Wo Gold den Glanz verliert

4/2016 16. bis 29. Februar Zentralredaktion
Fastenopfer: Ökumenische Kampagne 2016
Wo Gold den Glanz verliert
2 Thema
Interview mit der Luzerner Filmemacherin Corina Schwingruber
«Wenn der Napf ein Peruaner wäre»
Der Goldabbau lohnt sich ab 0,5
Gramm pro Tonne Erde – so viel wie
im Napf. Riesige Mengen Wasser
und viel Chemie sind dazu nötig.
Das geht beim Napf nicht, in anderen
Weltgegenden jedoch schon, wie Co­
rina Schwingrubers Film «Wenn der
Napf ein Peruaner wäre» zeigt.
Corina Schwingruber, warum the­
matisieren Sie im Film den Abbau
von Rohstoffen?
Ich hatte mich vorher stark mit der
Privatisierung von Wasserquellen in
den USA befasst. Mir ist es wichtig, auf
solche Themen aufmerksam zu machen. Als 2010 das Fastenopfer für den
Kurzfilm «Wenn der Napf ein Peruaner wäre» anfragte, war ich sofort sehr
angetan. Dabei haben mich Jules
Rampini und Barbara Müller sehr
unterstützt. Jetzt bin ich froh um die
für die Kampagne 2016 aktualisierte
Fassung des Films mit aktualisierten
Zahlen – der Goldpreis ist ja weiter gestiegen – und mit einer französischen
und einer italienischen Tonspur.
Wie gingen Sie an den Film heran,
wo fanden sie die Protagonisten?
Von Anfang an wollten wir halb einen
Dokumentar-, halb einen Animationsfilm machen. Mir oblagen Regie
und Konzeption. Über Jules Rampini,
der aus dem Napfgebiet kommt, lernte ich die Protagonisten kennen. Er
selber spielt einen Goldsucher, der
im Bach auf schonende, herkömm­
liche Weise Gold sucht.
Wo landen die grossen Gewinne?
Bei den Konzernen. Mir macht zu
schaffen, dass die grössten Rohstoffhändler hier in der Schweiz sitzen,
wo es gar keine Rohstoffe gibt. Nicht
in Peru oder Burkina Faso, wo das
Corina Schwingruber-Ilic in ihrem kleinen Luzerner Filmstudio. Für die aktualisierte Fassung ihres Animationsfilms «Wenn der Napf ein Peruaner wäre»
Bilder: aw (o.), Fastenopfer (u.)
(Filmstil unten) zog sie neue Tonspuren ein.
Gold doch herkommt. Mein Eindruck
ist auch, dass viele Leute aus diesen
Konzernen in anderen Welten leben,
so dass sie oft gar nicht wissen, was
sie tun – was ihr Tun bei den einfachen Leuten am Ende der Kette auslöst, dass da zum Beispiel ein Bauer
seine Kartoffeln aus dem verseuchten Boden holen muss.
Was berührt Sie am meisten?
Das Schicksal einzelner Menschen,
die wegen ihrer Hautfarbe oder ih-
rer Herkunft ein ganz anderes Leben
führen müssen als ich. Und umgekehrt berührt mich das Unverständnis
bei uns für solche Menschen.
Womit befassen Sie sich derzeit?
Ich habe viele Ideen, am konkretesten arbeite ich an meinem ersten langen Kinodokumentarfilm. Da geht
es um die Verantwortung der Kinder
für ihre älter werdenden Eltern. Hier
muss ich für die Finanzierung noch
sehr viel Vorarbeit leisten.aw
Thema 3 Ökumenische Kampagne 2016: Goldabbau in Burkina Faso
Gold zerstört Lebensgrundlagen
Die Schweiz verarbeitet rund 70 Pro­
zent des weltweit gehandelten Gol­
des. Doch der Abbau des kostbaren
Gutes bringt die Menschen vor Ort
in Not, wie ein Beispiel aus Bur­
kina Faso zeigt. Die verantwortlichen
Unternehmen kümmert das bislang
wenig. Das soll sich ändern.
Florent Ouédraogo ist ausser sich:
«Die Goldmine Bissa hat meine Felder unter Wasser gesetzt.» Anfang
August 2012 brach ein Rückhaltebecken der Mine. Das Wasser überflutete Felder und Häuser und ist seither
nicht abgeflossen. Mehrere Bauernfamilien haben dadurch viel Land
verloren. «Fünf Hektaren kann ich
nicht mehr bebauen», sagt Ouédraogo. Vorher seien hier Hirse, Sesam
und Niébé-Bohnen gewachsen.
