Vorlage Titelblatt DIN A4 mit Siegel

TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C KTENÜBUN G IM STRAFR ECHT
WINTERSEMESTER 2015/ 2016
DR. VICTORIA IBOLD
Einheit 11 : Urkundendelikte
Lösungsvorschlag
Fall 1 1:
TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C K TENÜBUNG IM STRAFR ECHT
a. Was sind die drei Funktionen
der Urkunde
im Rechtsverkehr?
WINTERSEMESTER
2015/ 2016
(1) Perpetuierungsfunktion:
SEBASTIAN WACHSMANN, DR. VICTORIA I BOLD
Verkörperung einer menschlichen Gedankenerklärung.
(2) Garantiefunktion:
Aussteller, der für Inhalt einsteht, muss erkennbar sein.
(3) Beweisfunktion:
Zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt.
b. Wie lautet die Definition der Urkunde?
Urkunde ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt.
c. Sind folgende Gegenstände (unechte) Urkunden i.S.v. § 267? Wenn ja, wen lassen
sie im Zweifelsfall als Aussteller erkennen?
(Unechte Urkunde = Urkunde, die nicht von demjenigen herrührt, der als ihr Aussteller erscheint. )

Protokoll auf Tonband oder DVD, z.B. Gerichts -, Vertragsverhandlung oder Email
Urkunde (-)
Verkörperung fehlt: Die Gedankenerklärung der Urkunde muss verkörpert und ohne weitere
Hilfsmittel unmittelbar visuell erfahrbar sein z.B. Schrift auf Papier, Kreidezeichen an einer Wand
(ganz h.M.). Hieran fehlt es.
1
Einen sehr guten Überblick zum Begriff der Urkunde mit vielen Beispielen gibt Satzger JURA 2012 S.
106 ff.
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Die Möglichkeit der Sichtbarmachung durch z.B. einen Bildschirm reicht nicht aus. Anders ist
dies bei technischen Aufzeichnungen i.S.d. § 268, wo auch eine Verkörperung, aber keine unmittelbar visuelle Wahrnehmbarkeit vorausgesetzt wird. Um auch elektronische Dokumente wie z.B.
Emails zu erfassen, greift § 269.

Kürzel oder Symbol eines Malers auf Gemälde
o
Urkunde (+)
o
Hier in Form eines Beweiszeichens. Ein Beweiszeichen ist ein mit einer Sache verbundenes,
beweisgeeignetes Zeichen.
o
Perpetuierungsfunktion: Durch das Symbol oder Kürzel wird die menschliche Gedankenerklärung abgegeben, dass der damit verknüpfte Künstler Urheber des Werkes ist. Die Verkörperung mittels eines sog. Beweiszeichens, also einer beweiserheblichen menschlichen
Gedankenerklärung mittels Symbol oder Zeichen, ist ausreichend. Schriftlich keit ist nicht
erforderlich.
Anmerkung:
Abgrenzung zur Schrift, Übergänge sind fließend aber völlig unerheblich, da nach h.M. Schriftlichkeit der Urkunde nicht gefordert.
o
Beweisfunktion: Das Zeichen soll die Urheberschaft des Kunstwerkes beweisen und ist
dazu sowohl geeignet als auch bestimmt. Die Erbringung eines Vo llbeweises ist nicht notwendig. 2
o
Garantiefunktion: Das Zeichen mit dem Bild wird im Rechtsverkehr einem bestimmten
Künstler zugeordnet, sodass dieser als Aussteller der abgegebenen Gedankenerk lärung erscheint.

Maler weist Gehilfen an, seine Signatur auf Bild anzubringen
o
Urkunde (+) 3
o
Perpetuierungsfunktion: Die Signatur auf dem Bild ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die die Urheberschaft des mit der Signatur verbundenen Künst lers zum
Ausdruck bringt.
o
Beweisfunktion: Die Signatur auf dem Bild ist zum Beweis der Urheberschaft des Bildes
im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt.
o
Garantiefunktion: Der nach außen hin erkennbare Aussteller der Gedankenerklärung ist
der Maler selbst und nicht sein Gehilfe.
2
Rengier BT II § 32 Rn. 4.
3
Beispiel bei Satzger JURA 2012 S. 108.
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o
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(P) Handelt es sich um eine unechte Urkunde? Ist also der Maler oder der Gehilfe der
wahre Aussteller der Urkunde?
Ausschlaggebend ist die sog. Geistigkeitstheorie: Nicht die körperliche Herstellung ist
für die Frage nach dem wahren Aussteller wesentlich, sondern es kommt darauf an, welche
Person sich nach außen hin zur Erklärung bekennt und wer sich ihren Inhalt geistig zurechnen lassen muss.
Soll der Maler wahrer Austeller sein, muss e ine wirksame Stellvertretung gegeben sein.
Die drei Voraussetzungen der Stellvertretung sind:
(1) Namensträger will vertreten werden
(2) Vertreter will Namensträger vertreten
(3) Vertretung rechtlich zulässig,
insbesondere nicht bei höchstpersönlichen Rechts-
geschäften.
Voraussetzungen der Stellvertretung liegen vor. Urkunde ist echt.
Zivilrechtlich wird die verdeckte Stellvertretung meist mit dem Offenkundigkeitsprinzip
kollidieren.

Ungestempelte Fahrkarte 4
o
Urkunde (+/-), streitig
o
Perpetuierungsfunktion: Erklärungsinhalt ist genereller Anspruch auf Beförderung; Erklärungsinhalt auch menschlich, da Verkehrsbetriebe über ihre Organe/Vertreter handeln und
die Erklärung des Fahrkartenautomaten vorab autorisieren

o
Beweisfunktion: Anspruch auf Beförderung soll im Rechtsverkehr bewiesen werden
o
Garantiefunktion: Aussteller (Verkehrsbetrieb) aus Umständen erkennbar
Von einem Behördenleiter, Lehrer, Mitarbeiter einer Firma ausgestellte Zeugnisse
Urkunde (+) Erklärung der Behörde, Schule, Firma und nicht der unterschreibenden Einzelperson:
Zurechnung über Geistigkeitstheorie.

4
Erklärung eines unberechtigten Vertreters, der mit "i.V." unterzeichnet
o
Unterschied zu Fall 1e): Hier offene Stellvertretung
o
Vertretungsvermerk für Behörde oder Firma:
Die Schwarzfahrt ist examensrelevant, vor allem mittels manipulierter Fahrkarten. Ein Überblick ver-
schafft Schroeder JuS 1991 S. 301 ff. Eine Falllösung bietet Martin JuS 2001 S. 364 ff. Umstritten ist so
gut wie alles, übrig bleibt nach h.M. oft nur § 265a.
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unechte Urkunde, da dem Rechtsverkehr als Aussteller die Behörde oder das Unternehmen
erscheint, Geistigkeitstheorie. Die unterschreibende Einzelperson ist von untergeordneter
Bedeutung. Wahrer Aussteller ist aber der unberechtigte Vertreter.
o
Vertretungsvermerk für Privatperson:
h.M.: echte Urkunde, nur schriftliche Lüge über Bestehen eines Vertretungsverhältnisses.
Erklärung wird dem falsus procurator selbst und nicht dem vermeintlich Vertretenen zugerechnet
M.M.: Unechte Urkunde, da die Gedankenerklärung vom Rechtsverkehr dem Vertretenen
zugerechnet wird.
o

Bei Missbrauch einer bestehenden Vertretungsmacht (Unterschied zur nie bestehenden
Vertretungsmacht) allerdings immer echte Urkunde soweit kein schädliches Zusammenwirken (Kollusion). Grund: Vertretener setzt Vertretungsrisiko selbst, Rechtsverkehr sieht
im Vertretenen den Aussteller.
Striche der Bedienung auf Bierdeckel, ein Strich pro konsumiertes Bier
o
Urkunde (+)
o
Perpetuierungsfunktion: Mehr als nur Gedächtnisstütze, sondern Gedankenerklärung, wie
viele Biere konsumiert wurden, Beweiszeichen
o
Beweisfunktion: Konsum soll außer Streit gestellt werden, nicht nur Gedächtnisstütze.
o
Garantiefunktion: Streitig, wer als Aussteller erkennbar ist:

Rengier: Wirt als Inhaber der Kneipe lässt sich die Erklärung zurechnen 5, Geistigkeitstheorie.

Satzger: Bedienung selbst ist Ausstellerin, da geistige Urheberin 6.

Der Streit wird allerdings nicht ausgetragen, sondern das Ergebnis präsentiert. Der Einzelfall in der Klausur wird dabei eine Rolle spielen.

