Abstracts - Wiener Psychoanalytische Akademie

Sigmund-Freud-Vorlesungen 2015
13./14. November 2015
Lust.Verschlingen.Alles
Donnerstag, 12. November 2015: Vorprogramm
20.15- 22.00
Alfred Springer: „Like love the vampires bite is forever” – die Faszination der oralen Re- und
Transgression im fantastischen Film.
Es wird ein kurzer phänomenologischer Überblick über die im fantastischen Film
abgehandelten Genres (Vampirismus, Kannibalismus, Zombies, etc.) gegeben um
anschließend anhand ausgewählter Filme auf den Lustcharakter der Filme und die Interaktion
zwischen filmischem Artefakt und Triebstruktur des Publikums einzugehen. Als Bezugsliteratur
bzw. theoretischer Rahmen werden, neben den grundsätzlichen Texten von Freud und M.
Klein, Texte von Stephen Schneider, Barbara Creed, Julia Kristeva, Linda Williams und Carol
Clover genutzt, um eine Auseinandersetzung mit feministischen Positionen und der QueerTheorie zu ermöglichen.
Freitag, 13. November 2015
16.00- 18.00
Wolfgang Groysbeck: Oralität-Moralität.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Denn das Über-Ich, hauptsächlicher Träger der
moralischen Einstellung, hat seinen Ursprung in der oralen Phase. Die ersten primitiven
Schuldgefühle entstehen, wenn das verschlungene Objekt vermisst und für tot gehalten wird.
Die Folgen davon können sowohl in klinischen Symptomen, vor allem bei depressiven
Patienten, als auch in manchen kollektiven mythischen Erzählungen aufgefunden werden.
Daru Huppert: Oralität und Schlaf
Ausgehend von Bertram Lewins „oraler Trias“ (fressen, gefressen werden und schlafen)
möchte ich mich Freuds Metapsychologie des Schlafs zuwenden
18.30 -20.30
Peter Schuster: Die neiderfüllte Beziehung
Gabriele Jutz: Das gefräßige Auge. Oralität und Film.
Auch wenn Distanz ein Grundbestandteil des voyeuristischen Blickdispositivs ist, so darf nicht
übersehen werden, dass sich das Auge bisweilen auch als »gefräßiges Organ« (Ruhs 2010)
gebärdet, ganz darauf aus, das Objekt zu konsumieren. Bereits die Frühgeschichte des Films
ist reich an Voyeuren, die sich des Schauobjekts – bisweilen unter Zuhilfenahme optischer
Instrumente – zu bemächtigen suchen. Die Freßsucht des Auges ist für die Schaulust nicht
minder konstitutiv als das Begehren nach Distanz. Voyeurismus ist folglich durch eine
Doppelfigur gekennzeichnet: Einerseits und leitend durch die Kategorie der Distanz,
andererseits und komplementär dazu durch die Suche nach Nähe, auch wenn ein
Verschmelzen von Blicksubjekt und -objekt illusorisch bleibt.
Gabriele Jutz
Univ.Prof. Mag.Dr.phil., Film- und Medienwissenschaftlerin Seit 1993 Lehrtätigkeit an der
Universität für angewandte Kunst Wien. 2009 Habilitation zum Thema „Cinéma brut. Eine
alternative Genealogie der Filmavantgarde“ (Springer/edition angewandte 2010). 2010
Vertretungsprofessur für Filmwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt/Main.
Zahlreiche Aufsatzpublikationen zu Film und Geschichte, feministischer Filmtheorie, Ästhetik
und Theorie der audiovisuellen Medien, insbesondere Filmavantgarde, Ton und Medienkunst.
Samstag, 14. November 2015
9.00-10.30
K. Leithner Dziubas: Muttermund
„Das Genitale der Frau ist ihr zweites Gesicht “, sagt der plastische Chirurg, ein für viele
Frauen nach wie vor unbekannter Ort, für den keine Worte gefunden werden, der als
unbegreiflich oft ängstlich vermieden wird. Das weibliche innere und äußere Genitale ist in
seinen Bezeichnungen eng mit dem Mund, der Mutter, dem Verschlingen, dem Abbeißen,
dem Oralen verbunden. Unbewusste Phantasien darüber beeinflussen Schwangerschaft und
Gebären und lassen sich in neuen Phänomenen der Frauenheilkunde auffinden.
