VENEZUELA Tropische Vögel und Schmetterlinge 7. – 22. November 2015 Reiseleitung: Chris und Andrea Engelhardt Einheimische Reiseleitung: Norbert Flauger Unterkunft: Standquartier im Naturfreundehaus Casa Maria in der Küstenkordillere; kleine Hotels und Posadas auf den mehrtägigen Exkursionen Eine naturgucker-Reise zu farbenprächtigen Vögeln und beeindruckenden Schmetterlingen Reiseverlauf: 7. November 2015 Beinahe wäre diese Reise geplatzt: Wegen eines kurzfristigen Streiks bei der Lufthansa ist noch am Tag vor dem geplanten Abflug unklar, ob unser Flug von Frankfurt nach Caracas überhaupt abheben wird. Aber wir haben Glück: Hunderte Flüge werden gestrichen, aber unser Flug ist nicht dabei. Wir können starten. Weil wegen des Streiks dutzende Passagiere ihre Zubringerflüge nach Frankfurt offenbar nicht erreicht hatten, bleibt ein guter Teil der Plätze im Flieger leer. Für uns wird es ein sehr angenehmer Flug. Ankunft und Abholung am Flughafen in Caracas klappen reibungslos. Nach knapp vier Stunden Transfer erwartet uns in Casa Maria ein sehr herzlicher Empfang, es gibt Livemusik und Abendessen, bevor wir – nicht zuletzt wegen der fünfeinhalb Stunden Zeitverschiebung – in unseren schönen Zimmern und Apartments müde ins Bett fallen. Morgen werden wir es langsam angehen lassen! 8. November 2015 Sehr schön und erholsam an dieser Reise ist, daß wir hier in Casa Maria unser Standquartier haben. Wir brauchen nicht alle paar Tage mit dem gesamten Gepäck umzuziehen. Also alles raus aus dem Koffer und rein in den Schrank. Und dann beim Frühstück den neuen Tag und den Urlaub begrüßen! Es ist wirklich ein kleines Paradies, in dem wir jetzt eine Zeitlang leben dürfen – komfortabel und doch im Einklang mit der Natur. Das renommierte venezolanische Magazin Rio Verde (das ist so etwas wie die dortige die GEO) hat erst in diesem Jahr in einem ausführlichen Bericht Casa Maria als die einzige ökologische Posada beschrieben, die man rundherum so bezeichnen kann, angefangen vom Umgang mit Wasser bis zu dem hier laufenden Aufforstungsprojekt des Bergnebelwaldes. Daß wir uns hier mitten in der Natur befinden, ist auf Schritt und Tritt zu spüren. Schon während wir uns auf der Terrasse im Grünen Kaffee, Obst und Brot schmecken lassen, entdecken wir die ersten Rotschwanzguane, Kolibris und Tangaren, und auch eine ganze Zahl von Faltern läßt sich sehen. Es ist das Ende der Regenzeit und damit eine Hauptflugzeit vieler Schmetterlingsarten. Am Vormittag unternehmen wir einen gemütlichen Gang durch den zur Posada gehörenden neu aufgeforsteten Nebelwald, genießen den weiten Blick vom Aussichtsturm und nehmen uns Zeit, einige der zahlreich fliegenden Falter zu fotografieren – darunter bunte Ithomiden, Schwalbenschwänze und Glasflügelfalter. Am Nachmittag fahren wir einige Kilometer den Berg hinauf zur Bug Paradise Lodge. Hier erneuert unser Hausvater und lokaler Führer Norbert die ausgehängten Köder, mit denen Waldschmetterlinge angelockt werden. Und tatsächlich können wir an den Ködern einige beeindruckende Falter sehen und fotografieren, darunter einen Bananenfalter, zwei Arten der eigentümlichen Gattung Archaeoprepona und einige Satyriden, das sind kleinere waldbewohnende Edelfalter. Vor der kleinen Terrasse hängen Futterspender für Kolibris und zwei Tabletts mit Bananen – hier merken wir gar nicht, wie die