Ernte auf 20 Hundertkilosäcke Hirse
und 6 Säcke Niébé steigern können.
Er hatte gelernt, eigenen Kompost
herzustellen und das Land mit Steinmäuerchen vor Erosion zu schützen.
Er wandte auch die Zaï-Methode an:
Für jede Pflanze grub er ein separates
Loch in den trockenen Boden, füllte
es mit Kompost und legte den Samen hinein. Bodenqualität und Ernte
verbesserten sich. Doch nun hat die
Überschwemmung diesen Erfolg zunichtegemacht. Eine Entschädigung
erhielt er erst drei Jahre später und
lediglich für eine Hektare Land. Denn
die Unternehmen kompensieren nur
bebaute Felder, nicht aber sich er­
holende Brachen. Land konnte sich
Ouédraogo ohnehin nicht kaufen,
denn im ländlichen Burkina Faso
wird Grund traditionell nur vererbt.
Erfolg zunichtegemacht
Die Rolle der Schweiz
Mit Hilfe von Soutong Nooma, einer
Partnerorganisation von Fastenopfer,
hatte der 62-Jährige bis dahin seine
Das Dorf Soutong ist kein Einzelfall:
Allein wegen der Mine Bissa haben
rund 3000 Menschen ihre Häuser
Apokalyptische
Szene: Bauer
Florent Ouédraogo
vor seinem überfluteten Feld in
Soutong. Ein toter
Baum ragt aus
dem schmutzigen
Wasser, das nicht
abfliesst.
Bild: Meinrad Schade,
Fastenopfer
Initiative unterschreiben
Zusammen mit anderen Organisationen hat das Fastenopfer die
Konzernverantwortungsinitiative
lanciert. Sie will Schweizer Unternehmen gesetzlich zur Sorgfalt
gegenüber Menschenrechten und
Umwelt verpflichten. Sie ist Kern
der diesjährigen Kampagne.
fastenopfer.ch/konzernverantwortung
und ihr Land verloren. Untersuchungen von Fastenopfer im Umfeld von
drei Minen zeigten: Der Goldabbau
zerstört Lebensgrundlagen und verletzt Menschenrechte. Das Gold aus
den untersuchten Minen wird in
der Schweiz raffiniert. Als praktisch
alleinige Abnehmer könnten diese
Schweizer Raffinerien Einfluss auf
den Umgang der Minen mit der lo­
kalen Bevölkerung in Burkina Faso
nehmen. Offenbar tun sie das ungenügend. Patricio Frei/Fastenopfer
4 Veranstaltungen
Treffpunkte
RomeroHaus Luzern
Ein Morgen in Achtsamkeit
Menschen sprechen auf Stille und
Meditation an. Wenn äussere Reize
wegfallen, eröffnen sich neue Räume
und die Seele richtet sich auf Wesentliches aus. Einen Vormittag lang wird
dies achtsam eingeübt.
Mit Bernadette Rüegsegger; Sa, 20.2.,
07.15–12.15, RomeroHaus Luzern,
Anmeldung 058 854 11 73 oder
[email protected],
www.shibashi.ch.vu
Treffpunkt TV
Dennis und seine Welt:
Leben mit Autismus
«Viele denken, ich sei ein ganz
normaler Mensch. Erst wenn man
länger mit mir spricht, merkt
man, dass ich Sachen wiederhole
oder über Sachen lache, über die
kein anderer lacht – z. B. über die
Feuerwehr, Gewitter oder Geräusche. Das ist die Sache, die ich
habe», sagt Dennis. AutismusSpektrum-Störung heisst seine
Diagnose, eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich be­
sonders im sozialen Umgang mit
Mitmenschen zeigt. Im Fernsehfilm von Linda Hofmeier nimmt
Dennis die Zuschauer mit in seine
ganz eigene Welt.
So, 21.2., ARD, 17.30–18.00 Uhr,
«Dennis – und wie er die Welt sieht»,
in der Fernsehreihe: «Gott und die Welt»
Bild: Bayerischer Rundfunk/Steffen Düvel
Forum Ökumene, Luzern
Das «christliche Abendland»:
Ideologie oder kostbares Erbe?
