Bebauungsplan Korberger Matt - Stadt Oberkirch Spezielle

Bplan Korberger Matt,
Oberkirch
Bebauungsplan
Korberger
Matt - Stadt Oberkirch
Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP)
Auftraggeber:
Stadt Oberkirch
Stadtbauamt
Eisenbahnstraße 1
77704 Oberkirch
Auftragnehmer:
Nelkenstraße 10
77815 Bühl / Baden
Projektbearbeitung:
DR. MARTIN BOSCHERT
Diplom-Biologe
Landschaftsökologe, BVDL
Beratender Ingenieur, INGBW
HEIKE HENNRICH
Diplom-Biologin
Bühl, Stand 28. Oktober 2015
saP
Bplan Korberger Matt, Oberkirch
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Bebauungsplan Korberger Matt, Stadt Oberkirch
Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP)
1.0 Anlass und Aufgabenstellung
Für das Baugebiet Korberger Matt, Stadt Oberkirch, war zu prüfen, ob die Zugriffs- und Störungsverbote nach § 44 (1) BNatSchG verletzt werden können. Betroffen sind alle europarechtlich geschützten Arten (alle europäischen Vogelarten sowie alle Anhang IV-Arten nach
FFH-RL) sowie solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 (1) Nr. 2 BNatSchG
aufgeführt sind (besonders geschützte und streng geschützte Arten nach BArtSchV § 1 und
Anlage 1 zu § 1). Die Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie werden mitberücksichtigt, da
nach dem Umweltschadensgesetz Arten und ihre Lebensräume der Anhänge II und IV der
FFH-Richtlinie sowie bestimmte europäische Vogelarten relevant sind.
Um den Aufwand zur Ermittlung der im Gebiet möglicherweise vorkommenden, europarechtlich geschützten Arten in Grenzen zu halten, wurde anhand der vorliegenden Unterlagen, anhand eines Vororttermines im Oktober 2014 sowie anhand der sehr guten Ortskenntnis des Gutachters eine artenschutzrechtliche Abschätzung durchgeführt. Diese artenschutzrechtliche Abschätzung prüfte, welche europäisch geschützten Arten im Gebiet vorkommen
können, und leitete mögliche Konfliktpunkte her. Auf Grundlage dieser artenschutzrechtlichen Abschätzung war zu entscheiden, ob eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung mit
(Gelände-)Untersuchungen notwendig wird.
Die artenschutzrechtliche Abschätzung hat ergeben, dass in einem Bereich innerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes eine artenschutzrechtliche Betroffenheit besteht: Am
westlichen Rand direkt an der B 28 neu befinden sich ein Graben mit Hochstauden und Rohrglanzgras, mehrere Steinriegel und Holzlagerplätze. Aufgrund dieser Strukturen musste mit
der Zauneidechse, eventuell auch der Schlingnatter, gerechnet werden. Falls der Graben permanent wasserführt war mit der Helm-Azurjungfer zu rechnen, die im nahen Weidenbach
Vorkommen besitzt. Je nach Beschaffenheit und Wasserführung waren auch Kleine Flussmuschel und Steinkrebs nicht auszuschließen. Zumindest die Kleine Flussmuschel kommt
ebenfalls im Weidenbach vor. Diese möglichen Vorkommen mussten 2015 überprüft werden.
Dabei wurde das am Ostende an der Grenze zum Renchdeich bestehende Grünland auf eine
weitere artenschutzrechtliche Bedeutung genauer untersucht werden, vor allem hinsichtlich
Tagfalter. Sollten sich hier Hinweise auf Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten
ergeben, wären Untersuchungen ab Ende Juli notwendig.
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2.0 Betrachtungsraum
Die Flächen des Geltungsbereiches bestehen aus Flurstücken, die intensiv mit Beerenobst,
u.a. Stachel- und Erdbeere, besonders jedoch Äpfel, bewirtschaftet werden. Am westlichen
Rand direkt an der B 28 neu befinden sich ein Graben mit Hochstauden und Rohrglanzgras,
mehrere Steinriegel mit einzelnen kleineren Gehölzen und Holzlagerplätze. Benachbart, jedoch außerhalb des Geltungsbereiches besteht ein Grundstück mit teilweise älteren Kirschbäumen. Ansonsten sind innerhalb des Geltungsbereiches sowie in direkter Nachbarschaft
keine älteren Gehölze zu finden. Im Norden grenzt der Geltungsbereich an den Deich der
Rench an. Die Außenseite weist eine relative artenreiche Vegetation auf. Hier befindet sich
auch eine (noch) relativ artenreiche Wiese, die an der Ost- und Südseite, zu Flächen mit intensiven Obstanbau hin, in eine artenarme Fettwiese übergeht.