Zeit vergeht, während wir den flinken Kolibris zuschauen und uns an den zur Futterstelle kommenden Tropfen-, Bischofs- und Silberschnabel-Tangaren erfreuen. Obwohl wir heute eigentlich gar nichts Besonderes gemacht haben, ist es am Ende ein sehr gefüllter Tag mit vielen schönen Beobachtungen und etlichen guten Fotomöglichkeiten geworden. Nur an der Nachtfalterleuchte ist wenig los – zu kühl für viele nachtaktive Arten. Aber ein paar größere Eulenfalter und zwei Schwärmer aus der Gattung Syssphinx lassen sich doch noch fotografieren. 09. November Auch heute lassen wir es erstmal ruhig angehen. Vormittags fahren wir noch einmal hinauf zur kleinen Lodge, um Vögel zu beobachten. Waldvögel im Bergnebelwald können ein schwieriges Geschäft sein! Manchmal sieht man eine ganze Weile gar nichts, hört nur ein paar dünne Stimmchen irgendwo aus dem Blättergewirr. Dann wieder sieht man Vögel irgendwo weit weg oder hoch oben in den Baumkronen, die gegen das Licht kaum zu identifizieren sind. Dann plötzlich zeigen sich zwei, drei Arten in guter Entfernung, und man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. So taucht heute ein wunderschönes Jungferntrogon-Männchen auf, fast zeitgleich fliegen zwei verschiedene Baumsteiger links und rechts zwei Stämme an. Ein kleiner Tody-Fliegenschnäpper turnt durch niedrige Büsche, wir versuchen durch das Gewirr von Zweigen ihn möglichst gut zu sehen und zu fotografieren; da es mehrere ähnliche Arten gibt, werden ihn erst in der Mittagspause in Ruhe nach unseren Fotos bestimmen. An den Schmetterlingsködern im Wald finden sich einige Bekannte von gestern, neu ist ein sehr schön gezeichneter großer Satyride. Das wie immer leckere Mittagessen in Casa Maria zieht sich heute sehr in die Länge, den unser Hausvater Norbert – studierter und engagierter Biologe – hat viel Spannendes zum Thema Arten- und Naturschutz zu erzählen, immer wieder untermauert mit lebendige Beispielen aus dem wahren Leben. Dann verabreden wir uns zu einer kurzen Nachmittagsruhe, bevor wir gegen Abend ein weiteres Mal in den Bergnebelwald aufbrechen – in der Dunkelheit wollen wir dort oben Nachtfalter ans Licht locken. Die Bedingungen sind ideal: ruhiges, windstilles Wetter, bedeckter Himmel, es ist warm und etwas neblig. Bevor der Leucht-Turm sein Licht in die Umgebung wirft, unternehmen wir noch einen kurzen Gang durch den stockfinsteren Wald: im Schein einer UVLampe finden wir zwei Skorpione, die durch Luminiszenz auffallend leuchten. Bei Tag wie auch im Schein der Taschenlampen sind diese Tiere nahezu unsichtbar. Dann beginnt das große Leuchten. Während der nächsten dreieinhalb Stunden werden Tausende von Nachtfaltern aus dem umliegenden Wald ans Licht gelockt, und je länger es währt, desto weniger freie Stellen sind auf dem die Lampe umgebenden Leuchttuch noch zu finden. Es ist unglaublich, wie viele Falter hier umherschwirren, die Lichtquelle anfliegen, dort krabbelt alles durcheinander, aber irgendwann beruhigen sich die meisten und lassen sich beobachten und fotografieren. Dutzende verschiedener Arten Spanner, Zünsler und Eulenfalter sind es, von denen wir natürlich die wenigsten mit ihrem Namen ansprechen können. Etliche beeindruckende Tiere sind dabei, zum Beispiel handgroße Eulenfalter. Der größte von ihnen, Thysania agripina, ist der größte Eulenfalter der Welt: wenn er