Tropische Vögel und Schmetterlinge

VENEZUELA
Tropische Vögel und Schmetterlinge
7. – 22. November 2015
Reiseleitung: Chris und Andrea Engelhardt
Einheimische Reiseleitung: Norbert Flauger
Unterkunft:
Standquartier im Naturfreundehaus Casa
Maria in der Küstenkordillere;
kleine Hotels und Posadas auf den
mehrtägigen Exkursionen
Eine naturgucker-Reise zu farbenprächtigen
Vögeln und beeindruckenden
Schmetterlingen
Reiseverlauf:
7. November 2015
Beinahe wäre diese Reise geplatzt: Wegen eines kurzfristigen Streiks bei der
Lufthansa ist noch am Tag vor dem geplanten Abflug unklar, ob unser Flug von
Frankfurt nach Caracas überhaupt abheben wird. Aber wir haben Glück: Hunderte
Flüge werden gestrichen, aber unser Flug ist nicht dabei. Wir können starten. Weil
wegen des Streiks dutzende Passagiere ihre Zubringerflüge nach Frankfurt offenbar
nicht erreicht hatten, bleibt ein guter Teil der Plätze im Flieger leer. Für uns wird es
ein sehr angenehmer Flug. Ankunft und Abholung am Flughafen in Caracas klappen
reibungslos. Nach knapp vier Stunden Transfer erwartet uns in Casa Maria ein sehr
herzlicher Empfang, es gibt Livemusik und Abendessen, bevor wir – nicht zuletzt
wegen der fünfeinhalb Stunden Zeitverschiebung – in unseren schönen Zimmern und
Apartments müde ins Bett fallen. Morgen werden wir es langsam angehen lassen!
8. November 2015
Sehr schön und erholsam an dieser Reise ist, daß wir hier in Casa Maria unser
Standquartier haben. Wir brauchen nicht alle paar Tage mit dem gesamten Gepäck
umzuziehen. Also alles raus aus dem Koffer und rein in den Schrank. Und dann beim
Frühstück den neuen Tag und den Urlaub begrüßen! Es ist wirklich ein kleines
Paradies, in dem wir jetzt eine Zeitlang leben dürfen – komfortabel und doch im
Einklang mit der Natur. Das renommierte venezolanische Magazin Rio Verde (das ist
so etwas wie die dortige die GEO) hat erst in diesem Jahr in einem ausführlichen
Bericht Casa Maria als die einzige ökologische Posada beschrieben, die man
rundherum so bezeichnen kann, angefangen vom Umgang mit Wasser bis zu dem hier
laufenden Aufforstungsprojekt des Bergnebelwaldes.
Daß wir uns hier mitten in der Natur befinden, ist auf Schritt und Tritt zu spüren.
Schon während wir uns auf der Terrasse im Grünen Kaffee, Obst und Brot schmecken
lassen, entdecken wir die ersten Rotschwanzguane, Kolibris und Tangaren, und auch
eine ganze Zahl von Faltern läßt sich sehen. Es ist das Ende der Regenzeit und damit
eine Hauptflugzeit vieler Schmetterlingsarten. Am Vormittag unternehmen wir einen
gemütlichen Gang durch den zur Posada gehörenden neu aufgeforsteten Nebelwald,
genießen den weiten Blick vom Aussichtsturm und nehmen uns Zeit, einige der
zahlreich fliegenden Falter zu fotografieren – darunter bunte Ithomiden,
Schwalbenschwänze und Glasflügelfalter.
Am Nachmittag fahren wir einige Kilometer den Berg hinauf zur Bug Paradise Lodge.
Hier erneuert unser Hausvater und lokaler Führer Norbert die ausgehängten Köder,
mit denen Waldschmetterlinge angelockt werden. Und tatsächlich können wir an den
Ködern einige beeindruckende Falter sehen und fotografieren, darunter einen
Bananenfalter, zwei Arten der eigentümlichen Gattung Archaeoprepona und einige
Satyriden, das sind kleinere waldbewohnende Edelfalter. Vor der kleinen Terrasse
hängen Futterspender für Kolibris und zwei Tabletts mit Bananen – hier merken wir
gar nicht, wie die Zeit vergeht, während wir den flinken Kolibris zuschauen und uns
an den zur Futterstelle kommenden Tropfen-, Bischofs- und Silberschnabel-Tangaren
erfreuen.
Obwohl wir heute eigentlich gar nichts Besonderes gemacht haben, ist es am Ende
ein sehr gefüllter Tag mit vielen schönen Beobachtungen und etlichen guten
Fotomöglichkeiten geworden. Nur an der Nachtfalterleuchte ist wenig los – zu kühl
für viele nachtaktive Arten. Aber ein paar größere Eulenfalter und zwei Schwärmer
aus der Gattung Syssphinx lassen sich doch noch fotografieren.