Im Rahmen des «Forums Ökumene»
lädt der Ökumenische Förderverein
zur ersten Veranstaltung im neuen
Jahr. Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte an der Universität
Luzern, spricht zum Thema: «Das
‹christliche Abendland›: Ideologie
oder kostbares Erbe? Eine kirchen­
geschichtliche Anleitung».
Mi, 24.2., 18.15–20.00, Universität Luzern,
Frohburgstrasse 3, Hörsaal 5 (Parterre),
Eintritt frei
Veranstaltungen in der Fastenzeit
Themen der ökumenischen
Kampagne im Gespräch
«Verantwortung tragen –
Gerechtigkeit stärken»
heisst das
Thema der
Ökumenischen Kampagne 2016
zur Fastenzeit. Dazu finden unter
anderem folgende Veranstaltungen statt:
Religionsunterricht erteilen?
Orientierungsabend zum
Bildungsgang Katechese
Der Fachbereich
Pastoral – Religionsunterricht und
Gemeindekatechese der Landeskirche lädt am
23. Februar Interessierte zu einem
Orientierungsabend zum Bildungsgang Katechese ein. Die berufsbegleitende Ausbildung zur Katechetin/
zum Katecheten befähigt, Religionsunterricht zu erteilen und in den Pfarreien ausserschulisch tätig zu sein.
Wo Gold den Glanz verliert: auf
der Spur von Burkina Faso in die
Schweiz. Die Auswirkungen des
Goldabbaus in Burkina Faso;
die Schweiz und der Goldhandel,
Verflechtungen, Verantwortung,
Handlungsmöglichkeiten.
Referat, Podiumsgespräch, Diskussion
Mo, 29.2., 19.00, Universität Luzern,
Hörsaal 5. Einladende: katholische
und reformierte Kirchen Stadt und
Kanton Luzern, Comundo, Fastenopfer,
Christkatholische Kirchgemeinde Luzern,
bergbau menschen rechte, Bildung
Missionskonferenz, Hochschulseelsorge
Di, 23.2., 19.30–21.15, katholische
Landeskirche, Abendweg 1, Luzern (3. Stock);
eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Informationen: www.lukath.ch/
ausbildungen-nach-formodula
Dirty Gold War. Ein Dokumentarfilm (2015) von Daniel Schweizer
und Gespräch mit Susanna
Anderegg, Fachperson Bergbau
und Menschenrechte
Konzert Pfarrei St. Katharina Horw
Do, 3.3., 19.30 Uhr, Hochdorf,
Pfarreizentrum St. Martin. Einladende:
Pastoralraum Baldeggersee (Hochdorf,
Hohenrain, Kleinwangen, Römerswil),
reformierte Kirchgemeinde, Bildung
Missionskonferenz
«Dass alles gebührlich klinge!»
Die barocke Kammermusik in der
Kirche St. Katharina Horw wird der
Anleitung Johann Matthesons von
1739, «dass alles gebührlich klinge
und singe!», bestens gerecht. Pius
Strassmann, Martin Stadler, Thomas
Goetschel, Julian Behr und Martin
Heini spielen unter anderem frühbarocke Werke von Telemann, Kapsberger, Riccio, Rossi und Rosenmüller.
So, 28.2., 17 Uhr, Pfarrkirche St. Katharina,
Horw, Kollekte, www.musikkathhorw.ch
Drecksgold, Fairgold oder
Napfgold? Podium mit dem Film
«Dirty Gold War» (2015) von
Daniel Schweizer
Mo, 7.3., 19.30, Willisau, Schlossschür.
Einladende: Pfarreien Willisau, Luthern,
Ufhusen, Zell
www.fairfuture.ch
Luzern – Schweiz – Welt 5 Aus der Kirche
Schweiz
Durchsetzungsinitiative
Bischof Felix Gmür: «Diese
Initiative ist ungerecht»
Luzern
Die Kirche St. Joseph in Perlen.
Bild: pd
Kirchgemeinde Buchrain
Kirche Perlen wird verkauft
Die Stimmberechtigten der Kirchgemeinde Buchrain haben am 24. Ja­
nuar beschlossen, eine ihrer drei Kirchen zu verkaufen. Das Kirchenzentrum St. Joseph geht für 1,2 Millionen
Franken an die serbisch-orthodoxe
Kirche Luzern über. Dem nun beschlossenen Verkauf waren heftige
Diskussionen vorangegangen. Der
Entscheid fiel schliesslich mit 688 Ja
gegen 482 Nein; die Stimmbeteiligung betrug hohe 45 Prozent.