sich auf meine Hand locken läßt, überragen seine Flügel meine ganze Hand samt ausgestreckten Fingern! Er hat eine Spannweite von 28 Zentimetern! Begeistert sind wir auch von den großen, kräftigen Schwärmern, von denen wir am Ende des Abends sieben verschiedene Arten zählen, sowie der Pfauenspinner Automeris liberia mit seinen intensiven Augenflecken auf den Unterflügeln. Mit hunderten von Fotos auf unseren Speicherkarten treten wir kurz vor Mitternacht müde, aber hochzufrieden die Rückfahrt an. So ein Schauspiel kann man nur hier in den Tropen erleben! 10. November Wir müssen umplanen. Die eigentlich für heute vorgesehene dreitägige Tour in das Tiefland der Llanos war uns gestern seitens der Geschäftsführung der dortigen Unterkunft Hato Pinero kurzfristig abgesagt worden – aus angeblich betriebsinternen Gründen. So etwas kann in Venezuela leider vorkommen, die tatsächlichen Gründe sind für uns nicht immer durchschaubar. Aber wer eine Reise wie diese unternimmt, muß ohnehin ein Stück Flexibilität mitbringen, weil eben hier manches anders abläuft als wir es von zu Hause gewohnt sind. Die Umplanung wird kein Nachteil sein. Im Gegenteil! Eigentlich kommt es uns sogar entgegen, daß wir nach der langen Schmetterlingsnacht gestern nicht sofort wieder früh los müssen. Wir werden den Ausflug in die Anden vorziehen und nächste Woche in die Llanos fahren, dann wohl in einen anderen Hato. Heute haben wir Gelegenheit, uns nochmal auf dem Gelände der Posada umzusehen und auch einen Blick in die naturkundliche Bibliothek zu werfen. Noch einmal steigen wir durch das Aufforstungsgebiet hinauf zum Aussichtsturm. Unterwegs entdecken wir ein Braunkehl-Fautlier (Bradypus variegatus), das wir gut fotografieren können. Die weite Aussicht vom Turm ist sehr schön, allerdings auch sehr ruhig. Nur in der Ferne ruft ausdauernd ein Bentevi (Pitangus sulphuratus). Auf dem Rückweg zeigt sich kurz eine Schwarzschwanz-Tityra (Tityra cayana). Dann entdecken wir einen größeren Schmetterling, der zur Familie der Schwalbenschwänze gehört. Es ist ein Weibchen, und als es sich kurz auf einen Busch setzt, reicht die Zeit gerade für ein Belegfoto. Als wir das Foto in der Posada zeigen, ist die Aufregung groß: es ist ein seltener Falter, der hier noch nie gesehen wurde. Dank Internet bekommt er kurz darauf von einem Spezialisten aus London einen Namen: Heraclides astyalus hippomedon. Wir haben unabsichtlich eine Rarität dokumentiert! Nachmittags unternehmen wir oben an der kleinen Lodge noch einen Rundgang durch den Bergnebelwald. Der Pfad ist stellenweise steil, aber auch sehr schön. Der Wald ist grün und meist sehr dicht, aus dem Boden und an Stubben wachsen jetzt am Ende der Regenzeit zahlreiche teils malerisch anzusehende Pilze: Gruppen von Tintlingen, Holzkeulen, bunte Porlinge und Lamellenpilze, die wir natürlich hier nur einordnen, aber nicht bestimmen können. Ansonsten gibt es in in diesem Lebensraum wie immer mehr Vögel zu hören als zu sehen. Am ausdauerndsten ruft eine Kurzschwanz-Ameisendrossel, eine oberversteckt lebende Heimlichtuerin, die man auch mit viel Geduld kaum jemals zu Gesicht bekommt. Am Futterhaus stellt sich wieder das Weibchen der Blauflügeltangare ein, während ein Trupp Krähenstirnvögel rufend überhin fliegt. Abends schauen wir in Casa Maria noch einmal an der Leuchtanlage. Es sind etwas mehr Falter am Licht als am ersten Tag, darunter drei verschiedene große Schwärmer und ein ausgesprochen schöner Pfauenspinner. Mit ein paar neuen Nachtfalterfotos klingt ein ruhiger Tag aus, den wir auch gut gebrauchen konnten, denn morgen wollen wir in den Nationalpark Yacambu aufbrechen! 