M. Springer-Kremser:Vom Objekt zum Abjekt. Verschlingende und ausspuckende
Mütter - traumatisierte Töchter
Die Auswirkungen früher oral-sadistische Vorstellungen und der vielen Bedeutungen und
Facetten der Abjektion (Kristeva 1982): wie das Nicht-respektieren von Grenzen, Rollen,
Positionen, das Zerstören von Identität, System und Ordnung, wie es Patientinnen von ihren
Müttern
erlebten,
tauchen in Analysen/analytischen Therapien von Frauen in
unterschiedlichen Zusammenhängen auf. Die Bilder, die kleine Mädchen von ihren Müttern
haben, und wie diese in der erinnerten Fantasie von Patientinnen präsent sind, beschreiben
Verschlingendes, Zerstörendes, das eigene Leben Gefährdendes und jedes Begehren
Strafendes. Die frühe, orale Ambivalenz (Abraham), mit der Muttermilch der kleinen Tochter
eingeflößt, scheint ein Schlüssel zum Verstehen der problematischen Auswirkungen zu sein,
welche diese persistierenden Fantasien einer Existenz zwischen verschlungen und verstoßen
werden – oft gleichzeitig - für Körperlichkeit und Sexualität im Leben der Frauen haben.
Diesen gegenüber gestellt werden angstbesetzte Wünsche, Fantasien und Begehren von
Frauen, die mit fragwürdiger Indikation, aber verschlingender Gier, Fruchtbarkeitstechnologie
in Anspruch nehmen.
11.00-12.30
Johanna Sommer- Frenzel: Zivilisierung und die Abwehr primärer Sinnlichkeit.
Psychoanalytische Betrachtungen zum Thema Mensch und Tier
Zum Fressen gern. Immer mehr Menschen auf dieser Welt wollen immer mehr Fleisch essen.
Zugleich werden die verheerenden Auswirkungen übermäßigen Fleischkonsums zunehmend
deutlicher und es entstand in den letzten Jahrzehnten eine breite gesellschaftliche Diskussion
über Vegetarismus, vegane Lebensweise und unser Verhältnis zu, wie unseren Umgang mit
Tieren. Die scheinbar verbindliche Demarkationslinie der dualen Setzung „Mensch-Tier“ wird
in Frage gestellt. Der Vortrag will in die – psychoanalytisch kaum beachtete - Thematik
einführen.
Ulrike Kadi: Virtuelle Esskulturen
Im Sozialen Netz wird nicht nur zu Demonstrationen aufgerufen, sondern es werden auch
Rezepte mitgeteilt. Sogenannte Küchenblogs übernehmen Funktionen, die noch vor wenigen
Jahren ein ererbtes, manchmal über mehrere Generationen entstandenes Kochbuch erfüllt
hat. Im Vortrag werden Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen beiden Formen der
Übermittlung dargestellt. Die Überlegungen sind als Vorarbeiten für eine Auseinandersetzung
mit virtuellen Behandlungskulturen gedacht.
13.00-14.30
Sylvia Zwettler-Otte: Überlegungen zum Hunger nach Realität, seinen Ursachen und
Folgen
Während Hunger ein Körpergefühl ist, das in einem psychoanalytischen Modell als Analogon
zur Libido des Sexualtriebes vorstellbar ist, bezieht sich „Realität“ gewöhnlich auf die äußere
Wirklichkeit. Die Psychoanalyse hat Möglichkeiten, auch die innere, psychische Realität eines
Menschen mit ihren unbewussten seelischen Vorgängen, Wünschen, Ängsten, Phantasien
und Konflikten zu erforschen. „Hunger nach Realität“ setzt innen und außen zueinander in
Beziehung und kann als Gegentendenz zur Entfremdung von der Realität wirken. Hunger
wird in seiner leichtesten Form als Appetit, in seiner stärksten Ausprägung als
lebensbedrohlicher Mangel erlebt. Im psychoanalytischen Prozess kann man die Übertragung
des Analysanden als ein drängendes unbewusstes Bedürfnis verstehen, etwas aus der
Vergangenheit in der Gegenwart Aktualität werden zu lassen und so zu realisieren; doch nicht
das Agieren, sondern das Verstehen solcher Wünsche ist das Ziel, das Veränderung
ermöglicht. Auch die Kreativität braucht einen inneren Antrieb, um mit den inneren Phantasien
äußere Objekte zu erreichen.