3.0 Vorgehensweise
Die artenschutzrechtliche Abschätzung im Oktober 2014 basierte auf den Erkenntnissen eines
Vororttermins unter Hinzuziehung der Kenntnis und der teilweise langjährigen Beschäftigung
der Gutachter über Verbreitung, Lebensraum bzw. Lebensweise der einzelnen artenschutzrechtlich relevanten Tiergruppen und Arten, aber auch auf der Kenntnis des Naturraumes und
der sehr guten Ortskenntnis des Gutachters. Aufgrund der Ergebnisse dieser artenschutzrechtlichen Abschätzung wurden im Jahr 2015 drei Begehungen durchgeführt, die am 21. und 29.
Mai sowie 18. Juni 2015 stattfanden. Diese dienten vor allem dazu, den Wasserstand im
Grabenbereich zu prüfen und die potentiell geeigneten Strukturen nach Zauneidechsen abzusuchen. Ferner wurde die Wiesenvegetation auf ihre Eignung hinsichtlich eines Vorkommens
artenschutzrechtlich relevanter Tagfalterarten geprüft. Außerdem wurde auf Vorkommen
weiterer artenschutzrechtlich relevanter Arten geachtet.
4.0 Schutzgebiete und kartierte Biotope nach NatSchG und LWaldG
Im Geltungsbereich selbst sowie direkt angrenzend befinden sich keine Schutzgebiete
(Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet, NATURA 2000 - Gebiet). Das nächste Schutzgebiet aus diesen Kategorien liegt in ungefähr 1.100 Meter nordwestlich der betroffenen
Fläche.
Im Geltungsbereich selbst befinden sich keine kartierten Biotope. Direkt südlich des Geltungsbereiches und südlich der B 28 neu befindet sich in ungefähr 50 Meter Entfernung der
kartierte Biotop 'Nasswiese südwestlich Oberkirch, 'Korberger Matt' (Biotopnummer
174143171218). Weitere kartierte Biotope sind vor allem südlich und östlich des Geltungsbereiches zu finden.
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Der aufgeführte kartierte Biotop wird durch eine Planumsetzung im Geltungsbereich aufgrund der Entfernung nicht beeinträchtigt.
5.0 Vorkommen der europäischen Vogelarten i.S.v. Art. 1 VSchRL und der FFHAnhang IV-Arten
Artenschutzrechtlich relevante Tiergruppen und Tierarten
Vögel
Bei den verschiedenen Begehungen wurden Mäusebussard und Rabenkrähe (beide Brutvögel
am nahen Korberg) als Nahrungsgäste registriert. Im Geltungsbereich selbst wurden weitere
Nahrungsgäste verschiedene häufiger und / oder verbreiteter Vogelarten angetroffen, die in
angrenzenden Strukturen brüten: u.a. Amsel und Kohlmeise (Kirschplantage) sowie
Bachstelze (Bereich der Renchbrücke). Ausnahmsweise können Bruten dieser, aber auch
weiterer Arten wie Blaumeise im Geltungsbereich, besonders in anthropogenen Strukturen,
stattfinden.
Im Bereich des Grabens mit seiner Ufervegetation wurden keine Vogelarten angetroffen, die
in diesem Bereich brüten.
Der Geltungsbereich sowie die gesamten Flächen beiderseits der B 28 und B28 neu waren
Grünlandflächen, die durch (Intensiv-)Obstanbau verloren ging. Noch bis Ende der 2000er
Jahre brütete der Kiebitz westlich bzw. nordwestlich des Geltungsbereiches.