11.November Bei Tagesanbruch finden wir an der Leuchtanlage noch einen weiteren hübschen Pfauenspinner – und es kommen erste Vögel, die hier leichte Beute finden. Vor allem ein Grauwangen-Baumsteiger läßt sich von den anwesenden Fotografen kaum stören. Dann geht es zum Frühstück – und auf zu unserer ersten großen Exkursion! Der Nationalpark Yacambu ist ein Bergnebelwaldgebiet im nördlichen Teil der Anden. Nach mehrstündiger Fahrt erreichen wir unsere Unterkunft für die kommenden zwei Nächte. Die Posada Las Golondrinas liegt wunderschön an einem Hang mit weitem Blick auf die umliegenden Berge. Überall auf dem stilvollen Anwesen grünt und blüht es, nur sind leider Substanz und Anlagen nicht besonders gut instand gehalten. Was unseren Unternehmungen allerdings keinen Abbruch tut. Schon der erste Gang auf den steilen Wegen am Hang bringt uns sehr schöne Beobachtungen der seltenen, hier endemischen Blutohrsittiche, ein Stück weiter finden wir die eigentümlichen Nester einiger Krähenstirnvögel. Noch mehrere weitere Tangaren, Waldsänger und andere Vögel lassen sich entdecken, bevor wir die Leuchtanlage aufbauen, um die nächtlichen Bewohner dieser Bergnebelwaldregion hervorzulocken. Schon direkt nach dem Abendessen haben sich dort bereits hunderte Bergschmetterlinge eingefunden und wimmeln ums Licht. Wieder ist Thysania agripina, ist der größte Eulenfalter der Welt dabei. Im Laufe des Abends kommen neben einigen großen Eulenfaltern, Widderbären, Bohrern und Spannern etwa sieben verschiedene Arten aus der besonders beeindruckenden Gruppe der Schwärmer zusammen, auch der Feigenschwärmer ist dabei, ein richtig dicker Brummer mit braungrüner Grundfarbe und zwei weißen Punkten. Fantastisch sind auch wieder mehrere Pfauenspinner der Gattung Automeris. Sie sind auf der Oberseite tarnfarben braun, spreizen aber bei Bedrohung ihre Oberflügel ab, sodaß plötzlich auf den Unterflügeln kontrastreiche große „Augen“ zu sehen sind. Damit werden Freßfeinde erschreckt, und der Falter kann die Schrecksekunde zum Wegfliegen nutzen. Die Bestimmung der einzelnen Pfauenspinner-Arten wird uns trotz guter Fotos nicht immer gelingen, es gibt aus dieser Gruppe einfach zu viele sehr ähnliche Falter. Macht nichts – an ihren Farben und Zeichnungen und dem besonderen Erlebnis, sie überhaupt zu sehen, werden wir uns noch lange erfreuen. Die Lampe lassen wir während der ganzen Nacht brennen, da viele Falter spezielle Flugzeiten haben und manche Arten erste nach Mitternacht oder in den frühen Morgenstunden ankommen. Jeder, der will, kann so auch während der Nacht einmal aufstehen und nachsehen. Und das lohnt sich durchaus. Denn einer der schönsten Falter dieser Leuchtnacht wird zum Beispiel bei einem Kontrollgang gegen 3:45 Uhr entdeckt, ein großer, dicker Falter mit gelber Grundfarbe und intensivem buntem Muster, der unser Entomologe Norbert mit wissenschaftlichem Namen als Citheronia aroa ansprechen kann. Aber auch wenn die allermeisten Falter von uns nie einen Namen bekommen werden, so bleibt der Eindruck dieser sonst verborgenen nächtlichen Lebenswelt doch überwältigend. Und auf unseren Speicherkarten können wir viele Fotos schöner Falter mit nach Hause nehmen. 