Der Aussteller ist hier nur in Verbindung mit äußeren Umständen (Kneipe) erkennbar.
o
Insgesamt so viele Einzelurkunden wie Striche. Also 6 Einzelurkunden bei 6 Strichen.
o
Der Bierdeckel sollte auch als Gesamturkunde verstanden werden: Alle Striche zusammen
sollen lückenlos den Konsum des Gastes beweisen 8 , die Einzelurkunden bilden als Einheit
daher ein neues Ganzes mit einem eigenen Erklärungswert der Vollständigkeit, Gesamturkunde.

Bibliotheksstempel in Buch:
o
Urkunde (+/-), streitig
5
Rengier II § 32 Rn. 11.
6
Satzger JURA 2012 S. 106.
8
Rengier BT II § 32 Rn. 20
9
Wohl Satzger JURA 2012 S. 110.
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o
Rspr. meist: Urkunde (-), da Stempel nur Kennzeichen:
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Nur Ordnungs- und Unterschei-
dungsfunktion. Es fehlt Beweisfunktion.
o
A.A. 9 : Urkunde (+): Stempel ist beweiserhebliche Erklärung über Eigentumsverhältnisse
und damit zusammen mit Buch Beweiszeichen. Vollbeweis ist nicht erforderlich.
o
Eine griffige Abgrenzung von Kennzeichen bzw. Identitätszeichen, Herkunftszeichen (keine
Urkunde) und Beweiszeichen (Urkunde) ist nicht möglich. Unter Beweiszeichen werden
Urkunden verstanden, die keine Schriftstücke sind. In der Klausur sollte mit den Begriffen
"Gedankenerklärung" und "Beweisfunktion" gearbeitet werden. Im Zweifel sollte man klausurtaktisch entscheiden.

A gibt in einem Brief an Freund B zu, ein Delikt begangen zu haben. B reicht den Brief a n
die Staatsanwaltschaft weiter.
o
Urkunde (+)
o
Perpetuierungsfunktion: Brief ist menschliche Gedankenerklärung u.a. mit dem „Geständnis“ des A, ein Delikt begangen zu haben.
o
Beweisfunktion: Der Brief ist zunächst keine Urkunde, da er von niemandem dazu bestimmt wurde, einen Beweis zu erbringen.
Dadurch dass B den Brief an die StA weiterleitet, trifft er als Dritter jedoch eine Beweisbestimmung. Das genügt, da die Bestimmung nicht durch den Aussteller selbst erfolgen muss.
Ab diesem Zeitpunkt ist der Brief eine Urkunde. Wegen der nachträglichen Beweisbestimmung spricht man von einer sog. Zufallsurkunde oder nachträglichen Urkunde (↔ bei Beweisbestimmung von Anfang an: Absichtsurkunde bzw. originäre Urkunde)
o

Garantiefunktion: A ist Aussteller der Gedankenerklärung
Unterzeichnung einer Gedankenerklärung mit "Der Joker", "ein aufmerksamer Mitbürger",
"Meier" oder mit unleserlicher Schrift
o
Urkunde (-/+) es muss differenziert werden.
o
Perpetuierungsfunktion (+)
o
Garantiefunktion, hierbei muss differenziert werden:

Wird ein Pseudonym oder Name nach den Umständen erkennbar nur dazu verwendet,
um eine anonyme Erklärung abzugeben, will und soll offensichtlich niemand für die
Erklärung einstehen und es fehlt an der Garantiefunktion.

Anders ist dies, wenn nach dem Gesamtzusammenhang der Eindruck erweckt wird, dass
die Erklärung von einer konkreten Person herrührt. In diesem Fall liegt eine Urkunde
vor und zwar unabhängig davon, ob die Person, von der die Erklärung scheinbar herrührt, tatsächlich existiert oder nicht. Dies kann auch bei der Verwendung eines Fanta-
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sienamens der Fall sein, wenn der Erklärende diesen öfter benutzt wie z.B. ein Serientäter. Die Erklärungen sind dann einer noch unbekannten individualisierbaren Person
zuzurechnen.

Ebenfalls nicht tatbestandsmäßig ist das Unterschreiben im Hotel mit falschem Namen,
wenn es auf die Richtigkeit des Namens nicht ankommt. Anders, wenn der Unterschreibende vorhat, nicht zu bezahlen.

Preisschild "200 EUR" mit Kabelbinder an Hose in Kaufhaus
o
Urkunde (+), hier in Form einer sog. zusammengesetzten Urkunde.
o
Def. zusammengesetzte Urkunde: Eine zusammengesetzte Urkunde liegt vor, wenn eine
verkörperte Gedankenerklärung erst durch ihre räumlich feste Verbindung mit einem Bezugsobjekt ihren Beweiswert erlangt, da Gedankenerklärung und Bezugsgegenstand zu
einer Beweiseinheit verschmelzen.
o
Perpetuierungsfunktion: Durch die räumlich feste Verbindung des Preisschildes als körperliche Gedankenerklärung mit dem Bezugsobjekt der Hose entsteht eine Beweiseinheit,
die die Erklärung zum Ausdruck bringt, dass diese Hose 200 EUR kostet.
o
Exkurs: Macht der Täter ein Preisschild mit der Aufschrift „100 EUR“ von einem Hemd ab
und überklebt er damit das Preisschild der teureren Hose (200 EUR), so muss hinsichtlich
der Hose mit dem richtigen Preisschild „200 EUR“ neben § 267 I Alt. 2 auch an eine Urkundenunterdrückung gem. § 274 I Nr. 1 gedacht werden. Auch bezüglich des Hemds mit
dem Preisschild „100 EUR“ muss § 274 I Nr. 1 geprüft werden. Weiterhin kommt in diesem
Zusammenhang häufig auch § 303 I in Betracht. Hinsichtlich der zusammengesetzten Urkunde "Hose" kommt die h.M. mit einer einheitlichen Betrachtung zur Verfälschung einer
Urkunde § 267 I Alt. 2, die anderen genannten Tatbestände werden verdrängt 7. Dazu kommen natürlich Vermögensdelikte wie § 242 I und § 263 I.

Durchschrift durch das Original
o
Urkunde (+)
o
Insbes. Garantiefunktion: Die Durchschrift (z.B. mittels Kohlepapier) wird vom Aussteller
dafür hergestellt, dass sie gleichermaßen wie die Ausgangsurkunde zu Beweiszwecken im
Rechtsverkehr eingesetzt werden kann. Entscheidend ist also, dass der Durchschrift die
gleiche Beweisfunktion wie dem Original zukommen soll. Die Durchschrift ist als zweites
Exemplar anzusehen, zu dem sich der Aussteller ebenso bekennt und das folglich ebens o
eine Urkunde darstellt (Gleiches gilt für Ausfertigungen).
7
Falllösung dieser typischen Konstellation bei Geppert JURA 1988 S. 161.
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
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Abschrift
o
Urkunde (-)
o
Perpetuierungsfunktion: Der Abschrift kommt nicht der gleiche Erklärungswert zu wie
dem Original, da sie nicht an der Garantie- und Beweisfunktion des Originals teilhat und
der Aussteller sich nicht zu den Abschriften bekennt. Auch ein Erklärungswert dahingehend, dass die Abschrift mit dem Original inhaltlich übereinstimmt, wird nicht zum Ausdruck gebracht, da es sich um eine bloße Reproduktion handelt und keine Gewähr fü r die
inhaltliche Übereinstimmung übernommen werden soll.
o
Garantiefunktion: Bei der Garantiefunktion wird es zumeist daran scheitern, dass, auch
wenn man der Abschrift den Erklärungswert der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem
Original beimisst, ein Aussteller der Abschrift nicht erkennbar ist.
o
Beweisfunktion: Bei der Beweisfunktion ist die Beweiseignung bezüglich der inhaltlichen
Übereinstimmung mit dem Original sehr fraglich, es fehlt aber jedenfalls an einer Beweisbestimmung, da niemand für den Erklärungswert einstehen will.