Säugetiere
Quartiere von Fledermäusen befinden sich im Geltungsbereich nicht, da geeignete Strukturen
wie ältere Obstbäume oder Gebäude fehlen. Benachbart können sich ausnahmsweise Einzelquartiere in älteren Kirschbäumen befinden, jedoch keine Wochenstuben (Fortpflanzungsquartiere). Mit der Nutzung einzelner Arten, vermutlich vorwiegend häufigere und / oder verbreitetere Arten, des Geltungsbereiches als Nahrungshabitat ist zu rechnen, wobei essentielle
Nahrungsflächen aufgrund der Struktur, intensiver Obstanbau, und der Folgen für das Nahrungsangebot ausgeschlossen sind. Eine Leitlinienfunktion von Strukturen innerhalb des Gebietes ist nicht erkennbar.
Für ein Vorkommen vom Feldhamster liegt keine ausreichend geeignete Lebensraumausstattung vor, und das Betrachtungsgebiet liegt außerhalb des Verbreitungsgebietes dieser Art.
Weitere Arten wie Wildkatze, Luchs und Wolf können die Fläche allenfalls durchwandern, sie
hat für diese jedoch keine essentielle Bedeutung. Ein Vorkommen des Bibers wäre grundsätzlich entlang von Fließgewässern im Naturraum möglich, ist aber im Betrachtungsgebiet
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aufgrund der Lebensraumausstattung, fehlende geeignete Gewässer, auszuschließen. Aufgrund der ungeeigneten Lebensraumausstattung ist auch ein Vorkommen der im Naturraum
vertretenen Haselmaus auszuschließen.
Reptilien
Bei dieser Gruppe war mit einem Vorkommen der artenschutzrechtlich relevanten Zauneidechse, eventuell auch Schlingnatter aufgrund der vorhandenen Strukturen zu rechnen. Allerdings wurden bei den Kontrollen, trotz gezielter Nachsuche, keine Nachweise dieser beiden
Arten entdeckt. Auch in der Umgebung wurden sie nicht registriert. Der Bereich hat in den
letzten Jahren (Jahrzehnten) seine Eignung als geeigneter Lebensraum für die Zauneidechsen
verloren. Durch die B 28 neu sowie die Intensivierung der Feldflur durch Intensivobstanbau
ist der Geltungsbereich mittlerweile isoliert und zu kleinflächig, da in der direkten Nachbarschaft intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen und keine geeigneten Bereiche mehr anschließen.
Ein Vorkommen der Mauereidechse ist aufgrund der vorgefundenen Strukturen auszuschließen.
Amphibien
Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Amphibienarten, u.a. Kreuzkröte, Gelbbauchunke und Kammmolch, sind im Naturraum bekannt, ein Vorkommen im Geltungsbereich ist aufgrund der Lebensraumausstattung, fehlende Gewässer, aber auch mittlerweile
fehlendem geeigneten Landlebensraum, für diese Arten ausgeschlossen. Für weitere artenschutzrechtlich relevante Amphibien-Arten, wie beispielsweise Springfrosch und Alpensalamander, fehlen geeignete Lebensraumstrukturen bzw. sie besitzen im Naturraum keine Vorkommen.
Wasser bewohnende Tiergruppen
Der Graben im Geltungsbereich führt nicht permanent Wasser. Daher ist ein Vorkommen der
Helm-Azurjungfer, aber auch der Kleinen Flussmuschel und des Steinkrebs, die im nahen
Weidenbach Vorkommen besitzt, auszuschließen.
Im Betrachtungsraum sowie direkt angrenzend befinden sich darüber hinaus keine weiteren
Still- oder Fließgewässer, mit Ausnahme der Rench, die jedoch durch das Vorhaben nicht
betroffen ist. Daher sind Vorkommen sämtlicher artenschutzrechtlich relevanter Arten dieser
Gruppen, die am oder im Wasser leben, im Betrachtungsraum auszuschließen. Dies trifft auf
Fische und Rundmäuler, Krebse, Muscheln, Wasserschnecken, Libellen und Wasser bewohnende Käfer zu.
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Landschnecken
Für die artenschutzrelevanten Arten dieser Gruppe (Windelschneckenarten der Gattung
Vertigo, sämtlich Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie) findet sich im Geltungsbereich
kein Lebensraum. Vorkommen sind daher ausgeschlossen.
Holzkäfer
Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten dieser Tiergruppe sind im Naturraum zu
erwarten. Weitere Arten kommen im Naturraum nicht vor, wie Held- oder Alpenbock. Im
Geltungsbereich sind aufgrund fehlender Lebensraumstrukturen, insbesondere Totholz, artenschutzrechtlich relevante Arten jedoch auszuschließen.
