Jürg Keller Alte Saline 8 4310 Rheinfelden 19. August 2015 Abteilung Wald des Kantons Aargau Herrn Nils Osterwalder (Kreisförster I) Entfelderstrasse 22 5001 Aarau Unser gestriges Telefonat betr. Rodung Wäberhölzli und Eichenreservate (Rheinfelden) Sehr geehrter Herr Osterwalder, vorab danke ich Ihnen nochmals für das ausführliche und offene Gespräch von gestern Abend. Es ging ja in eine völlig unbeabsichtigte Richtung, und ich erfuhr dabei weit mehr, als ich gewünscht oder befürchtet hatte. Die Tatsache, dass die Rodung/Deponie „Wäberhölzli Ursache“ des Vertrages zu den Eichenwaldreservate ist (und nicht umgekehrt), hat mich erschüttert, dann empört, zuletzt schien es mir aber, das ganze unbegreifliche Deponievorhaben im Wäberhölzli könne nun auf einmal detektivisch nachgestellt werden (s. unten). Die erwähnte Empörung hat übrigens damit zu tun, dass für mich der Kanton jetzt aus seiner geglaubten Unschuldsrolle herausgerutscht ist: Indem er die nicht nachvollziehbare Rodung und Deponie im Wäberhölzli in irgendwelcher Form zu genehmigen „versprach“ (der Stadtförster hat sich diesbezüglich verräterisch geäussert), erhielt er endlich den Vertrag mit den Eichenreservaten. Die Ortsbügergemeinde hat sich damit ihren hartnäckigen Widerstand gegen das Eichenreservatprojekt mit 3.5 Millionen vergolden lassen. Der Kanton macht sich aber damit moralisch schuldig an einer Rodung, die nicht im öffentlichen Interesse steht, sondern lediglich der Häufung der Ortsbürgerkasse dient. Schuldig macht er sich aber auch der unnötigen Beeinträchtigung des Naherholungsgebietes in Rheinfelden Ost: Was im Wäberhölzli geschieht, kann nicht mit weiter entfernten Reservaten gutgemacht werden: Das Waldgesetz spricht hier eine eindeutige Sprache und wird als Hebelpunkt meiner Einsprache gegen die offenbar bald verwertbare Rodungsbewilligung dienen. Es muss jetzt offenbar rasch gehen (meine Einwendung zum Rodungsgesuch wird offenbar bei Ihnen schon intensiv bearbeitet): Die einzig moralische Begründung der Rodung/Deponie liegt im behaupteten Deponienotstand im unteren Fricktal. Dieser Notstand dürfte aber mit der Deponie „Untere Rütene“ wirklich nur noch behauptet sein: Bei allen im Umlauf befindlichen divergierenden Planungsfristen dürfte klar sein, dass die Deponie Wäberhölzli bei einiger Koordinationsarbeit unnötig ist: Die Untere Rütene ist viel rascher aufnahmebereit, als behauptet wurde. Deswegen eilt jetzt auf einmal alles sehr: Das Wäberhölzli muss offenbar noch rasch (an-)gefüllt werden, damit nicht zwei gleichzeitig arbeitende und sehr nahe Deponien diese Planungspanne offensichtlich machen, Seite 1 von 3 Nun aber zum roten Faden in der komischen Wäberhölzliaffäre: Von der ersten Publikation des Projektes her war klar, dass hier nicht mit gezinkten Karten gespielt wurde. Weder Rodung noch Deponie konnten plausibel begründet werden, und je mehr dieses Defizit wettgemacht werden sollte, umso misstrauischer musste man werden. Die Sache schien nicht verkäuflich zu sein, man hatte aber offenbar auch gehofft, die Käufer (Stimmbürger) würden nicht nachfragen. Seit gestern ist mir aber der Hintergrund ausreichend klar (ich bitte Sie um Korrekturen) 1. Die „Mutter“ der Rodung/Deponie ist die verfallene und ungenutzte Deponiebewilligung 1998-2008. Die durch ein offenbar nicht erklärbares Versäumnis entgangenen Deponiegebühren sollen in einer faktischen Reaktivierung dieser Bewilligung wieder fliessen dürfen. 2. Die „Grossmutter“ ist die verweigerte „Restfüllung“ in den späten 80er Jahren. Der damalige Deponiebetreiber (Hasenböhler) durfte auf Anweisung der Ortsbürgergemeinde (Stadtförster) nicht weiter als bis zum jetzigen Niveau auffüllen - obwohl er wollte und es auch gekonnt hätte. Das jetzige Wäberhölzli wurde so sorgfältig gepflanzt, dass das damalige Niveau offenbar als definitiv gelten konnte. 3. Die Rodungs-/Deponiebewilligung für den Kraftwerksbau wurde nicht genutzt. Es gibt dazu keine plausible Erklärung. Es muss ein plumpes Versäumnis vorliegen. 4. Die Ortsbürgergemeinde versuchte nach dem bemerkten Verfall eine Reaktivierung der ungenutzten Bewilligung. Diese hätte stillschweigend erteilt werden sollen. 5. Der Kanton trat - was mehr als verdienstvoll ist - nicht auf diese Ansinnen ein und verlangte dazu eine Abstimmung der Einwohnergemeinde. Das ist der Schmerzpunkt der Ortsbürgergemeinde und dieser wird nun mit allen Mitteln angegangen. Am 9. Dezember müssen die Ortsbürger gegen die Interessen der Einwohnerbürger eine Mehrheit hinkriegen. 