OHG: Der kleinste und innovativste Global Player der Welt OSNABRÜCKER HERDBUCH-GENOSSENSCHAFT (OHG) • • • • • • Gegründet: 1901 Standort: Melle (20 km östlich von Osnabrück) Mitglieder: 700 HB-Züchter/40.000 HB-Kühe Angekaufte Bullen/Jahr: 15 Holstein + 2 Red Holstein Spermaverkauf National: 100.000 Dosen/Jahr Spermaverkauf International: 400.000 Dosen/Jahr • • • • • Distribution: über freie Distributoren in 50 Ländern Stärkste Märkte: Türkei, BeNeLux, Italien, Australien, Afrika Anteil Export am Gesamtumsatz: 60% Topseller bisher: Ramos (700.000 Dosen) Topseller aktuell: Boss Die etwa 40.000 Herdbuch-Holsteins entsprechen nur 2% der deutschen Population, die 17 angekauften Jungbullen jährlich etwa 5% der deutschen Testkapazität. Trotzdem kennt die Osnabrücker Herdbuch-Gesellschaft (OHG) jeder. Man ist innovativ und man hat schon oft Maßstäbe gesetzt. Mit der frühen Holsteinisierung etwa, dem intensiven Export von Zuchtvieh und Sperma, mit der DT-Station, mit Bullen wie Ramos, Lancelot oder Jose und mit etlichen hohen genomischen Spitzenbullen. Unter allen Global Playern ist die OHG vielleicht der Kleinste aber eben auch einer der Interessantesten. Die personelle Spitze der OHG: Andreas Kandzi (links) und Hans-Willi Warder. STEPHAN SCHNEIDER CHRISTINE MASSFELLER Article published by: www.holsteininternational.com W ir sitzen im Büro von Hans-Willi Warder, dem Geschäftsführer der OHG, in Melle. Warder ist ganz eindeutig der Kopf des Unternehmens. Man kann mit ihm eigentlich über alles reden. Nicht nur weil er grundsätzlich sehr offen über alles spricht, sondern weil er neben der generellen Strategie auch in fast allen einzelnen Bereichen des Unternehmens bis ins Detail antworten kann. Für Zucht, den Bereich, der uns vor allem interessiert, gilt das insbesondere. Außerdem sitzt Andreas Kandzi mit im Büro. Der stellvertretende Geschäftsführer ist verantwortlich für die Spermavermarktung, das Marketing und die Außendarstellung der OHG insgesamt. „Wir sind ein kleines Unternehmen, bei dem jeder weiß, was er zu tun hat. Es gibt keine langen Wege, wir sind eigentlich ziemlich flexibel bei allen Dingen, die wir anpacken“, sagt Kandzi. Ein gewisses Understatement gehört hier zum guten Ton. Die Rolle des Underdogs in einer Zuchtbranche, die in den letzten Jahren durch Fusionen und Wachstum geprägt war, füllt man bei der OHG gerne aus. Denn genau darin sieht man die eigene Stärke. HOHER IMPORTANTEIL Der OHG geht es wirtschaftlich ziemlich gut und das, obwohl man bei dieser Größe dem Unternehmen auf dem internationalen Markt kaum eine Überlebenschance geben würde. Aber die realen Marktanteile sind viel größer als sie theoretisch sein müssten. Obwohl man nur 2% der deutschen Holstein-Population und nur 5% der nationalen Testkapazität repräsentiert, ist man zu 25% am nationalen Spermaumsatz im Export beteiligt. Man bedient Kunden in über 50 Ländern. Und zwar mit Produkten, die seit langem zur Weltspitze gehören. Mit Bullen wie Ramos, Lancelot, Jose oder Wizzard hat man Maßstäbe gesetzt. Und auch im genomischen Zeitalter ist die OHG immer vorne dabei. Bullen wie Maxim, Boss, Beauty, Famous oder die neuen August-Debütanten Barolo und Basta. Die Erfolgsquote ist unheimlich hoch. Aber was sind die Gründe? Hans-Willi Warder beschreibt es mit der Geschichte, mit der traditionell intensiven und konsequenten Integration von wissenschaftlichen Erkenntnissen und der besten Genetik in die Population. Die OHG war einer der Vorreiter bei Holsteinisierung in den 60er Jahren. Für Züchter aus ganz Europa war das kleine Zuchtgebiet mitten in Deutschland eine der Topadressen bei der Beschaffung moderner Holstein-Genetik. Noch immer ist man einer der wichtigsten Exporteure von Zuchtvieh. Und noch etwas: Nirgendwo sonst ist das durchschnittliche genetische Niveau der Population so hoch wie im Osnabrücker Zuchtgebiet. „Viele Dinge“, sagt Warder „sind vor allem in der Vergangenheit richtig gelaufen. Es ging darum, die Züchter auf breiter Front zu motivieren und ihnen die beste Genetik zur Verfügung zu stellen, die zur jeweiligen Zeit vorhanden war. Die besten Bullen, egal ob von der OHG oder vom internationalen Markt, sind immer überproportional stark genutzt worden. Der Anteil von Zukaufsperma lag immer weit über dem Durchschnitt und auch heute wird bei uns im Zuchtgebiet fast jede dritte Besamung mit einem Bullen durchgeführt, der nicht von uns kommt, aber internationale Spitze repräsentiert.