Der Basler Bischof Felix Gmür nimmt
deutlich Stellung gegen die Durch­
setzungsinitiative, über die am 28.
Februar abgestimmt wird. Sie sei
­«unverhältnismässig, unzumutbar
und ungerecht», schreibt er in seiner Stellungnahme. Er äussere sich
zu der ­Vorlage, weil die Kirche nicht
schweigen dürfe, wenn es um Menschenrechte und Menschenwürde
gehe.
Felix Gmür fordert dazu auf, sich
«nicht von der Angst vor dem Aus­
länder verteufeln» zu lassen. Der
wichtigste Rohstoff der Schweiz sei
die soziale Stabilität. «Die Schweiz hat
es immer verstanden, das Fremde
zum Partner zu machen, zu lernen, zu
integrieren. Was wären unsere Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Sport,
Kirche ohne Ausländer? Unvorstellbar, dass für einen grossen Anteil unserer Bevölkerung spezielle Gesetze
gelten», erklärt der Bischof.
82 Einsätze im vergangenen Jahr
Notfallseelsorge/Care Team Luzern 2015 gefragt wie noch nie
Bei Unfällen, Suiziden oder ausser­
gewöhnlichen Todesfällen kümmern
sie sich um Angehörige, Augenzeugen und unverletzte Beteiligte: Notfallseelsorgende und Care Givers.
2015 standen sie 82 Mal im Einsatz,
so häufig wie noch nie. Am zahlreichsten waren Einsätze bei ausserordentlichen Todesfällen und Suiziden. 718 Stunden waren Notfallseelsorgende und Care Givers insgesamt
präsent. Ihre hohe Stundenzahl im
vergangenen Jahr liege darin begründet, dass die Fälle komplexer geworden seien und vermehrt Zweierteams
aufgeboten würden, heisst es in einer
Medienmitteilung. Es würden mehr
Personen pro Fall betreut, was mehr
Notfallseelsorger und Care Givers erfordere. Und: «Notfallseelsorge/Care
Team haben es vermehrt mit Betroffenen zu tun, die kaum ein soziales
Netz und niemanden haben, der sie
in der Not auffangen könnte.»
Wenn Menschen in einem Notfall
den Boden unter den Füssen verlieren,
leistet die Organisation NotfallseelBild: do
sorge/Care Team Beistand.
Was mich bewegt
Verantwortung, los!
«Nein, diese
Verantwortung
kann ich nicht
tragen!» Wie oft
höre ich diesen
Satz, manchmal
bestimmt und
überzeugt vorgetragen, mit subtiler Argumentationskette versehen,
aber auch gedankenlos hingeworfen, im Gespräch schnell gesagt
wie ein Nein.
Und wenn ich die Verantwortung
von mir weggewiesen habe, mich
nicht eingebracht (oder eingemischt?) habe, bin ich dann befreit, habe ich die Verantwortung
los oder bin ich sogar verantwortungslos?
Was heisst Verantwortung? Das
Wort beinhaltet das Verb «antworten». Im ursprünglichen Sinn
war wohl gemeint: vor Gericht
antworten, eine Frage beantworten, sich rechtfertigen, für etwas
einstehen, etwas vertreten. Aber
auch Pflicht, Bereitschaft, für seine
Handlungen einzustehen und
ihre Folgen zu tragen.
Was bedeutet Verantwortung
als Christ und Christin heute?
Die Ethik des Christentums betont
die Freiheit, zu entscheiden.
Verantwortung setzt Handlungsfreiheit voraus, das Gute zu tun.
Papst Franziskus weist uns darauf
hin, Verantwortung für die Umwelt zu tragen, Verantwortung
für den Nächsten in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen.
Verantwortung: «ja, gerne».
Nicht verantwortungslos, sondern: «Los, Verantwortung!»
Margrith Mühlebach,
Bistumsregionalverantwortliche
6 Luzern – Schweiz – Welt
Aus der Kirche
Luzern
Luzerner Landeskirche
Fachverantwortliche Person
für Jugendpastoral gesucht
Die Stelle für die
Fachverantwortung Jugendpastoral bei der
Luzerner Lan­
deskirche ist neu
zu besetzen.
Sie ist zurzeit
ausgeschrieben.