09. November
Auch heute lassen wir es erstmal ruhig angehen. Vormittags fahren wir noch einmal
hinauf zur kleinen Lodge, um Vögel zu beobachten. Waldvögel im Bergnebelwald
können ein schwieriges Geschäft sein! Manchmal sieht man eine ganze Weile gar
nichts, hört nur ein paar dünne Stimmchen irgendwo aus dem Blättergewirr. Dann
wieder sieht man Vögel irgendwo weit weg oder hoch oben in den Baumkronen, die
gegen das Licht kaum zu identifizieren sind. Dann plötzlich zeigen sich zwei, drei
Arten in guter Entfernung, und man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll.
So taucht heute ein wunderschönes Jungferntrogon-Männchen auf, fast zeitgleich
fliegen zwei verschiedene Baumsteiger links und rechts zwei Stämme an. Ein kleiner
Tody-Fliegenschnäpper turnt durch niedrige Büsche, wir versuchen durch das Gewirr
von Zweigen ihn möglichst gut zu sehen und zu fotografieren; da es mehrere ähnliche
Arten gibt, werden ihn erst in der Mittagspause in Ruhe nach unseren Fotos
bestimmen. An den Schmetterlingsködern im Wald finden sich einige Bekannte von
gestern, neu ist ein sehr schön gezeichneter großer Satyride.
Das wie immer leckere Mittagessen in Casa Maria zieht sich heute sehr in die Länge,
den unser Hausvater Norbert – studierter und engagierter Biologe – hat viel
Spannendes zum Thema Arten- und Naturschutz zu erzählen, immer wieder
untermauert mit lebendige Beispielen aus dem wahren Leben. Dann verabreden wir
uns zu einer kurzen Nachmittagsruhe, bevor wir gegen Abend ein weiteres Mal in den
Bergnebelwald aufbrechen – in der Dunkelheit wollen wir dort oben Nachtfalter ans
Licht locken. Die Bedingungen sind ideal: ruhiges, windstilles Wetter, bedeckter
Himmel, es ist warm und etwas neblig. Bevor der Leucht-Turm sein Licht in die
Umgebung wirft, unternehmen wir noch
einen kurzen Gang durch den stockfinsteren Wald: im Schein einer UVLampe finden wir zwei Skorpione, die
durch Luminiszenz auffallend leuchten.
Bei Tag wie auch im Schein der Taschenlampen sind diese Tiere nahezu unsichtbar.
Dann beginnt das große Leuchten. Während der nächsten dreieinhalb Stunden werden
Tausende von Nachtfaltern aus dem umliegenden Wald ans Licht gelockt, und je
länger es währt, desto weniger freie Stellen sind auf dem die Lampe umgebenden
Leuchttuch noch zu finden. Es ist unglaublich, wie viele Falter hier umherschwirren,
die Lichtquelle anfliegen, dort krabbelt alles durcheinander, aber irgendwann
beruhigen sich die meisten und lassen sich beobachten und fotografieren. Dutzende
verschiedener Arten Spanner, Zünsler und Eulenfalter sind es, von denen wir
natürlich die wenigsten mit ihrem Namen ansprechen können. Etliche
beeindruckende Tiere sind dabei, zum Beispiel handgroße Eulenfalter. Der größte von
ihnen, Thysania agripina, ist der größte Eulenfalter der Welt: wenn er sich auf meine
Hand locken läßt, überragen seine Flügel meine ganze Hand samt ausgestreckten
Fingern! Er hat eine Spannweite von 28 Zentimetern!
Begeistert sind wir auch von den großen, kräftigen Schwärmern, von denen wir am
Ende des Abends sieben verschiedene Arten zählen, sowie der Pfauenspinner
Automeris liberia mit seinen intensiven Augenflecken auf den Unterflügeln.
Mit hunderten von Fotos auf unseren Speicherkarten treten wir kurz vor Mitternacht
müde, aber hochzufrieden die Rückfahrt an. So ein Schauspiel kann man nur hier in
den Tropen erleben!
10. November
Wir müssen umplanen. Die eigentlich für heute vorgesehene dreitägige Tour in das
Tiefland der Llanos war uns gestern seitens der Geschäftsführung der dortigen
Unterkunft Hato Pinero kurzfristig abgesagt worden – aus angeblich betriebsinternen
Gründen. So etwas kann in Venezuela leider vorkommen, die tatsächlichen Gründe
sind für uns nicht immer durchschaubar. Aber wer eine Reise wie diese unternimmt,
muß ohnehin ein Stück Flexibilität mitbringen, weil eben hier manches anders abläuft
als wir es von zu Hause gewohnt sind.
