BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ BERICHT zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 A Vor der Hospitation 1. Eigene Ausgangslage An der Theeltalschule – heute Gemeinschaftsschule, früher Realschule und Erweiterte Realschule – gibt es seit vielen Jahren eine Sprachförderklasse für ausländische Kinder ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Die Sprachförderklasse steht in der Tradition der sog. Flüchtlingsschule, die als separater Zweig der ehemaligen Hauptschule in unmittelbarer Nähe zur Landesaufnahmestelle in Lebach angesiedelt war. Die Landesaufnahmestelle wurde 1958 gebaut. Mit Einführung der Erweiterten Realschule 1997, in der die Schulformen Haupt- und Realschule aufgingen, wanderte die „Flüchtlingsschule“, die zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr diesen Namen trug, an den Standort der Realschule. Längst hatte sich auch ihre Klientel geändert. Besuchten ursprünglich die Kinder der Ostflüchtlinge diese Schule, so Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 1 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ sind es inzwischen die Kinder der Asylbewerber. Die Straßennamen rund um die Landesaufnahmestelle – Oderring, Ostpreußenstraße, Schlesierallee – erinnern noch an ihre ursprüngliche Nutzung. Auch einer der heutigen Lehrer der Theeltalschule hat 1965 als Kind mit seinen Eltern dort Aufnahme gefunden und die „Flüchtlingsschule“ besucht. Ebenso verweilte eine der beiden Sekretärinnen der Theeltalschule für kurze Zeit in der Landesaufnahmestelle Die Sprachförderklasse der Theeltalschule war über viele Jahre hinweg die einzige Einrichtung dieser Art im Saarland. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen und der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingsfamilien stoßen jedoch immer mehr Schulen – nicht nur im Saarland – bei der Integration neu zugewanderter Kinder ohne Deutschkenntnisse an ihre Grenzen. Deshalb wurden im aktuellen Schuljahr sogenannte Willkommensklassen eingerichtet. In vielen Schulen des Saarlandes werden Flüchtlingskinder aber auch direkt den ihrem Alter entsprechenden Regelklassen zugeteilt. Der Meinungsstreit darüber, ob das sog. „Sprachbad“ der Integration eher förderlich ist als ein vorgeschaltetes Sprachtraining, ist noch nicht entschieden. Die Sprachförderklasse der Theeltalschule verfolgt das Ziel, Kindern und Jugendlichen ohne bzw. mit mangelhaften Deutschkenntnissen Sprachunterricht zu erteilen, bevor sie in eine ihrem Alter und ihrer Begabung entsprechende Regelklasse aufgenommen werden. Die Verweildauer in der Sprachförderklasse ist individuell verschieden. Sie reicht von wenigen Monaten bis hin zu zwei Jahren. Maßstab ist, die Schüler/-innen bestmöglich zu fördern, damit Sprachbarrieren sie nicht daran hindern, ihr intellektuelles Potential auszuschöpfen. Sobald diese Voraussetzung gegeben erscheint, besuchen die Schüler/innen eine Regelklasse. Im günstigsten Fall starten sie in der Klassenstufe 5 und haben die Gelegenheit, eine gesamte Schulzeit zu durchlaufen. Häufig werden sie aber auch aufgrund ihres Alters höheren Klassen zugeteilt. Die Sprachförderklasse der Theeltalschule wird vorwiegend von Kindern besucht, deren Eltern als Asylbewerber in der Landesaufnahmestelle Unterkunft gefunden haben. Dort werden sie von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Caritas betreut. Das hat den Vorteil, dass es zwischen Elternhaus und Schule Kontaktpersonen gibt, die mit dem deutschen Bildungssystem vertraut und der deutschen Sprache mächtig sind. Sie übernehmen die Anmeldeformalitäten. Unmittelbar nach der Anmeldung erfolgt die Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 2 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Gesundheitsprüfung durch das Gesundheitsamt. Inzwischen werden die Kinder bereits bei der Registrierung in der Landesaufnahmestelle medizinisch untersucht. Vereinzelt besuchen auch Kinder die Sprachförderklasse, deren Eltern von ihrer Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU Gebrauch machen oder aus sonstigen Gründen aus dem Ausland ins Saarland umgesiedelt sind. Die Sprachförderklasse ist in ihrer Zusammensetzung sehr heterogen. Die Kinder unterscheiden sich im Hinblick auf Herkunft, Alter und schulische Vorkenntnisse angefangen bei denen, die in ihrer Heimat noch keine Schule besucht haben, bis hin zu Schülerinnen und Schülern, die im Herkunftsland bereits Spitzenleistungen erbrachten, denen es aber hier an den nötigen Deutschkenntnissen mangelt. Diesem Umstand ist die Einteilung in 3 Gruppen geschuldet. So unterschiedlich die Kinder, so verschieden ist auch ihr Lernerfolg. Manche machen innerhalb kürzester Zeit erstaunliche Fortschritte, weil sie hochmotiviert sind und ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft und –fähigkeit aufbringen. Es ist uns in den letzten Jahren gelungen, drei unserer Schüler ins START – Stipendium zu vermitteln. In der Sprachförderklasse der Theeltalschule herrscht hohe Fluktuation. Wöchentlich kommen neue Kinder an. Die Mehrzahl der Schüler/-innen verlässt die Theeltalschule, bevor sie überhaupt Gelegenheit hatten, hier einen Schulabschluss zu machen. Die Gründe dafür sind, dass die Familien entweder abgeschoben werden oder nach Anerkennung ihres Asylantrags die Landeswohnsiedlung verlassen und außerhalb der Stadt Lebach, häufig auch außerhalb des Saarlandes ihren Wohnsitz nehmen. Im Falle von Abschiebung erhält die Schule nicht unmittelbar Bescheid von der Ausländerbehörde, sondern erfährt dies meist auf Nachfrage über Umwege, nachdem festgestellt wurde, dass ein/e Schüler/in mehrere Tage unentschuldigt gefehlt hat. Auf Antrag der Schule bekommen die Kinder von der Leistungsabteilung der Landeswohnsiedlung ihre Erstausstattung: Schultasche, Mäppchen, Stifte, Sportkleidung und -schuhe, Bücher, Hefte sowie das obligatorisch zu führende Aufgabenbuch. Darüber hinaus erhalten Sie nach Bedarf Zuschüsse zu den Klassenfahrten. Die Schule erhielt bis vor kurzem pro Schüler im Monat 1 € als Kopiergeld, das personenbezogen abgerechnet Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 3 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ werden musste. Inzwischen bekommen die Eltern das Geld, von dem u.a. auch die Kopien zu zahlen sind. Für jeden Schüler/jede Schülerin, also auch für die der Sprachförderklasse bekommt die Schule 9, 50 € pro Schuljahr aus dem Finanzhaushalt des Schulträgers Der Lehrereinsatz in der Sprachförderklasse schwankt je nach Schülerzahl von Jahr zu Jahr. Im vergangenen Schuljahr steckten 84 Lehrerstunden in der Sprachförderklasse. Davon wurden 30 Stunden von zwei eigens zugewiesenen Lehrkräften des Paritätischen Bildungswerkes abgedeckt, die restlichen 54 Std. kamen aus unserem Personal-Budget. Die Sprachförderklasse fokussiert den Erwerb von Deutschkenntnissen, verbunden mit landeskundlichem Wissen, grundlegenden Kenntnissen in Mathematik, Geschichte, Geographie, Politik, Naturwissenschaften etc. Auch Sport und Musik steht auf dem Stundenplan der Sprachförderklasse. Der Unterricht erfolgt in der Zweitsprache Deutsch (DAZ) und nicht in der Muttersprache der Schüler/-innen. Im Saarland existiert kein Lehrplan für Deutsch als Zweitsprache (DAZ). Deshalb orientiert sich der Unterricht an den Konzepten zur Alphabetisierung und Orientierung zum Deutschlernen für Asylbewerber des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie am gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) Den Niveaustufen des GER angenähert, ist die Klasse in drei Gruppen eingeteilt. F1: Analphabeten und Anfänger F2: Anfänger F3: Fortgeschrittene und Fachkundige Zur Vorbereitung auf den Unterricht in der Regelklasse werden mitunter einzelne Schüler/-innen der entsprechenden Klasse für einen vorübergehenden Zeitraum in bestimmten Fächern, bevorzugt Deutsch und Mathematik zugeteilt. In vergangenen Schuljahr wurde es in der Regelklasse 7a/b im Grundkurs Deutsch erforderlich, eine intensive Nachsorge der Migrantenkinder zu betreiben, so dass eine Lehrkraft aus ihrem Kurs in der Sprachförderklasse abgezogen wurde, um in der Regelklasse eine Doppelbesetzung zu ermöglichen. Es finden regelmäßig Konferenzen statt mit folgenden Teilnehmern: Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 4 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ a) Lehrkräfte, die in der Sprachförderklasse unterrichten, sie besprechen den Lernfortschritt ihrer Schüler/-innen und eine evtl. Umstufung und verständigen sich über die Formulierungen auf den Zeugnissen b) Schulleitung sowie Lehrkräfte, die in der Sprachförderklasse unterrichten und Lehrkräfte, die in den jeweiligen Regelklassen unterrichten, die die Migrantenkinder