke
kommen Sie gut durch, aber auf dem letzten Viertel haben Sie eine Schnarchbacke vor der Nase.
Ein Sonntagsfahrer oder Tourist, der sich an der beschaulichen Gegend freut, aber nicht weiß, wo
sein Gaspedal ist. An was erinnern Sie sich später? Daran dass Sie ja im Prinzip ganz gut
durchgekommen sind? Oder an den Fahrer vor Ihnen, der Ihnen geholfen hat, sich frühmorgens an
der schönen Natur zu freuen?
Wir haben eine Tendenz, das Negative abzuspeichern und das Gute als selbstverständlich
hinzunehmen. In der Bibel steht darum im Psalm 103: Lobe den Herrn meine Seele und vergiss
nicht, was er dir Gutes getan hat. Das steht ein paar Mal in diesem Psalm – aus gutem Grund: denn
wir vergessen. Wir vergessen, wenn wir nicht aktiv dagegen arbeiten und die schönen Seiten uns
immer wieder vor Augen führen.
Drei Tricks habe ich Ihnen genannt, die Ihnen dabei helfen können, undankbar zu werden. Das
wollen wir natürlich nicht, denn es geht ja in der 5-Wochen-Aktion um Dankbarkeit.
Aber wir müssen uns über folgendes klar werden: wir tragen (bildlich gesprochen) zwei kleine
Männchen auf unseren Schultern. Das eine raunt immer von links ins Ohr: „Hey, schau, der hat
aber noch viel mehr als du. Hey, das ist unfair. Oh Mann, ich wollte doch nicht nur ein Keks, ich
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wollte eine Sahnetorte. Menno, jeden Tag habe ich Pech, immer läuft alles Scheiße.“ Und das
andere Männchen raunt von links ins Ohr: „Schau mal, wie cool ist das denn? Da schenkt mir
jemand einfach so einen Keks. Oh Mann, ich habe so einen tollen Chef, der hat mir eine geniale
Gratifikation gegeben. Hey, ich fühle mich so beschenkt, weil mir heute schon den ganzen Tag
nette Leute begegnen. Da wollte mir einer den Parkplatz wegnehmen, aber sind wir ins Gespräch
gekommen, und wir haben uns so nett unterhalten.“ Zwei Männchen. Auf meinen Schultern. Beide
reden ununterbrochen. Aber ich entscheide, wem ich zuhöre, wem ich Raum gebe, wen ich meine
Gedanken und meine Gefühle bestimmen lasse. Dankbarkeit hängt nicht an Umständen,
Dankbarkeit ist eine Entscheidung. Ich fälle diese Entscheidung nicht einmal und bin wie von
Zauberhand ein dankbarer Mensch, sondern ich fälle sie jeden Tag neu. Viele, viele Male. Und mit
jeder Entscheidung zu Gunsten der Dankbarkeit verändert sich mein Herz. Mit jeder Entscheidung
für die Dankbarkeit beginne ich mein Leben anders zu sehen. Mit jeder Entscheidung für die
Dankbarkeit stimme ich mich auf eine andere Lebensmelodie ein, kein Jammergesang, sondern ein
Lobgesang.
Und kleine Bemerkung am Rande: das heißt nicht, dass man nicht auch mal durchhängen darf. Es
heißt nicht, dass man sich zwanghaft ein Gute-Laune-Gesicht aufsetzen muss, auch wenn sich gar
nicht danach fühlt. Jeder ist mal traurig und mies drauf, muss auch mal ein bisschen jammern. Es
heißt nur, dass wir uns nach dem Richtigen ausstrecken sollten: nämlich nach der Dankbarkeit.
Drei Dinge habe ich genannt, die uns helfen, undankbar zu werden. Drei Dinge möchte ich nennen,
die sich zum Guten verändern, wenn wir dankbar werden:
1. Dankbarkeit wertschätzt den Geber der Gaben.
Ich weiß nicht, ob Sie dieses Gefühl kennen, nachdem Sie einen Kindergeburtstag mit relativ
kleinen Kindern hinter sich gebracht haben. Eine Horde Jungs einen ganz Tag gebändigt. Alles hat
einigermaßen geklappt. Sie sind völlig erschöpft. Und dann am Ende des Tages: „Mama, aber der
Kuchen, den die Mama vom Leon gebacken hat, war ein bisschen leckerer. Mama, och, ich hätte
doch lieber das Playmobil-Piratenschiff gehabt statt das von Lego. Aber Mama, warum musste denn
die Kinder schon so früh gehen? Beim Max durften die Kinder noch übernachten“. Das ist der
Zeitpunkt, wo man am liebsten in die Tischkante beißen möchte.