Beglaubigte Abschrift oder beglaubigte Fotokopie
o
Urkunde (+)
o
Perpetuierungsfunktion: Durch den Beglaubigungsvermerk wird die Gedankenerklärung
zum Ausdruck gebracht, dass die Abschrift inhaltlich mit dem Original übereinstimmt.
o
Garantiefunktion: Der Beglaubigungsvermerk lässt erkennen, wer die inhaltliche Übereinstimmung beglaubigt hat. Dieser erscheint als Aussteller.
o
Beweisfunktion: Der Beglaubigungsvermerk mit der Abschrift ist dazu geeignet und bestimmt, die inhaltliche Übereinstimmung der Abschrift mit dem Original zu beweisen

Einfache Kopie
o
Urkunde (-), wie Abschrift, nur technisch hergestellt
o
Perpetuierungsfunktion: Die Gedankenerklärung ist nicht die gleiche wie beim Original,
da die Kopie an der Beweis- und Garantiefunktion des Originals nicht teilhat und sich der
Aussteller nicht zum Inhalt beliebig vieler Kopien bekennt. Es wird nur auf das Vorhandensein eines Originals hingewiesen. Auch eine Gedankenerklärung dahingehend, dass die
Kopie mit dem Original inhaltlich übereinstimmt, wird wohl nicht vermittelt.
o
Garantiefunktion: Die Gedankenerklärung der inhaltlichen Übereinstimmung der Kopie
mit dem Original würde vom Kopierenden abgegeben, der i.d.R. nicht erkennbar ist.
o
Beweisfunktion: Aufgrund ihrer leichten Fälschbarkeit sind Kopien nicht dazu geeignet,
einen Beweis zu erbringen. Auch sind sie von den Beteiligten nicht dazu bestimmt.
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o
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Mindermeinung: Urkunde (+), da der Rechtsverkehr auch Kopien Beweiskraft zumisst und
andernfalls Strafbarkeitslücken entstehen.8
Anmerkung:
Die Rspr. sieht im Verwenden einer als solche erkennbaren Kopie einer unechten Urkunde
ein Gebrauchen der unechten Urkunde i.S.v. § 267 I Var. 3. Nach der Rspr. reicht es für
§ 267 I Var. 3 also aus, wenn der Täter die unechte Urkunde nur mittelbar gebrau cht, indem
er diese kopiert und die Kopie sodann verwendet.
Die h.L. verlangt hingegen, dass der Täter für § 267 I Var. 3 die unechte Urkunde selbst
verwendet, da es widersprüchlich sei, einerseits die Urkundeneigenschaft der Kopie zu
verneinen, mangels Vertrauens des Rechtsverkehrs, andererseits aber ein Gebrauchen und
damit ein Vertrauen bzgl. der Kopiervorlage anzunehmen.
o

Bei täuschend echten Kopien fällt das Problem weg, siehe nächste Frage.
Perfekte Kopie, die als Original ausgegeben wird, z.B. perfekt farbkopierte Eintrittskarte
o
Urkunde (+)
o
Insbes. Garantiefunktion: Ein vermeintlicher Aussteller ist erkennbar und wird vom
Rechtsverkehr so erkannt. Falschheit (erkennbarer Aussteller weicht vom wahren Aussteller ab) ändert nichts am Urkundencharakter, Scheinurkunde.
o
Entscheidend ist, dass die Fotokopie als Kopie nicht erkannt, sondern als Original aufgefasst wird. Verwendet der Täter die Fotokopie als Urkunde und wird dies durchschaut, ist
ein Versuch zu prüfen. Die Abgrenzung von strafbarem untauglichen Versuch und Wahndelikt wird wohl im Wesentlichen davon abhängen, wie der Täter selbst die Qualität seiner
Fotokopie (täuschend echt oder als Kopie erkennbar) eingeschätzt hat. 9
Anmerkung:
Das Problem stellt sich bei technischen Aufzeichnung gem. § 268 entsprechend. Eine täuschend echt aussehende Kopie einer manipulierten Aufzeichnung bzw. einer Collage ist eine
falsche Aufzeichnung.

Fax
o
Urkunde (+/-), streitig
o
Computerfax:

Urkunde (+), da das Original erst beim Empfänger entsteht, Erstdruck. Somit kein bloßer
Verweis auf ein Original beim Sender. Auch Beweisbestimmung. Konsequenterweise
nur, wenn Fax auch wirklich ausgedruckt wird, unmittelbare Erfahrbarkeit.
8
Zur Fotokopie Rengier BT II § 33 Rn. 25 ff.; Satzger JURA 2012 S. 111 ff.
9
Hierzu Satzger JURA 2012 S. 112.
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
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Wenn Original eingescannt wird und als Datensatz versendet, dann wie normales Fax
zu behandeln.
o
Normales Fax:

e.A.: Urkunde (+)
Perpetuierungsfunktion: Der Aussteller bekennt sich zum Inhalt des Faxes, daher liegt
eine menschliche Gedankenerklärung vor.
Garantiefunktion: Durch den Sendevermerk beim Fax ist ein Aussteller der potentiellen
Urkunde erkennbar.
Beweisfunktion: Der Rechtsverkehr behandelt ein Fax häufig wie ein Original, sodass
das Fax zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist.

A.A.: Urkunde (-)
Perpetuierungsfunktion: Ist der Absender mit dem Aussteller des gefaxten Originals
nicht identisch, so will sich dieser nicht zum Inhalt des gefaxten Originals bekennen.
Auch ein Erklärungswert, dass der Absender die inhaltliche Übereinstimmung mit dem
Original bestätigt, kann dem Fax nach der Verkehrsauffassung nicht beigemessen werden.
Garantiefunktion: Der Sendevermerk zeigt zwar den Absender als Aussteller einer möglichen Erklärung durch das Fax, dieser Vermerk ist jedoch nicht immer eindeutig zuordenbar.
Beweisfunktion: Das Fax ist weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, einen Beweis
im Rechtsverkehr zu erbringen, insbesondere kommt der Übersendung eines Faxes mit
Sendevermerk nicht die Bedeutung eines Beglaubigungsvermerks zu.

Vermittelnde Auffassung: Urkunde (+/-)
Für die Frage nach der Urkundenqualität des Faxes sind die Verkehrsauffassung und
der Wille des Ausstellers entscheidend. Soll das Fax als Original behandelt werden, so
liegt eine (Zweit-) Urkunde vor. Dies ist dann anzunehmen, wenn sich der Absender
inhaltlich zum Fax bekennen will (was zumeist der Fall ist, wenn er auch Aussteller der
zu faxenden Originalurkunde ist) und das Fax als eine Art zweites Original übermittelt
wird. Werden hingegen Dokumente von Dritten oder manipulierte Vorlagen oder Urkunden gefaxt, so finden die Grundsätze der Fotokopie Anwendung (s.o.) und es handelt
sich um keine Urkunde

Verkehrsschild „80 km/h“
o
Streitig:
o
H.M.: Urkunde (+)
Perpetuierungsfunktion: Das Schild trägt im Zusammenhang mit dem Straßenabschnitt
die Gedankenerklärung in sich, dass auf diesem Straßenabschnitt eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erlaubt ist. Hierbei verschmelzen Straßenschild und Straßenabschnitt
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durch die räumlich feste Verbindung zu einer Beweiseinheit, es liegt eine zusammengesetzte Urkunde vor. Die Gedankenerklärung wird dabei von Organen/Vertretern der Straßenverkehrsbehörde abgegeben, ist daher also auch menschlich. Eine Verkörperung in Papier und in Schriftform ist nicht notwendig, sog. Beweiszeichen.
Garantiefunktion: Als Aussteller erscheint zumindest Rechtskundigen die zuständige Straßenverkehrsbehörde. Die Tatsache, dass das Schild tatsächlich durch die Baubehörde aufgestellt wurde, schadet nicht. Der entscheidende VA stammt von der Straßenverkehrsbehörde, die sich die Erklärung auch zurechnen lassen muss.
Beweisfunktion: Zunächst nur Mittel, um VA bekanntzugeben.
Die Erklärung ist zum Beweis der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf dem Straßena bschnitt geeignet und bestimmt.
o
M.M.: Urkunde (-):
Insbes. Perpetuierungsfunktion: Der Straßenabschnitt mit dem Schild könne nicht als zusammengesetzte Urkunde angesehen werden, dies ist vom Wortlaut „Urkunde“ nicht mehr
erfasst. Es liege ansonsten ein Verstoß gegen Art. 103 II GG vor. Zudem fehle es an einer
hinreichend engen Verbindung des Schildes zum Bezugsobjekt des Straßenabschnitts.