aufgenommen haben, sowie Lehrkräfte des Caritasverbandes Saar-Hochwald e.V. aus dem Projekt BIMS (= Berufliche Integration junger Migranten). Dieses Projekt ist Teil des Aktionsprogramms des Landkreises Saarlouis zur Eingliederung benachteiligter Jugendlicher in Schule, Ausbildung und Beruf. Außerdem werden zu diesen Konferenzen eingeladen die Mitarbeiter/-innen der Caritas, die in der Landeswohnsiedlung die Hausaufgabenbetreuung der Asylbewerberkinder übernommen haben. Die Leistungen der Schüler/-innen der Sprachförderklasse werden i.d.R. nicht benotet, sie erhalten zweimal im Jahr ein Verbalzeugnis, in dem ihnen der Level ihrer Sprachkenntnisse in den Bereichen Verstehen, Sprechen und Schreiben gemäß den Niveaustufen A1 bis C3 des GER attestiert wird. 2. Fragen an die gastgebende Schule Mit Spannung und Neugierde sehen wir unserer Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München entgegen. Nach dem Studium der Homepage der SchlaU-Schule, die bereits wichtige Informationen gibt, stellen wir uns folgende Fragen: Wie kommt die SchlaU-Schule zu ihren Schülerinnen und Schülern, bzw. woher wissen die Schüler, dass sie sich an der SchlaU-Schule anmelden können, und wer erledigt die Anmeldeformalitäten? Auf welchen Ländern kommen die Schülerinnen und Schüler der SchlaU-Schule? Was geschieht mit den Schülerinnen und Schülern, die nicht zum Beginn des Schuljahres da sind, sondern im Laufe des Jahres einreisen? Müssen sie warten, bis das neue Schuljahr beginnt, um am Unterricht teilnehmen zu können? Lt. Homepage unterrichtet die SchlaU-Schule rund 300 junge Flüchtlinge „analog zum Kernfächer - Kanon der bayerischen Mittelschulen“ (Wodurch unterscheiden sich „Mittelschulen“ in Bayern von den Hauptschulen einerseits und den Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 5 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Realschulen andererseits?) und führt Ihre Schüler zum Schulabschluss. Gleichzeitig heißt es, dass durch eine „intensive individuelle Förderung“ es den Jugendlichen bereits nach kurzer Zeit möglich ist, in das deutsche Regelschul- und Ausbildungssystem einzusteigen. Versteht sich die SchlaU-Schule als Übergangsschule mit Brückenfunktion zum Regelschulsystem oder vergibt die SchlaU-Schule selbst Schulabschlüsse? Und wenn ja, wie werden sie erworben? Sind sie mit einer Prüfung verbunden? Und wie steht es um die staatliche Anerkennung eines solchen Schulabschlusses? Wo und wie wohnen und leben die Schülerinnen und Schüler der SchlaU-Schule? Wie finanzieren sie ihren Lebensunterhalt? Die SchlaU-Schule wurde laut Homepage im Februar 2000 gegründet. Gibt es nach 15 Jahren Erfahrung Erkenntnisse und Rückmeldungen über die weiteren Lebenswege der Absolventinnen und Absolventen der SchlaU-Schule? Welche Erfolgsgeschichten ehemaliger Schüler/-innen sind besonders bemerkenswert? Wie hat die SchlaU-Schule im Jahr 2015 auf den großen Ansturm von Flüchtlingskindern reagiert? Hat sie ihr Angebot erweitert? Ist sie ihrem Grundsatz treu geblieben, nur zum Schuljahresbeginn Schülerinnen und Schüler einzuschulen? Welche Lehrer/-innen unterrichten an der SchlaU-Schule? Werden sie vom Staat zugewiesen? Sind es ausgebildete Lehrkräfte für DaZ bzw. DaF? Welchen Status haben die Lehrkräfte der SchlaU-Schule, sind sie verbeamtet? Wie hoch ist ihre Unterrichtsverpflichtung? Und folgt ihre Bezahlung dem der Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen? Welche zusätzlichen Fachkräfte - Sozialpädagogen, Psychologen, … - betreuen die jungen Flüchtlinge? Welches sind die größten Probleme beim Spracherwerb und der Integration? Gibt es Disziplinschwierigkeiten und falls ja, wie wird damit umgegangen? Wie und in welcher Form findet eine Kooperation mit den Eltern statt, bzw. wer hat die Vormundschaft für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge? Wie sieht das Lernkonzept der SchlaU-Schule aus? Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 6 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Was ist unter dem „ganzheitlichen Schulkonzept für die Zielgruppe der 16- bis 21Jährigen“ zu verstehen? Wie beurteilen die Lehrkräfte der SchlaU-Schule die Einschätzung mancher Theoretiker, im „Sprachbad“ lernten ausländische Kinder die deutsche Sprache besser? Bayern ist wie das Saarland eine Region in Deutschland, in der stark Dialekt gesprochen wird. Wie kommen die jungen Lernenden damit zurecht? Lt. Homepage wird das Fach Mathematik „aus dem Klassenverbund ausgegliedert und in einem begleitenden Kurssystem unterrichtet. Denn die mathematischen Kenntnisse der SchülerInnen differieren meist erheblich innerhalb der einzelnen Klassen und sind unabhängig vom aktuellen Sprachstand zu betrachten.“ Wie ist es möglich, den Mathematikunterricht sprachunabhängig zu erteilen? B Während der Hospitation 1. Das einführende Gespräch Melanie Weber und Rudolf Hillreiner, die beiden Stellvertreter der Schulleiterin Antonia Veramendi der SchlaU-Schule, nahmen sich viel Zeit und beantworteten alle unsere Fragen umfassend. Hier eine kurze Zusammenfassung: Die SchlaU-Schule ist eine Privatschule, die im Jahr 2000 vom Trägerkreis junge Flüchtlinge e.V. gegründet wurde. Der Name leitet sich her von SchlaU = schulanaloger Unterricht. Der Unterricht orientiert sich an den Kernfächern der bayerischen Mittelschulen, vergleichbar mit Hauptschulen. Die Schüler/-innen der SchlaU-Schule sind jugendliche unbegleitete Minderjährige, die in zwei bis vier Jahren an der SchlaU-Schule darauf vorbereitet werden, an einer staatlichen Schule als Externe den Hauptschulabschluss machen zu können. Außerdem kooperiert die SchlaU-Schule mit einer Berufsschule in München, die ausschließlich Vorbereitungsklassen hat. Jährlich werden circa 60 Schüler/-innen zu einem Schulabschluss geführt und in Ausbildung oder weiterführende Schulen vermittelt. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 7 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Seit 2004 ist die SchlaU-Schule vom Bayerischen Kultusministerium als Schule für junge Flüchtlinge gemäß Art. 36 Abs. 1, S. 1, Nr. 3, BayEUG anerkannt. An der SchlaU-Schule unterrichten z.Z. 28 festangestellte Lehrkräfte des Referats für Bildung und Sport der Stadt München. Die Lehrkräfte arbeiten zum größten Teil in Teilzeit und haben von der Regierung von Oberbayern aufgrund Ihrer Qualifikation in DaF oder DaZ eine Lehrbefähigung erteilt bekommen, um im berufsvorbereitenden Unterricht für junge Flüchtlinge zu unterrichten. Beamte gibt es an der SchlaU-Schule nicht. „Die meisten Lehrkräfte konnten wir selbst auswählen und dem Referat vorschlagen“, sagt Mealnie Weber, „da die Tatsache, dass bei uns keine Verbeamtung erfolgen kann, natürlich nicht besonders attraktiv für Referatspersonal ist“. Die Unterrichtsverpflichtung beträgt 24 Stunden. Anrechnungsstunden gibt es für die Tätigkeit als Klassenlehrer/-in, Fachbereichsleiter/-in, Leiter/-in eines Arbeitskreises. Diese Tätigkeiten sind in die Unterrichtszeit integriert. Die Anrechnungsstunden werden allerdings nicht von der Stadt München zugeteilt, sondern über den Trägerverein zusatzfinanziert. Alle Stunden des Schulreferats müssen direkt in den Unterricht fließen. Unterstützt werden die Lehrkräfte von Sozialpädagogen. Es gibt drei Vollzeitstellen, die sich auf fünf Kräfte verteilen. Hinzu kommen zahlreiche Ehrenamtliche. 2014 erhielt die SchlaU-Schule im Rahmen der Verleihung des Deutschen Schulpreises den „Preis der Jury“, der mit 25.000 Euro dotiert ist. Der „Preis der Jury" geht an eine Schule, die unter ungewöhnlichen, häufig ungünstigen Bedingungen hervorragende Leistung erbringt und damit beispielgebend wirkt. Die SchlaU-Schule ist Deutschlands einzige anerkannte Schule, in der ausschließlich junge Flüchtlinge lernen. Ihre Unterrichtsräume in der Schwantalerstraße befinden sich in einem Hochhaus zwischen Geschäften, Schnell-Restaurants und Bars. Die Schüler/-innen im Alter von 16 bis 25 Jahren werden in drei Klassenstufen unterrichtet: Grundstufe, Mittelstufe und Abschlussstufe. Sie absolvieren einen Einstufungstest, um festzustellen, in welche Klassenstufe sie kommen. (Inzwischen haben Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 8 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ alle Schulen in München – nicht in ganz Bayern – für über 16jährige Schüler/-innen einen Einstufungstest erarbeitet.) Die Klassenstärke beträgt maximal 16 Lernende. Die Schüler/innen werden ausschließlich zu Beginn eines Schuljahres eingeschult, es ist jedoch ein unterjähriger Wechsel des Klassenstufensystems möglich. Leistungserhebungen werden regelmäßig in Form von mündlichen wie schriftlichen benoteten Tests durchgeführt. Analog zum staatlichen Schulsystem vergibt die Schule zweimal jährlich Zeugnisse. Erst wenn die Schüler/-innen soweit sind, dass sie an der Externen - Prüfung einer staatlichen Schule teilnehmen können, werden sie dort zur Prüfung angemeldet. Dementsprechend betrug die Bestehensquote in den letzten Jahren nahezu 100%. Bei der Stadt München gibt es eine Koordinierungsstelle, die den Schüler/-innen den Weg in die SchlaU-Schule zeigt. Der Besuch der SchlaU-Schule ist freiwillig. 