ALLEA-Preisträgerin 2015: Dame Helen Wallace Auch der

ALLEA-Preisträgerin 2015: Dame Helen Wallace
Auch der Zusammenschluss Europas auf den verschiedenen politischen,
wissenschaftlichen und kulturellen Ebenen kann durch Wahrzeichen besser ins
Bewusstsein gehoben werden. Es war deshalb eine glückliche Idee, dass Günter Stock
in seiner ersten Amtszeit als Präsident von ALLEA (All European Academies) einen
„Madame de Stael Prize for Cultural Values“ hat ausloben lassen. Das politische
Europa kann dadurch auf die akademischen Belange aufmerksam gemacht werden,
und umgekehrt können die Vertreter der Akademien in den einzelnen Ländern aus
diesem Anlass der europäischen Dimension ihres wissenschaftlichen Bezirks
nachhaltig gewahr werden.
Nachdem im Beisein des damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission José
Manuel Barroso im April 2014 in Brüssel der ALLEA-Preis erstmals an die in Turin
und New York lehrende Historikerin Luisa Passerini verliehen worden war, war es
nun der EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation Carlos Moedas,
der im April 2015 anlässlich der ALLEA-Generalversammlung in Lissabon den
zweiten ALLEA-Preis überreichte. Er ging nun in diesem Jahr an Dame Helen
Wallace, Foreign Secretary der British Academy. So jung der Preis noch ist, in einem
hat er den Aachener Karlspreis schon überflügelt, der doch die visibelste, nach 65
Jahren bereits traditionsschwere Ehrung im Rahmen des europäischen
Zusammenwachsens darstellt. Denn beim Karlspreis dauerte es über 30 Jahre, bis mit
Simone Weil eine Frau diese Auszeichnung erhielt, und bis heute hat der Frauenanteil
dort die Zehnprozentmarke noch nicht erreicht.
Bei Dame Helen Wallace zeichnete es sich früh ab, dass ihr sozialwissenschaftliches
Wirken sich um das Zentrum Europa lagern und an den Schnittstellen von Politik,
Kultur und Gesellschaft bewegen würde, ob seit den späteren 1960er Jahren im
Studium in Oxford, am College of Europe in Brügge und in Manchester, ob in ihrer
beruflichen Tätigkeit unter anderem an den Universitäten von Manchester und Sussex
oder der London School of Economics. Schon ihre Dissertation von 1975 widmete
sich einem Thema der europäischen Integration, nämlich dem Antrag der LabourRegierung Großbritanniens auf Mitgliedschaft in der Europäischen
Währungsgemeinschaft (EWG), den sie unter dem Aspekt der „Domestic Policymaking Implications“ untersuchte.
Der Themenkreis von Europäischer Einigung und Europapolitik hat Professor Wallace
auch in späteren Veröffentlichungen nicht mehr losgelassen, sei es nun in ihrer
Herausgeberschaft der von Palgrave Macmillan verlegten Buchreihen One Europe or
Several? sowie New Europe, sei es in dem inzwischen in 5. Auflage bei der Oxford
University Press vorliegenden Sammelband Policy-making in the European Union,
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den sie, wie auch anderes, mit Co-Editoren besorgt hat, darunter hier ihrem Ehemann
William, dem liberaldemokratischen Politiker und Politologen Lord Wallace. Unter
den von ihr selbst verfassten Schriften – genannt seien nur The Shaping of Europe:
Progress and Prospect (1995) und Coming to Terms with a larger Europe: Opinions
for Economic Integration (1998) – finden sich auch solche, in denen sie sich einer CoAutorschaft versichert hat, etwa zusammem mit Fiona Hayes-Remshaw bei The
Counsel of Ministers (1997, 2006) oder schon früher zusammen mit Ralf Dahrendorf
und Russell Johnston bei Towards Greater Democracy and Unity in Europe (1988).
Vor diesem Hintergrund fiel es dem EU-Forschungskommissar Carlos Moedas in
seiner Würdigung von Dame Helen in Lissabon nicht schwer, ihre vorbildliche Rolle
zu umreißen. Sie „forged a career that is equally ahead of her time: carrying out the
very foundations of European Union studies”. Von Beginn ihrer akademischen
Laufbahn an habe sie die europäische Integration verstanden “as an exeptional and
complex phenomenon: as a political system that can be dissected in a multitude of
ways”. Insbesondere habe sie unter Beweis gestellt, dass „education and the social
sciences are as vital to the evolution of democracy as universal suffrage”. Und wenn
Moedas den Wissenschaftsakademien in Europa eine signifikante Rolle speziell auch
in der Politikberatung zugesprochen hat, dann ist Professor Wallace dafür gewiss eine
ideale Persönlichkeit, sozusagen ein Inbegriff.
Albrecht Riethmüller
Internationaler Delegierter
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