12. November „Der Wald steht still und schweiget...“ So könnte man den größten Teil unserer heutigen Exkursion beschreiben. Der Bergnebelwald in Venezuela ist ohnehin ein recht stiller Lebensraum – aber so still wie heute, das ist doch sehr ungewöhnlich. Ab und zu mal ein paar Vogelstimmen, deren Verursacher man im Blätterdickicht kaum ausmachen kann – so wenige Vögel wie heute haben wir selten gesehen. Dafür ist der Wald sehr beeindruckend. Die Blätter der meisten Pflanzen hier sind länglich, spitz und hängen etwas. Das hat einen guten Grund: ihre Nerven leiten das Wasser des Nebels, der an den besonderen Strukturen der Blätter kondensiert, abwärts zum Zentralnerv und dann in eine verlängerte Spitze, von der das Wasser direkt zu den Wurzeln der Pflanze abtropft. So haben selbst kleinste Details in der Natur hat seinen Platz und seinen Sinn, daß man nur staunen kann! An einem kleinen See mitten im Wald gibt es dann doch noch ein paar Vögel. Aus der Ufervegetation hören wir die markanten Rufe der sehr seltenen, endemischen Venezuela-Ralle, auf dem Wasser schwimmen einige der ebenfalls nicht häufigen Schwarzkopftaucher. Und – als Zugvögel aus dem Norden – ein paar Blauflügelenten. Und immer wieder fliegen die Edelsteine des Waldes vorbei, die großen, intensiv blau schillernden Blauen Morphofalter (Morpho hellenor). Auf der Rückfahrt kontrollieren wir einen Köder aus alter Banane, den wir am Morgen auf einem Stamm angebracht hatten. Tatsächlich saugt hier ein Blattfalter aus der Gattung Memphis am Bananensaft. Blattfalter heißen diese Tiere, weil sie in Form und Farbe mit zusammengelegten Flügeln einem welken Blatt gleichen. Perfekte Tarnung! Nur als der Falter abfliegt blitzen die blauen Oberflügel im LichtSchatten-Gewirr des Waldes auf. Zurück auf dem Gelände der Posada kommen bis zum Anbruch der Dämmerung doch noch einige Vögel auf unsere Tagesliste: Schnäpperwaldsänger (Setophaga ruticilla), Mexikanerzeisig, Grünbürzel-Sperlingspapagei, Sperber-Waldfalke und Linienspecht sollen hier zumindest erwähnt werden. Am Leucht-Turm ist deutlich weniger los als am letzten Abend, darum machen wir heute auch früher Schluss. Nachtfalter sind in ihrem Flugverhalten sehr wetter-abhängig: dieser Abend ist vielen Arten wohl zu klar zum Fliegen, sie fliegen lieber bei bedecktem Himmel, Wärme, Nebel und Regen. Interessant ist aber ein „Dämmerungsschwärmer“. Diese selten zu sehende Art, die wir nicht genau bestimmen können, fliegt immer nur direkt nach Sonnenuntergang für vielleicht 20 – 30 Minuten ans Licht und ist den Rest der Nacht für uns unsichtbar. 13. November Es sind mehrere Stunden Fahrt bis zur Küste, wo uns sehr warmes und sonniges Wetter erwartet. Unser Ziel ist das Vogelschutzgebiet Cuare, eine Lagunen- und Sumpflandschaft direkt an der Karibikküste. Uns faszinieren vor allem die Tausende von Kuba-Flamingos, die hier in riesigen Trupps Nahrung suchen und schon aus der Ferne als intensiv rotes Band im seichten Wasser erkennbar sind. An einigen Stellen kommen wir ihnen recht nahe, sodaß schnell wieder viel Speicherplatz auf unseren Kameras gefüllt wird. Daneben entdecken wir mehrere Arten Reiher, Scharlachsichler, Schwarznacken-Stelzenläufer und andere, an