40% der Schüler/innen sind nicht mehr in der Jugendhilfe. Als Aufnahmekriterium gilt, dass der/die Schüler/-in den Wunsch hat, einen Schulabschluss zu machen. Die Unterrichtszeit ist von 9.00 bis 14.15 Uhr - jeweils in Doppelstunden mit 20 Minuten Pause dazwischen. Es wird binnendifferenziert unterrichtet mit entsprechend angepasstem Lehrmaterial. Im Klassenverband werden die Fächer Deutsch, GSE, Ethik, AWT, PCB unterrichtet, ergänzt durch Projekte. In einem parallelen Kurssystem werden die Fächer Mathematik und Englisch unterrichtet. Es finden zweimal im Jahr Lern- und Entwicklungsgespräche statt, die anhand vorgegebener Formulare dokumentiert werden. Dafür sind zwei komplette Schultage reserviert. Das Konzept der SchlaU-Schule wird ergänzt durch die Partnerschule ISuS (= Integration durch Sofortbeschulung und Stabilisierung) und durch SchlaUzubi (= Nachbetreuungsprogramm der SchlaU-Schule) ISuS - 2012 gegründet und ganz in der Nähe gelegen - wird von Schüler/-innen besucht, die noch nicht alphabetisiert sind. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, jungen Flüchtlingen unmittelbar nach ihrer Ankunft durch Beschulung und sozialpädagogische Betreuung einen Halt sowie eine Perspektive zu geben. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 9 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ SchlaUzubi hat die Aufgabe, die Schüler/-innen beim Übergang von der Schule zum Beruf zu unterstützen durch Nachhilfeangebote und/oder sozialpädagogische Betreuung Bevor wir mit der Hospitation beginnen, bittet Melanie Weber uns darum, die Schüler/innen nicht auf ihre Familien sowie die Umstände und die Ursachen ihrer Flucht anzusprechen. Es könnten bei den Schüler/-innen Erinnerungen an traumatische Erlebnisse geweckt werden. 2. Einblicke in ausgewählte Hospitationsstunden a) Bericht von Inge Röckelein Dienstag, 12.01.2016: 1.+2. Std. Mathematik in der Grundstufe mit der Lehrerin Hanna und dem Schachtrainer Martin Die SchlaU-Schule hat das Motto der Münchner Schachstiftung „Fördern durch Schach“ aufgegriffen und das Schachspielen in den regulären Mathematikunterricht integriert. Es sollen auf diese Weise strategisches und logisches Denken sowie Fairness gefördert werden. Es sind 12 Schüler anwesend, zehn 10 Männer und 2 Mädchen. Martin erklärt: „Die erste Frage, die sich ein Schachspieler stellt, ist, wer hat mehr?“ Im Schach wird mit „Bauern – Einheiten“ gerechnet. Ein Bauer zählt 1 Einheit, ein Läufer 3, ein Pferd ebenfalls 3, der Turm 5, eine Dame 9, der König ist „unbezahlbar“. Jetzt erläutert er noch einmal anhand seines Magnet Schachbrettes, das an der Tafel für alle gut sichtbar aufgehängt ist, wie die Figuren ziehen dürfen. Er lässt die Schüler Vorschläge machen, welcher Zug bei der auf dem Demonstrationsbrett gezeigten Situation jeweils am besten ist. Als Tipp gibt er mit „Eine Figur steht meistens besser in der Mitte als am Rand.“ Es wird deutlich, dass die Jungs mehr Interesse am Schachspielen haben als die Mädchen. Jetzt dürfen die Schüler/-innen selbst spielen. Aref aus Afghanistan fragt mich, ob ich mit ihm spielen will. Da ich das letzte Mal vor 30 Jahren Schach gespielt habe, bin ich genauso ein Anfänger wie er. Während des Spielverlaufs gibt es die Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 10 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Möglichkeit, immer wieder Martin um Hilfe zu fragen. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 11 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 12 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ 3. und 4. Stunde GSE (= Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde) bei Peter S. in der Grundstufe 13 Schüler/-innen sind anwesend, darunter 8 Jungs und 4 Mädchen. Allerdings stellt sich bei Überprüfung der Anwesenheit heraus, dass 4 Schüler/-innen fehlen, darunter eine junge Frau, die ein Baby hat. Ich stelle mich den Schüler/-innenn vor. Peter nimmt dies zum Anlass, seine Schüler/-innen noch einmal danach zu fragen, wie viel Bundesländer die Bundesrepublik Deutschland habe, und suchen sie auf einer Deutschlandkarte das Saarland. Danach stellen sich die Schüler/-innen stellen mir namentlich vor und nennen ihre Herkunftsländer. Eine Schülerin kommt aus Malaysia, ein Schüler aus Albanien, alle anderen stammen aus afrikanischen Ländern. Peter, der Lehrer, fragt nach dem aktuellen Wochentag und dem Datum. Er erinnert die Schüler/-innen an den bevorstehenden Test am 25.1.2016 und ermuntert sie, dafür zu lernen. Er verteilt noch einmal den Jahresplan und wendet sich dann dem aktuellen Thema zu: „Die sieben Kontinente“. Die Schüler sollen anhand einer Schemakarte und mit Hilfe des Atlasses in jedem Kontinent drei Länder suchen und ihnen jeweils eine Stadt zuordnen. Die Schüler/-innen arbeiten in Partnerarbeit. Ich arbeite zusammen mit Musa aus Sierra Leone. Die Bearbeitung und anschließende Besprechung des Arbeitsblattes dauert deutlich länger als geplant, aber die Schüler/-innen sind mit großem Eifer dabei und fragen sich nachher gegenseitig ab. Dabei legen sie Wert darauf zu erfahren, wie die Hauptstädte der einzelnen Länder heißen. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 13 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Jetzt initiiert Peter ein Rollenspiel: Im Klassenraum wird eine fiktive Karte abgesteckt und eingenordet. Die Schüler/innen nehmen die Position der Kontinente ein. Wenn die Kontinente miteinander verbunden sind, geben sie sich die Hand. Alle nicht unmittelbar beteiligten Akteure betätigen sich als Regisseure und geben Hinweise auf die korrekte Position. Peter, der Lehrer, schippert über die Weltmeere zwischen den Kontinenten und fragt die Schüler/-innen immer wieder: „Wo bin ich? In welchem Ozean bin ich gerade unterwegs?“ Das Schauspiel bereitet allen große Freude und wird dafür sorgen, dass der Lernstoff nachhaltig in Erinnerung bleibt. Mittwoch, 13.01.2016: 1.+2. Std. Deutsch im Alphabetisierungskurs Grundstufe mit den Lehrerinnen Irene und Elisabeth Heute bin ich zu Gast bei ISuS. Ich hospitiere in einem Alphabetisierungskurs Grundstufe. 10 Schüler und 2 Schülerinnen werden von einem Lehrerinnen Tandem unterrichtet: Irene aus Österreich und Elisabeth aus Deutschland. Alle Schüler/-innen geben vor Beginn des Unterrichts ihr Handy in eine sogenannte „Handy Garage“. Die Schüler/-innen stellen sich mir vor: 8 Schüler/-innen stammen aus Eritrea, 2 aus Afghanistan, einer aus Gambia und einer aus dem Senegal. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 14 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Zunächst werden die Hausaufgaben eingesammelt. Dann werden Gruppen gebildet. Elisabeth erinnert an den Test, der am Freitag geschrieben werden soll. Es geht dabei um Grammatik, die Konjugation des Verbs. Die Lehrerinnen verweisen noch einmal auf die Personalpronomen, die an der Tafel bildlich dargestellt sind und zeigen die entsprechenden Endungen. Die Lehrerinnen erklären die Gruppenarbeit. Die Schüler/-innen arbeiten relativ selbständig, haben aber doch viele Rückfragen. Da 2 Lehrkräfte anwesend sind, können in den 4 Gruppen alle Fragen schnell beantwortet werden. Im zweiten Teil der Stunde geht es um Präpositionen und Artikel. Anhand einfacher Frage- und Antwort - Sätze soll beides geübt werden, zum Beispiel Wo ist der Salat? Er ist auf dem Tisch. Wo ist die Butter? Sie ist auf dem Tisch. Wo ist das Brot? Es ist auf dem Tisch. Zur Übung bekommen die Schüler drei Seiten Hausaufgaben und schrecken davor zurück. Diese Schüler/-innen sind keine Analphabeten. Sie können lesen und haben grammatische Grundkenntnisse. Sie wissen zum Beispiel welche Wortarten es gibt und können Verben konjugieren. Mittwoch, 13.01.2016: 3.+4. Std. Deutsch im Alphabetisierungskurs Grundstufe von Reza mit der Lehrerin Elisabeth Ich bin im Alphabetisierungskurs Grundstufe bei Elisabeth. 11 Schüler/-innen, davon 6 männliche und 5 weibliche nehmen daran teil. Die meisten kommen aus dem Irak. Andere kommen aus Somalia und Ghana. Heute geht es darum, den Buchstaben P Im Anlaut oder im Inlaut zu erkennen. Die Lehrerin verteilt Tafeln mit Kreide und Schwämmchen. Die Schüler/-innen schreiben nach Diktat. Papa Park Opa Post Suppe Plan Lampe Paket Ampel April Pause Aprikose. Bei dem Stichwort Aprikose sagt Sivan: „Aprikosenschnaps schmeckt gut.