Die Umplanung wird kein Nachteil sein. Im Gegenteil! Eigentlich kommt es uns
sogar entgegen, daß wir nach der langen Schmetterlingsnacht gestern nicht sofort
wieder früh los müssen. Wir werden den Ausflug in die Anden vorziehen und nächste
Woche in die Llanos fahren, dann wohl in einen anderen Hato. Heute haben wir
Gelegenheit, uns nochmal auf dem Gelände der Posada umzusehen und auch einen
Blick in die naturkundliche Bibliothek zu werfen.
Noch einmal steigen wir durch das Aufforstungsgebiet hinauf zum Aussichtsturm.
Unterwegs entdecken wir ein Braunkehl-Fautlier (Bradypus variegatus), das wir gut
fotografieren können. Die weite Aussicht vom Turm ist sehr schön, allerdings auch
sehr ruhig. Nur in der Ferne ruft ausdauernd ein Bentevi (Pitangus sulphuratus). Auf
dem Rückweg zeigt sich kurz eine Schwarzschwanz-Tityra (Tityra cayana). Dann
entdecken wir einen größeren Schmetterling, der zur Familie der Schwalbenschwänze
gehört. Es ist ein Weibchen, und als es sich kurz auf einen Busch setzt, reicht die Zeit
gerade für ein Belegfoto. Als wir das Foto in der Posada zeigen, ist die Aufregung
groß: es ist ein seltener Falter, der hier noch nie gesehen wurde. Dank Internet
bekommt er kurz darauf von einem Spezialisten aus London einen Namen:
Heraclides astyalus hippomedon. Wir haben unabsichtlich eine Rarität dokumentiert!
Nachmittags unternehmen wir oben an der kleinen Lodge noch einen Rundgang
durch den Bergnebelwald. Der Pfad ist stellenweise steil, aber auch sehr schön. Der
Wald ist grün und meist sehr dicht, aus dem Boden und an Stubben wachsen jetzt am
Ende der Regenzeit zahlreiche teils malerisch anzusehende Pilze: Gruppen von
Tintlingen, Holzkeulen, bunte Porlinge und Lamellenpilze, die wir natürlich hier nur
einordnen, aber nicht bestimmen können. Ansonsten gibt es in in diesem Lebensraum
wie immer mehr Vögel zu hören als zu sehen. Am ausdauerndsten ruft eine
Kurzschwanz-Ameisendrossel, eine oberversteckt lebende Heimlichtuerin, die man
auch mit viel Geduld kaum jemals zu Gesicht bekommt. Am Futterhaus stellt sich
wieder das Weibchen der Blauflügeltangare ein, während ein Trupp Krähenstirnvögel
rufend überhin fliegt.
Abends schauen wir in Casa Maria noch einmal an der Leuchtanlage. Es sind etwas
mehr Falter am Licht als am ersten Tag, darunter drei verschiedene große Schwärmer
und ein ausgesprochen schöner Pfauenspinner. Mit ein paar neuen Nachtfalterfotos
klingt ein ruhiger Tag aus, den wir auch gut gebrauchen konnten, denn morgen
wollen wir in den Nationalpark Yacambu aufbrechen!
11.November
Bei Tagesanbruch finden wir an der Leuchtanlage noch einen weiteren hübschen
Pfauenspinner – und es kommen erste Vögel, die hier leichte Beute finden. Vor allem
ein Grauwangen-Baumsteiger läßt sich von den anwesenden Fotografen kaum stören.
Dann geht es zum Frühstück – und auf zu unserer ersten großen Exkursion!
Der Nationalpark Yacambu ist ein Bergnebelwaldgebiet im nördlichen Teil der Anden.
Nach mehrstündiger Fahrt erreichen wir unsere Unterkunft für die kommenden zwei
Nächte. Die Posada Las Golondrinas liegt wunderschön an einem Hang mit weitem
Blick auf die umliegenden Berge. Überall auf dem stilvollen Anwesen grünt und
blüht es, nur sind leider Substanz und Anlagen nicht besonders gut instand gehalten.
Was unseren Unternehmungen allerdings keinen Abbruch tut. Schon der erste Gang
auf den steilen Wegen am Hang bringt uns sehr schöne Beobachtungen der seltenen,
hier endemischen Blutohrsittiche, ein Stück weiter finden wir die eigentümlichen
Nester einiger Krähenstirnvögel. Noch mehrere weitere Tangaren, Waldsänger und
andere Vögel lassen sich entdecken, bevor wir die Leuchtanlage aufbauen, um die
nächtlichen Bewohner dieser Bergnebelwaldregion hervorzulocken.