Kfz-Kennzeichen, Nummernschild
o
Urkunde (+)
o
Perpetuierungsfunktion: Das Kfz-Kennzeichen zusammen mit dem Auto bringt die Gedankenerklärung zum Ausdruck, dass dieses Kfz genau mit dieser Nummer zugelassen u nd
haftpflichtversichert ist. Die Verbindung Kfz zu Nummernschild ist dank der Verschraubung auch fest genug. Es handelt sich um eine zusammengesetzte Urkunde.
o
Garantiefunktion: Aussteller dieser Gedankenerklärung ist die Zulassungsbehörde.
o
Beweisfunktion: Zum Beweis der Zulassung des Kfz unter dieser Nummer geeignet und
bestimmt.
o
Achtung: Bei roten Überführungskennzeichen fehlt es an einer Gedankenerklärung, die fest
auf das konkrete Kfz bezogen wäre. Es fehlt an der festen Verbindung zwischen Kennzeichen und Kfz, sodass keine zusammengesetzte Urkunde vorliegt.
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Fall 2:
Strafbarkeit des A
A. § 242 I an den zwei Parkscheinen (-)
Parkscheine herrenlos und damit nicht fremd.
B. § 267 I Var. 1, Var. 2, Var. 3
Dadurch dass A einen Parkschein zerschnitt, einen zweiten Parkschein überklebte und den überklebten Parkschein hinter die Windschutzscheibe seines PKWs legte, könnte er sich gem. § 267 I
Var. 1, Var. 2, Var. 3 strafbar gemacht haben.
I.
Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
Aufbauschema: Grundtatbestand des § 267
I.
Tatbestand
1.
Objektiver Tatbestand
a)
§ 267 I Var.1 : Herstellen einer unechten Urkunde
aa) Tatobjekt Urkunde
bb) Unecht
cc) Tathandlung Herstellen
b)
§ 267 I Var. 2 Verfälschen einer echten Urkunde
aa) Echte Urkunde als Tatobjekt
bb) Tathandlung Verfälschen
c)
§ 267 I Var. 3 Gebrauchmachen
aa) Tatobjekt Urkunde
bb) unecht oder verfälscht
cc) Tathandlung Gebrauchen
2.
Subjektiver Tatbestand
a)
Vorsatz bzgl. objektivem Tatbestand
b) Absicht der Täuschung im Rechtsverkehr (keine Absicht im technischen Sinne
erforderlich, dolus directus 2 genügt!)
II.
Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Strafzumessung: Besonders schwerer Fall, § 267 III
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a. Tatobjekt Urkunde: Die weggeworfenen Parkscheine
Die weggeworfenen Parkscheine müssten Urkunden sein, also verkörperte menschliche Gedankenerklärungen darstellen, die geeignet und bestimmt sind, eine Tatsache im Rechtsverkehr zu
beweisen sowie einen Aussteller erkennen lassen.
aa. Perpetuierungsfunktion
Ein Parkschein verkörpert die Gedankenerklärung, dass die Parkgebühr entrichtet ist und deshalb
eine Parkberechtigung für eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort besteht. Problematisch
ist dabei allerdings, dass eine Gedankenerklärung stets von einem Menschen stammen muss, der
Parkschein aber das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs ist, sodass womöglich gar keine
Urkunde, sondern vielmehr eine technische Aufzeichnung i.S.d. § 268 II vorliegt . Ein Mensch
kann jedoch nicht nur nachträglich, sondern auch von vornherein Ergebnisse eines Datenverarbeitungsvorgangs autorisieren und sich als eigene Erklärung zurechnen lassen, Geistigkeitstheorie.
Anmerkung:
Bsp. für nachträgliches zu Eigenmachen: Fremde Klausur nehmen und mit eigenem Namen unterschreiben und eigenem Deckblatt zusammenheften. Handeln die Beteiligten dabei einvernehmlich, sind beide Beteiligte straflos nach Urkundendelikten.
Es liegt keine unzulässige Stellvertretung vor, sondern ein Zueigenmachen einer Erklärung, für
die man im Rechtsverkehr einstehen möchte.
Abwandlung von Fall 3.
Mit dem Aufstellen des Parkscheinautomaten hat die Betreiberin, die Stadt M, und damit letztlich
über ihre Organe ein Mensch die Aufzeichnung vorab autorisiert. Es liegt damit eine menschliche
Gedankenerklärung vor.
Nach einer Mindermeinung soll es sich bei einem Parkschein um eine Gedankenerklärung des
Parkplatzbenutzers handeln, er habe am ausgewiesenen Tag einen gültigen Parkschein erworben.
Der Parkschein ist aber zum Beweis der Tatsache, wie der Parkplatzbenutzer in Besitz des Scheins
gekommen ist, nicht bestimmt und geeignet. Den Aussteller erkennen ließe der Parkschein auch
nur als zusammengesetzte Urkunde hinter der Windschutzscheibe. Es sche itert aber insoweit an
der festen Verbindung. Diese Meinung ist daher abzulehnen.
bb. Garantiefunktion
Die den Automaten aufstellende Gemeinde, also M, ist den Umständen nach als Ausstellerin erkennbar, weil die Erhebung von Parkgebühren durch den Betrieb von Parkscheinautomaten gem.
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§ 6a VI 2 StVG den Gemeinden obliegt. Es genügt dabei, wenn der konkrete Aussteller Eingeweihten oder Rechtskundigen erkennbar ist.
cc. Beweisfunktion
Die Erklärung müsste beweisgeeignet und bestimmt sein.
Die grundsätzliche Beweiseignung und -bestimmung eines Parkscheins folgt aus § 13 I 1 StVO,
wonach der von einem Parkscheinautomaten ausgegebene Parkschein gut lesbar anzubringen ist.
Diese Qualität wurde aber im Fall dadurch aufgehoben, dass die Scheine abgelaufen waren und
weggeworfen wurden. Die abgelaufenen Scheine weisen gerade keine Berechtigung mehr nach
und haben nur noch den sehr eingeschränkten Beweiswert, dass ein Parkschein gelöst und ausgestellt wurde. Jedenfalls wurde die Beweisbestimmung dadurch aufge geben, dass der Schein
weggeworfen wurde.
Anmerkung:
A.A. wird oft ohne weitere Begründung vertreten.
Zwischenergebnis:
Die abgelaufenen, weggeworfenen Parkscheine sind keine Urkunden. Damit scheidet auch die
Tathandlung des Verfälschens einer echten Urkunde gem. § 267 I Var.2 aus.
b. Urkunde: Der überklebte Parkschein
Jedoch könnte der überklebte Parkschein eine Urkunde darstellen.
Durch das Aufkleben sind eine hinreichend feste Verbindung und damit eine Verkörperung gewährleistet. An der menschlichen Gedankenerklärung ändert sich nichts. Diese wird vom Rechtsverkehr der Stadt M zugeschrieben.
Der scheinbar noch gültige Parkschein ist bei gedachter Echtheit geeignet und bestimmt, im
Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Die Grenze wäre die offensichtliche Ungeeignetheit, die hier
nur anzunehmen wäre, wenn man darauf abstellt, dass der Rechtsverkehr die Fälschung leicht
erkennen kann.
Hier wird der Schein vom Rechtsverkehr aber nur durch die Windschutzscheibe wahrgenommen,
sodass die Manipulation des Überklebens nicht offensichtlich ist. Die Tatsache, dass die Politesse
als Teilnehmer des Verkehrskreises die Manipulation durchschaut, ändert nichts an der allgemeinen Beweiseignung.
Zwischenergebnis:
Der überklebte Parkschein ist damit eine Urkunde.
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c. Herstellen Abs. 1 Var.1
A könnte durch das Überkleben eine unechte Urkunde hergestellt haben. Unecht ist eine Urkunde,
wenn sie nicht von demjenigen herrührt, der als ihr Aussteller erscheint. Hier weicht der wahre
Aussteller A von der scheinbaren Auss tellerin M ab, da sich die Stadt M die manipulierte Erklärung des A nicht zurechnen lassen muss.
Anmerkung:
§ 267 bestraft die Identitätstäuschung, nicht die schriftliche Lüge. Unterscheiden Sie insoweit
„unecht“ und „unwahr“.
Es liegt eine Identitätstäuschung und damit eine unechte Urkunde vor.
Diese hat A hergestellt, da er durch das Überkleben des alten Parkscheins in zurechenbarer Weis e