“. Er legt Wert darauf, aus Kurdistan im Irak zu kommen. „Ich bin ein Muslim, aber ich trinke Alkohol. Aber ich esse kein Schweinefleisch.“ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 15 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Danach geht es weiter im Kursbuch Lektion 4 Aufgabe 2: Das ist meine Familie. Mit Hilfe einer CD wird das Hörverstehen der Schüler/-innen gefördert. Zum Schluss teilt die Lehrerin den Text aus und lässt ihn nach entsprechender Vorbereitung von einzelnen Schülern vorlesen. Als Hausaufgabe bekommen die Schüler/-innen die Aufgabe 6 der Lektion 4 Bevor ich die Klasse verlasse, lese ich die Klassenregeln, die in schriftlicher Form im Klassenzimmer aushängen: Wir melden uns. Ich spreche Deutsch. Wir tragen keine Mützen. Wir lachen niemanden aus. Wir lassen jeden ausreden. Wir schwätzen nicht. Wir sind pünktlich. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 16 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ b) Bericht von Ute Redeker Dienstag, 12.01.2016: 3.+4. Std. Mathematik in der Mittelstufe mit dem Schachtrainer Martin: Die Rahmenbedingungen und organisatorischen Gegebenheiten hat Inge Röckelein in ihrem Bericht schon genannt. Mein Schwerpunkt liegt eher in der Beobachtung des geschlechtsspezifischen Verhaltens: Diese Klasse besteht aus zwölf jungen Männern und 4 jungen Frauen. Die Schüler/-innen sind zunächst etwas unaufmerksam, hören bald aber den Erklärungen zum strategischen Vorgehen beim Schachspiel konzentriert zu. Dabei schreiben die jungen Frauen die schriftlichen Ergänzungen an der Tafel, Wert jeder Figur u.a., genau ab. Sie verhalten sich allgemein sehr diszipliniert und ruhig, beteiligen sich aber kaum am Unterrichtsgespräch. Die jungen Männer dagegen beteiligen sich rege an der mündlichen Erarbeitung, sind aber auch etwas weniger diszipliniert. Bei der Erörterung der möglichen Strategien arbeiten aber alle konzentriert mit. Schließlich teilt Martin die Schachbretter aus, damit die Schülerinnen das Gelernte umsetzen können. Ich spiele mit einer jungen Muslimin. Sie ist sehr still und zurückhaltend, dies zeigt sich auch in ihrer Spielweise: Zögernd setzt sie die Figuren an den Rand des Spieles. Beim Spiel ist es aber wichtig, die Brettmitte zu dominieren, sich also seinen Raum zu erobern und zu sichern. Dazu ist aber ein zielstrebiges Vorgehen notwendig. Eine Szene ist mir auch aufgefallen: Eine junge Frau spielte mit einem Mitschüler, andere beobachteten schließlich noch das Spiel. Die jungen Männer überzeugen schließlich die junge zur Frau, dass sie schachmatt sei. Sie zweifelt nicht an ihrer Niederlage bis der Lehrer auf das Brett schaut und meint, sie solle sich nichts einreden lassen, sie habe noch lange nicht verloren. Bei Gesprächen mit Schachtrainern wurde mit erklärt, dass sich der Charakter eines Menschen auch an seiner Art des Schachspiels erkennen ließe. Vielleicht kann Dominanz und Selbstsicherheit also auch in solch einem scheinbar spielerischen Rahmen trainiert werden. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 17 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Der positive Effekt auf die Kognition wurde in Studien zur Untersuchung der mathematischen Leistungen schon bestätigt. Mittwoch, 13.01.2016: 1.+2. Std Gesellschaftswissenschaft in der Mittelstufe mit der Lehrerin Vera und Musikpädagogin Anna Lu: Anna Lu ist Mitbegründerin des Vereins Create your Voice: Create Your Voice ist ein gemeinnütziger Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, mit Hilfe von Kunst und Medien kreative Potenziale von Menschen aus sozial benachteiligten Lebensverhältnissen nachhaltig zu fördern und ihnen dadurch eine Stimme geben. Vera und die Teamteacherin Anna Lu gestalten die Doppelstunde gemeinsam. Der Unterricht ist in zwei Teile untergliedert: Im ersten theoretischen Teil erhalten die Schüler/-innen wichtige Informationen über die rechtlichen Grundlagen im Umgang mit Internet, Musikdownloads und illegaler Verbreitung der Musik. Sie erfahren, dass die Nichteinhaltung des Urheberrechts und vor allem der Verkauf von heruntergeladenen Dateien hohe Geldstrafen nach sich ziehen können. Einige erzählen, dass der Straßenverkauf von Raubkopien in ihrer Heimat durchaus üblich sei. Das Unterrichtsgespräch wird in dieser Phase von beiden Lehrerinnen gemeinsam moderiert. Die jungen Frauen und Männer beteiligten sich rege und können auch einiges aus ihrer Erfahrungswelt ergänzen. Mir fällt auf, dass Mimik und Gestik beider Kolleginnen sehr ausgeprägt sind, was natürlich das Verständnis des schwierigen Inhaltes erleichtert. Schließlich folgt der praktische Teil: Zunächst beginnen die jungen Leute mit einer Aufwärm- und Rhythmusübung. Natürlich macht die sehr viel Spaß und die Schüler/-innen beteiligen sich mit Begeisterung. Anna-Lu erklärt, dass diese Übungen auch der Verbindung der beiden Gehirnhälften dienen. Nun spielt die Musikpädagogin ein Video vor, dass Schüler und Schülerinnen sowie eine Sozialarbeiterin der SchlaU-Schule zeigt: Die Teilnehmer des Workshops hatten eigene Texte zum Thema Frieden geschrieben, teilweise in Deutsch und teilweise in ihrer Muttersprache und sangen nun ihren eigenen Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 18 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Text vor: Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 19 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 20 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Im Rückgriff auf den Beginn besprechen die Kolleginnen schließlich den Inhalt des Liedes „Das ist alles nur geklaut“ von den Prinzen. Der Text ist den Schüler/-innen schon bekannt, so dass zum Abschluss der Stunde gemeinsam gesungen wird. Anna-Lu begleitet die Klasse mit der Gitarre. 3. Mittwoch, 13.01.2016: nachmittags: Offene Fragerunde mit Melanie Weber Inzwischen sind wir in der SchlaU-Schule schon ein bisschen heimisch geworden. Wir schildern unsere Eindrücke und haben natürlich auch viele Fragen. Aus der Vielzahl der Fragen seien hier nur einige – insbesondere die Antworten darauf – wiedergegeben: In der SchlaU-Schule ist es üblich, dass Schüler/-innen und Lehrer/-innen sich duzen. Auf unsere Frage, ob dadurch nicht ein wichtiger Aspekt für den Umgang mit Erwachsenen außerhalb der Schule verloren ginge, antwortet Melanie Weber, in der Vorbereitung auf das Praktikum würde darauf eingegangen. Das Praktikum absolvieren die Schüler in der Mittelstufe. Es dauert zwei Wochen. Seit neun Jahren gibt es dieses Pflichtpraktikum. Vorgeschaltet ist eine Woche Berufsorientierung. Die Schüler überlegen sich, wo sie ihr Praktikum machen wollen. Dann erfolgt eine gemeinsame Recherche nach passenden Betrieben und Telefon - Arbeit. Anschließend werden die Bewerbungsunterlagen erstellt einschließlich der Bewerbungsfotos, für die es in der Schule eine „Requisitenkammer“ gibt, so dass sich die jungen Männer mit Hemd und Krawatte fotografieren lassen können. Jeder/ jede Schüler/-in Schüler bekommt einen USB Stick mit den Bewerbungsunterlagen. Das alles wird während der Unterrichtszeit in der Schule angefertigt. Am Ende des Praktikums müssen die Schüler/innen einen schriftlichen Praktikumsbericht abliefern sowie eine mündliche Präsentation. Freiwillige Praktika in den Ferien sind auch als Schulveranstaltung anerkannt. Die Fahrtkosten zu den Praktikumsbetrieben trägt die Schule - so wie sie auch die Fahrtkosten zur Schule übernimmt. Melanie Weber spricht über schlimme Erfahrungen, die die Schüler/-innen z.T. vor Ihrer Ankunft in Deutschland gemacht haben. Folteropfer stammten zumeist aus Sierra Leone und aus Nigeria. Kriegsopfer aus Syrien fliehen - nach Ansicht von Frau Weber - eher vor Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 21 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ den Assad-Truppen als vor dem IS. Die Schule müsse informiert sein über mögliche Gefahren psychogener Anfälle. Diese äußerten sich mitunter ähnlich wie epileptische Anfälle. Die Organisation „Violence Prevention Network“ hat sich darauf spezialisiert, Konflikte zu entschärfen und Radikalisierung zu vermeiden. Konflikte in der Schule entstünden am ehesten zwischen Kurden und Türken einerseits sowie zwischen Arabern und Afrikanern andererseits. Somalische Frauen neigten dazu, ihre Töchter beschneiden zu lassen, auch wenn sie in Deutschland leben. Der Druck auf Frauen, ein Kopftuch zu tragen, geht - nach Meinung von Frau Weber - eher von Frauen als von Männern aus. Da nicht allen Schüler/-innen an allen religiösen Feiertage frei gegeben werden kann, hat jeder Schüler/jede Schülerin ein Kontingent von drei Tagen, an denen er/sie sich individuell frei nehmen können. Was den Umgang mit Fehlzeiten anbetrifft, so gebe es einen Leitfaden zu den Eskalationsstufen (s. Anhang). Außerdem wird mit jedem einzelnen Schüler/jeder einzelnen Schülerin ein Schulvertrag geschlossen. Wer an einem Test nicht teilnehmen kann, ist verpflichtet, an einem Nachmittag nachzuschreiben. Dafür sind feste Nachmittage eingerichtet. Es gibt eine elektronische Schülerakte, in die alle eintragen können - Lehrer/-innen und Sozialpädagogen. Nicht jede Fehlzeit wird dokumentiert, sondern erst, wenn Fehlzeiten „eskalationsrelevant“ sind. Die Dokumentationspflicht in der SchlaU-Schule gibt es erst seit kurzen. Unsere Beobachtung, dass sehr viele Schüler/-innen mit der linken Hand schreiben, wird von Frau Weber bestätigt. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit der Schreibrichtung in der Herkunftssprache. Frau Weber betont die Notwendigkeit von Schreibübungen. Was die Einhaltung von Regeln anbetrifft, so sei es an der SchlaU-Schule wie an jeder anderen Schule auch. Das Tragen von Mützen während des Unterrichts zum Beispiel sei Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 22 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ zwar verboten, aber niemand halte sich daran. Das Handy dürfe im Unterricht zu Lernzwecken eingesetzt werden, z.B. für Phonetikübungen. Zahlreiche Projekte mit externen Partnern ergänzen das Unterrichtsangebot der SchlaUSchule, darunter ein Musikprojekt und ein Kletterprojekt. Die Finanzierung der Schule beruht auf einer Mischfinanzierung aus öffentlichen Mitteln, Stiftungsmitteln und nicht zweckgebundenen Spenden. Die SchlaU-Schule hat ein Jahresbudget von 4,5 Millionen. Davon sind 3,5 Millionen öffentlich finanziert, d.h. vom Sozialreferat und vom Schulreferat der Stadt München und aus dem Europäischen Sozialfonds. Diese Gelder abzurufen, sei mit viel Verwaltungsaufwand verbunden. Es werde angestrebt, auch das Wirtschaftsministerium und die ARGE mit ins Boot zu nehmen. 4. Donnerstag, 14.01.2016: vormittags: Gespräch mit den Sozialpädagogen Thomas Maschke und Isabella Deck Es stehen der SchlaU-Schule 120 Stunden Schulsozialarbeit für 250 Schüler/-innen zur Verfügung. Thomas veranschaulicht die vier Säulen der Schulsozialarbeit am Ablauf eines Schuljahres: Am Anfang steht Betreuung und Beratung in einer betreuenden Struktur, d.h. keine aufsuchende, sondern Einzelfallarbeit, z.B. erklären, welche Briefe wichtig sind, Vermittlung zwischen Betreuer und UMF (= unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling) nach dem Motto: „Wir versuchen euch den Rücken frei zu halten, damit ihr den Kopf frei habt zum Lernen.“ Des Weiteren gehört zur Schulsozialarbeit die Arbeit mit den Klassen: Beobachtung während des Unterrichts, Begleitung bei Abschlussfahrten und Ausflügen, Beteiligung an Klassenkonferenzen. Die dritte Säule der Schulsozialarbeit besteht in der Begleitung bei der beruflichen Orientierung. Hier geht es um reine Einzelfallarbeit - angefangen bei der Frage: „Was Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 23 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ willst du werden?“ bis hin zu der Frage, ob eine Arbeitserlaubnis erteilt wird. Zusammen mit den Lehrer/-innen übernehmen die Sozialpädagogen die Praktikumsbetreuung. Die vierte Säule der Schulsozialarbeit an der Schlau-Schule ist die Nachbetreuung, zum Teil lebenslang. Das heißt, wenn ein Schüler kommt, der schon vor Jahren aus der Schule entlassen wurde und jetzt ein Problem hat, dann kann er darauf vertrauen, dass ihm die Schulsozialarbeiter der SchlaU-Schule helfen. Auch bei Finanzierungsfragen werden die Schüler/-innen von den Sozialpädagogen betreut. Thomas schildert einen Fall von einem Schüler, der im Gefängnis gelandet ist und voraussichtlich im Mai 2016 entlassen wird. Sollte er um Rat nachfragen, so kann er damit rechnen, dass auch ihm geholfen wird. Informationen, die die Schulsozialarbeiter bekommen, geben sie nicht an die Betreuer in der Wohngruppe weiter. Die Schulsozialarbeiter der SchlaU-Schule haben einen guten Kontakt zur Ausländerbehörde. Das Münchner Ausländeramt sei sehr human, und der Chef von SchlaU, Michael Stenger, mache viel politische Arbeit. Dennoch werde wahrscheinlich demnächst nach folgenden Ländern abgeschoben: Senegal, Kosovo, Ghana, und es werde keine Arbeitserlaubnis mehr erteilt. Gelingt es den Schüler/-innen indes sich an der Berufsfachschule einzuschreiben, so haben sie danach die Chance, eine Arbeitsberechtigung zu bekommen. Der Oberbegriff lautet Aufenthaltsgenehmigung. Sobald jemand in Deutschland angibt, Asyl beantragen zu wollen, bekommt er eine sog. Gestattung. Aus einer Gestattung heraus kann nicht abgeschoben werden, auch nicht, wenn der Betreffende straffällig wird. Gestattung gilt so lange, bis über den Asylantrag entschieden ist. Entscheidet das Gericht positiv, dann hat er oder sie eine Aufenthaltserlaubnis. Entscheidet das Gericht negativ, so steht zunächst die Duldung im Raum. Ein afghanischer Mann, der angibt schwul zu sein, wird nicht abgeschoben. Solange jemand den Status der Gestattung oder Duldung hat, bekommt er keine Sozialleistungen, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das vergleichbar ist mit Hartz IV. Für kritische Fälle unterhält die SchaU-Schule einen Beratervertrag mit zwei Rechtsanwälten, Gisela Seidler und Hubert Heinold, die auf Ausländerrecht spezialisiert Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 24 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ sind. Die Kosten für den Rechtsanwalt zahlt der/die Schüler/in auf Raten ab. Falls er/sie abtaucht, bezahlt die Schule. 5. Einblicke in ausgewählte Hospitationsstunden (2.Teil): a) Bericht von Inge Röckelein Donnerstag, 14.01.2016: 3.+ 4. Stunde Deutsch in der Mittelstufe bei Hubert Hubert hat sich etwas Großes vorgenommen. Er liest ist mit seinen Schüler/-innen „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing in einer vereinfachten Textausgabe. Heute sollen der erste und der zweite Auftritt des Stückes szenisch dargestellt werden: „Nathan kehrt heim“ und „Recha glaubt an ein Wunder.“ Hubert teilt die Klasse in Gruppen auf. Eine Gruppe kümmert sich um das Bühnenbild. Eine andere Gruppe sucht in der Requisitenkammer der Schule nach geeigneten Kostümen; zwei weitere Gruppen notieren auf Karteikarten stichwortartig die Dialoge. Ich bin dabei behilflich, schwierige Wörter zu erklären. Alle Schülerinnen sind mit großer Begeisterung bei der Sache. Am meisten begeistert und aufgeregt scheint Hubert selbst zu sein. Seine positive Ausstrahlung und sein unerschütterlicher Glaube an den Erfolg des Projektes wirken ansteckend. Es gelingt tatsächlich, am Ende der Doppelstunde eine kleine Aufführung zu inszenieren. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 25 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Da es in der Klasse nur eine weibliche Schülerin gibt, muss die zweite Frauenrolle von einem jungen Mann gespielt werden. Ich erinnere daran, dass die großen Frauenrollen des antiken Dramas immer von Männern gespielt wurden. Es bedarf aber keiner Überzeugungskraft. Es stellt für die Jungs gar kein Problem dar, in Frauenrollen zu schlüpfen. Hubert drückt mir ein Tablet in die Hand und bittet mich, die Aufführung zu filmen. Ich hoffe, dass die Filmaufnahmen bei den Betrachtern Anklang finden. Mir wird diese kleine Theater-Aufführung im Klassenzimmer noch lange im Gedächtnis bleiben. Nach meiner Rückkehr nach Hause habe ich in einem kurzen Brief Hubert dazu ermuntert, das gesamte Drama auf die Bühne zu bringen. Mit der Ringparabel ist Lessing so aktuell wie nie zuvor. Donnerstag, 14.01.2016: 5.+ 6. Stunde Deutsch in der Qualifizierungsklasse Mittelstufe bei Lilli Die Schüler/-innen stellen sich vor und nennen auch bereits ihre Zukunftspläne. Alle haben klare Vorstellung davon, was sie später einmal werden wollen. Patricia aus dem Sudan will Modedesignerin werden. Thema der Stunde ist das Präteritum. Lilli liest vor aus dem Buch von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo „Die große Wörterfabrik“. Eigentlich handelt es sich um ein Kinderbuch, aber es ist so reizend geschrieben und illustriert, dass auch Erwachsene daran Gefallen finden. Das Buch handelt davon, dass es ein Land gibt, in dem die Menschen fast gar nicht reden. In diesem sonderbaren Land muss man die Wörter kaufen und sie schlucken, um sie Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 26 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ aussprechen zu können. Der kleine Paul braucht dringend Wörter, um der hübschen Marie seine Liebe zu gestehen. Aber er hat nicht genügend Geld, um sich die dafür notwendigen Worte zu kaufen. Betrübt muss er mitanhören, wie sein Nebenbuhler das ausspricht, was er sagen möchte. Er hat nur noch ein paar unbedeutende Wörter. Die sagt er Marie. Sie erkennt dennoch seine Absicht und damit den Wert der wahren Liebe und schenkt Paul ihr Herz. Sie gibt ihm ein Küsschen, und er spricht nun das letzte ihm zur Verfügung stehende Wort aus, das er sich lange für eine besondere Gelegenheit aufgespart hat: „Nochmal“! Lilli teilt den Schüler/-innen den Text aus und lässt ihn vom Präsens ins Präteritum übertragen. Die einfachen Sätze eignen sich gut für eine grammatische Übung. Aber die Schüler/-innen interessieren sich noch für mehr. Einer der Schüler fragt: „Was ist die Botschaft?