einer Stelle läßt sich eines der sehr seltenen Spitzkrokodile (Crocodylus acutus) vor unseren Augen ins Wasser gleiten. Wir können es eine ganze Weile schwimmend beobachten. Am Hafen von Chichiriviche lauern Dutzende der imposanten Prachtfregattvögel auf Beute, und in der Ferne sehen wir mehrere Großschnabel-Seeschwalben vorüber- fliegen. Unser Abendessen genießen wir mit dem Blick auf den Hafen. Dann checken wir für die Nacht in einer schönen Posada direkt am Meer ein und lassen bei einem kühlen Getränk den Abend zum Rauschen der Karibikwellen ausklingen. 14. November Morrocoy ist ein Traum! Der Nationalpark aus Mangroven und zahllosen Inseln direkt an der Karibikküste ist Heimat Tausender Prachtfregattvögel, daneben Braunpelikanen und Reihern. Nachdem wir am Morgen noch an ein paar Stellen im Cuare-Schutzgebiet angehalten haben, um noch einmal Flamingos zu sehen, aber auch Dreifarbenreiher, Kleine Gelbschenkel und ein paar andere, fahren wir direkt nach Morrocoy. Von einem kleinen Motorboot lassen wir uns in die Inselwelt schippern. Am Himmel fliegen hunderte Prachtfregattvögel, die hier auf den kleinen Inseln leben und keinerlei Scheu vor uns Menschen zeigen. Wir können unmittelbar an sie heranfahren, sie beobachten und bestens fotografieren. Obwohl noch keine Balzzeit ist, zeigen einige Männchen bereits ihre phänomenalen roten Kehlsäcke, mit denen sie ihre Fitness demonstrieren und die Weibchen beeindrucken wollen. So nahe an diese großen, beeindruckenden Meeresvögel heranzukommen und mitten durch ihre Welt hindurchzufahren, ist ein unvergeßliches Erlebnis! Nach dem Mittagessen in einer kleinen Posada in Morrocoy fahren wir noch einen Hügel hinauf, von wo sich uns ein weiter Ausblick über die Inselwelt des Nationalparks bietet. Hier oben fliegen auch einige interessante Falter, unter ihnen als echte Rarität der Afrikanische Samtfalter (Hypolimnas misippus), der – wie der Name schon sagt – eigentlich in einem ganz anderen Teil der Welt beheimatet ist und aus Venezuela bisher nur von wenigen Stellen nachgewiesen ist. Auf der Rückfahrt nach Casa Maria machen wir noch einen kurzen Stopp am Canoabo-Stausee. Ein frisch gehäuteter, adulter Grüner Leguan schillert leuchtend grün in der Nachmittagssonne. Und auch noch einige Braunwangensittiche (Aratinga pertinax) lassen sich fotografieren, bevor wir zu einem späten Kaffeetrinken zurückkommen in unser Standquartier Casa Maria. 15. November Da wir nicht wie geplant ins Hato Pinero können, fahren wir statt dessen ins Hato El Cedral – was bezüglich Tier- und Vogelwelt mindestens genauso gut ist, allerdings auch sehr weit entfernt. So machen wir aus der Not eine Tugend und aus dem Besuch des Hato gleich eine große Llanos-Rundfahrt. Wir werden dabei mehr von Venezuela sehen als ursprünglich geplant – allerdings müssen wir dazu auch einen halben Tag früher losfahren. So verbringen wir noch eiuen eher geruhsamen Vormittag in Casa Maria, bestimmen noch einige Falter der letzten Tage nach den Fotos, die wir gemacht haben, und schauen kurz in der Bug Paradise Lodge vorbei. Gegen 15 Uhr starten wir dann Richtung Llanos und erreichen unser Übernachtungshotel in Guarane am frühen Abend – Zeit für ein schönes Abendessen am Pool... 16. November Bis zu unserem heutigen Ziel sind es nochmals mehrere Fahrtstunden – allerdings ist auch der Weg bereits das