6. Der Kanton war aber wegen der Eichenwaldreservate an den Ortsbürgern interessiert: Diese verweigerten die Teilnahme am kantonalen Projekt so lange, bis sie als vermutlich letzte Gemeinde übrig blieb. Dadurch erklärt sich das kantonale Interesse an einem „Gegengeschäft“. 7. Diese Gegengeschäft hat eine sichtbare und eine unsichtbare Seite: Die sichtbare ist der im Dezember 2014 beschlossene Vertrag zu den Eichenwaldreservaten in Rheinfelden mit dem Kanton Aargau. Der Vertrag kann aber auch widerrufen werden. Er ist also kein verlässliches Widerlager. Die Ortsbürger könnten bei einer Ablehnung des Deponieprojektes ihre alten Eichen wieder dem Schutz entziehen und der Nutzung zuführen. Das dürfte als Drohung auf den Kanton wirksam sein. 8. Auf nicht verifizierbare Weise ist der Kanton in der Pflicht (oder fühlt sich verpflichtet), die Rodung/ Deponie zu genehmigen, und dies mit dem ökologischen Gewinn der Eichenwaldreservate zu entschuldigen. Diese Ablassrechnung erinnert an Rockefeller: „oak reservations make good a lot of sins“ (sinngemäss zitiert). Die Rechnung ist aber weder juristisch noch moralisch zulässig. Auf alle Fälle gefährdet sie die Glaubwürdigkeit des Kantons erheblich. Hier ist das Wort „Komplizenschaft“ nicht fehl am Platz. 9. Vermutlich werden jetzt die Einwendungen im Rekordtempo durchgearbeitet. Ihre Ablehnung wird noch vor dem 9. Dezember eintreffen, und dabei den Ortsbürgern als Propaganda dienen: die Einwohner Rheinfeldens lassen sich leicht demoralisieren. Bezeichnend bei den Verteidigern ist die Mühe, das Geldmotiv herunter zu rechnen. Alles Mögliche wird in die 3.5 Millionen hineingestopft um ein Nullsummenspiel vorzutäuschen. Das ist gut begreiflich: Man muss aus dem Bannstrahl des Waldgesetzes, das Rodungen aus Seite 2 von 3 finanziellen Gründen verbietet, heraustreten. Ausser finanziellen Gründen gibt es aber kein Motiv mehr, das dem Projekt helfend unter die Arme griffe. Bleibt also nur das lusche Gegengeschäft: Entfernte Eichen sollen die unnötige Rodung eines gesunden Jungwaldes kompensieren (s. Rockefeller). Dieses Gegengeschäft selber scheut naturgemäss das Tageslicht, es muss umtrippelt werden, was in Rheinfelden nicht sehr geschickt angestellt wird. Damit ist der Kreis im Wesentlichen geschlossen. Neu ist für mich daran, dass der Kanton so nicht gut aussieht: Das Gegengeschäft Rodung vs. Eichenwald geht nicht auf. Der Kanton riskiert dabei Vieles: Er verliert ein Glaubwürdigkeit, die ihn oft zum Schiedsrichter oder Helfer in den Niederungen der Kommunalpolitik machte. Zudem riskiert er einen heftigen Zusammenprall zwischen Orts- und Einwohnerbürgern. Eigentlich sollten die beiden zusammenarbeiten, nun tun sie aber das exakte Gegenteil. Schliesslich geht der Riss auch in die Gemeindebehörden hinein. Der Gemeindeammann ist auch Vorsteher der Ortsbürger und müsste damit Brückenbauer sein. Diese Funktion entgleitet ihm nun gründlich. Wie auch immer der 9. Dezember enden wird: Sieger wird ein gründliches Misstrauen sein. Man wird weder den kantonalen noch den kommunalen Organen trauen, Ortsbürger und Einwohnerbürger werden gegnerische Lager bilden, man wird überall heimliche Absprachen vermuten. Das ist ein Gift, das völlig unnötig verspritzt wird: Dass die grossflächige Rodung eines gesunden Jungwaldes in Stadtnähe nicht geschluckt werden wird, hätte man bei einigem Gespür ahnen können. Dass nach all den Informationen und Nachforschungen auch kein öffentliches Interesse mehr ausgemacht werden kann (das „Gegengeschäft“ gehört nicht in diese Kategorie, sonst hätte Lenzburg auch noch Anrecht auf einen solchen Handel), hätte auch in Aarau die roten Lampen aufleuchten lassen müssen. Hier wurde unbedacht, unnötig und unbegreifbar Streit gesät. Zum Schluss: Wenn ich eine Kopie dieses Briefes an Ihren Departementschef RR Attiger sende, hat das nichts mit einem speziellen Misstrauen Ihnen gegenüber zu tun, sondern hängt damit zusammen, dass ich Herrn Attiger damit aufmerksam machen möchte, dass sich auch in seinem Beziehungsfeld dunkle Wäberhölzli-Wolken nähern. Ich bin zutiefst enttäuscht, dass ein solcher Kuhhandel im 21. Jahrhundert noch möglich ist. Er gehört in die Zeit des Jeremias Gotthelf. Empört bin ich aber über die Tatsache, dass ich xStunden meiner verbliebenen Lebenszeit dafür einsetzen muss, einen nicht vermittelbaren Unsinn zu stoppen. Oder soll ich mich auch auf Rockefeller stützen: „saving forests makes good a lot of sins“? Mit freundlichem Gruss Jürg Keller (Alte Saline 8, 4310 Rheinfelden) Kopie an Herrn RR Stephan Attiger, Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau Seite 3 von 3
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