Das bisherige Leben in sechs Koffer packen

GLATTALER
FREITAG, 18. DEZEMBER 2015
l
DÜBENDORF 5
Das bisherige Leben
in sechs Koffer packen
MITTELAMERIKA. Stefan Kunz
und Debora Büchi wandern mit
ihren beiden Mädchen für drei
Jahre nach Nicaragua aus. Dort
wohnen sie in der 2-MillionenHauptstadt Managua und arbeiten in der Entwicklungshilfe.
INGA STRUVE
Landschaftsarchitekt Stefan Kunz war
bis vor Kurzem Geschäftsführer der Gewässerschutz-Organisation Aqua Viva
und als Vertreter der Grünen im Gemeinderat Dübendorf tätig. Seine Partnerin Debora Büchi, Primarlehrerin
und ebenfalls Landschaftsarchitektin,
hat an der Schule in Dübendorf gearbeitet. Die beiden haben eine ein- und eine
dreijährige Tochter und spielen in ihrer
Freizeit Improvisationstheater. Zurzeit
sieht es in der Wohnung Kunz/Büchi in
Dübendorf jedoch nach Aufbruch aus.
Überall stehen Kartonkisten, die einen
leer, die anderen bereits gefüllt. Die
vierköpfige Familie wandert für drei
Jahre nach Nicaragua aus. Abflug ist
Anfang Januar. Die 24-stündige Reise
führt über Frankfurt und Houston nach
Managua.
Ein Grossteil ihrer Habseligkeiten
haben Kunz und Büchi verkauft oder
verschenkt, ein kleiner Teil wird eingestellt. «Wir brechen hier alles ab», sagt
Kunz. «Es ist ein Loslassen, ein richtiger Abschied.» Denn ob sie nach ihrer
Rückkehr erneut in Dübendorf wohnen
werden, sei noch offen. Ihr ganzes bisherige Leben packt die vierköpfige Familie sozusagen in sechs Koffern und ein
wenig Handgepäck. Die Dreijährige
fülle denn auch jeden Tag ihren kleinen
Rucksack mit jenen Sachen, die sie mitnehmen möchte: Aktuell sind es ein
Stoffpinguin und eine kleine Bett­
flasche. Kurz vor Weihnachten ist Wohnungsabgabe. Die Feier- und Neujahrstage verbringen die vier in Frauenfeld
bei Büchis Eltern.
150 Stellenprozente für zwei
Doch worin besteht die Motivation,
einen solch wegweisenden Schritt in die
Tat umzusetzen? «Wir haben uns Gedanken über unsere Zukunft gemacht»,
berichtet Büchi. Dabei hätten beide Lust
verspürt, im Ausland zu arbeiten. «Und
wenn wir mit den Kindern gehen möchten, dann müssen wir dies jetzt tun, bevor sie ins Schulalter kommen», ergänzt
Kunz. Der 40-Jährige betont jedoch,
dass sie nicht wegfahren, weil es ihnen
hier nicht mehr gefällt. «Wir gehen im
Guten, und eine Rückkehr ist ganz klar
vorgesehen.»
Es war ihr beider Wunsch, sich im
spanischen Sprachraum zu engagieren.
Und zwar nicht, weil sie die Sprache bereits können, sondern gerade im Gegenteil, weil sie sie lernen mussten. Auf der
Suche nach einem geeigneten Einsatzort
sind sie auf die Organisation Interteam
(siehe Kasten links) gestossen, die per-
KATHOLISCHE PFARREI. Zur Vorbereitung auf ein hohes Fest wie Weihnachten gehört für viele Menschen auch die
Besinnung auf all das, was im Leben
­gelingt und misslingt. Deshalb lädt die
Katholische Pfarrei zu zwei Versöhnungsfeiern am Dienstag, 22. Dezember,
um 15 Uhr und um 19.30 Uhr ein.
Am Heiligen Abend, 24. Dezember,
um 17 Uhr spielen und singen Kinder in
der Kirche Maria Frieden das Krippenspiel: «Ein Kind und ein König». Zu
­dieser Feier mit einer einfachen Liturgie
sind alle Familien eingeladen. Um
18 Uhr findet in der Lazariterkirche im
Gfenn eine weihnächtliche Eucharistiefeier statt. Der Mitternachtsgottesdienst
beginnt dann um 23 Uhr in der Kirche
Maria Frieden und wird begleitet von
Sopran und Querflöte. Es erklingen
Werke von Georg Friedrich Händel,
Georg Philipp Telemann und Wolfgang
Amadeus Mozart.