Irene Bogyi - Ela Hornung-Ichikawa: „Du stirbst nicht, wenn du nicht isst..."
Zur tödlichen Dimension des Genießens im Film "Das große Fressen"
(Marco Ferreri, Frankreich 1973)
Auf der Bühne des Films „Das große Fressen“ wird eine bildgewaltige Völlerei mit tödlichem
Ausgang inszeniert. Ausgehend von Freuds und Lacans Todestriebkonzept stellen wir die
Frage nach den tödlichen Dimensionen des Genießens, einem „Jenseits des Lustprinzips“,
das vor allem durch die männlichen Protagonisten vermittelt wird. Die männlichen Helden
fressen sich zu Tode. Die an der Schlemmerei beteiligten Frauen hingegen treiben die
Handlung elementar an, entgehen aber dem tödlichen Genießen, oder anders: bleiben
diesseits der Grenze und erreichen den Tod nicht. Ein weiterer Aspekt bezieht sich auf die
gesellschaftskritische Dimension des Films, nach den Hungerjahren der Kriegs- und
Nachkriegszeit, des Wiederaufbaus der 50er/60er Jahre machen sich in den 70 Jahren bereits
Zweifel, Überdruss und Kritik an schrankenlosem Konsum und Genießen bemerkbar.
Freitag, 8. Mai 2015
16.00-18.30
Friedl Früh:
Die Oralität im Feld des infantil Sexuellen
Es ist das Anliegen dieser Arbeit, den Begriff der Oralität im engen Zusammenhang mit der
Findung der Infantilen Sexualität zu erklären, wie er von Freud in den „Drei Abhandlungen Zur
Sexualtheorie“(1905) erstmals definiert wurde. Am Ausschnitt eines Fallbeispiels aus der
Jetztzeit sollen in aller notwendigen Kürze die Gültigkeit dieser Erkenntnisse aufgezeigt
werden.
Esther Hutfleß: Il faut bien manger
„Mündlichkeit“ als Ethik der Offenheit in Philosophie und Psychoanalyse
Die Auseinandersetzung mit und das Bekenntnis zur Psychoanalyse als kritischem Reservoir
für gesellschaftliche Veränderungen durchziehen das Werk des Philosophen Jacques Derrida.
Im dekonstruktiven Wiederaufgreifen von Motiven aus dem Werk Sigmund Freuds, Jacques
Lacans und Melanie Kleins und der kritischen Auseinandersetzung mit traditionellen ethischen
Konzepten entwickelt Derrida eine Ethik der Gastfreundschaft, die den anderen als radikalen
und monströsen anderen ins Zentrum rückt. Il faut bien manger (Man muss wohl essen)
bedeutet in diesem Zusammenhang für Derrida, mit dem anderen zu essen, zu essen, was
der andere isst, den anderen eintreten lassen, ohne ihn zu verschlingen oder zu vernichten.
Damit wäre der Übergang von der paranoid-schizoiden zur depressiven Position, von der
Oralität zu einer neuen Mündlichkeit im Sinne der Symbolisierungsfähigkeit als ethische
Wende zu verstehen. Der Vortrag möchte dem Konzept dieser Mündlichkeit (buccalité; lat.
bucca = Mund, Wange, hier auch in Zusammenhang mit Ausdruck und Einfall) im weitesten
Sinne nachgehen und die Ethik Derridas im Kontext einer psychoanalytischen Ethik
beleuchten.
Roman Widholm: Umgehungen - Das Problem der Stimme im Autismus
Mein Beitrag wird auf die Formen des Oralen im Autismus eingehen und diese im Bezug zur
Stimme ausarbeiten. Hierzu werde ich die unterschiedlichen Ausprägungen des Oralen im
Kanner & Asperger Autismus darstellen und die psychoanalytischen Erklärungsmodelle
(Bettelheim, Tustin, Lacan) rekapitulieren. Im Weiteren stelle ich dar, wie die
psychoanalytische Klinik der Gegenwart mit Patienten aus dem Autismusspektrum arbeitet
(insbesondere in Frankreich, Belgien und Spanien) und welche Maßgabe hierzu daraus
erwächst, die Partialobjektebene des Oralen nicht aus dem Blick zu verlieren. Schließlich
möchte ich mich daran wagen, anhand des Oralen einen Vergleich zwischen der Klinik des
Autismus und der Struktur der Perversion zu ziehen. Ein ausgearbeitetes abstract sende ich
Ihnen alsbald, jedenfalls vor Ende Februar.