Ich glaube, Gott hat jeden Tag bei uns so ein Kindergeburtstagfeeling.
Dankbarkeit wertschätzt den Geber der Gaben. Dankbarkeit ist darum für die Beziehungen so
immens wichtig. Weil ich durch das ausgesprochene „Danke“ demjenigen, der mir Gutes getan hat,
zeige: „Ich habe gesehen, wie viel Zeit, Mühe und Liebe du investiert hast. Es war nicht umsonst,
sondern es ist bei mir angekommen und es hat mich berührt und froh gemacht.“ Dankbarkeit baut
an unseren Beziehungen, auch an unserer Beziehung zu Gott, weil ich realisiere, da ist ein Gott,
der für mich ist, der mir Gutes tut. Jeden Tag.
2. Dankbarkeit hilft mir, mich mit meiner Geschichte zu versöhnen.
Unser Leben ist in der aller meisten Fällen eine Achterbahnfahrt. Gute Zeiten – schlechte Zeiten.
Gepflastert mit Entscheidungen, von denen wir nicht wissen, ob sie wirklich gut waren. Manchmal
hadern wir, manchmal möchten wir im Leben am liebsten den Resetknopf drücken und nochmal
von vorne anfangen. Aber das geht nicht. Trotzdem liegt in jeder schwierigen Phase auch ein Stück
Gutes. Gnade. Begleitung durch Gott. Wir können das oft in dem Moment nicht sehen, aber im
Rückblick sehen wir es. Wenn wir dankbaren Herzens sind. Und manchmal offenbart sich ein guter
roter Faden, der sich durch unser Leben zieht. Eine Segensspur, an der wir Gottes Handeln
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erkennen können. Dankbarkeit hilft uns, uns mit unserer Geschichte zu versöhnen. Es hilft uns, mit
den Augen des Glaubens auf unser Leben zu schauen.
3. Dankbarkeit zeigt mir, dass nicht meine Leistung zählt, sondern ich als Person.
Viel zu leisten, ist was Tolles. Aber das meiste in unserem Leben haben wir uns nicht durch unsere
Leistung verdient. Es ist uns geschenkt worden. Einfach so. Weil der Schöpfer des Himmels und der
Erden es so wollte. Weil er ein durch und durch zugewandter, gütiger, liebevoller Gott ist. Das
Fatale ist: Je mehr man es liebt, etwas zu leisten, desto schwerer fällt es einem, ein Geschenk
anzunehmen. Ein Geschenk, für das man nichts zurückschenken kann. Wir haben das im
Theaterstück gesehen. Das macht ein bisschen hilflos, fühlt sich komisch an. Man muss demütig
dafür sein. Doch je mehr wir das zulassen können, desto mehr begreifen wir: hier geht es nicht um
meine Funktionalität, nicht darum, wie viel ich leisten kann. Hier geht es um mich. Da meint einer
mich. Weil ich ihm wichtig bin. Ich als Mensch, als Person. Mit meinen Ecken und Kanten. Und das
macht so unglaublich glücklich.
Ich möchte Sie einladen zu einem Experiment in dieser Woche. Ändern Sie in dieser Woche mal Ihr
Nachtgebet in ein reines Dankgebet. Versuchen Sie mal jeden Abend, egal wie der Tag war auf
mind. 5 Dinge zu kommen, für die Sie Gott danken können. Das muss nichts Großes sein. Ein
Lächeln, ein Sonnenstrahl, ein leckeres Essen, eine schöne Tasse Kaffee, was auch immer Sie
genießen. Danken ist etwas Wunderschönes. Freimachendes. Aufbauendes. Lassen Sie uns das
miteinander einüben.