Der jetzige Stelleninhaber, Viktor
Diethelm Schwingruber (Bild), Fachverantwortlicher im Fachbereich
Pastoral – kirchliche Jugendarbeit,
verlässt seine Stelle Ende März. Er
ist ab dem 1. April Leiter der Deutschschweizer Fachstelle für offene kirchliche Jugendarbeit. Diese ist Teil des
neuen «Kompetenzzentrums Jugend»
der römisch-katholischen Kirche der
Deutschschweiz am St.-Karli-Quai 12
in Luzern. Diethelm ist seit September 2009 für die Landeskirche tätig.
Informationen zur ausgeschriebenen Stelle
auf www.lukath.ch oder www.jobs.kath.ch
Schweiz
Jubiläumsjahr 2017
Reformierte und Katholiken
feiern gemeinsam
2017 jährt sich die Reformation zum
500. Mal. Im gleichen Jahr findet
auch das Jubiläum «600 Jahre Niklaus
von Flüe» statt. Die katholische und
die reformierte Kirche organisieren
dazu einen gemeinsamen nationalen Gedenk- und Feiertag, wie Anne
Durrer, Beauftragte für Kommunika­
tion beim Schweizerischen Evange­
lischen Kirchenbund (SEK), gegenüber kath.ch bestätigte. Angesichts
der getrennten Kirchen wolle man
ein Zeichen für die Zukunft setzen
und das Streben nach Einheit zum
Ausdruck bringen, so Durrer. Die
ökumenische Feier findet am 1. April
2017 in Zug statt. Die Stadt Zug sehen
die Veranstalter, SEK und Schweizer
Bischofskonferenz SBK, als historische «Schnittstelle» zwischen katholischer und reformierter Schweiz.
Helen Schüngel-Straumann
Kirche von innen erneuern
Die feministische Schweizer Theologin Helen Schüngel-Straumann sagte
in der Sendung «Sternstunden Reli­
gion», dass Frauen bis heute gegen
frauenfeindliche Haltungen in der
Kirche zu kämpfen hätten. Die 75-jährige gebürtige St. Gallerin ermutigte
alle Frauen, sich in der Kirche von
innen her für ihre Anliegen einzusetzen. Ziel sei die volle Gleichstellung.
International
Kirchen in Tschechien
Millionenentschädigung
Der tschechische Staat hat den Kirchen 2015 rund 75 Millionen Euro
Entschädigung für im Kommunismus enteigneten Besitz gezahlt. Der
grösste Anteil davon ging an die katholische Kirche. Die Zahlung ist Teil
einer über 30 Jahre angelegten Rückerstattung. Im Gegenzug will sich der
Staat schrittweise aus der laufenden
Kirchenfinanzierung zurückziehen.
So ein Witz!
«Gott sei Dank!», rief eine Kol­
chose-Bäuerin in der ehemaligen
Sowjetunion, «es kommt Regen.»
– «Aber Genossin», korrigierte der
Leiter der Kolchose, «du weisst
doch, einen Gott gibt es Gott sei
Dank nicht!» – «Sicher, Genosse,
aber wenn es nun, was Gott ver­
hüten möge, doch einen gibt?»
Die Länder mit der stärksten Christenverfolgung: Nordkorea, Syrien und
Karte: opendoors.ch
Eritrea.
Weltverfolgungsindex 2016
Bedrohte Christen weltweit
Letztes Jahr nahm die Christenver­
folgung weltweit weiter zu. Der aktuelle Index des Hilfswerks Open Doors
weist geringfügige Rangverschiebungen bei den Staaten mit massiver
Christenverfolgung auf, insgesamt
sind Übergriffe gegen Christen aber
deutlich gestiegen. Der radikale Islam gilt als Hauptursache in 35 der
50 im Index aufgeführten Länder.
Weitere Faktoren sind religiöser Na­
tionalismus, diktatorische Regime,
der postkommunistische Atheismus
und das organisierte Verbrechen.
www.opendoors.ch
Vereinigte Arabische Emirate
Erstmals Priesterweihen
Aus den vielen Familien katholischer
Arbeitsmigranten in den Vereinigten
Arabischen Emiraten gab es erstmals
Berufungen zum Priesteramt. Der zuständige Bischof Paul Hinder konnte
laut der Wiener Stiftung «Pro Oriente» im Januar zwei indischstämmige
Männer weihen.
Paul Hinder, Schweizer Kapuziner
Bild: zvg
und Bischof für Arabien.