“ b) Bericht von Ute Redeker: Donnerstag, 14.01.2016: 3.+ 4. Stunde Mathematik in der Qualifizierungsklasse mit Rudi Die Schüler/-innen dieser Klasse sind nun im letzten Jahr und bereiten sich auf die Abschlussprüfung vor. In dieser Einheit werden Inhalt und Umfang zusammengesetzter Flächen behandelt. Auf den Stundenaufbau und Verlauf werde ich nun weniger eingehen, da er dem bekannten Schema entspricht. Wichtiger erscheint mir an dieser Stelle die Schilderung von Besonderheiten. In der Klasse gibt es wieder vor allem junge Männer. Alle arbeiten konzentriert mit. Die Unterscheidung zwischen Umfang und Fläche fällt auch diesen Schüler/-innen schwer sowie die Zuordnung der entsprechenden Einheit. Bemerkenswert ist, dass die jungen Menschen keine Scheu vor einer Fremden empfinden, sondern direkt um Hilfe bei der Lösung der Aufgaben bitten. Dabei fällt mir die ausgesprochene Höflichkeit im Umgang und das Bemühen um die Lösung der Aufgaben auf. Natürlich ist die Leistungsfähigkeit auch in dieser Lerngruppe recht heterogen. So hatten einige schon in kurzer Zeit sämtliche Aufgaben gelöst, während andere noch bei der Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 27 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ ersten Aufgabe waren. Die Lösungswege waren sehr unterschiedlich, was bei Geometrieaufgaben sehr erfreulich ist. Die Schüler präsentieren ihre unterschiedlichen Lösungswege und ergänzten sich gegenseitig. Mir gefällt auch hier der wertschätzende und konstruktive Umgang. Die jungen Frauen verhalten sich im Unterrichtsgespräch eher zurückhaltend, arbeiten aber bei der Einzelarbeit konzentriert. Donnerstag, 14.01.2016: 5.+ 6. Stunde Deutsch in der Mittelstufe mit Judith Gleich zu Beginn der Stunde, informiert mich die junge Lehrerin über das Ziel und pädagogischen Kontext der Stunde: Die Unterrichtseinheit wurde erst vor kurzem durch ein Lehrerteam der Schule geplant und befindet sich nun in der Erprobungsphase. Es wird die unterschiedliche Wahrnehmung der Menschen, das Entstehen von Missverständnissen und “Feindbildern“ besprochen. Die Schüler/-innen erhalten zunächst den Text „mit mehreren Spielern…“ von Daniel Graziadei: In einem Auffanglager für Flüchtlinge separieren sich die Angehörigen unterschiedlicher Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 28 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Ethnien. Die Sprachbarrieren scheinen unüberbrückbar. Zwei junge Männer spielen im Hof Karten und amüsieren sich über die „dummen und ungeschickten“ Männer und Jungen aus anderen Ländern. Eines Tages spielen ein paar Männer und Jungen aus unterschiedlichen Ländern ausgelassen Fußball. Die beiden Kartenspieler beobachten dies vom Rand aus. Plötzlich rufen die Fußballer etwas und kommen auf die beiden Jugendlichen zu und alle Männer lachen. Die Schüler/-innen sollen nun verschiedene Fragen zum Textverständnis bzw. zur Interpretation bearbeiten. Die Beantwortung der Frage: „Warum kommt plötzlich ein Mann auf die beiden zugelaufen?“ fällt den meisten zunächst recht schwer, spiegelt dann aber teilweise die Erfahrungen der jungen Erwachsenen wieder. Schließlich erfinden sie anhand von Leitfragen ein Ende der Geschichte. Mich hat die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten beeindruckt. Auch hier arbeiten die Schüler/-innen motiviert und konzentriert mit, scheuen sich auch nicht, Verständnisfragen an mich, als fremde Besucherin, zu stellen. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 29 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 30 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 31 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 32 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 33 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Freitag, 15.01.2016: 1.+ 2. Stunde ISUS Klasse 4 Die letzten Stunden darf ich in der angegliederten ISUS – Schule verbringen. Sie ist in kaum fünf Minuten Fußweg zu erreichen. Ich besuche die Klasse mit den fortgeschrittenen Schüler/-innen. Sie sind alphabetisiert, Deutschkenntnisse sind schon vorhanden. Vokabelarbeit steht im Zentrum dieser Doppelstunde. Auch in dieser Klasse ist der Anteil von jungen Frauen sehr gering. Zu Beginn der Stunde stellen die Schüler/-innen sich gegenseitig Fragen zum Befinden. Ein junger Mann mit Verbrennungen wirkt sehr bedrückt und beantwortet die Frage, wie es ihm gehe, mit: „Mir geht es sehr schlecht.“ Sozialarbeiter sind immer als Ansprechpartner vor Ort, so dass der junge Mann nach Rücksprache die Klasse verlässt und betreut werden kann. Die Schüler/-innen lernen die Begriffe für die Sinnesorgane und Sinneseindrücke kennen. Nach der Erarbeitung erhalten sie ein Arbeitsblatt, bei dem verschiedene Begriffe zugeordnet werden müssen, schließlich füllen sie ein Kreuzworträtsel aus. Auch hier sind die jungen Leute sehr motiviert und arbeiten konzentriert mit. 6. Freitag, 15.01.2016: Hospitation und Abschlussgespräch mit Melanie Weber und der Schulleiterin der SchlaU-Schule Antonia Veramendi Im abschließenden Gespräch mit der Schulleiterin und der stellvertretenden Schulleiterin bedanken wir uns noch einmal für die ausgezeichnete Organisation der Woche. Selbst die kurzfristigen Ausfälle von Lehrkräften durch Krankheit und die notwendigen Änderungen im Hospitationsplan brachten Melanie Weber nicht aus der Ruhe. Kollegen und Kolleginnen waren spontan bereit, Besucher in ihren Unterricht mitzunehmen. Außerdem heben wir hervor, wie freundlich und aufmerksam wir auch von den Schüler/-innen aufgenommen wurden. Das ist nicht selbstverständlich. Wir stellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest zwischen unserer Schule und der SchlaU-Schule. Und wir kehren mit einigen guten Ideen zurück in die eigene Schule. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 34 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ C Nach der Hospitation 1. Weiterführende Überlegungen für die Entwicklungsarbeit an der eigenen Schule bzw. für die persönliche Unterrichtspraxis vor dem Hintergrund der Besuchserfahrungen Ein Vergleich ausgewählter struktureller und organisatorischer Gegebenheiten lässt die im Folgetext genannten Schlussfolgerungen. Bereich Schulart und Träger Mögliche Abschlüsse SchlaU-Schule Theeltalschule Privatschule; Staatliche Schule; Pflichtschule Verein junge Flüchtlinge e.V. Träger Landkreis Saarlouis. Schule selbst vergibt keine Die Schule vergibt folgende Abschlüsse, sondern bereitet auf Abschlüsse.: Externenprüfung vor, die in - Hauptschulabschluss staatl. Schulen abgelegt wird: - Mittlerer Bildungsabschluss - erfolgreicher Mittelschul- und - Allgemeine Hochschulreife - qualifizierter Mittelschulabschluss - Mittlerer Bildungsabschluss Ziel ist, ein Abschlusszeugnis zu Ziel ist, ein Abschlusszeugnis zu erreichen, das die Integration in erreichen, das die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht. den Arbeitsmarkt oder die Aufnahme eines Studiums ermöglicht. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 35 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Schüler/innen Junge unbegleitete Flüchtlinge im Kinder und Jugendliche vom Alter Alter von 16 bis 25 Jahre. von 10 bis 16 Jahre. 