Lösungsskizze zur Klausur v. 23.09.2015

Besprechung·1.KlausurÖR
UniversitätTrier·Klausurenkurs
Wintersemester2015/16
30.10.2015
Prof.Dr.HenningTappe
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Notenspiegel
Durchschnitt:5,97Pkt.
Durchfallquote:40%
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Prof.Dr.HenningTappe
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WS2015/16
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Vorüberlegung
ZweiFragen:
1. WiewirddasBVerwGentscheiden?
− KlageLand→Bund(Weisung)
2. WiewirddasBVerfGentscheiden?
− KlageBund→Land(NichtausführungWeisung)
Ø Beide„Klagen“habendengleichenGegenstand,aber
nureinRechtswegkannrichtigsein…
Ø MaterielleRechtslageistnurbeieiner derbeidenFragen
zuprüfen(d.h.einmalnurZulässigkeit/Rechtsweg).
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»VorüberlegungII
•
EsstreitenBundundLand:
−
Bund-Länder-Streit, Art.93Abs.1Nr.3GG:
„… bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten
des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung
von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der
Bundesaufsicht“
−
Bund-Länder-Streit, Art.93Abs.1Nr.4GG:
−
Bund-Länder-Streit, § 50VwGO:
„… in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen
dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern
oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer
Rechtsweg gegeben ist“
„Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und
letzten Rechtszug
1. über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund
und den Ländern und zwischen verschiedenen Ländern“
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage1:EntscheidungdesBVerwG
Ausgangsnorm:§ 40Abs.1VwGO
− öffentlich-rechtlicheStreitigkeit [+]
− nicht-verfassungsrechtlicherArt?
Überlegung:vorrangigeAnwendbarkeitdes§ 50VwGO?
§ 50Abs.1Nr.1VwGOregeltdie sachliche+instanzielle Zuständigkeit
desBVerwG, nichtdenRechtsweg
§
•
„[…] über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den
Ländern […]“
•
BVerwGisterstinstanzlichzurEntscheidungberufen,wenn„dieStreitigkeitsichin
ihremGegenstandeinemVergleichmitdenlandläufigenVerwaltungsstreitigkeiten
entzieht“(BVerwG,NJW1977,162).
•
StreitigkeitmussdurchEigenartderBund-Länder-Beziehung geprägtsein
(sog.„föderativerEinschlag“).
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage1:EntscheidungdesBVerwG
− nicht-verfassungsrechtlicherArt:
Einschränkung „nichtverfassungsrechtlicher Art“in§ 50Abs.1VwGO(wiein§ 40
Abs. 1VwGO) regeltnichtdieZuständigkeit sondern denRechtsweg.
§
− Art.93Abs.1Nr.3und4GG(vgl.auchArt.84Abs.4S.2GG)
begründendenVerfassungsrechtswegzumBVerfG.
− Art.93Abs.1Nr.4GG („soweitnichteinandererRechtsweggegebenist“)
regelmäßig durch§ 40IVwGOausgeschlossen, derdenVerwaltungsrechtsweg
begründet. Allerdings: Für verfassungsrechtliche Streitigkeiten istwiederum der
Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen.
§
− Art.93Abs.1Nr.3GG
Streitgegenstand hiernichtStraßenrecht sondern ReichweitederWeisungsbefugnis
ausArt.85Abs.3GG
§
•
StreitigkeitenzwischendemBundundeinemLandüberdenUmfangunddie
VerbindlichkeitimBereichderAuftragsverwaltung(Art.85Abs.3,90Abs.2GG)ist
verfassungsrechtlicherArt,siebetreffendiekompetenziellen RechteimRahmender
verfassungsrechtlichgarantiertenEigenstaatlichkeitdesLandes
(BVerfGE81,310[330]„KalkarII“).
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage1:EntscheidungdesBVerwG
•
WastutdasBVerwGjetzt?
§ 17aAbs. 2GVG:Verweisung andasBVerfG?
−
℗:BindungdesBVerfGnach§ 17aAbs.2S.3VwGO?
§ 50Abs.3VwGO: „Hält
−
das Bundesverwaltungsgericht nach Absatz 1
Nr. 1 eine Streitigkeit für verfassungsrechtlich, so legt es die Sache
dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.“
•
„Vorlage“vermeidet,dassBVerfGgebundenwirdundggf.verwaltungsrechtlichen
Streitentscheidenmüsste
BVerwG wirdgem.§ 50Abs.3VwGOvorlegen. (Mögliche Folgen:
−
1.
KeineVerweisung,Ausgangsrechtsstreit bleibtbeiBVerwG;BVerfGtrifft
Zwischenentscheidung überRechtsweg, dannggf.neuesVerfahren
2.