“ INTERNATIONALES IMAGE Die offene internationale Ausrichtung gehört zum Selbstverständnis der Genossenschaft. Viele Grundsätze der Philosophie wurden von dem langjährigen Geschäftsführer Dr. Gustav Wilke gelegt. Wenn es darum ging, neue Trends zu nutzen oder neue Trends zu setzen, war man immer als erster dabei. Die DT-Station etwa fällt in diese HOLSTEIN INTERNATIONAL 80 09/2015 Kategorie. Nirgendwo sonst in Europa wurden Bullenmütter in einem ähnlichen Umfeld und auf Basis eines eigenen Index geprüft und selektiert. Nirgendwo sonst wurde ET so intensiv genutzt wie hier. „Ohne die DT-Station hätten wir einen Bullen wie Ramos sicher nicht entdeckt“, sagt Warder heute. Trotzdem ist man immer offen für Veränderungen. Als die genomische Ära begann und die OHG keinen Sinn in einem neutralen Bullenmütter-Test mehr sah, wurde das auch international beachtete Prestige-Objekt kurzerhand beendet. Aber die Ställe blieben das Herzstück des Zuchtprogramms. Züchter aus ganz Deutschland können hier hoch testende Jungrinder auf Kosten der OHG über ET nutzen. Potentielle Besamungsbullen gehen zur OHG. Man ist also in der Gegenwart angekommen. Und erfolgreicher als jemals zuvor. Sowohl in Punkto Qualität der Vererber wie auch in der Vermarktung. MOTIVIERTE ZÜCHTER Bleiben wir beim ersten Punkt, der Qualität der Vererber. Dazu gibt es einige Dinge, die grundsätzlich interessant sind. Nur 15% aller angekauften Bullen stammen aus Paarungen, die ohne irgendeine Beteiligung der OHG durchgeführt wurden. Dagegen stammen 60% der jährlich angekauften Bullen aus dem Jungrinder-ET-Programm und etwa 25% aus dem Embryonen-Importprogramm, an dem die Züchter aktiv beteiligt sind. 90% aller OHG-Jungbullen werden heute in den eigenen Mitgliedsbetrieben geboren. Man profitiert von einigen Spitzenbetrieben und man profitiert von der hohen Motivation vieler weiterer Züchter, sich am ET- und Importprogramm zu beteiligen. Dass sich die OHG am Wettrennen um Bullen oder Embryonen aus den heißesten Bullenmüttern auf dem internationalen Markt beteiligt, erlebt man nie. Trotzdem ist das Niveau so hoch, dass Boss (Bookem x MOM) ist einer der genomischen Topstars der OHG. Er wurde von dem OHG-Mitglied Klaus Niermann gezüchtet und ist neben Balisto und Chevrolet der Bullenvater mit den meisten Söhnen in der deutschen Topliste. man in der Spitze mithalten kann. Dass eigene Zuchtprogramm ist beinahe autark, auch wenn die OHG im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen keine weiblichen Donoren besitzt. Aber was wird gekauft? „Grundsätzlich kaufen wir alle Bullen nur auf RZG-Basis und wir lassen sie auch in keinem anderen System testen“, sagt Warder. „Unser Zuchtprogramm ist viel zu klein, um spezielle Bullen für spezielle Märkte zu kaufen. Auch Nischen wie Red Holstein oder Polled können wir nur mit 1-2 Bullen jährlich besetzen. Deshalb brauchen wir komplette Vererber, Bullen die kaum Fehler und deshalb breite Vermarktungschancen besitzen. Deshalb ist der Gesamtzuchtwert nicht die Größe, nach der wir primär selektieren. Wir kaufen lieber einen kompletten Bullen, auch wenn er nur zu den Top-10% eines Bullenvaters auf deutscher Basis zählt. Ab und an ist auch ein Spitzenbulle nach Gesamtzuchtwert dabei, aber das ist nicht unser alleiniges Ziel.“ FRÜHE VERMARKTUNG Mit etwa 25% Anteil am Exportumsatz ist die OHG eine unanfechtbare deutsche Größe auf den internationalen Märkten. Mehr als jede zweite produzierte Spermaportion wird außerhalb der OHG verkauft. „Der Verkauf“, sagt Andreas Kandzi „ist der Motor der Zucht. Wir versuchen, unsere Mitglieder mit der besten Genetik weltweit zu versorgen. Dann haben sie und wir das Potential, daraus entstehende Produkte wieder zu vermarkten. Es geht darum, das Karussell am Laufen zu halten. Wir wissen, dass wir mit unserer Größe einen Wettbewerbsnachteil besitzen, aber es geht uns nicht darum, Rekorde HOLSTEIN INTERNATIONAL 81 09/2015 zu brechen. Wir wollen permanent gute Genetik auf hohem Niveau bieten können. Ein Spitzenbulle alleine hilft uns nicht. Um dauerhaft am Markt zu bleiben, brauchen wir Konstanz –konstant gute Bullen.“ Für eine so kleine Organisation wie die OHG ist der Export lebensnotwendig. „Wir wollen nicht nur verkaufen, wir müssen sogar verkaufen“, fährt Kandzi fort. „Die Ironie ist, dass unsere Größe dabei sogar von Vorteil ist. Selbst der intensive Einsatz unserer Spitzenbullen im eigenen Zuchtgebiet verhindert nicht, dass wir noch genügend Sperma für die weitere Vermarktung und den Export haben. Auch wenn wir nicht den besten Sohn eines Bullenvaters haben, sind wir doch oft die ersten, die den ersten Sohn eines Spitzenbullen national und international frei verfügbar machen können. Vielleicht ist das unsere größte Stärke.“ ●
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