60% in Jugendhilfe, 40% Meist Eltern als Erziehungs- außerhalb der Jugendhilfe. berechtigte deutscher und ausländischer Schüler. Bewerbung um Aufnahme in die Pflichtschule, alle Schüler/-innen Schule. aus dem Einzugsgebiet der Schule Aufnahmetest geht Einschulung müssen aufgenommen werden. voraus. Finanzierung Einschulung nur zu Beginn des Unterjährige Einschulung kann nur Schuljahres. in Ausnahmefällen versagt werden. Gemischtfinanzierung aus Finanzierung aus öffentlichen öffentlichen Geldern, Geldern, minimal ergänzt durch Stiftungsgeldern und nicht Schulförderverein. zweckgebundenen Spenden. Die SchlaU-Schule unterhält eine eigene Abteilung, die sich um Beschaffung von Fördergeldern bemüht. (Fundraising) Unterrichtsinhalt Die Schule ist nicht an einen Die Lehrpläne werden vom festgelegten Lehrplan gebunden. Bildungsministerium vorgegeben. Sie orientiert sich an den Plänen für die Kernfächer der bayrischen Mittelschulen. In den höheren Klassen richten sich die Inhalte nach den Anforderungen der Prüfungen. Die Kolleg/-innen haben Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 36 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ außerdem schulinterne Curricula erstellt. Kooperation mit Eigene Abteilung zum Akquirieren Keine Entlastung der Schulleitung finanzieller Mittel, so dass es im bei der Suche nach Sponsoren. Schulalltag viele zusätzliche Mittel außerhalb des lischen Angebote gibt. Sie werden z.T. Stundenbudgets stehen im Partnern durch Doppelbesetzung in den Rahmen von „Geld für Stunden“ Unterrichtsstunden realisiert. bzw. von Projekten wie z.B. BOP, Kooperation z.B. mit „Zukunft konkret“, „Kunst macht Schachverein, Kletterschule, … Schule“ zur Verfügung. Weitere Viele ehrenamtliche Helfer Projekte werden in Zusammen- außerschu- arbeit mit der FGTS realisiert. Außerdem arbeiten ortsansässige Vereine mit der Schule zusammen. Umgang mit Jeder Schüler hat ein Kontingent Beurlaubung auf Antrag durch die religiösen von freien Tagen, die im Laufe Klassenlehrer bzw. Schulleiterin Feiertagen des Jahres freinehmen kann. Nach dieser Gegenüberstellung folgen ein paar ganz konkrete Ideen, die wir von der SchlaU-Schule mitnehmen: - Handygarage: die Schüler/-innen „parken“ ihr Handy zu Beginn der Stunde in einer Handy-Garage, dies kann eine Kiste, ein Wandbehang oder etwas anderes sein. Wichtig ist, dass jedes Handy ein eigenes Fach hat. So gibt es keine Verwechslungen, wenn die Jugendlichen das Handy am Ende der Stunde wieder mitnehmen. - Formular für Schüler/-innen, die zu spät zum Unterricht erscheinen: Bei Verspätung erwartet der Lehrer keine sofortige Erklärung, sondern händigt dem Schüler ein Formular aus, das dieser im Nachgang ausfüllt. Ist die Verspätung entschuldigt, folgt keine Konsequenz, andernfalls muss der Jugendliche die Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 37 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ verlorene Zeit nacharbeiten. - Nachtermin für versäumte Klassenarbeiten und schriftlichen Überprüfungen: Versäumt ein/e Schüler-in eine schriftliche Abfrage, so gibt es einen festgelegten Nachtermin, an dem die Arbeiten verschiedener Klassen gemeinsam nachgeschrieben werden. Ein Lehrer beaufsichtigt die Schüler/-innen. 2. Gesamteinschätzung des Besuchs für die Entwicklung der eigenen Schule Die Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München ermöglichte uns Einblicke in die Arbeit einer Preisträgerschule. Die dabei gewonnenen Erfahrungen reflektieren wir vor der eigenen Schulrealität und wägen einen Transfer zur Praxissituation an unserer ab. Wir sehen uns bestätigt in unserem Konzept, in einer vorgeschalteten Sprachförderklasse in erster Linie den Spracherwerb der Kinder und Jugendlichen zu fördern, anstatt die Neuankömmlinge direkt einer Regelklasse zuzuweisen. Wir erwägen - ähnlich wie die SchlaU-Schule - Einstufungstests einzuführen. Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn während der Dauer des Besuchs unserer Sprachförderklasse die Chance bestünde, in einer Potenzialeinschätzung schulische Stärken und Schwächen, aber auch eventuelle Traumatisierungen oder Probleme hinsichtlich der Sozialisierung bei den Schüler/-innen festzustellen. Dazu bedarf es aber zusätzlichen Personals in Form von multiprofessionellen Teams. Die Gegenüberstellung von einigen strukturellen und organisatorischen Gegebenheiten zeigt die Freiräume, die die SchlaU-Schule als Privatschule mit schulanalogem Unterricht genießt, und die Kreativität, mit der die Gründer des Vereins, die Schulleitung und das aktuelle Lehrer- und Pädagogenteam neue Wege gehen: So hat das engmaschige Netz sozialpädagogischen und psychologischen Betreuung sicherlich einen großen Anteil an der hohen Erfolgsquote beim Erreichen der Schulabschlüsse der Absolventen der SchlaU-Schule. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 38 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Uns steht eine sog. Schoolworkerin an zwei Tagen während der Unterrichtszeit zur Verfügung. Das Saarland hatte ab dem Schuljahr 2003/2004 für mehrere Jahre das Modellprojekt “Schoolworker” ins Leben gerufen. Hintergrund dieses mittlerweile seit 2007 verstetigten Programms war die Notwendigkeit, Schule und Jugendhilfe im Sinne einer systematischen und institutionell verankerten Kooperation zur Förderung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und die jeweils vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen in ein effektives Gesamtsystem von Bildung, Erziehung und Betreuung einzubringen. Schoolworker sehen sich daher als Kontaktpersonen, die Schule und Jugendhilfe koordinieren. Sie sorgen dafür, dass Schüler, Eltern und Lehrer individuelle und kompetente Hilfe für ihre Anliegen erhalten und im Einzelfall wissen, an wen sie sich wenden können. 6 Schoolworker des CJD Bildungszentrum betreuen 20 weiterführenden Schulen im Landkreis Saarlouis und stehen mit Ihrer Kompetenz und ihren Angeboten einer Vielzahl von Schülern, Eltern und Lehrern mit Rat und Tat zur Seite. Neben den Sprechzeiten in den einzelnen Schulen steht das Team der Schoolworker in seinen Räumen für Fragen und konkrete Hilfen zur Verfügung. Außerdem arbeiten wir eng mit dem schulpsychologischen Dienst des Landkreises mit Sitz in Saarlouis zusammen. In der SchlaU-Schule sind Sozialarbeiter und Psychologen täglich vor Ort. Sie beraten die Jugendlichen in vielerlei Hinsicht. Aggressions- und Konfliktpotenzial kann früh aufgegriffen und bearbeitet werden. Didaktik, Unterrichtsmodelle, Unterricht in heterogenen Gruppen stehen im Fokus vieler pädagogischer Tage und Fortbildungen. Gesellschaftliche Veränderungen und der Gedanke der Inklusion beeinflussen das Anforderungsprofil auch allgemeinbildender Schulen stark. Kinder mit und ohne Migrationshintergrund bedürfen einer stabilisierenden Umgebung und Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 39 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Zuwendung. Schulleitung und Kollegium können diese Aufgabe ohne permanente Unterstützungsangebote vor Ort nicht leisten. Der Ausbau der sozialpädagogischen Unterstützung vor Ort wäre wünschenswert. Viele Ideen, die uns an der SchlaU-Schule gefallen haben, werden bei uns ähnlich umgesetzt. Allen voran ist auch uns der respektvolle, wertschätzende Umgang ein wichtiges Anliegen. Methodenvielfalt, Wechsel der Sozialformen im alltätlichen Unterricht sind eine Selbstverständlichkeit und unterliegen durch die entsprechenden Lehrerteams und der Schulleitung einer ständigen Evaluation. Wir nehmen also viele Anregungen mit nach Hause, finden aber auch manches, was sich auch bei uns bewährt, in der SchlaU-Schule wieder. Wir freuen uns auf das Nachtreffen der Stipendiaten in Berlin und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die an anderen Schulen hospitieren durften. D Anhang Schulvertrayg Eskalationsstufen Fachcurriculum ATW Fachcurriculum Physik/Chemie/Biologie Fachcurriculum Ethik Fachcurriculum GSE Weitere Informationen zur SchlaU-Schule unter: http://www.schlauschule.de/ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 40 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ SchlaU – Schulanaloger Unterricht Schwanthalerstr. 2 80336 München Tel.: 089/411193119 [email protected] SCHULVERTRAG zwischen den Schülerinnen und Schülern und der SchlaU-Schule zur Kenntnisnahme an Betreuer/innen, Vormünder und Interessierte Unsere Schule ist eine soziale Gemeinschaft. Den Unterricht und das Schulleben an der SchlaU-Schule wollen wir angenehm, lernintensiv und erfolgreich gestalten. Dafür müssen alle Beteiligten ihre Rechte und Pflichten kennen und Regeln einhalten. Wir bitten euch deshalb, die nachfolgenden Punkte genau durchzulesen und sie auch mit euren Bezugspersonen zu besprechen! Allgemeine Grundsätze Umgang miteinander: Alle Beteiligten bemühen sich um Toleranz, Rücksicht und Verständnis füreinander und setzen sich für die Gleichberechtigung von allen Individuen ein. Jedem wird mit Höflichkeit, Respekt und Fairness begegnet. Verhalten: Wir alle möchten den Schulalltag angstfrei erleben und verhalten uns so, dass andere keine Angst zu haben brauchen. Gewaltlosigkeit: Bei der Lösung von Problemen und Konflikten verzichten alle auf jede Form von Gewalt (verbal und körperlich). Unterrichtssprache: Zur gleichberechtigten Teilhabe aller Schüler an allen Unterrichtsgesprächen und zur Förderung der Sprachkenntnisse sprechen wir im Unterricht ausschließlich Deutsch. Schulmaterial und Möbel: Tische, Stühle, Tafel usw. sollen noch vielen Schülern Freude machen. Wir behandeln alle Dinge sorgsam und machen nichts kaputt. Wer etwas kaputt oder schmutzig macht, repariert oder bezahlt den Schaden. Pflichten und Konsequenzen Pflichtunterricht und Nacharbeitszeit: Der Stundenplan ist für alle Schüler verpflichtend. Stundenplanänderungen und zusätzliche Pflichtstunden (z. B. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 41 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Mathematik-Förderunterricht) sowie die Nacharbeitszeit am Dienstag von 14 bis 15:30 Uhr werden durch die Lehrkräfte mitgeteilt und sind verpflichtend. Schulveranstaltungen: Schulveranstaltungen haben einen wichtigen Stellenwert im Schulleben der SchlaU-Schule. Die Mithilfe sowie die Teilnahme der Schüler an schulischen Veranstaltungen (z. B. Klassenausflüge, Sommerfest, Lerncamp, ggf. Ferienunterricht) ist verpflichtend. Pünktlichkeit: Der Unterricht beginnt pünktlich. Jeder Schüler kommt immer pünktlich zum Unterricht und ist rechtzeitig auf seinem Platz, d.h. 5 Minuten vor Unterrichtsbeginn. Das gilt sowohl für den Schulbeginn (9.00 Uhr) als auch nach den Pausen. Schüler, die zu spät kommen, können zur Nacharbeitszeit verpflichtet oder zeitweise vom Unterricht ausgeschlossen werden. Hausaufgaben: Hausaufgaben helfen die Lerninhalte zu vertiefen und zu üben. Jeder Schüler macht seine Hausaufgaben regelmäßig, vollständig, ordentlich und selbständig. Betreuer und Nachhilfelehrer helfen nur bei Verständnisfragen. Bei wiederholten unerledigten Hausaufgaben kann der Schüler zur Nacharbeitszeit verpflichtet werden. Unterrichtsmaterial: Die Schüler/innen haben ihre Schulsachen immer vollständig dabei und kümmern sich um Ersatz bei Verlust. Entschuldigungen/Krankheit: Bei Krankheit entschuldigt sich jeder Schüler vor 9.00 Uhr persönlich oder per Betreuer/in telefonisch (089/411193119) oder per E-Mail ([email protected]) im Schulsekretariat. Die Entschuldigung (Name, Klasse, Grund) wird langsam und verständlich auf den Anrufbeantworter gesprochen. Erst dann gilt der Schüler als entschuldigt. Unverständliche Entschuldigungen und Entschuldigungen über Dritte können nicht berücksichtigt werden. Fehlt ein Schüler krankheitsbedingt mehr als 2 Tage, muss er ein ärztliches Attest mitbringen. Entschuldigungen/Termine: Termine (Arzt, Sozialamt, Vormund, Rechtsanwalt etc.) werden außerhalb der Schulzeiten gelegt. Unverlegbare Termine (z.B. Gerichtsverhandlung, Hilfeplangespräch) teilen die Schüler spätestens 2 Tage vorher dem Klassenlehrer mit. häufige Fehlzeiten: Bei häufigem unentschuldigten Fehlen werden Betreuer/innen und Vormünder informiert und Konsequenzen wie Attestpflicht bis hin zum Schulausschluss gezogen. Änderungen wie Umzug, Betreuerwechsel, neuer Aufenthaltsstatus, neue Telefonnummer usw.: Für die beste Unterstützung der Schüler und für die Verwaltung ist es notwendig, dass wir immer über die aktuellen Daten aller Schüler informiert sind. Die Schüler melden Änderungen sofort dem Klassenlehrer. Betreuer schicken Änderungen zusätzlich schriftlich ans Schulsekretariat. Handys/MP3-Player: Die Konzentration auf die Unterrichtsinhalte ist für den Lernerfolg unerlässlich. Handies, MP3-Player, Laptops und andere elektronische Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 42 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Geräte sind während des Unterrichts ausgeschaltet und in der Schultasche. Elektronische Geräte, die während des Unterrichts klingeln (oder brummen) oder von den Schülern benutzt werden, behalten die Lehrer bis zum nächsten Tag in der Schule ein. Hausordnung: 1. Im ganzen Haus ist das Rauchen verboten. 2. Die Schüler/innen sind im ganzen Haus, besonders im Treppenhaus, leise. 3. Der Aufzug ist für die Firmen die Stockwerke 5 und 6 reserviert. Schüler und Mitarbeiter der SchlaU-Schule benutzen die Treppe, nicht den Aufzug. Ausnahmen werden von der Schulleitung genehmigt. 4. Kaugummis sind in den Unterrichtsräumen verboten. _________________________________ _________ Die oben genannten Grundsätze, Plichten und Hausregeln habe ich verstanden und akzeptiert. Ich erkläre mich damit einverstanden, sie einzuhalten und mögliche Konsequenzen zu tragen. _______________________ _______________________ Name Unterschrift Schulstempel zur Kenntnis genommen: _____________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 43 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Eskalationsstufen bei Zu Beginn jeder Unterrichtseinheit kontrolliert der Lehrer die Hausaufgaben oder sammelt sie ein und kontrolliert die Anwesenheit. Alle Abweichungen von Schulregeln und Fehlzeiten werden von allen Lehrern sofort ins Klassenbuch eingetragen. Dazu zählen: Zuspätkommen (mit Zeitangabe) unentschuldigtes Fehlen entschuldigtes Fehlen (mit Grund, schriftliche Entschuldigungen werden im Klassenordner eingeheftet) Handy (klingelt, brummt, schnurrt, blinkt, ist in der Hand….) Störendes, untragbares oder verletzendes Verhalten Nicht erledigte Hausaufgaben Auf sonstige Regelabweichungen weisen alle Lehrer die entsprechenden Schüler direkt hin (wie Kaugummi, Aufzug, etc.) Alle durchgeführten Schritte der Eskalationsstufen werden im Semco dokumentiert, Gespräche schriftlich protokolliert und in der Schülerakte (Klassenordner) abgelegt. Eine Kurzinformation dazu wird per Mail an die anderen Lehrer und Sozialpädagogen der Klasse geschickt. Konsequenzen: 1. Nach 1x Vergessen der Hausaufgaben, 1x zu spät Kommen, Handyklingeln, sonstigem störenden Verhalten: → darauf hinweisen → Handy bis zum nächsten Tag abnehmen (bei dringendem Bedarf und freitags auch am darauffolgenden Schultag möglich) 2. Nach 3x Vergessen der Hausaufgabe, 3x Zuspätkommen, 1x unentschuldigtem Fehlen (innerhalb von ca. 3 Monaten), Reibereien, weiterhin störendem Verhalten: → Gespräch außerhalb des Unterrichts (immer) → schriftliche Anordnung der Nacharbeit bei unerledigten Hausaufgaben(zeitnah mit klarem Arbeitsauftrag und Überprüfung der Anwesenheit) →Ausschluss aus dem Unterricht für die aktuelle Doppelstunde bei Zuspätkommen → andere LehrerInnen und Sozialpädagogen der Klasse, Schulleitung und BetreuerInnen kurz informieren (immer) → kurze informelle Rückmeldung an SchülerIn nach 7-14 Tagen zur Entwicklung (immer) Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 44 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ 3. 4. Nach weiterem Vergessen der Hausaufgaben, Zuspätkommen, unentschuldigtem Fehlen, Konflikt oder untragbarem Verhalten gegenüber anderen SchülerInnen oder LehrerIn: → Gespräch mit SchülerIn, BetreuerIn, sonstigen beteiligten LehrerInnen der Klasse, SozialpädagogInnen der Klasse, SL → mehrmalige Rückmeldung an SchülerIn und andere Beteiligte zur Entwicklung (7-14-tägig) Weitere mögliche Konsequenzen: (wird situativ von LehrerIn oder Sozialpädagogen oder SL entschieden) Androhung einer tageweise vorübergehenden Suspendierung vorübergehende Suspendierung mit Information an SL Bei Empfehlung durch LehrerIn/SL/SozPäd zur Entlassung des/der Schülers/in und bei Gewalt gegenüber anderen: → Entlassungskonferenz mit beteiligten Lehrern/SL/SozPäds/Schülervertreter →Gespräch mit Schüler, Betreuer, Lehrer, SL, Sozialpädagogen über Ergebnis der Konferenz → ggf. Informieren des Teams, BetreuerIn, Boki über Entlassung Grundsätzlich gilt: So früh wie möglich reagieren, sich Rat holen und andere Lehrer/SozPäds informieren. Mit dem Schüler klären: Was sind die Ursachen und was braucht er/sie für eine positive Veränderung. Entsprechende Schritte bei Bedarf gemeinsam mit SozPäds auf den Weg bringen. In den Schülergesprächen immer auch über mögliche nächste Konsequenzen informieren. Bei Entscheidungen über Suspendierung oder Entlassung abwägen zwischen dem Wohl des Einzelnen und dem Wohl der Gruppe/Klasse/Schule als Ganzes. Im Zweifelsfall hat die Klasse/Gruppe/Schule Vorrang. Einbeziehen des Teams in Form einer Schülerbesprechung ist jederzeit möglich. Besprechung des Schülers im Kleinteam oder bei Intervision ist jederzeit möglich. Beratung durch SozPäds oder SL ist jederzeit möglich. Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 45 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 46 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 47 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 48 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 49 BERICHT der Hospitanten Inge Röckelein und Ute Redeker der Theeltalschule Mottener Str. 52 66822 Lebach zur Hospitationswoche an der SchlaU-Schule in München vom 11. Januar 2016 bis 15. Januar 2016 _____________________________________________________________________________ Inge Röckelein + Ute Redeker Februar 2016 50
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