19.00- 20.30
Peter Kubelka: Der Mund im Tier
Samstag, 9. Mai 2015
9.00- 10.30
August Ruhs:
Gier des Mundes-Gier des Auges
Der über das orale Triebdispositiv laufende psychische Metabolisierungsprozess in seiner
Wirkung auf die Bildung von Ich- und Objekt-Repräsentationen gehört zu den ins Archaische
hineinreichenden Grundlagen unbewusster Identifizierungsvorgänge. In dieser Hinsicht hat
Freud von oral determinierten Inkorporationen als primäre Identifizierungen mit dem ganzen
Objekt gesprochen und versucht, im Mythos des von den Söhnen verschlungenen Vaters der
Urhorde die transgenerationale Weitergabe der Lebenskraft und der unsterblichen Libido
allegorisch zu fassen. Ontogenetisch sind Inkorporationsphänomene von Bedeutung, die ihre
Wurzeln in Erfahrungen und Phantasmen rund um die Ereignisse von Zeugung,
Schwangerschaft und Geburt (letzteres vor allem verbunden mit dem mütterlichen Phantasma
einer Reinkorporation des Neugeborenen) haben. Soweit sie an der Konstituierung einer
Imago der Mutter(brust) und der frühesten Körperbilder beteiligt sind, sind sie auf zwei
Empfindungs- bzw. Triebebenen wirksam: einerseits im Akt des Saugens als orale
Verschmelzung im Sinne eines aktiven und passiven „Kannibalismus“, welcher der erst in der
Entwöhnung sich entwickelnden Oralerotik vorausgeht und andererseits als Phänomen der
Skopophilie und deren Einverleibungswirkung, was dem Auge weit über das Sehen
hinausreichende Funktionen verleiht. Es war Otto Fenichel, der 1935 in seiner Arbeit
„Schautrieb und Identifizierung“ mit Nachdruck auf diese Parallelität von oralen und
schaulustbestimmten Triebmodalitäten hinwies, so dass ihnen gemeinsam eine grundlegende
Bedeutung für die Subjektgenese und für die Entwicklung einer primären Identität
zugesprochen werden konnte.
Triebkräften unterworfen sind Mund und Auge also gewalttätige und gefräßige Organe. Als
solche, aber auch sublimiert und auf idealisierte Objekte bezogen stellen Augen-MundVerbindungen hingegen einen nicht unwichtigen Bestandteil des Kultur- und Kunstlebens dar.
Einerseits als triebhuldigende Inszenierungen von Fress- und Saufakten, andererseits als
speisenbezogene ‚Augenweiden‘, angefangen von der Opulenz entsprechender Stillleben bis
hin zu Eat-Art und Foodstyling. Ironische Betrachtungen zu philosophischen und
psychoanalytischen Fragen von Essen und Verdauen sollen anhand einer ebenfalls ironischen
Fotoserie des Künstlers Erwin Wurm den Vortrag beschließen.
Walter Pamminger: Media Flavour – Metaphern und Modelle
Gegenstand des Vortrags ist die komplexe gemeinsame Geschichte von Auge und Gaumen.
Welche Bilder und Vorstellungen manifestieren sich an den äußeren und inneren Stationen
der Einverleibung? Anhand von drei Fallstudien: dem Bilderangebot der Massenpresse,
dichterischen Gaumenphantasien und neuronal inspirierter Küche soll das intersensuelle und
intermediale Wechselspiel beleuchtet werden. Dabei zeigt sich, dass Metaphern und Modelle
dem Essen nicht bloß äußerlich sind, vielmehr fungieren sie als Akte, die in einem kleineren
Maßstab den Flavour (= gustatorische Gesamterfahrung) und in einem größeren Maßstab
soziale Identitäten mitbestimmen.
11.00- 12.30
Bodo Kirchner: Consumo ergo sum !
Die Bedeutung der Oralität für Internalisierungen und Identität - eine
entwicklungspsychologische und kulturkritische Perspektive
Internalisierungsvorgänge erlauben in der kindlichen Entwicklung Introjektion, Identifikation
und selektive Verinnerlichung von Erfahrungen, sensomotorischen Mustern, Affekten und
Objektbeziehungen. Psychosexuelle Entwicklung, Bindungs- und Mentalisierungsprozesse
gehen dabei mit Nahrungsaufnahme, Fürsorge und impliziten Beziehungserfahrungen einher,
rätselhafte Botschaften der Eltern verbinden Erfahrungen mit Phantasien. Aus der äußeren
Welt entsteht ein innerseelischer Raum, der sich mit Bildern und Worten, Handlungen und
Affekten, Berührungen und Bewegungen, Begehren, Befriedigungen und Versagungen füllt.