Thema 7 Der neue Film des Regisseurs von «Arme Seelen»
Was der Tod (mit) uns macht
In Edwin Bee­lers neuem Film geht
es um das Leben in seinen Wirklich­
keiten: der fassbaren und der ande­
ren. Zwischen beiden steht der Tod.
In «Die weisse Arche» erzählen Men­
schen, was sie auf diesem Grat hält.
Wann bin ich dran? Wie werde ich
sterben? Menschen, die im Leben
stehen, verdrängen solche Fragen.
«Der Tod war für mich ein Feind»,
sagt die Pflegefachfrau Monika Dreier
im Film. Bis sie in eine Lawine geriet und dem Danach sehr nahe kam.
Seither weiss sie: «Wenn du vor etwas nicht Angst haben musst, dann
vor dem Tod.» Dreier hat gezählt, wie
oft die Worte «Fürchte dich nicht» in
der Bibel vorkommen: 534 Mal.
Solche Zuversicht, Gelassenheit zumindest, verströmen auch die vier
anderen Menschen, die im Film «Die
weisse Arche» erzählen: der Kapuziner Martin Germann, der in der Pfle-
gestation seines Ordens in Schwyz als
Seelsorger wirkte (er starb nach Abschluss der Dreharbeiten vor einem
Jahr), der Aussteiger, ehemalige Kartäuser und Gottsucher Alfons Bachmann, der als Einsiedler auf einer Alp
im Greyerzerland lebt, die Engelberger Benediktinermönche Eugen Bollin, Kunst­
maler, und Gabriel Egloff,
Gärtner, und der Heiler und Mystiker
Sam Hess, auch er ein Engel­berger.
Gegangen, nicht gestorben
Sie alle scheinen den Tod nicht zu
fürchten, weil er für sie nicht Ende,
sondern Übergang ist: «Bei uns zu
Hause hat man früher nie gesagt, dass
jemand gestorben ist. Es hat immer
geheissen: ‹Jetzt ist diese Person gegangen›», sagt Sam Hess.
Der Film «Die weisse Arche» beschäftigt sich mit Spiritualität, mit Sinn
und Wertfragen. Beeler macht die
begrenzte menschliche Erkenntnis-
fähigkeit zum Thema, weil ihn dies
mit dem Älterwerden – er wird im
April 58 Jahre – zunehmend beschäftigt: «Die Generation meiner Eltern
stirbt aus, letzte Fragen drängen sich
auf», sagt Beeler. Der Weg und die
Erkenntnis anderer Menschen liessen ihn hoffen, dass der Mensch
«nicht bloss ein biochemisches, hirngesteuertes Maschinenwesen», sondern da «noch eine andere Wirklichkeit» sei.
«Die weisse Arche» ist nach «Arme
Seelen» (2011) Edwin Beelers zweiter Film über Volksfrömmigkeit und
Transzendenz. Mit seinen eindrücklichen Naturbildern aus der Innerschweiz lädt auch er ein zu einer
Grenzwanderung, die zur eigenen
Auseinandersetzung mit dem Unerklärlichen anregt.
do
«Die weisse Arche» läuft zurzeit
im Luzerner Kino Bourbaki.
Was kommt danach, nach dem Tod? Szene aus dem Film mit dem Grenzgänger Alfons Bachmann.
Bild: pd
8 Thema
Ein humoreskes Interview mit dem «Schaltheiligen» Papst Hilarius
«29. Februar – finde ich ungerecht»
Papst Hilarius gehört zu den Heili­
gen, derer die Kirche am 29. Februar
gedenkt, praktisch nur alle vier Jah­
re. Im Interview blickt der «Schalt­
heilige» Hilarius zurück und gibt
Einblick in seine Befindlichkeit.
Eure Heiligkeit, herzliche Gratulation
zum Festtag. Wie geht es Ihnen?
Ja, was soll ich sagen. Nur alle vier
Jahre gefeiert zu werden, ist schon
ein bisschen mager. Aber sonst geht
es mir gut und ich freue mich über
dieses Interview.
Kränkt es Sie, als «Schaltheiliger» so
oft übersprungen zu werden?
Ich gebe zu, schon ein bisschen, zumal ich am 28. Februar gestorben
bin. Dass mich die Kirche erst am
29. feiert, finde ich irgendwie ungerecht. Auch meinen einzigen Lehrbrief hat die Nachwelt verschusselt.