Schmetterlinge
Mit artenschutzrechtlich relevanten Nachtfalterarten wie dem Nachtkerzenschwärmer ist im
Naturraum prinzipiell zu rechnen, allerdings nicht im Geltungsbereich und direkt angrenzenden Flächen, da Nachtkerzen und Weidenröschen (Futterpflanzen der Raupe) fehlen. Dies
trifft auch auf die Spanische Flagge zu, für die ebenfalls im Geltungsbereich kein Lebensraum vorhanden ist.
Die artenschutzrechtlich relevanten Tagfalterarten wie Heller- und Dunkler WiesenknopfAmeisenbläuling sowie Großer Feuerfalter könnten im Betrachtungsraum im Norden noch
Restflächen an geeignetem Lebensraum besitzen. Für den Großen Feuerfalter ist Lebensraum südwestlich und westlich über der B 28 neu hinweg in den Feuchtbereichen beim Korberg zu finden. Ein Vorkommen im Geltungsbereich kann jedoch ausgeschlossen werden, da
keine geeigneten Strukturen mehr gefunden wurden. Auch für die beiden WiesenknopfAmeisenbläulinge fehlen geeignete Strukturen. Weitere artenschutzrechtlich relevante Tagfalterarten besitzen ebenfalls keine geeigneten Lebensräume im Betrachtungsraum bzw. sie
besitzen im Naturraum keine Vorkommen.
artenschutzrelevante Farn- und Blütenpflanzen sowie Moose und Flechten
Von den artenschutzrechtlich relevanten Farn- und Blütenpflanzen-Arten kommen einige
Arten im Naturraum vor, jedoch aufgrund fehlenden Lebensraumes nicht im Betrachtungsgebiet.
Von den vier noch in Baden-Württemberg vorkommenden, artenschutzrechtlich relevanten
Moos-Arten kommt zumindest eine Art im Naturraum vor, Rogers Goldhaarmoos, jedoch
aufgrund fehlenden Lebensraumes nicht im Betrachtungsgebiet.
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Die einzige artenschutzrechtlich relevante Flechten-Art, die Echte Lungenflechte - Lobaria
pulmonaria, kommt im Naturraum vor, mangels geeigneten Lebensraumes jedoch nicht im
Betrachtungsgebiet. Sie bewohnt überwiegend montane bzw. hochmontane, niederschlagsreiche, milde bis kühle Lagen. Vorkommen in submontanen bzw. collinen Stufen sind nicht
mehr bekannt.
6.0 Betroffenheit der europäischen Vogelarten i.S.v. Art. 1 VSchRL und der FFHAnhang II und IV-Arten
1. Beurteilungsrelevante Auswirkungen und relevante Wirkfaktoren
Bei Umsetzung des Vorhabens sind verschiedene anlage-, betriebs- und baubedingte Auswirkungen denkbar. Durch diese können die drei verschiedenen Zugriffs- und Störungsverbote nach § 44 (1) BNatSchG unterschiedlich betroffen sein. Die Erfüllung dieser Verbotstatbestände ist durch folgende, beurteilungsrelevante Wirkfaktoren möglich:
Baubedingte Auswirkungen
• Töten oder Verletzen von Individuen, bei Vögeln auch Zerstören von Nestern mit Eiern
oder Jungvögeln, bei der Baufeldräumung
• nichtstoffliche Einwirkungen hauptsächlich durch akustische (Lärm) und optische Reize
(Licht, Baufahrzeuge, Personen) sowie durch Erschütterungen (Vibrationen), u.a. durch Baufeldräumung und Bau von Gebäuden inklusive des Verkehrsaufkommens durch An- und Abfahrt
• stoffliche Einwirkungen durch Einträge von Nährstoffen, Staub und Schadgasen.
Anlagebedingte Auswirkungen
• Flächenverlust durch Bau von Gebäuden
• Störungen durch akustische (Lärm) und optische Reize (Licht), u.a. Straßen- und Gebäudebeleuchtung.
Betriebsbedingte Auswirkungen
• Störungen durch akustische (Lärm) und optische Reize (Licht), u.a. durch Nutzung des Geländes sowie Beleuchtungen, Verkehr und Personen.
• Stoffliche Einwirkungen (Eintrag von Nährstoffen und Schadgasen), u.a. durch zusätzlichen
Verkehr.