Am Weihnachtsmorgen, 25. Dezember, beginnt das feierliche Hochamt um
10.30 Uhr. Der Kirchenchor Cäcilia, das
Ensemble La Partita und Solisten umrahmen den Gottesdienst mit der Deutschen Messe für die Weihnachtszeit von
Alois Bauer und böhmischer Weihnachtsmusik. (red)
Langer Samstag
mit Geschichten
Stefan Kunz und Debora Büchi verbringen den Alltag zurzeit zwischen Kartonkisten und halb leeren Regalen. Bild: Inga Struve
sonelle Entwicklungszusammenarbeit
betreibt – auch für Familien und nicht
nur für unabhängige Einzelpersonen.
«Uns ist es wichtig, dass wir beide in
unseren Berufen arbeiten können», sagt
die 36-jährige Büchi.
«Wir gehen im Guten,
und eine Rückkehr
ist ganz klar
vorgesehen.»
Stefan Kunz
So haben sie sich etwa zu jenem Zeitpunkt bei Interteam blind beworben, als
zwei nicaraguanische Organisationen
auf sie passende Jobs ausgeschrieben
hatten. Im Jobsharing bewarben sie sich
um eine 100-Prozent-Stelle in Umwelt­
bildung und Organisationsentwicklung
der Naturschutzorganisation Red-RSP
(siehe Kasten rechts). Zusätzlich bewarb
sich Kunz beim nicaraguanischen
Bauernverband Unag für weitere 50
Prozent, ebenfalls in der Organisationsentwicklung. Denn von Interteam sind
für Paare insgesamt 150 Stellenprozente
vorgeschrieben.
IN DER SCHWEIZ
Interteam vermittelt Fachleute
Interteam mit Sitz in Luzern ist eine
der grössten Schweizer Organisationen
der personellen Entwicklungszusammenarbeit. Seit 1964 setzt sie sich als
Nichtregierungsorganisation (NGO)
und Hilfswerk zusammen mit lokalen
Partnerorganisationen für bessere Lebensbedingungen in armen Ländern in
Afrika und Lateinamerika ein.
Im Zentrum der Arbeit steht der
Austausch von Wissen, Fertigkeiten
und Erfahrungen. Dazu vermittelt
Interteam qualifizierte Schweizer Berufsleute aus den Bereichen Bildung,
Versöhnungsfeiern
und Gottesdienste
Ernährung und Gesundheit für drei
bis maximal sechs Jahre.
Finanziert wird Interteam durch
Mittel von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie von Stiftungen, Pfarreien, Kirchgemeinden, Firmen und
Privaten. Die NGO übernimmt für die
Fachleute die Kosten für Sozial- und
Krankenversicherungen während des
Einsatzes, die Ausbildungs- und Reisekosten, den Lebensunterhalt vor Ort
und eine Sparrücklage für die Rückkehr. Weitere Informationen gibt es
auf www.interteam.ch. (red)
Seit Februar, also seit klar ist, dass die
Familie Kunz/Büchi nach Nicaragua
auswandert, sind die beiden Erwachsenen fleissig am Spanisch lernen. Interteam schreibe ein bestimmtes Niveau
vor, erläutert Kunz. «Das Spanisch war
damit für mich auch der schwierigste
Teil der Voraussetzungen, die es zu erfüllen galt.» Zusätzlich zum hiesigen
Kurs haben sie sich zwei Wochen in den
Frühlings- und vier in den Sommerferien in Spanien der Sprache gewidmet.
Eigene Haltungen überdenken
Weiter haben die beiden Auswanderungswilligen in Luzern mit anderen angehenden Interteam-Fachleuten im November einen dreiwöchigen Ausreisekurs besucht. Dabei ging es um Themen
wie Entwicklungshilfe und -politik, die
eigene Haltung gegenüber einer fremden Kultur, die eigene Rolle in der Beratung vor Ort. Und an einem Kurs in
Biel setzten sie sich mit sicherheits- und
stressrelevanten Fragen auseinander:
betreffend Erdbeben, Kidnapping, Verkehr, Diebstahl und Raubüberfall.
«Der Verkehr ist in Managua ein riesiges Problem und gefährlich», sagt
Kunz. Hingegen sei die medizinische
Versorgung in den Spitälern gut. Seine
grösste Angst sei jedoch die Gesamtbelastung durch das Klima, die fremde
Kultur und Sprache, die Arbeit und vielleicht auch das Heimweh. Und Sorgen
der Kinder wegen? «Die sind das
kleinste Problem», ist Kunz überzeugt.
Sieben Wochen bis Arbeitsbeginn
Die Aufgaben für ihre Arbeit, die am
1. März 2016 beginnt, sind von Interteam zwar schriftlich festgehalten. «Es
kann aber auch sein, dass dann alles
ganz anders kommt», sagt Büchi. Sie
sind beide darauf eingestellt, dass viel
Flexibilität nötig sein wird, um sich in
der neuen Kultur und in einem fremden
Umfeld einzugewöhnen. Und der Wechsel von Dübendorf nach Managua mit
seinen über 2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern dürfte einem Kulturschock gleichkommen. «Jedes Haus
hat einen Zaun, alles ist abgeschlossen»,
nennt Kunz nur einen Unterschied zwischen dem Alltag in Dübendorf und je-
nem in Managua. Sie werden sich ein
Auto kaufen und ein Haus zur Miete
­suchen müssen. Für die Kinder ist der
Besuch eines Montessori-Kindergartens
vorgesehen.