Und nicht mal mein Grab können
sie mehr finden, obwohl sie erst vor
wenigen Jahrzehnten nochmals in-
Hilarius, Papst von 461 bis 468, wurde in Rom auf dem Friedhof hinter
San Lorenzo fuori le mura begraben.
Die exakte Stelle ist heute nicht mehr
Bilder: aw
auffindbar.
tensiv gebuddelt haben. Wobei ich
zugeben muss, dass der Friedhof da
in Rom hinter dem Grab des verehrten heiligen Laurentius sehr gross
und unübersichtlich geworden ist.
Warum die Verschiebung auf den 29.,
waren Sie nicht fromm genug?
Na, erlauben Sie mal, schon eher trifft
das Gegenteil zu. Zwar kann ich natürlich meinem Vorgänger, Papst Leo
dem Grossen, nie das Wasser reichen,
und ich war auch nur sieben Jahre
Papst, von 461 bis 468, aber auch ich
habe für die Kirche und den rechten Glauben mein Leben aufs Spiel
gesetzt. Tja, die Räubersynode von
Ephesos, das waren noch Zeiten. Da
sind die Synodalen noch übereinander hergefallen. Dagegen sind ja die
heutigen Synoden an Harmlosigkeit
kaum zu überbieten.
Ja, erzählen Sie doch bitte mal!
Das ist eine komplizierte Geschichte,
die heute kaum jemand mehr nach-
vollziehen kann. Ich mache es kurz,
schliesslich will ich Ihre Leserschaft
ja nicht langweilen. Also, das war 449.
Ich war Archidiakon von Papst Leo
und sollte ihn in Ephesos vertreten.
Es ging um das Bekenntnis zu Christus in zwei Naturen, Gott und Mensch,
das von Alexandria bestritten wurde.
Es herrschte eine Atmosphäre der
Einschüchterung. Ägyptische und syrische Mönche, die scharenweise angereist waren, heizten die Stimmung
an. Als ich, getreu der Lehre von Papst
Leo, der von Alexandria dominierten
Synode mein «Ich protestiere» ent­
gegenschleuderte, liess der Patriarch
von Alexandria die Türen öffnen, seine Schlägertruppe drang ein und
knüppelte unseren Widerstand nieder. Nur knapp konnten wir entkommen. Leo hat dann Ephesos zurecht
eine «Gangstersynode» genannt und
die Beschlüsse von Ephesos scharf
verurteilt.
Wie ging es dann weiter?
Das Konzil von Chalcedon 451 hat
dann alles geregelt. Es wurde in der
östlichen Kirche etwas ruhiger. Als
ich dann ab 461 Papst war, konnte ich
mich mehr um die Kirche im Westen,
in Gallien und Spanien, kümmern.
Und es den Arianern richtig zeigen,
diesen Sektierern.
Papst Hilarius, äh, gut, danke für das
Gespräch und einen schönen Feier­
tag. Wie werden Sie ihn verbringen?
Wie alle vier Jahre treffe ich mich mit
den anderen Heiligen des 29. Februar.
Heuer hat uns auf den Nachmittag
Antonia von Florenz eingeladen. Vorher trinke ich noch mit Oswald von
Worcester ein zünftiges Ambrosium.
Das wird sicher wieder sehr lustig.
Andreas Wissmiller
Thema 9 Die Kirche im Bürgerkriegsland Syrien
«Vergesst nicht die Menschlichkeit»
Die Menschen in Syrien kämpfen
Tag für Tag ums Überleben. Nawras
Sammour, Direktor des JesuitenFlüchtlingsdienstes dort, über die
Rolle der Christen in der Hilfe für sie
und darüber, was die Menschen in
Europa für Flüchtlinge tun können.
Haben die syrischen Christen noch
Ressourcen, um zu helfen?
In Syrien leben fünf Prozent Christen.
Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
ist unser Beitrag in der Nothilfe um
einiges grösser. Wir dürfen glücklich
sein, denen zu helfen, die in Not sind.
Manchmal frage ich mich, ob wir
noch mehr tun könnten. Ich weiss es
nicht. Ganz sicher aber weiss ich,
dass wir uns nicht auf Hilfeleistungen
beschränken dürfen. Wir müssen gerade in dieser Krise über unsere Identität und Rolle als arabische Christen
nachdenken.
Kommen Sie dazu, solche grund­
sätzlichen Reflexionen anzustellen?