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2. Begrifflichkeiten
Tötung, Verletzung von Individuen (§ 44 Abs. 1 Nr. 1) und
Erhebliche Störung der lokalen Population zu bestimmten Zeiten (§ 44 Abs. 1 Nr. 2)
Als Erheblichkeitsschwelle kann für regional bis landesweit bedeutsame Vorkommen ein
Verlust von > 5 % i.d.R. als erheblich betrachtet werden. Verluste von 1 bis 5 % bedürfen
einer fallweisen Betrachtung, während Verluste von < 1 % i.d.R. nicht erheblich sind. Wenn
die Vorkommen u. a. aufgrund von hohen Paarzahlen sowie hohen Bestands- und Siedlungsdichten auch als bundesweit bedeutsame Vorkommen eingestuft werden, verändert sich die
Erheblichkeitsschwelle: Verluste > 1 % sind i.d.R. erheblich, Verluste zwischen 0,1 bis 1 %
bedürfen einer fallweisen Betrachtung, während Verluste < 0,1 % i.d.R. nicht erheblich sind.
Im „Guidance document“ wird dargelegt, dass die FFH-Richtlinie auf zwei Säulen fußt. Die
„erste Säule” der Richtlinie betrifft die Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der
Habitate von Arten (Anhang II), die „zweite Säule” den Artenschutz (Anhang IV). Nach
LAMBRECHT & TRAUTNER (2004) liegt die Erheblichkeit bei den Anhang II - Arten zwischen
1 und 5 %. Diese Erheblichkeitsschwelle ist demnach auch für die Anhang IV - Arten sowie
für die Vogelarten anzunehmen.
Entnahme, Beschädigung, Zerstörung von Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätten einzelner
Individuen (§ 44 Abs. 1 Nr. 3)
Nach enger Auslegung ist nur die Zerstörung oder Beschädigung von Nestern verboten. Bei
den Nestern ist die Zerstörung nur bei den Arten relevant, die ihre Nester fakultativ oder obligat mehrjährig nutzen. Von Bedeutung sind jedoch auch die Arten, die auf verlassene Nester
anderer Vogelarten angewiesen sind wie verschiedene Höhlenbrüter unter den Singvogelarten, u.a. Star. Diese enge Auslegung wird jedoch Arten mit großem Raumanspruch und damit großer Lebens- und Ruhestätte nicht gerecht (siehe Diskussion in RUNGE, SIMON & WIDDIG 2009).
Nach § 5 VSchR sind die Brutstätten und damit neben dem Standort der Nester auch die übrigen, mit der Brutstätte in Verbindung stehenden Bereiche, u.a. essentielle Nahrungsflächen,
aber auch Bereiche für Balz, Paarung oder für Flugversuche von Jungvögeln, eingeschlossen.
Individuen von Arten mit geringen Aktionsräumen, deren Aktionsraum überwiegend im Vorhabensraum liegt, sind damit ebenfalls von diesem Verbotstatbestand betroffen. Bei weiteren
Arten kann nicht ausgeschlossen werden, dass große Teile ihres Revieres bzw. Aktionsraumes betroffen sind, so dass zumindest für einzelne Paare eine erfolgreiche Reproduktion
nicht mehr möglich ist, so dass auch hier der Verbotstatbestand wahrscheinlich bzw. sicher
erfüllt ist (zur Erheblichkeitsschwelle siehe Erhebliche Störung der lokalen Population zu bestimmten Zeiten).
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Die Definition der Fortpflanzungsstätte bei RUNGE, SIMON & WIDDIG (2009) lautet: Als Fortpflanzungsstätte geschützt sind alle Orte im Gesamtlebensraum eines Tieres, die im Verlauf
des Fortpflanzungsgeschehens benötigt werden. Als Fortpflanzungsstätten gelten z. B. Balzplätze, Paarungsgebiete, Neststandorte, Brutplätze oder -kolonien, Wurfbaue oder -plätze,
Eiablage-, Verpuppungs- und Schlupfplätze oder Areale, die von den Larven oder Jungen genutzt werden.
3. Auswirkungen auf die europäischen Vogelarten i.S.v. Art. 1 VSchRL und die FFHAnhang II und IV-Arten
Artenschutzrelevante Tiergruppen und Tierarten
Vögel
Eine Tötung oder Verletzung von Vogelindividuen, aber auch von Nestern mit Eiern oder
Jungvögeln ist durch die Baufeldräumung während der Brutzeit ausnahmsweise zu rechnen.