BVerfGentscheidet inderSache
3.
WiebeiVorlagenachArt.100Abs.1GG:BVerfGentscheidet sachlich, dann
entscheidet BVerwGdenRest[WelchenRest?] )
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»HäufigeFehlerFrage1
• Verwaltungsrechtswegwirderöffnet
• PrüfungeinerAnfechtungsklage
• AbgrenzungzwischenZuständigkeitundRechtsweg
scheintunklarzusein
• § 50Abs.3VwGOwirdvielfachnichtgesehen
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
A. Zulässigkeit
I.
Verfassungsrechtsweg /Statthaftigkeit desBund-Länder-Streits
§
Art.93Abs.1Nr.3GGi.V.m.§§ 13Nr.7,68ff.BVerfGG (s.o.)
§
Reichweite derWeisung nach Art.85Abs.3i.V.m.Art.90Abs.2GG.
II.
§
Antragsteller/Antragsgegner
Antragsteller: Bund, Antragsgegner: Land(§ 13Nr.7i.V.m.§ 68BVerfGG) [+]
III. Streitgegenstand
§
§ 69i.V.m.64Abs.1BVerfGG (im VergleichzuArt.93Abs.1Nr.3GGenger)
§
Weigerung desLandesdieWeisung zuvollziehen: rechtserhebliches Unterlassen
§
Rechteund Pflichten ausdemGrundgesetz: Art.90Abs.2i.V.m.85Abs.3GG.
IV. Antragsbefugnis
(mgl.Verletzung derRechteausArt.85, 90Abs.2GG)
V. Form/Frist
(§ 69i.V.m.§ 64BVerfGG, § 23Abs.1BVerfGG)
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
B. Begründetheit
„DerAntragimRahmen desBund-Länder-Streits istbegründet,wenndasLandRLP
durchseine Weigerung, derWeisungdesBundesnachzukommen seine ihm
obliegenden verfassungsrechtlichen Pflichtengegenüber demBundverletzthat.
DiesistderFall,wenndieWeisung desBundesverfassungsmäßig war.“
− vgl.Organstreit:VerletzungoderGefährdungderRechtedesASt.
− (Prüfungsschema ähnlichwiebeiAnfechtungsklage, Art.113Abs.1S.1VwGO)
Rechtswidrigkeit +VerletzungsubjektiverRechte,
d.h.für(1.)Verfassungsmäßigkeit:
I.
II.
Rechtsgrundlage fürWeisung, Art.85Abs.3GG
Formelle Verfassungsmäßigkeit der Weisung
III. Materielle Verfassungsmäßigkeit der Weisung
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
I.
RechtsgrundlagefürWeisung
Ø Art.85Abs.3GG
II. FormelleVerfassungsmäßigkeitderWeisung
℗:keine expliziten VorgabenimGG
−
−
Zuständigkeit /Verfahren /Form
§
ObersteBundesbehörde (Bundesminis) geeigneter Adressat: Landesminister,
Weisungsklarheit.
§
Insbesondere Verfahrenspflicht ausdemGrundsatzdesbundesfreundlichen
Verhaltens:
•
BundistverpflichtetzurAbstimmungmitdenbeteiligtenLändern
•
„ImBereichderAuftragsverwaltungverpflichtetdasGebotdesbundesfreundlichen
VerhaltensdenBund,vorErteilungeinerWeisung,dasLandzuhörenunddie
Verständigungmitihmzusuchen“
(BVerfGE81,310[337f.]).
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
III. MaterielleVerfassungsmäßigkeitderWeisung
1.
Verstoßgegen § 2Abs.4i.V.m.§ 1FStrG
§
kanndahinstehen:
§
LänderkönnendurchWeisungdesBundesnurdanninihrenRechtenverletzt
sein,wenndieInanspruchnahme derWeisungsbefugnis selbst– demGrunde
nachoderwegenderArtundWeise derWahrnehmung– gegendie
Verfassungverstößt.
§
Länderkönnendagegengrundsätzlich nichtgeltend machen,dassBundihre
Rechtedurcheineinhaltlich rechtswidrige Weisung(hier:materielles,
einfaches RechtausFStrG) unddadurchindieSachkompetenz derLänder
eingreift.→Sachkompetenz liegtbeimBund!
§
Art.85Abs.3GGgarantiertWeisungsbefugnis bezüglichjeder
Gesetzesmaterie, dievondemLandinAuftragsverwaltungdurchzuführenist.
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»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
III. MaterielleVerfassungsmäßigkeitderWeisung
1.
Verstoßgegen § 2Abs.4i.V.m.§ 1FStrG[-]
2.