Wenn wir keine Antwort auf die Frage
nach unserer Daseinsberechtigung
finden, werden wir das Land früher
oder später verlassen müssen. Wenn
wir Christen nicht wissen, weshalb
und wozu wir da sind, hat unsere Präsenz in Syrien keinen Sinn mehr. Es
ist nie zu spät, sich Gedanken über
die eigene Identität zu machen.
Worin sehen Sie die Identität des
Christentums in Syrien?
Im Vordergrund steht nicht eine phi­
losophische, gesellschaftliche oder
politische Reflexion darüber, wer oder
was wir als christliche Gemeinschaft
sind. Wir müssen nach dem tieferen
Sinn unserer christlichen Präsenz in
dieser ausserordentlichen Krisensitua­
tion fragen. Das ist für mich schliess-
Der Jesuit Nawras Sammour (47)
ist Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Syrien. Im Dezember
Bild: us
besuchte er Luzern.
lich eine spirituelle Frage. Die Er­
fahrung, die wir als Christen zurzeit
machen, ist zutiefst spirituell.
Können Sie diese Spiritualität be­
schreiben?
Ich erinnere an die Situation der
Christen in Deutschland zur Zeit des
Nationalsozialismus. Viele der Menschen, die fähig waren, den Nazis
entgegenzutreten, waren tiefgläubig.
Sie schöpften die Kraft zum Widerstand aus dem Glauben. Auch für
uns Christen in Syrien ist der Glaube
die Grundlage unserer Tätigkeit. Er
gibt uns die Kraft und den Sinn, hier
weiter zu wirken.
Was können wir persönlich tun?
Für euch hier in Europa sind die vielen Flüchtlinge eine grosse Heraus-
G
rundlegend ist doch,
im anderen zuerst
den Menschen zu sehen und
ihm Wertschätzung und
Liebe zu zeigen.
Nawras Sammour
forderung. Viele, die kommen, sind
Muslime. Das erzeugt Ängste. Wäre
ich ein Europäer, würde ich wohl
ähnlich reagieren. Und seien wir
nicht naiv, es gibt unter den Flüchtlingen auch Leute, die nicht nur gute
Absichten haben. Die grosse Mehrheit aber braucht Schutz und Hilfe.
Vergesst deshalb nicht die Menschlichkeit! Ich meine eine Menschlichkeit, die zuerst den hilfsbedürftigen
Mitmenschen sieht. Das ist für mich
eine Frage der Spiritualität. Wenn ich
Mitmenschen aufnehme, nehme ich
Gott auf. Wenn ich einem Menschen
helfe, helfe ich Gott.
Wie können wir diese Spiritualität
in die Praxis umsetzen?
Die Flüchtlinge, die in die Schweiz
kommen, kennen die Sprache nicht.
Warum nicht einen Sprachkurs or­
ganisieren? Oder ein Angebot für
Kinder? Alle können das tun, was ihren Möglichkeiten entspricht, ob sie
nun Zeit, Wissen oder Geld schenken möchten. Grundlegend ist doch,
im anderen zuerst den Menschen
zu sehen und ihm Wertschätzung
und Liebe zu zeigen. Darin sehe ich
üb­rigens einen zentralen Aspekt des
«Jahres der Barmherzigkeit», das
Papst Franziskus ausgerufen hat.
Barmherzigkeit heisst für mich, dem
anderen zeigen, dass er geliebt ist.
Auch ich selbst bin geliebt und kann
andere Menschen lieben. Darin liegt
die Menschlichkeit begründet, die
ich angesprochen habe.
Interview: Urban Schwegler
Hilfe kommt auch aus Luzern:
Die Katholische Kirchgemeinde Luzern hat
im vergangenen Jahr einen Sonderkredit
von 100 000 Franken für Flüchtlingshilfe
in Syrien und Jordanien gesprochen.
Worte auf den Weg
Bild: Andreas Wissmiller
A
uch heute, angesichts so vieler Wegstrecken
mit grauem Himmel, haben wir es nötig,
das Licht der Hoffnung zu sehen,
selber Hoffnung zu geben.
Die Schöpfung zu bewahren, bedeutet,
den Horizont der Hoffnung zu öffnen,
all die Wolken aufzureissen für einen Lichtstrahl,
bedeutet, die Wärme der Hoffnung zu bringen.
Papst Franziskus über Hoffnung