Schon direkt nach dem Abendessen haben sich dort bereits hunderte
Bergschmetterlinge eingefunden und wimmeln ums Licht. Wieder ist Thysania
agripina, ist der größte Eulenfalter der Welt dabei. Im Laufe des Abends kommen
neben einigen großen Eulenfaltern, Widderbären, Bohrern und Spannern etwa sieben
verschiedene Arten aus der besonders beeindruckenden Gruppe der Schwärmer
zusammen, auch der Feigenschwärmer ist dabei, ein richtig dicker Brummer mit
braungrüner Grundfarbe und zwei weißen Punkten. Fantastisch sind auch wieder
mehrere Pfauenspinner der Gattung Automeris. Sie sind auf der Oberseite tarnfarben
braun, spreizen aber bei Bedrohung ihre Oberflügel ab, sodaß plötzlich auf den
Unterflügeln kontrastreiche große „Augen“ zu sehen sind. Damit werden Freßfeinde
erschreckt, und der Falter kann die Schrecksekunde zum Wegfliegen nutzen. Die
Bestimmung der einzelnen Pfauenspinner-Arten wird uns trotz guter Fotos nicht
immer gelingen, es gibt aus dieser Gruppe einfach zu viele sehr ähnliche Falter.
Macht nichts – an ihren Farben und Zeichnungen und dem besonderen Erlebnis, sie
überhaupt zu sehen, werden wir uns noch lange erfreuen.
Die Lampe lassen wir während der ganzen Nacht brennen, da viele Falter spezielle
Flugzeiten haben und manche Arten erste nach Mitternacht oder in den frühen
Morgenstunden ankommen. Jeder, der will, kann so auch während der Nacht einmal
aufstehen und nachsehen. Und das lohnt sich durchaus. Denn einer der schönsten
Falter dieser Leuchtnacht wird zum Beispiel bei einem Kontrollgang gegen 3:45 Uhr
entdeckt, ein großer, dicker Falter mit gelber Grundfarbe und intensivem buntem
Muster, der unser Entomologe Norbert mit wissenschaftlichem Namen als Citheronia
aroa ansprechen kann. Aber auch wenn die allermeisten Falter von uns nie einen
Namen bekommen werden, so bleibt der Eindruck dieser sonst verborgenen
nächtlichen Lebenswelt doch überwältigend. Und auf unseren Speicherkarten können
wir viele Fotos schöner Falter mit nach Hause nehmen.
12. November
„Der Wald steht still und schweiget...“ So könnte man den größten Teil unserer
heutigen Exkursion beschreiben. Der Bergnebelwald in Venezuela ist ohnehin ein
recht stiller Lebensraum – aber so still wie heute, das ist doch sehr ungewöhnlich. Ab
und zu mal ein paar Vogelstimmen, deren Verursacher man im Blätterdickicht kaum
ausmachen kann – so wenige Vögel wie heute haben wir selten gesehen. Dafür ist der
Wald sehr beeindruckend. Die Blätter der meisten Pflanzen hier sind länglich, spitz
und hängen etwas. Das hat einen guten Grund: ihre Nerven leiten das Wasser des
Nebels, der an den besonderen Strukturen der Blätter kondensiert, abwärts zum
Zentralnerv und dann in eine verlängerte Spitze, von der das Wasser direkt zu den
Wurzeln der Pflanze abtropft. So haben selbst kleinste Details in der Natur hat seinen
Platz und seinen Sinn, daß man nur staunen kann!
An einem kleinen See mitten im Wald gibt es dann doch noch ein paar Vögel. Aus der
Ufervegetation hören wir die markanten Rufe der sehr seltenen, endemischen
Venezuela-Ralle, auf dem Wasser schwimmen einige der ebenfalls nicht häufigen
Schwarzkopftaucher. Und – als Zugvögel aus dem Norden – ein paar Blauflügelenten.
Und immer wieder fliegen die Edelsteine des Waldes vorbei, die großen, intensiv blau
schillernden Blauen Morphofalter (Morpho hellenor).
Auf der Rückfahrt kontrollieren wir
einen Köder aus alter Banane, den wir
am Morgen auf einem Stamm angebracht hatten. Tatsächlich saugt hier ein
Blattfalter aus der Gattung Memphis
am Bananensaft. Blattfalter heißen
diese Tiere, weil sie in Form und Farbe
mit zusammengelegten Flügeln einem
welken Blatt gleichen. Perfekte
Tarnung! Nur als der Falter abfliegt
blitzen die blauen Oberflügel im LichtSchatten-Gewirr des Waldes auf.