Indem Äußeres Teil des Inneren wird, entstehen analog zu biologischen Metabolisierungsund Wachstumsvorgängen psychische Strukturen, Instanzen und Verbindungen. Oralität
bezeichnet dabei ein über die Mundschleimhaut weit hinausreichendes Gebiet des Übergangs
von Innen und Außen; Begrenzung, Aufnahme und Austausch finden auch über die Haut, den
Blick, die Stimme und das Gehör statt. Indem das Kind (mit der Mutter) con-sumiert,
verinnerlicht es Fremdes und erzeugt daraus Eigenes, welches die körperliche, seelische und
soziale Identität konstituiert.
Diese psycho-sozio-somatische Identität bleibt über weitere Metabolisierungsprozesse im
Laufe des Lebens konstant und veränderlich zugleich, kann in Entwicklungskrisen
entscheidende Modifikationen erfahren und begründet (über die lebenslange Persistenz des
oralen Modus der Bedürfnisbefriedigung) den notwendigen Kon-sum weiterer Bilder,
Gedanken, Begegnungen und Erfahrungen.
Identität entsteht dabei in einem dynamischen Gleichgewicht von Internalisierungs- und
Externalisierungsprozessen, welche in Progression und Regression Innenwelt und
Außenwelt sowohl integrierend als auch konfligierend verbinden. Nicht das cogito, sondern
das con-sumo begründet somit primär das Sein - und damit die seelisch-leibliche und soziale
Sicherheit.
Das innerseelische Gleichgewicht wird jedoch in neurotischen, psychotischen oder
psychosomatischen Störungen bedroht, oder ist durch Identitätsdiffusion, bzw. -unsicherheit,
wie z.B. bei narzisstischen Störungen dauerhaft instabil. Oft versuchen Patienten in einem
Selbstheilungsversuch, durch regressiv-oralen Konsum - von Substanzen, Medikamenten,
Beziehungserfahrungen, belebenden oder unbelebten Objekten - ihre Identität und Stabilität
wieder zurück zu gewinnen. Aus psychoanalytischer Perspektive ist daher die Bedeutung von
Selbstwertstabilisierung und Identitätsprothetik durch Konsum kulturkritisch zu hinterfragen.
Christof Zedrosser:
TRIEB SUCHT OBJEKT
Überlegungen zum Konzept der Oralität im Verständnis von Sucht und späteren
Entwicklungen
Oralität ist ein zentrales Konzept, das unmittelbar mit der Dynamik und dem Verständnis von
Sucht assoziiert wird.
Gleichzeitig ist es in der aktuellen Literatur von Suchtbehandlungen wenig präsent und wurde
häufig von Objekt-Beziehungs-Ansätzen abgelöst.
Ich möchte versuchen den theoriegeschichtlichen Bogen zwischen den Ansätzen zu spannen
und mit Aspekten aus der Praxis von Suchtbehandlungen ergänzen.
13.00-14.30
Suzy Kirsch: Von Frauen ohne Schatten, Spinnenmüttern und
Krokodilmäulern
Anhand der Zuordnung zu den drei im Titel erwähnten Bereichen wird versucht, einen
Überblick über einige psychoanalytische Theorien zu Anorexie und Bulimie zu geben. „Frauen
ohne Schatten“ sind beispielsweise die konversionshysterischen Anorektikerinnen, über die
schon Freud berichtete. Die „Spinnenmütter“ - Kategorie ermöglicht es, spezifische Theorien
zur Anorexie als psychosenahe Erkrankung vorzustellen und zu Ambivalenz sowie
Einverleibungsängsten als wesentliche Momente in der Genese der anorektisch-bulimischen
Symptomatik überzuleiten. Das Bild der „Krokodilmäuler“ erlaubt abschließend, diese
Symptomatik als Trennungsversuch aus einer symbiotischen Verschmelzung zu sehen und
über alternative Lösungen des Ablösungskonfliktes nachzudenken.
Rainer Fliedl: Behandlung als giftige Milch