ihre Existenz verursacht hat.
d. Gebrauchen einer unechten Urkunde Abs. 1 Var. 3 (+)
Legen hinter Windschutzscheibe.
2. Subjektiver Tatbestand
a. Vorsatz (+)
b. Täuschungsabsicht (+)
Absicht i.S.v. dolus directus 1. Grades ist nicht erforderlich, es genügt das sichere Wissen, dass
die Urkunde im Rechtsverkehr in dem Sinne gebraucht werden soll, dass ein Irrtum über die
Echtheit erregt und der Getäuschte zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt werden
soll.
Hier: Absicht, eine Kontrollperson zum rechtserheblichen Verhalten zu bringen, eine Nachforderung und Verhängung eines Bußgeldes zu veranlassen . Auf die objektive Bedingung, dass eine
Kontrolle erfolgt, kommt es nicht an, da der Tät er auf sie keinen Einfluss hat.
II.
III.
Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
Konkurrenzen und Ergebnis:
Nur ein Fall der Urkundenfälschung, da Gebrauchmachen von Anfang an geplant. Es handelt sich
nach e.A. um einen einheitlichen Rechtsgutsangriff oder nach a.A. beim Herstellen um eine mitbestrafte Vortat. Strafbarkeit gem. § 267 I (+)
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C. § 268 I Nr. 1 Var. 1, Nr. 2 Var. 1
Durch dieselben Handlungen könnte sich A gem. § 268 I Nr. 1 Var. 1, Nr. 2 Var. 1 strafbar gemacht
haben.
I.
Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
Aufbauschema objektiver Tatbestand § 268 I:
1. Technische Aufzeichnung gem. § 268 II:
a) Perpetuierungsfunktion: verkörperte Informationen, v.a. Daten
b) Beweisfunktion
c) Selbsttätige Bewirkung der Darstellung
2. Echt/unecht
3. Tatmodalitäten: Herstellen, Verfälschen, Gebrauchen
a. Technische Aufzeichnung gem. § 268 II
Ein Parkschein müsste eine von einem technischen Gerät automatisch hergestellte bew eisrelevante Darstellung sein, bei denen die Information in einem selbständigen und dauerhaft verkörperten vom Gerät abtrennbaren Stück enthalten ist.
Bei der Angabe, dass die Bezahlung e rfolgt und die Berechtigung zum Parken an einem bestimmten Ort bis zu einer bestimmten Uhrzeit erw orben ist, handelt es sich um beweisrelevante Daten
und Erklärungen. Hierbei muss wieder auf den überklebten Parkschein abgestellt werden.
Die Darstellung ist bei nicht manipuliertem Vorgang das Ergebnis eines selbstständigen Rechenvorgangs des technischen Geräts Parkautomat, der im Parkschein auch dauerhaft und vom Gerät
abgetrennt in einem Stück verkörpert ist. Die Erklärung hat auch ein gewisses Gewicht, da s über
die Angabe von Tag und Uhrzeit hinausgeht. Es wird berechnet, dass ausreichend Geld eingeworfen wurde und in welchem Bereich für wie lange geparkt werden darf.
Technische Aufzeichnung und Urkunde schließen sich nicht aus. Vielmehr kann eine Urkunde
dadurch entstehen, dass sich ein Mensch die Erklärung der technischen Auf zeichnung zu Eigen
macht, s.o.
b. Unecht (+)
Die Erklärung erweckt den Eindruck, das Ergebnis eines in seiner Selbsttätigkeit unbeeinflussten,
störungsfreien Aufzeichnungsvorgangs zu sein. In Wahrheit ist das Ergebnis aber von A manipuliert.
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Auch eine Manipulation an der fertigen Aufzeichnung, also eine Imitation, ist vo m Tatbestand
umfasst. Zu verneinen wäre die Aufzeichnungseigenschaft, wenn die Manipulation als solche
leicht zu erkennen wäre und damit die Beweiseigenschaft nicht vorläge. Dies ist an sich bei einem
überklebten Schein der Fall. Überzeugender ist jedoch d arauf abzustellen, dass der Schein vom
Rechtsverkehr nur hinter der Windschutzscheibe wahrgenomme n wird. Daher Beweiseignung wie
bei der Urkunde (+).
c. Herstellen Abs. 1 Nr.1 Var. 1 (+)
d. Verfälschen Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 (-)
ursprüngliche Aufzeichnung nicht mehr beweisgeeignet und damit kein Tatobjekt mehr .
e. Gebrauchen Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 (+)
2. Subjektiver Tatbestand
a. Vorsatz (+)
b. Täuschungsabsicht (+), s.o.
II.
III.
Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
Konkurrenzen und Ergebnis:
Es handelt sich wieder nur um eine Fälschung technischer Aufzeichnungen gem. § 268 I.
D. § 274 I Nr. 1 (-)
Die zwei weggeworfenen Parkscheine stellen nach der hier vertretenen Auffassung keine Urkunden bzw. technische Aufzeichnungen mehr dar, die vernichtet, beschädigt oder unterdrückt werden könnten.
Zudem liegt das alleinige Beweisführungsrecht beim Parkplatzbenutzer.
Nach anderer Auffassung würde die Strafbarkeit am fehlenden Nachteilszufügungsinteresse
scheitern. A will allein einem Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit entgehen. § 274 schützt
den staatlichen Ahndungsanspruch aber nicht.
Im Übrigen tritt § 274 hinter den §§ 267, 268 zurück.
E. § 263 I
Durch dieselben Handlungen könnte sich A gem. § 263 I gegenüber P zu Lasten der Stadt M
strafbar gemacht haben.
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I.
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Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a. Täuschung über Tatsachen (+)
Einlegen des überklebten Parkscheins.
b. Irrtum (-)
Die Politesse irrte sich nicht.
Auch bezüglich des Nachforderungsanspruchs muss die Politesse als allein maßgebliche Repräsentantin der Stadt angesehen werden. Andere Kontrollpersonen sind nicht ersichtlich.
Die unterbliebene Meldung bei der zuständigen Behörde und damit die unterbliebene Nachforderung der 5 EUR stellen sich daher nicht als irrtumsbedingt sondern als freiverantwortliche Entscheidung dar.
Ergebnis: Strafbarkeit gem. § 263 I (-)
Anmerkung:
Bleibt der Erfolg aus, so sollte aus Zeitgründen keine Vollendung angeprüft werden, sondern
gleich der Versuch. Dort kann der ausgebliebene Erfolg bei „Nichtvollendung“ geprüft werden.
Im Fall liegt aber die Besonderheit vor, dass die Stadt eine Forderung von fünf Euro nicht geltend
gemacht, also verfügt, und eigentlich einen Schaden erlitten hat. Es scheitert aber am Irrtum und
der Kausalität von Irrtum und Verfügung. Die Prüfung beim Punkt „Nichtvollendung“ wäre zu
umfangreich.
F. §§ 263 I, 22, 23 I
Durch dieselben Handlungen könnte sich A gem. §§ 263 I, 22 , 23 I gegenüber P zu Lasten der
Stadt M strafbar gemacht haben.
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I.
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Vorprüfung
1. Nichtvollendung (+)
2. Versuchsstrafbarkeit (+): §§ 263 II, 23 I Alt. 2
II.
Tatbestandsmäßigkeit
1. Tatentschluss
A müsste Tatentschluss, also Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale sowie der
Verwirklichung besonderer subjektiver Merkmale, gefasst haben.
a. Täuschung über Tatsachen (+)
b. Irrtum (+)
c. Vermögensverfügung
Def.: Tun, Dulden, Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt.
aa. Bereitstellung Parkplatz
Der Besitz am Parkplatz ist zwar geldwert, dieser sollte aber nicht täuschungsbedingt erlangt
werden.
bb. Bußgeld
Die Politesse sollte es nach der Vorstellung des A unterlass en, ein Bußgeldverfahren in Gang zu
bringen.
Fraglich ist, ob ein Bußgeld vom Vermögensbegriff des § 263 umfasst ist.
Nach ganz h.M. ist der Sanktionsanspruch des Staates bzw. der Gemeinde nicht von § 263 geschützt. Begründung:

Sanktionsansprüche stehen außerhalb von § 263 I, da es hierbei nicht um den Vermögensschutz geht, sondern nur um ein Mittel mit repressivem Charakter, das der Rechtsordnung
zur Durchsetzung verhelfen soll.

Argument der straflosen Selbstbegünstigung, vgl. § 258 V; man kann davon ausgehen, dass
der staatliche Ahndungsanspruch hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit Falschparken ausschließlich von § 258 erfasst wird; Täuschungshandlungen sind also hinsichtlich § 263 erlaubt.
Das gilt allerdings nur, solange keine anderen Vermögenswerte verletzt werden, so dass die
Strafbarkeit nach den §§ 267, 268 bestehen bleibt.
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Zwischenergebnis:
Mangels geschützter Vermögensposition hatte der A keinen Tatentschluss hinsichtlich einer Vermögensverfügung.
cc. Nachforderung der Parkgebühr
A müsste sich vorgestellt haben, dass es die Politesse unterlassen sollte, ein Verfahren zur Nacherhebung der Parkgebühr in Gang zu bringen.
A machte sich hierzu jedoch keine Gedanken und hatte keinen Tatentschluss hinsichtlich einer
entsprechenden Vermögensverfügung.
III.
Ergebnis: Strafbarkeit gem. §§ 263 I, 22, 23 I (-)
G. § 265a I Var. 1, Var. 4
Var. 1 (-), weil Parkuhr kein Automat ist, der die geldwerte Leistung selbst erbringt, Leistungsautomat. Soweit man Warenautomaten als von § 265a I erfasst sieht und auf die Ware Parkschein
abstellt, liegt kein Erschleichen vor.
Var. 4 (-), weil Parkplatz mangels Abgegrenztheit keine „Einrichtung“ ist.
Vorsicht:
Ein Parkhaus wäre eine solche Einrichtung.
Zudem wurde kein Zutritt sondern ein Verweilen erschliche n.
Anmerkung:
Zutrittserschleichung ist auch im Falle des Parkhauses nicht anzunehmen.
Gesamtergebnis: Strafbarkeit gem. §§ 267 I; 52; 268 I
Anmerkung:
Bezüglich des Konkurrenzverhältnisses von § 267 und § 268 lässt sich alles vertreten.
Unterschiedliche Schutzrichtungen, Subsidiarität von § 268 oder § 268 als lex specialis.
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Fall 3 (zur selbstständigen Erarbeitung)
A. Strafbarkeit des B
I.
§ 267 I Var. 1, Var. 3
B könnte sich dadurch, dass er auf dem Deckblatt der von ihm ver fassten Klausur Namen und
Matrikelnummer des A angab, mit Namen des A unterschrieb und die Klausur bei der Aufsichtsperson abgab, wegen Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 1, Var. 3 strafbar gemacht haben.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. § 267 I Var. 1
B muss eine unechte Urkunde hergestellt haben.
(1) Urkunde
Def.: Eine Urkunde ist jede verkörperte Gedankenerklärung, die den Aussteller erkennen lässt und
bestimmt und geeignet ist, rechtlich erhebliche Tatsachen zu beweisen.
Perpetuierungsfunktion:
Lösung der gestellten Aufgabe als menschliche Gedankenerklärung. Verkörperung in Papier.
Beweisfunktion:
Klausur = Prüfungsleistung, die bestimmt und geeignet ist, im Rechtsverhältnis zwischen Fakultät
und Studierenden den Leistungsstand nachzuweisen.
Garantiefunktion:
Durch Namen auf Deckblatt, Matrikelnummer und Unterschrift wird der Aussteller erkennbar. Die
Klausur kann vom Rechtsverkehr allein dem A zugeordnet werden.
Zwischenergebnis:
Die Klausur ist eine Urkunde.
(2) Unecht
Unecht ist die Urkunde, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller erkennbar
ist, Identitätstäuschung.
Als Aussteller der Klausur bezeichnet ist A, erkennbarer Aussteller ist daher A.
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Folgt man der Körperlichkeitstheorie, so wäre B der wahre Aussteller der Urkunde, da dieser die
Urkunde verfasst hat, die Klausur mithin unecht.
Nach der ganz herrschenden Geistigkeitstheorie kommt es jedoch entscheidend darauf an, wer
sich zu der Urkunde als Urheber bekennt und wem die Urkunde vom Rechtsverkehr als eigene
zugerechnet wird 10.
A wäre nach dieser Theorie auch der wahre Aussteller, wenn eine wirksame Stellvertretung durch
B vorgelegen hätte. Dies ist unter drei Voraussetzungen möglich:

Wille des Verfassers zu vertreten; hier Wille des B (+)

Wille des Namensträgers, vertreten zu werden hier Wille des A (+)

Zulässigkeit der Vertretung
Hier:
Prüfungsarbeiten sind höchstpersönlich anzufertigen, um den Kenntnisstand der Be-
arbeiter nachzuweisen. Die Vertretung war unzulässig.
Damit war der wahre Aussteller B. Es liegt eine Abweichung zum scheinbaren Aussteller A und
damit eine unechte Urkunde vor.
Anmerkung:
Unabhängig von der Urkundenqualität von korrigierter Klausur, Notenverzeichnis und Übungsschein hat sich B hinsichtlich dieser Tatobjekte nicht gem. §§ 267 I, 25 I Alt. 2 strafbar gemacht,
da sich scheinbare und wahre Aussteller P, S und X jeweils decken und eine eventuell beurkundete
schriftliche Lüge nicht von § 267 I erfasst ist.
(3) Herstellen (+)
Unter Herstellen ist jede zurechenbare Verursachung der Existenz einer Urkunde zu verstehen. B
hat mit der Anfertigung des Deckblatts und der Unterschrift unter der Klausur die unechte Urkunde hergestellt.
Einer Zurechnung § 25 II der Tatbeiträge des A, z.B. dem Zurverfügungstellen der Ausweise,
bedarf es nicht, da B den gesetzlichen Tatbestand vollständig alleine erfüllte.
Anmerkung:
Nach h.M. ist der Mittäter als Einzeltäter zu prüfen, wenn dieser alle Tatbestandsmerkmale in
eigener Person verwirklicht. Einer Zurechnung und damit auch des Zitierens von § 25 II bedarf
es dann nicht.
10
Lackner/Kühl § 267 Rn. 14.
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(4) Gebrauchmachen § 267 I Var. 3
Unter Gebrauchen ist die Ermöglichung der Kenntnisnahme der unechten oder verfälschten Urkunde durch die zu täuschende Person zu verstehen. Irrelevant ist, ob diese sie auch wirklich zur
Kenntnis nimmt.
B hat die Klausur bei der Aufsicht abgegeben und damit in den Machtbereich von Prüfer P und
Professor X gebracht, sodass die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch diese besteht.
Zwischenergebnis:
Objektiver Tatbestand § 267 I Var. 1, Var. 3 (+)
b. Subjektiver Tatbestand
aa. Vorsatz (+)
bb. Täuschungsabsicht
Absicht i.S.v. dolus directus 1. Grades ist nicht erforderlich, es genügt das sichere Wissen, dass
die Urkunde im Rechtsverkehr in dem Sinne gebraucht werden soll, also dass ein Irrtum über die
Echtheit erregt und der Getäuschte zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt werden
soll. Hier (+): Prüfer P und Professor X.
2. Rechtswidrigkeit
Eine rechtfertigende Einwilligung des A kommt nicht in Betracht, da § 267 keine Individualrechtsgüter des (scheinbaren) Ausstellers, sondern die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs mit Urkunden schützt. Dieses Allgemeinrechtsgut ist nicht disponibel.
3. Schuld (+)
4. Ergebnis:
Strafbarkeit gem. § 267 I Var. 1 und Var. 3 (+).
(P) Konkurrenzverhältnis von Var. 1 und Var. 3:

Rspr.: Tatmehrheit § 53, wenn Täter nicht von Anfang an konkreten Verwendungsvorsatz hatte.
Hier Verwendungsvorsatz beim Herstellen (+), daher nur eine Tat im Rechtssinne. Herstellen
und Gebrauchen bilden eine tatbestandliche Einheit.

H.L.: Nur eine Tat wegen entweder Gedanke der mitbestraften Vortat o der einheitlichem Angriff auf ein Rechtsgut.