Verstoßgegen Art.85Abs.3GG
−
Weisung nachArt.85Abs.3GGsetztBundesauftragsverwaltung voraus
−
hier:Art.90Abs.2GG→gesamte Fernstraßenverwaltung(auchLast)
WoliegtalsodasProblem???
− SystematikdesGG:Gesetzgebungskompetenz =dieäußerste Grenze für
Verwaltungsbefugnisse.
− Verwaltungszuständigkeit für „Bundesautobahnen
und sonstige
Bundesstraßen des Fernverkehrs“ (Art. 90Abs.2GG) reichtalso
nichtweiter alsdiedamitkorrespondierende Gesetzgebungskompetenz
desBundes für „den Bau und die Unterhaltung von
Landstraßen für den Fernverkehr“ (Art. 74Abs.1Nr.22GG).
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»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
III. MaterielleVerfassungsmäßigkeitderWeisung
1.
2.
Verstoßgegen§ 2Abs.4i.V.m.§ 1FStrG[-]
VerstoßgegenArt.85Abs.3GG
−
Weisung nachArt.85Abs.3GG setztBundesauftragsverwaltung voraus
−
hier:Art.90Abs.2GG→gesamteFernstraßenverwaltung (auchLast)
WoliegtalsodasProblem???
− WeisunganderNahtstellezwischenBundes- undLandeskompetenz
− WeisungzurAbstufungverlangtvomLand
§
Herausnahme derStraßeausKlassenachBundesrecht undzwingend zugleich
§
Einstufung ineineStraßenklasse nachLandesrecht.
§
Weisung greiftnotwendig inGesetzgebungs- und Verwaltungsraum desLandes
über.
§
Regelungen über „Landstraßenfürden Fernverkehr“ umfasstnichtAbstufung auf
EbenedesLandes,wennnicht Fernverkehr.
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
Vgl.BT-Drs.1/4248,Erl.4zu§ 2FStrG:
„Der Bund hat zwar die Aufgabe, Fernstraßen zu bauen und zu
unterhalten; er ist aber nicht verpflichtet, eine Straße,
die die Eigenschaft einer Fernstraße verloren hat, weiterhin
für den öffentlichen Gebrauch zu unterhalten. In diesem Fall
hat er die Möglichkeit, die Entwidmung auszusprechen. Ist
die Straße geeignet, einem geringeren Verkehrsbedürfnis zu
dienen, z.B. als öffentliche Gemeindestraße, muss die
Straßenbaulast von der Körperschaft übernommen werden, der
diese Aufgabe nach dem öffentlichen Recht obliegt. In diesem
Gesetz konnte eine Verpflichtung des Landes oder einer
Gemeinde zu einer Übernahme der Straße nicht ausgesprochen
werden, weil die Gesetzgebung für Straßen, die nicht
Fernstraßen sind, dem Bund nicht zusteht. Es blieb nur der
Weg, dass dem Bund das Recht der Entwidmung gegeben wird und
es dem Land, das für die Gesetzgebung und Verwaltung der
übrigen Straßen zuständig ist, überlassen bleiben muss, wer
den Verkehrsweg gegebenenfalls übernimmt. Das Verfahren im
einzelnen kann durch allgemeine Verwaltungsvorschriften
geregelt werden.“
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»Frage2:EntscheidungdesBVerfG
III. MaterielleVerfassungsmäßigkeitderWeisung
1.
Verstoßgegen § 2Abs.4i.V.m.§ 1FStrG[-]
2.
Verstoßgegen Art.85Abs.3GG
−
−
−
Weisung nachArt.85Abs.3GGsetztBundesauftragsverwaltung voraus
−
hier:Art.90Abs.2GG→gesamte Fernstraßenverwaltung(auchLast)
BundstehtnurRechtzurEntwidmungzu(keine StraßedesFernverkehrs),
nicht aberdieUmwidmung(jetztStraßedesNahverkehrs,alsoLandstraße)
Ø Verstoßgegen Art.85Abs.3GGi.V.m.Art. 90Abs.2GG
Antrag(desBundes) istunbegründet.
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Klausurenkurs|1.KlausurÖffentlichesRecht
»HäufigeFehlerFrage2
• TrotzEröffnungdesVerwaltungsrechtswegesim
Rahmender1.Fragewirdbeider2.FrageeinBundLänder-Streitangenommen
• KeinePrüfungdesStreitgegenstandes
• VermischungvonStreitgegenstandundAntragsbefugnis
• GebotdesbundesfreundlichenVerhaltenswirdnurvon
wenigenBearbeiternangesprochen
• PrüfungsmaßstabdesBVerfGwirdverkannt
Prof.Dr.HenningTappe
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