Zurück auf dem Gelände der Posada kommen bis zum Anbruch der Dämmerung doch
noch einige Vögel auf unsere Tagesliste: Schnäpperwaldsänger (Setophaga ruticilla),
Mexikanerzeisig, Grünbürzel-Sperlingspapagei, Sperber-Waldfalke und Linienspecht
sollen hier zumindest erwähnt werden. Am Leucht-Turm ist deutlich weniger los als
am letzten Abend, darum machen wir heute auch früher Schluss. Nachtfalter sind in
ihrem Flugverhalten sehr wetter-abhängig: dieser Abend ist vielen Arten wohl zu klar
zum Fliegen, sie fliegen lieber bei bedecktem Himmel, Wärme, Nebel und Regen.
Interessant ist aber ein „Dämmerungsschwärmer“. Diese selten zu sehende Art, die
wir nicht genau bestimmen können, fliegt immer nur direkt nach Sonnenuntergang
für vielleicht 20 – 30 Minuten ans Licht und ist den Rest der Nacht für uns unsichtbar.
13. November
Es sind mehrere Stunden Fahrt bis zur Küste, wo uns sehr warmes und sonniges
Wetter erwartet. Unser Ziel ist das Vogelschutzgebiet Cuare, eine Lagunen- und
Sumpflandschaft direkt an der Karibikküste. Uns faszinieren vor allem die Tausende
von Kuba-Flamingos, die hier in riesigen Trupps Nahrung suchen und schon aus der
Ferne als intensiv rotes Band im seichten Wasser erkennbar sind. An einigen Stellen
kommen wir ihnen recht nahe, sodaß schnell wieder viel Speicherplatz auf unseren
Kameras gefüllt wird. Daneben entdecken wir mehrere Arten Reiher, Scharlachsichler,
Schwarznacken-Stelzenläufer und andere, an einer Stelle läßt sich eines der sehr
seltenen Spitzkrokodile (Crocodylus acutus) vor unseren Augen ins Wasser gleiten.
Wir können es eine ganze Weile schwimmend beobachten.
Am Hafen von Chichiriviche lauern Dutzende der imposanten Prachtfregattvögel auf
Beute, und in der Ferne sehen wir mehrere Großschnabel-Seeschwalben vorüber-
fliegen. Unser Abendessen genießen wir mit dem Blick auf den Hafen. Dann checken
wir für die Nacht in einer schönen Posada direkt am Meer ein und lassen bei einem
kühlen Getränk den Abend zum Rauschen der Karibikwellen ausklingen.
14. November
Morrocoy ist ein Traum! Der Nationalpark aus Mangroven und zahllosen Inseln
direkt an der Karibikküste ist Heimat Tausender Prachtfregattvögel, daneben
Braunpelikanen und Reihern. Nachdem wir am Morgen noch an ein paar Stellen im
Cuare-Schutzgebiet angehalten haben, um noch einmal Flamingos zu sehen, aber
auch Dreifarbenreiher, Kleine Gelbschenkel und ein paar andere, fahren wir direkt
nach Morrocoy. Von einem kleinen Motorboot lassen wir uns in die Inselwelt
schippern. Am Himmel fliegen hunderte Prachtfregattvögel, die hier auf den kleinen
Inseln leben und keinerlei Scheu vor uns Menschen zeigen. Wir können unmittelbar
an sie heranfahren, sie beobachten und bestens fotografieren. Obwohl noch keine
Balzzeit ist, zeigen einige Männchen bereits ihre phänomenalen roten Kehlsäcke, mit
denen sie ihre Fitness demonstrieren und die Weibchen beeindrucken wollen. So nahe
an diese großen, beeindruckenden Meeresvögel heranzukommen und mitten durch
ihre Welt hindurchzufahren, ist ein unvergeßliches Erlebnis!
Nach dem Mittagessen in einer kleinen Posada in Morrocoy fahren wir noch einen
Hügel hinauf, von wo sich uns ein weiter Ausblick über die Inselwelt des
Nationalparks bietet. Hier oben fliegen auch einige interessante Falter, unter ihnen als
echte Rarität der Afrikanische Samtfalter (Hypolimnas misippus), der – wie der
Name schon sagt – eigentlich in einem ganz anderen Teil der Welt beheimatet ist und
aus Venezuela bisher nur von wenigen Stellen nachgewiesen ist.
Auf der Rückfahrt nach Casa Maria machen wir noch einen kurzen Stopp am
Canoabo-Stausee. Ein frisch gehäuteter, adulter Grüner Leguan schillert leuchtend
grün in der Nachmittagssonne. Und auch noch einige Braunwangensittiche (Aratinga
pertinax) lassen sich fotografieren, bevor wir zu einem späten Kaffeetrinken
zurückkommen in unser Standquartier Casa Maria.