Dadurch wäre eine Verletzung des Verbotstatbestandes Tötung nach § 44 Abs.Q1 Nr. 1
BNatSchG gegeben, kann jedoch durch Vermeidungsmaßnahmen verhindert werden.
Mit der Umsetzung des Vorhabens geht aufgrund der aktuellen Lebensraumstruktur für keine
der registrierten Vogelarten Lebensraum verloren, wodurch die Verletzung des Verbotstatbestandes der Zerstörung von Fortpflanzungsstätten nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ausgelöst werden könnte.
Auch erhebliche Störungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sind für verbreitete und/oder
häufige Vogelarten auszuschließen, da sie einerseits kaum Vorkommen im Geltungsbereich
besitzen und andererseits nicht bzw. als wenig störungsanfällig gelten. Ferner weisen diese
Arten einen günstigen Erhaltungszustand der lokalen Population auf. Seltene bzw. störungsanfällige Arten wurden nicht nachgewiesen.
Säugetiere
Bei der Umnutzung ist bei keiner Fledermaus-Art ein erheblicher Eingriff zu erkennen, da
nicht von essentiellen Nahrungsgebieten auszugehen ist und ferner keine Quartiere vorhanden sind, die zerstört werden könnten. Verletzungen von Verbotstatbeständen nach § 44 Abs.
1 Nr 1. und 3 BNatSchG sind daher auszuschließen.
Störungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sind für die im Gebiet zu erwartenden Arten
dann anzunehmen, da das Gelände am Ortsrand liegt, wenn durch starke Beleuchtung bzw.
durch Abstrahlung Licht in Richtung Süden und Westen geschieht. Dies kann jedoch durch
Minimierungs- und Vermeidungsmaßnahmen verhindert werden.
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Für die übrigen artenschutzrechtlich relevanten Säuger-Arten ist eine Betroffenheit bzw. die
Verletzung von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG auszuschließen.
Reptilien
Eine Betroffenheit, aber auch eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG
für die Arten dieser Gruppe können aufgrund fehlender Vorkommen ausgeschlossen werden.
Amphibien
Eine Betroffenheit, aber auch eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG
für die Arten dieser Gruppe können aufgrund fehlender Vorkommen, aber auch fehlenden
Lebensraumes ausgeschlossen werden.
Gewässer bewohnende Tiergruppen
Da sich weder im Geltungsbereich noch in der direkten Umgebung Still- oder Fließgewässer
befinden und der Graben nicht permanent Wasser führt, sind Auswirkungen auf sämtliche
artenschutzrechtliche Tiergruppen mit artenschutzrechtlich relevanten Arten auszuschließen.
Eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG ist für folgende Tiergruppen
nicht gegeben: Fische und Rundmäuler, Krebse, Muscheln, Wasserschnecken, Libellen
und Wasser bewohnende Käfer.
Landschnecken
Für die artenschutzrechtlich relevanten Arten dieser Gruppe findet sich im Betrachtungsgebiet kein Lebensraum. Eine Betroffenheit bzw. eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach
§ 44 BNatSchG können ausgeschlossen werden.
Holzkäfer
Da Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten dieser Tiergruppe aufgrund fehlender
Gehölzarten, aber auch der -strukturen fehlen, u.a. kein Totholz, ist eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG auszuschließen.
Schmetterlinge
Für die artenschutzrechtlich relevanten Arten dieser Gruppe findet sich im Betrachtungsgebiet kein Lebensraum. Eine Betroffenheit bzw. eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach
§ 44 BNatSchG können ausgeschlossen werden.
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Artenschutzrelevante Farn- und Blütenpflanzen sowie Moose und Flechten
Artenschutzrechtlich relevante Farn- und Blütenpflanzen-Arten, aber auch Moos- und
Flechten-Arten kommen im Betrachtungsgebiet nicht vor. Eine Betroffenheit bzw. eine Verletzung von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG können ausgeschlossen werden.
7.0 Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen
Durch verschiedene Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen kann die Verletzung von
Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG verhindert werden. Dies betrifft besonders die
Vögel.