Hier kommen beide Meinungen zum selben Ergebnis:
Nur eine Urkundenfälschung gem. § 267 I. Unerheblich ist, dass mehrere Personen durch eine
Handlung getäuscht werden sollen.
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II.
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§§ 271 I, III, 25 II
Durch dieselben Handlungen des B und dadurch, dass A im Sekretariat den Übungsschein angefordert hat, könnte sich B hinsichtlich der Klausur, des Notenverzeichnisses und des Übungsscheins wegen gemeinschaftlicher mittelbarer Falschbeurkundung gem. §§ 271 I, III Var. 1 , 2, 25
II strafbar gemacht haben.
Anmerkung:
§ 271 schützt im Gegensatz zu § 267 die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde. § 271 erfasst hauptsächlich Fälle der mittelbaren Täterschaft bei § 348. Bei § 348 entsteht eine Strafbarkeitslücke
dadurch, dass der „mittelbare Täter“ selten zuständiger Amtsträger i.S.v. § 348 und damit tauglicher Täter ist, eine Strafbarkeit gem. §§ 348, 25 I Alt. 2 scheidet damit aus. Eine Anstiftung zu
§ 348 scheidet beim gutgläubigen Amtsträger mangels Haupttat aus.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
Aufbauschema objektiver Tatbestand § 271:
1. Öffentliche Urkunde § 415 ZPO
2. Erhöhte Beweiskraft: Für und gegen jedermann, öffentlicher Glaube
3. Beurkundung unwahrer Tatsache
4. Beweiskrafterstreckung gerade auf diese Tatsache aus Gesetz oder
kehrsanschauung
5. Bewirken
Ver-
aa. Öffentliche Urkunde
Die korrigierte Klausur, das Notenverzeichnis und der Übungsschein müssten öffentliche Urkunden sein.
Öffentliche Urkunden i.S.v. § 415 ZPO sind Schriftstücke, die von einem Amtsträger einer Behörde
innerhalb ihrer Zuständigkeit in vorgeschriebener Form aufgenommen sind und öffentlichen
Glauben genießen.
(1) Korrigierte Klausur als Tatobjekt
Die Korrekturanmerkungen und die Bewertung durch P stellen gemeinsam mit der Klausur eine
verkörperte Gedankenerklärung dar, die der juristischen Fakultät zuzurechnen ist. Prüfer P nimmt
als Amtsträger gem. § 11 I Nr. 2c Aufgaben für die Behörde juristische Fakultät, § 11 I Nr. 7,
wahr. Er handelte im Rahmen seiner Zuständigkeit und formgerecht.
Fraglich ist, ob die korrigierte Klausur erhöhte Beweiskraft, also für und gegen jedermann,
entfaltet.
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Die Korrekturanmerkungen und die Benotung könnten als entscheidendes Be weismittel im Rahmen einer Prüfungsanfechtung als Behördenexternum gesehen werden. Jedoch bereitet die Benotung des Prüfers die behördliche Entscheidung über die Erteilung des Übungszeugnisses mit
den anderen Klausuren und der Hausarbeit nur vor und ist ni cht geeignet und bestimmt gegenüber jedermann Beweis zu erbringen. Die korrigierte Klausur ist daher keine öffentliche Urkunde.
Anmerkung:
A.A. vertretbar
(2) Notenverzeichnis als Tatobjekt (-)
reines Behördeninternum
(3) Übungsschein als Tatobjekt
Der Übungsschein ist eine verkörperte, menschliche Gedankenerklärung der Behörde der juristischen Fakultät, die diese über ihren Landesbeamten Professor X abgegeben hat.
Die Erklärung ist geeignet und bestimmt gegen über jedermann zu beweisen, dass der bezeichnete Student an der Übung teilgenommen und die vorgelegten Arbeiten vorgelegen und entsprechend bewertet wurden. Die Urkunde hat Beweiskraft vor anderen Behörden wie z.B. dem
Landesjustizprüfungsamt und ist kein Behördeninternum, sondern eine öffentliche Urkunde.
Die Beurkundung der Klausur mit der Note 9 Punkte ist insoweit inhaltlich falsch, als sie den A
als Bearbeiter ausweist und nicht den B und dem A damit fälschlich bescheinigt, erfolgreich an
der Übung teil genommen zu haben.
Die erhöhte Beweiskraft muss sich gerade auf die falsche Tatsache erstrecken. Bei sonstigen
Tatsachen i.S.v. § 418 III ZPO nehmen nur solche Tatsachen an der erhöhten Beweiskraft teil, die
auf Wahrnehmungen der Urkundsperson gründen. Dabei kommt es darauf an, was der Rechtsverkehr erwarten darf, was wahrgenommen wurde. Übungsleiter X kann nicht mehr beurkunden, als
seine Assistenten wahrnehmen mussten. Weder die Aufsichtspersonen noch die Prüfer können
die wahre Identität eines Kursteilnehmers oder des Verfassers einer Klausur mit Sicherheit feststellen. Bei der im Zeugnis enthaltenen Hausarbeit ist eine Überprüfung des wahren U rhebers
sogar praktisch ausgeschlossen.
Daher hat der Rechtsverkehr insgesamt nur die Erwartung, dass der Schein beweist, dass eine
Person unter dem angegebenen Namen an der Übung teilgenommen hat und die angegebenen
Arbeiten abgegeben und entsprechend bewertet worden sind.
Anmerkung:
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A.A. vertretbar angesichts der Tatsache, dass der Schein gerade die erfolgreiche Teilnahme einer
bestimmten Person gegenüber dem Justizprüfungsamt beweisen soll und Identitätskontrollen und
Plagiatskontrollen durchgeführt werden. Es ist jedoch noch allgemeine Meinung, dass Prüfungsarbeiten keine öffentlichen Urkunden sind und Übungsscheine keinen öffentlichen Glauben hinsichtlich der Personenidentität entfalten. Klausurlösung mit dem auch hier vertretenem Ergebnis
bei Bürsch JuS 1975 S. 721.
Die falsche Tatsache, dass A erfolgreich an der Übung teilgenommen hat, nimmt daher nicht an
der erhöhten Beweiskraft der Urkunde teil. B hat daher keine mittelbare Falschbeurkundung bewirkt.
Anmerkung:
Klausurtaktisch geschickter wäre es, die a.A. zu vertreten. Dies eröffnet noch viele Folgeprobleme: So muss das Bewirken noch geprüft werden. Hier ist strittig, ob nur die mittelbare Täterschaft durch ein gutgläubiges Werkzeug (Prüfer, Sekretärin, Professor) erfasst ist oder das B ewirken weiter als jede Urheberschaft der Falschbeurkundung auch z.B. bei einem bösgläubigen
Amtsträger zu verstehen ist.
Dieser Streit läuft parallel zum Streit „Verleiten“ bei § 160. Vgl. hierzu Rengier BT II § 37 Rn. 8
ff. Man kann jedoch anders als bei § 160 argumentieren, dass es keine gesetzlich normierte versuchte Anstiftung, § 159, gibt. Im Fall sind P und X aber unproblematisch gutgläubig. In dem
Zusammenhang müsste die Mittäterschaft § 25 II des A erörtert werden, also, ob der B bereits
mit Abgabe der Klausur die Falschbeurkundung verursacht hat oder ob das Auftreten des A im
Sekretariat noch ein wesentlicher, zuzurechnender Beitrag war. Richtigerweise genügt jede Verursachung, also auch Mitverursachung. Der Beitrag des A ist für B egal.
Anmerkung:
§ 271 III ist eine Qualifikation. B handelt mit entsprechender Absicht gegen Entgelt i.S.v. § 11 I
Nr. 9, § 271 III Var. 1 läge damit vor. Bei A liegt das Merkmal nicht vor, obwohl er die Entgeltabrede kennt. Aus dem Gesamtzusammenhang des § 271 III er gibt sich, dass das Merkmal des Handelns gegen Entgelt als besonderer persönlicher Umstand gem. § 28 II gesehen werden muss.
Auf die Bereicherungsabsicht i.S.v. § 271 III Var. 2 müsste dann nicht mehr eingegangen werden.
2. Ergebnis:
A ist nicht strafbar gem. §§ 271, III, 25 II.
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III.
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§ 281 I Var. 1
Dadurch, dass B den Studentenausweis und den Personalausweis des A der Aufsichtsperson
zeigte, könnte er sich gem. § 281 I Var. 1 strafbar gemacht haben.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. Ausweispapier
Def.: Echte (Anmerkung: ungeschriebenes Merkmal), amtliche Urkunde, die dem Nachweis der
Identität oder persönlicher Verhältnisse dient 11.
Personalausweise wie auch amtliche Studentenausweise sind solche Urkunden 17 .
bb. Für einen anderen ausgestellt (+)
bb. Gebrauchen (+)
b. Subjektiver Tatbestand
aa. Vorsatz (+)
bb. Täuschungsabsicht
Sicheres Wissen hinsichtlich der Verwendung zur Identitätsvorspiegelung gegenüber dem Rechtsverkehr (+)
2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
3. Ergebnis:
Strafbarkeit gem. § 281 (+)
IV.
Gesamtergebnis B:
Strafbarkeit gem. § 267 I; 52; 281 I
Anmerkung:
Zu wenig naheliegend, als dass man in der Klausur Zeit auf sie verwenden sollte, sind folgende
Tatbestände: § 265a Var. 4 Leistungserschleichung: Zutritt zum Prüfungsraum und Korrektur der
11
17