Die Reaktionen aus dem Umfeld
seien positiv ausgefallen. Einige wenige
waren gemäss Kunz wohl etwas neidisch
oder auch skeptisch, schliesslich könne
man sich auch in der Schweiz für die
Umwelt engagieren. «Der Erfahrungswert ist riesig», entgegnet Kunz, der bereits zweimal länger im Ausland gelebt
hat. Und diese Erfahrungen könnten sie
nach ihrer Rückkehr hier anwenden,
was somit für die Schweiz ebenfalls
einen Gewinn ergäbe.
Berichte im «Glattaler»: Stefan Kunz und Debora
Büchi werden während ihres Auslandaufenthalts mehrmals pro Jahr im «Glattaler» über ihr
Leben und ihre Arbeit in Nicaragua berichten.
IN NICARAGUA
Naturschutzund Bauernverband
Das Red de Reservas Silvestres Privadas (Red-RSP) vertritt als Verband
die Interessen der Eigentümer privater Naturschutzgebiete in Nicaragua.
Dieser macht sich für eine nachhaltige Verwaltung der Gebiete stark,
um Schutz, Erhaltung und Wiederherstellung natürlicher Ressourcen
zu gewährleisten. Hierfür entwickelt
die Nichtregierungsorganisation ökologisch, sozial und finanziell nachhaltige Strategien. Sie fördert Tätigkeiten, die für die lokale Bevölkerung
eine höhere Lebensqualität und ein
geregeltes Einkommen ermöglichen.
Zum Red-RSP gehören derzeit 84
Naturschutzgebiete in Nicaragua.
Die Unión Nacional de Agricultores y Ganaderos de Nicaragua (Unag)
ist einer der grössten Bauernlandwirtschaftsverbände in Nicaragua. Er
vermittelt Bauern Strategien, wie sie
den Wert ihrer Produkte steigern und
zu höheren Preisen verkaufen können. (red)
STADTBIBLIOTHEK. In der jetzigen Vorweihnachtszeit lädt die Stadtbibliothek
zu einem besonderen Tag ein: Sie öffnet
ihre Türen morgen Samstag, 19. Dezember, von 10 bis 16 Uhr. Das ist die perfekte Gelegenheit, sich für einen Kaffee
oder Tee mit Guetsli im Lesecafé Zeit
zu nehmen und in aller Ruhe im Bibliotheksangebot zu stöbern. Kinder ab drei
Jahren können sich um 14.30 Uhr auf
eine Weihnachtsgeschichte freuen. Und
die ganze Familie findet eine reiche
Auswahl an Medien für die Weihnachtsferien, in denen niemand an eine Rückgabe zu denken braucht. Denn die
Ausleihfristen werden so angepasst,
­
dass alle Medien erst im neuen Jahr
­fällig sind. An den Feiertagen steht zudem die digitale 24-Stunden-Bibliothek
­(dibiost) zur Verfügung.
Am Mittwoch, 23. Dezember, ist die
Stadtbibliothek von 14 bis 20 Uhr zum
letzten Mal in diesem Jahr geöffnet. Von
Donnerstag, 24. Dezember, bis Montag,
4. Januar, bleiben die Bibliothek und die
Rückgabebox geschlossen. Ab Dienstag,
5. Januar, ist die Bibliothek dann wieder
geöffnet. Weitere Informationen: www.
duebendorf.ch. (red)
Adventssingen
auf der Piazza
REFORMIERTE KIRCHE. Die Reformierte Kirchgemeinde Dübendorf führt
ein offenes Adventssingen durch, und
zwar am vierten Adventssonntag, 20.
Dezember, um 17 Uhr vor dem ReZ am
Lindenplatz. Dort werden unter dem
Weihnachtsbaum auf der Piazza die
­alten, vertrauten Weihnachtslieder gesungen. Die musikalische Begleitung
liegt bei der Brass-Band, die besinnlichen Impulse gibt Pfarrer Herbert Pachmann. Auch für Glühwein und Punsch
wird gesorgt sein. (red)
Handwerk bei
«Natürlich-Dekorativ»
GFENNER LÄDELI. Übermorgen Sonntag, 20. Dezember, sind unter dem Titel
«Natürlich-Dekorativ» Kunsthandwerk,
Schmuck, Flohmarktartikel und preiswerte Originale in nostalgischem Ambiente ausgestellt: 14 bis 17 Uhr im
Gfenner Lädeli an der Gfennstrasse 21
in Dübendorf. (red)