Baufeldräumung und Bauzeitenbeschränkung
• Die Baufeldräumung muss außerhalb der Fortpflanzungszeit der Vögel stattfinden (in der
Regel von September bis Februar bestimmt durch die früh brütenden Arten, u.a. Eulen- und
Spechtarten, bzw. spät brütenden Arten mit einer Brutzeit bis Mitte/Ende August), damit keine Nester und Gelege von Boden- und Gebüschbrütern zerstört werden.
Sollte dies aus unveränderbaren, nicht artenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sein,
muss im Vorfeld kurz vor der Räumung durch einen sachverständigen Ornithologen bzw.
Fledermauskundler eine Kontrolle bzw. eine Nestersuche stattfinden. Sollten Nester gefunden werden, kann eine Baufeldräumung nicht stattfinden. Durch diese Bauzeitenbeschränkung ist davon auszugehen, dass keine Individuen relevanter Vogelarten und auch nicht deren
Eier oder Jungvögel direkt geschädigt werden. Ferner können sämtliche Individuen aller
Vogelarten, mit Ausnahme der nichtflüggen Jungvögel, bei der Baufeldräumung rechtzeitig
fliehen, so dass es zu keinen Tötungen bzw. Verletzungen kommt.
• Nicht vollständig auszuschließen ist, dass Arten wie Haus- und Feldsperling, Hausrotschwanz oder Bachstelze neue, temporäre Strukturen als Brutplatz nutzen, aber auch Teile
der Baustelleneinrichtung selbst (Container). Dadurch könnten Nester geschädigt oder zerstört sowie Jungvögel durch den Bauablauf getötet werden. Durch eine konsequente Überwachung kann verhindert werden, dass Vogelarten, die sich im Baufeld ansiedeln, getötet oder
verletzt bzw. ihre Nester und Gelege zerstört werden.
Vermeidung von Lichtimmissionen
• Da das Gelände am Ortsrand liegt, ergeben sich durch Lichtimmissionen eventuell Betroffenheiten, besonders bei Fledermäusen. Grundsätzlich müssen bau-, anlagen- und betriebsbedingte Störungen durch Licht beim Durchflug und bei der Nahrungssuche durch geeignete
Maßnahmen weitestgehend vermieden werden:
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- Lichtquellen dürfen nicht in das umliegende Gelände ausstrahlen, insbesondere nicht in
Richtung Süden und Westen, sondern müssen, ohne Streulicht, zielgerichtet sein.
- Um eine ungewollte Abstrahlung bzw. Streulicht zu vermeiden, werden die Lichtquellen in
Richtung offenes Gelände abgeschirmt.
- Beleuchtungsquellen müssen den maximal möglichen Abstand zum Offenland aufweisen.
- Denkbar ist eine lichtschwache LED-Beleuchtung in Bodennähe und auf den Boden gerichtet zur dezenten Ausleuchtung des Weges.
Vermeidung von weiteren Eingriffen
- An der Renchdeichaußenseite sind direkte und indirekte Eingriffe, u.a. Beschattung, zu vermeiden. Im direkt angrenzenden Bereich muss über eine öffentliche Grünfläche, jedoch ohne
Baumbewuchs, eine Pufferzone geschaffen werden.
- Die Kirschplantage, besonders die älteren Kirschbäume, darf nicht durch die Maßnahmenplanung beeinträchtigt werden, da es sich hier um die letzten größeren Gehölze handelt.
Gestaltungen
An der geplanten Versickerungmulde können je nach Planung kleinere Rückzugsräume, u.a.
kleinere Gehölzgruppen mit Steinhaufen, geschaffen werden. Präzisere Vorschläge können
nach Vorliegen der Endplanung gemacht werden.
8.0 Gesamtgutachterliches Fazit
Unter Berücksichtigung und vollständiger Umsetzung der genannten Vermeidungs- und
Minimierungsmaßnahmen ergeben sich aus fachgutachterlicher Sicht keine Verletzungen von
Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG bei den artenschutzrechtlich relevanten Tier- und
Pflanzenarten.
9.0 Literatur und Quellen
LAMBRECHT, H., & J. TRAUTNER (2004): Ermitteln von erheblichen Beeinträchtigungen im
Rahmen der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung. - Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Bonn.
RUNGE, H., M. SIMON & TH. WIDDIG (2009): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von
Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben. Endbericht zum FuE-Vorhaben im
Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz - FKZ 3507 82 080.
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