15. November
Da wir nicht wie geplant ins Hato Pinero können, fahren wir statt dessen ins Hato El
Cedral – was bezüglich Tier- und Vogelwelt mindestens genauso gut ist, allerdings
auch sehr weit entfernt. So machen wir aus der Not eine Tugend und aus dem Besuch
des Hato gleich eine große Llanos-Rundfahrt. Wir werden dabei mehr von Venezuela
sehen als ursprünglich geplant – allerdings müssen wir dazu auch einen halben Tag
früher losfahren. So verbringen wir noch eiuen eher geruhsamen Vormittag in Casa
Maria, bestimmen noch einige Falter der letzten Tage nach den Fotos, die wir
gemacht haben, und schauen kurz in der Bug Paradise Lodge vorbei. Gegen 15 Uhr
starten wir dann Richtung Llanos und erreichen unser Übernachtungshotel in
Guarane am frühen Abend – Zeit für ein schönes Abendessen am Pool...
16. November
Bis zu unserem heutigen Ziel sind es nochmals mehrere Fahrtstunden – allerdings ist
auch der Weg bereits das Ziel. Vor allem südlich des Rio Apurimac fahren wir durch
endlose Überschwemmungslandschaften, in denen wir Tausende von Wasservögeln
sehen. Mehrmals halten wir für einen kurzen Foto- und Beobachtungsstop an,
genießen die Weite der Landschaft und die zahllosen Vögel. Besonders
beeindruckend ist an einer Stelle ein Trupp von mindestens 100 Rosalöfflern, an
anderer Stelle sehen wir Dutzende von Rotschnabelgänsen mit etwa 20 Witwenpfeifgänsen stehen. In der Ferne können wir eine grosse Zahl Waldstörche ausmachen,
dazwischen etliche Maguari-Störche.
So wird die Zeit nicht lang, und schon sind wir in Hato El Cedral. Wir bekommen
noch ein Mittagessen und beziehen unsere Unterkünfte, bevor wir zur NachmittagsPirschfahrt aufbrechen. Wieder geht der Weg durch endlose Wasserlandschaften, in
denen Tausende von Reihern leben, es fliegen Amerikanische Scherenschnäbel, und
über eine Weide läuft etwas entfernt ein Großer Ameisenbär. Es gibt so viel zu sehen
– gut, daß wir hier morgen noch einen vollen Tag Zeit haben!
17. November
Für den Vormittag steht eine Bootsfahrt auf dem Programm. Und die wird wieder ein
Höhepunkt dieser Reise! Wir durchfahren eine schier endlose Wasserlandschaft, vom
breiten See über den Fluß bis ins dichte Gewirr der Vegetationsinseln. Um uns herum
Tausende von Reihern, Pfeifgänsen, Olivenscharben und anderen Wasservögeln.
Einmal kommt ein Aplomado-Falke angeflogen, umkreist in kräftigem Flug mehrfach
unser Boot und streicht dann wieder ab. In einem Baum direkt am Wasser brütet auf
Augenhöhe ein Hoatzin – er hat ein Junges im Nest und bleibt daher auch bei
Annäherung auf einen Meter beharrlich bei seinem Nachwuchs. Am Ufer sitzen
Fischbussarde und Gelbkopf-Karakaras in den Bäumen. Unser Bootsführer angelt
zwei Piranjas, die er dann erschlägt und mit einem Stück Wasserpflanze
schwimmfähig macht. Dann gibt er einem Karakara mit einem Ruf ein Signal, das der
offenbar kennt, wirft den Fisch ins Wasser – und sofort streicht der Vogel heran, um
sich in Fischadler-Manier den Brocken zu schnappen. An anderer Stelle ruht ein
großer Kaiman im Fluß zwischen den Schwimmpflanzen. Unser Bootsführer spießt
ein Stück Fisch auf einen langen Stab und schlägt damit mehrfach aufs Wasser. Der
Kaiman reagiert sofort und kommt angeschwommen. Dann hält unser Bootsmann den
Fisch einen Meter über die Wasseroberfläche – und mit einem kräftigen Schwung
schießt der Kaiman senkrecht aus dem Wasser, um sich die Beute zu holen. Was für
ein Schauspiel! Auf dem Rückweg passieren wir noch einmal ein Hoatzin-Nest,
gleiten vorbei an Tausenden Olivenscharben und genießen das „Bad“ in den
Vogelmassen, bevor unser Boot anlegt und wir in die Mittagspause gehen.