Fischer § 281 Rn. 2, § 273 Rn. 2.
Rengier BT II § 38 Rn. 4.
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Klausur; § 263 I: Schein zwar Verfügung, aber keine Vermögensverfüg ung, für geldwerte Korrekturleistung zu wenig Sachverhaltsangaben: A darf an Prüfung nochmal teilnehmen, erstrebter
Vorteil jedenfalls nicht stoffgleich zum Nachteil; § 123 I A ist Student und ist berechtigt zum
Aufenthalt.
B. Strafbarkeit des A
I.
§§ 267 I Var. 1, Var. 3, 25 II
Indem A das Vorgehen des B plante, ihm 100 EUR für seine Hilfe anbot, ihm die beiden Ausweise
zur Verfügung stellte und die Klausur im Sekretariat vorzeigte, könnte er sich gem. §§ 267 I Var.
1, Var. 3, 25 II strafbar gemacht haben.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. Objektiver Tatbestand
aa. Gebrauchen einer unechten Urkunde § 267 I Var. 3
Indem A die von P korrigierte Klausur im Sekretariat vorzeigte, könnte er von einer unechten
Urkunde Gebrauch gemacht haben.
Unechte Urkunde
Die von B verfasste Klausur war eine unechte Urkunde, s.o. Fraglich ist, ob dies für die korrigierte
Klausur auch noch gilt.
Durch die Korrektur und die Bewertung hat der Prüfer P als Aussteller eine beweiserhebliche
Gedankenerklärung mithin eine echte Urkunde herges tellt.
Die unechte Urkunde des B existiert jedoch im Schriftstück weiter. Es liegen insoweit zwei Urkunden in einem Gegenstand vor.
Im Sekretariat kam es jedoch allein auf die Urkunde des Prüfers P an, also darauf, ob die Klausur
mit dem Namen des A die entsprechende Note bekommen hat. Es fehlt entweder objektiv am
Gebrauchmachen oder subjektiv an der Absicht, den Rechtsverkehr zu täuschen. Insoweit ist A
straflos.
bb. Herstellen einer unechten Urkunde §§ 267 I Var. 1, 25 II
Fraglich ist, ob dem A die bereits oben geprüften Tathandlungen des B gem. § 25 II zuzurechnen
sind. Dazu müssten A und B mittäterschaftlich gehandelt, also bewusst und gewollt zusammengewirkt haben. Dies setzt subjektiv einen gemeinsamen Tatplan und objektiv eine gemeinsame
Tatausführung voraus.
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SEITE 28 VON 30
Nach h.M. ist jedenfalls dann Mittäterschaft anzunehmen, wenn ein Beteiligter die Urkunde abredegemäß herstellt und ein anderer sie abredegemäß gebraucht, da dies als einheitliche Tat
gewertet wird, s.o, und jeder Täter ist 12. Jedoch bleibt der A beim Gebrauch der Urkunde im
Sekretariat straflos, s.o. Also muss A bereits beim Herstellen Mittäter gewesen sein.
(1) Gemeinsamer Tatplan
A und B kamen darin überein, dass B eine unechte Urkunde herstellen und A die Ausweise zur
Verfügung stellen sollte.
(2) Gemeinsame Tatausführung
A müsste einen eigenen Mindestbeitrag geleistet haben.
Die Tatherrschaftslehre sieht denjenigen als Mittäter an, der in arbeitsteiligem Zusammenwirken
die Tat wesentlich mitbeherrscht und damit die funktionelle Tatherrschaft innehat. Unter Tatherrschaft ist hierbei das vom Vorsatz umfasste In -den-Händen-Halten des Tatgeschehens zu verstehen.
Für die funktionelle Tatherrschaft ist nach h.M. die Anwesenheit am Tatort keine zwingende
Voraussetzung. Vielmehr ist auch ein Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium ausreichend, wenn er
bei der Tatausführung noch fortwirkt. Ein Minus in der Ausführung kann also durch ein Plus bei
der Vorbereitung ausgeglichen werden.
A beherrschte die Vorbereitungsphase allein. Er entwickelte den Plan, die Tat erscheint als Werk
seines zielstrebig-planenden Willens. Er rief zudem beim B den Tatentschluss hervor und stellte
die Ausweise zur Verfügung. Ohne die Ausweise wäre der deliktische Gesamtplan nicht durchführbar gewesen, dieser Tatbeitrag wirkte im Ausführungsstadium noch fort. A hat also wesentliche Tatbeiträge geleistet und ist daher Mittäter.
Anmerkung:
Bei ausreichend Zeit wäre es noch möglich, zu einer Mindermeinung innerhalb der
Tatherrschaftslehre abzugrenzen, die fordert, dass der Beitrag gerade im Ausführungsstadium
zu erfolgen habe, da nur so von einem Beherrschen gesprochen werden kann, LK/ Schünemann §
25 Rn. 182. Die Abgrenzung Tatherrschaftslehre – Rspr. sollte jedoch in der Klausur ausreichend
sein.
Die Rspr. grenzt Täterschaft und Teilnahme nach der subjektiven Theorie auf objektiv-tatbestandlicher Grundlage ab und wertet ein Verhalten dann als täterschaftlich, wenn die Person mit
Täterwillen, animus auctoris, handelt, also die Tat als eigene will.
Der Täterwille ist mithilfe einer wertenden Gesamtbetrachtung verschiedener Anhaltspunkte zu
ermitteln, zu denen Tatherrschaft, Wille zur Tatherrschaft, Grad der Beteiligung und Tatinteresse
zählen.
12
Sch/Sch/Cramer/Heine Rn. 79 ff., Rn. 97 f.
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A handelte mit Tatherrschaft und Willen zur Tatherrschaft. Zudem bestand für A e in überragendes
Eigeninteresse an der Tat, der Grad der Beteiligung hielt sich mit der Übergabe der Ausweise
hingegen in Grenzen. Nach einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Faktoren handelte A folglich mit Täterwillen und er ist als Mittäter einzustufen .
Ein Streitentscheid ist entbehrlich, A ist nach beiden Ansichten als Mittäter anzusehen.
Die Tatbeiträge des B werden A gem. § 25 II zugerechnet. A hat gemeinschaftlich gem. § 25 II
eine unechte Urkunde hergestellt.
Anmerkung:
Die Besonderheit des Falles lag darin, dass A dem B die Ausweise zur Verfügung stellte. Dies war
ein wesentlicher Tatbeitrag. Die bloße Anstiftungshandlung und die Entwicklung des Tatplans
reicht im Regelfall als Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium nicht für § 25 II aus.
Eine Anstiftung gem. § 26 hinsichtlich Herstellen und Gebrauchmachen und eine Beihilfe § 27
durch Zurverfügungstellen der Ausweise hinsichtlich des Gebrauchmachens waren auch vertretbar. Die Anstiftung verdrängt dann die Beihilfe auf Konkurrenzebene, vgl. LK /Zieschang § 267
Rn. 291.
Anmerkung:
Ausnahmsweise wurde das Gebrauchen vor dem Herstellen geprüft. Die Prüfung würde sich erheblich vereinfachen, wenn A die unechte Urkunde gebraucht hätte und damit insoweit Alleintäter
wäre. Er wäre dann auch unproblematisch Mittäter hinsichtlich der einhei tlichen Urkundenfälschung.
cc. Gebrauchen einer unechten Urkunde gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II
Das Gebrauchmachen des B ist dem A ebenfalls gem. § 25 II zuzurechnen.
c. Subjektiver Tatbestand
A handelte vorsätzlich und mit dem sicheren Wissen, die Urkunde z ur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen.
2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
3. Ergebnis:
Nur eine Urkundenfälschung §§ 267 I, 25 II (+)
II.
§ 281 I Var. 2
Überlassen (+)
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SEITE 30 VON 30
Täuschungsabsicht (+)
Ergebnis: Strafbarkeit gem. § 281 I Var. 2 (+). Die Anstiftung des B zu seiner Tat gem. § 281 I
Var. 1 tritt im Wege der Konsumtion zurück.
III.
Gesamtergebnis für A:
Strafbarkeit gem. §§ 267 I, 25 II; 52; 281 I
Anmerkung:
Bei Urkundenklausuren kommt es neben dem Urkundenbegriff und der Frage echt/unecht entscheidend darauf an, dass Zusammenspiel der Urkundendelikte mit anderen Normen des StGB zu
beherrschen. Die wichtigsten Normen sind: §§ 263, 265a, 266, 303, 133, 348.
Konkurrenzen:
Die gängigen Probleme auf Konkurrenzebene sollten auch bekannt sein:
H.M.: Verfälschen § 267 I Var. 2 erfüllt auch Herstellen Var. 1 und Unterdrücken § 274 und Sachbeschädigung § 303, § 267 I Var. 2 verdrängt diese Delikte aber allesamt.
Bei Verwendungsvorsatz bereits beim Herstell en nur eine Urkundenfälschung, bei erst später gefasstem Vorsatz aber Realkonkurrenz § 53 von Herstellen und Gebrauchmachen, s.o.
Mehrfaches Gebrauchmachen einer Urkunde nur eine Urkundenfälschung, wenn diesbezüglicher
Vorsatz bereits beim Herstellen, str. Gebrauchen von mehreren Urkunden in einer natürlichen
Handlungseinheit (20 Schecks auf einmal): Nur ein Gebrauchen und damit nur ein Herstellen,
wenn der Vorsatz so von Anfang an gefasst war 13.
Täuschen mehrerer Personen gleichzeitig mit einer Urkunde: Nur eine Urkundenfälschung.
Anmerkungen bitte an: [email protected]
13
Sch/Sch/Cramer/Heine § 267 Rn. 79c.