Auch rund um die Unterkünfte und anderen Gebäude ist viel los. Für die Fotografen
gibt es hier überall lohnende Motive. Gabeltyrann und Glattschnabelani, Großer
Gelbschenkel und Tropenspottdrossel, Streifen- und Brauenzaunkönig,
Rotkappenspecht und Orange-Trupial füllen die Speicherkarten, um nur einige Arten
zu nennen. In einer Palme ruht etwas versteckt ein Virginia-Uhu. Es ist kaum Zeit für
eine kurze Erfrischung im Pool, dann brechen wir auf zu unserer Nachmittagsfahrt.
Die führt uns viele Kilometer einen Damm entlang, links und rechts des Weges
Überschwemmungsflächen, Tümpel, größere und kleinere Gewässer, und überall
wieder Vögel, Vögel, Vögel. Bemerkenswert die vielen Orinoco-Gänse, die sich bei
Annäherung recht scheu verhalten. An einer Stelle ruft ein Trupp von etwa 120
Amerikanischen Scherenschnäbeln, die dann auffliegen, eine Runde drehen und sich
erneut niederlassen. An einer kleinen Wasserstelle haben sich in bestem Foto-Licht
ein paar Hoatzins eingefunden, die trinken, mit den Flügeln schlagen und dann in
schwerfälligem Flug im benachbarten Baum landen. Mehrere Blatthühnchen
balancieren auf einem Wasserschwein, ein Cocoi-Reiher breitet seine Flügel zum
Trocknen aus. Wie im Flug vergeht die Zeit, da wird es schon dunkel.
Zum Abendessen gibt es leckeren Pacu, einen typischen Fisch aus der Region. Dann
brechen wir noch zu einer Nachtfahrt auf. Überall leuchten uns im Scheinwerferlicht
die Augen der zahllosen Kaimane entgegen. Hoch oben auf einem Baum sitzt ein
Viginia-Uhu, wenig später finden wir noch einen zweiten (oder ist es derselbe?).
Mehrere Nachtschwalben fliegen über den Weg, nur wenige setzen sich.
Nachtschwalben-Bestimmung ist eine schwierige Sache, die meisten dürften jedoch
die weit verbreiteten Pauraque-Nachtschwalben sein. Ein kleiner Fuchs – Zorro
genannt – kreuzt unseren Weg. Im Dickicht am Ufer sehen wir kurz einen
Kahnschnabel, einen eigentümlichen Reiher mit kahnartigem Schnabel; leider
verschwindet er schnell wieder in der Dunkelheit.
Zurück in unserem Quartier sitzt im Baum direkt vor uns eine Schleiereule, und ein
Opossum läuft von uns entdeckt rasch einen Baumstamm hinauf. Ein sehr gefüllter
Tag geht zu Ende.
18. November
Vor dem Frühstück gehen wir noch einmal über das Gelände, beobachten Vögel und
entdecken einige Brüllaffen, die sich in guter Foto-Entfernung zeigen. Ansonsten
steht der ganze Tag im Zeichen des langen Transfers zurück in unser Standquartier
Casa Maria. Stundenlang lassen wir die Landschaft der Llanos noch an uns
vorüberziehen. Um die Mittagszeit machen wir eine etwas längere Pause, die wir zu
einer ganz besonderen Exkursion nutzen. In der Nähe der Stadt Camaguán wollen wir
versuchen, ein sehr seltenes Säugetier zu beobachten. Und wir haben Glück - schon
nach relativ kurzer Zeit taucht das erste dieser Tiere auf, dann ein zweites, am Ende
werden wir wohl drei Individuen dieser selten zu beobachtenden Spezies gesehen
haben. Sogar ein paar ganz leidliche Fotos sind geglückt. Um welche Art es sich
handelt, das soll an dieser Stelle einmal nicht verraten werden...
Abends erwartet uns in Casa Maria der nun schon gewohnt herzliche Empfang und
ein leckeres Abendessen. Dies schmeckt uns umso mehr, als wir nach einiger ReiseErfahrung im Land mitbekommen haben, wie schwierig es im sozialistischen
Venezuela ist, selbst einfache Lebensmittel zu organisieren. Immer wieder haben wir
Menschen in langen Schlangen um Brot anstehen sehen, in den Restaurants gibt es
oft so gut wie keine Auswahl, selbst Hotels haben oft keine Milch, keinen Kaffee
oder Tee. Heute sind wir durch einen Supermarkt gegangen – die Regale müssen per
Gesetz voll sein, also stehen dort regalmeterweise immer dieselben nicht
nachgefragten Waren, während grundlegende Lebensmittel wie Milch oder Reis
überhaupt nicht vorhanden sind. Dem gegenüber fühlen wir uns hier in Casa Maria
fast wie in einem Stückchen Paradies... wohl wissend, daß unsere Gastgeber das
jeden Tag hart erarbeiten und organisieren müssen.
19. November
Nach dem langen Fahrttag gestern bleiben wir heute überwiegend „zu Hause“.
Vormittags gehen wir noch einmal durch das Nebelwald-Aufforstungsgebiet, und wie
immer ist der Wald schwieriges Terrain. Gerade mal 14 Vogelarten kriegen wir
zusammen. Aber es tut gut, hier die Seele baumeln zu lassen. Ein kurzer
Nachmittags-Ausflug zum Canoabo-Stausee bringt noch einmal 24 Arten auf die
Tagesliste, darunter einige schöne Beobachtungen von Samenfressern und Schwalben.
Der Wasserstand des Sees ist jetzt, am Ende der Regenzeit, erschreckend niedrig – für
die Menschen, die von diesem See leben, wird das in der kommenden Trockenzeit ein
großes Problem!
Abends baut Norbert noch einmal den Leucht-Turm auf, diesmal auf einer Garage im
Nebelwaldgebiet, 100 Meter von unserem Quartier entfernt. Und obwohl die Nacht
kühl und zum Falter-Locken nicht optimal ist, kommen noch interessante Falter,
darunter Schwärmer der Gattungen Xylophanes und Syssphinx, sowie auch ein
großer Bockkäfer ans Licht.
20. November
Der letzte Tag dieser Naturgucker-Reise ist gekommen. Oben an der Bug Paradise
Lodge kontrollieren wir noch einmal die ausgebrachten Schmetterlingsköder. Einige
alte Bekannte haben sich eingefunden, aber auch ein paar schöne neue Arten sind
dabei. Eine ganze Weile sitzen wir einfach still da und beobachten die Umgebung
eines mit vergorener Banane eingeschmierten Baumstammes. Der Duft lockt einige
Besucher an: ein großer, schön gezeichneter Nymphalide läßt sich blicken, ein
schwarz-rot gezeichneter Falter namens Catonephile numilia bleibt eine Weile und
läßt sich fotografieren, leider sehr unstet flattert immer wieder ein rötlich gefärbter
Blattfalter vorbei. Zu den schönsten kleineren Arten zählen die Nummernfalter aus
den Gattungen Callicore und Diaethria. Von letzterer läßt sich heute die Art marchalii
gut fotografieren: die Oberseite schwarz mit metallisch blauer Zeichnung, die
Unterseite mit einer kunstvollen schwarzen Schnörkelzeichnung, aus der man eine 88
herauslesen könnte. Viele der grossen Arten, zum Beispiel die Preponas und
Archaeopreponas, sind unterseits braun gezeichnet, mit helleren und dunkleren
Bereichen und oft einigen Stricheln. Sie klappen beim Sitzen immer sofort die Flügel
zu und sind dann bestens getarnt. Im Flug aber zeigen sie ihre auffällig blau
schillernden Oberseiten, mit denen sie weithin sichtbare Signale senden. Aufgrund
ihres schnell und erratisch flatternden Fluges sind sie dennoch für Vögel nicht leicht
zu erbeuten – und wenn, dann kriegt der Angreifer oft nur einen Teil des Flügels zu
fassen, darum sehen etliche der Falter auch ziemlich gerupft aus. Dieselbe
Farbkombination wie hier haben wir früher schon bei Bananenfaltern und dem
Blauen Morpho gesehen, sie ist bei tropischen Waldfaltern häufig zu finden.
Die fünf Kilometer Rückweg nach Casa Maria machen wir heute zu Fuß. Was uns
Chancen gibt, entlang des Weges in offenerem Gelände noch einige Vögel zu sehen.
Überhin kreist ein auffallend hell gezeichneter, groß gezeichneter Bussard: es handelt
sich um den seltenen Black-and-White Hawk-Eagle. Und auch zwei BauchschnabelTyrannen mit ihren großen Schnäbeln kommen neu auf unsere Tour-Liste.
20. November
Früh morgens schauen wir noch einmal an der Leuchte vorbei. Es sind nicht viele
Falter da, aber einige Vögel, die sich dort einen Happen zum Frühstück holen. Nur
kurz taucht ein Pärchen Guira-Tangaren auf, als neue Art notieren wir eine GraukopfTangare, die normalerweise im dichten Wald kaum je zu sehen ist und uns insofern
hier einen seltenen Anblick bietet.
Das Frühstück ist lecker wie immer, herzlich der Abschied von Casa Maria – dann
folgt der Transfer nach Caracas und der Heimflug nach Deutschland.
Alle Beobachtungen wie immer unter
www.naturgucker.de/birdingtours  filtern nach „Venezuela“.
Chris & Andrea Engelhardt