Ziel. Vor allem südlich des Rio Apurimac fahren wir durch endlose Überschwemmungslandschaften, in denen wir Tausende von Wasservögeln sehen. Mehrmals halten wir für einen kurzen Foto- und Beobachtungsstop an, genießen die Weite der Landschaft und die zahllosen Vögel. Besonders beeindruckend ist an einer Stelle ein Trupp von mindestens 100 Rosalöfflern, an anderer Stelle sehen wir Dutzende von Rotschnabelgänsen mit etwa 20 Witwenpfeifgänsen stehen. In der Ferne können wir eine grosse Zahl Waldstörche ausmachen, dazwischen etliche Maguari-Störche. So wird die Zeit nicht lang, und schon sind wir in Hato El Cedral. Wir bekommen noch ein Mittagessen und beziehen unsere Unterkünfte, bevor wir zur NachmittagsPirschfahrt aufbrechen. Wieder geht der Weg durch endlose Wasserlandschaften, in denen Tausende von Reihern leben, es fliegen Amerikanische Scherenschnäbel, und über eine Weide läuft etwas entfernt ein Großer Ameisenbär. Es gibt so viel zu sehen – gut, daß wir hier morgen noch einen vollen Tag Zeit haben! 17. November Für den Vormittag steht eine Bootsfahrt auf dem Programm. Und die wird wieder ein Höhepunkt dieser Reise! Wir durchfahren eine schier endlose Wasserlandschaft, vom breiten See über den Fluß bis ins dichte Gewirr der Vegetationsinseln. Um uns herum Tausende von Reihern, Pfeifgänsen, Olivenscharben und anderen Wasservögeln. Einmal kommt ein Aplomado-Falke angeflogen, umkreist in kräftigem Flug mehrfach unser Boot und streicht dann wieder ab. In einem Baum direkt am Wasser brütet auf Augenhöhe ein Hoatzin – er hat ein Junges im Nest und bleibt daher auch bei Annäherung auf einen Meter beharrlich bei seinem Nachwuchs. Am Ufer sitzen Fischbussarde und Gelbkopf-Karakaras in den Bäumen. Unser Bootsführer angelt zwei Piranjas, die er dann erschlägt und mit einem Stück Wasserpflanze schwimmfähig macht. Dann gibt er einem Karakara mit einem Ruf ein Signal, das der offenbar kennt, wirft den Fisch ins Wasser – und sofort streicht der Vogel heran, um sich in Fischadler-Manier den Brocken zu schnappen. An anderer Stelle ruht ein großer Kaiman im Fluß zwischen den Schwimmpflanzen. Unser Bootsführer spießt ein Stück Fisch auf einen langen Stab und schlägt damit mehrfach aufs Wasser. Der Kaiman reagiert sofort und kommt angeschwommen. Dann hält unser Bootsmann den Fisch einen Meter über die Wasseroberfläche – und mit einem kräftigen Schwung schießt der Kaiman senkrecht aus dem Wasser, um sich die Beute zu holen. Was für ein Schauspiel! Auf dem Rückweg passieren wir noch einmal ein Hoatzin-Nest, gleiten vorbei an Tausenden Olivenscharben und genießen das „Bad“ in den Vogelmassen, bevor unser Boot anlegt und wir in die Mittagspause gehen. Auch rund um die Unterkünfte und anderen Gebäude ist viel los. Für die Fotografen gibt es hier überall lohnende Motive. Gabeltyrann und Glattschnabelani, Großer Gelbschenkel und Tropenspottdrossel, Streifen- und Brauenzaunkönig, Rotkappenspecht und Orange-Trupial füllen die Speicherkarten, um nur einige Arten zu nennen. In einer Palme ruht etwas versteckt ein Virginia-Uhu. Es ist kaum Zeit für eine kurze Erfrischung im Pool, dann brechen wir auf zu unserer Nachmittagsfahrt. Die führt uns viele Kilometer einen Damm entlang, links und rechts des Weges Überschwemmungsflächen, Tümpel, größere und kleinere Gewässer, und überall wieder Vögel, Vögel, Vögel. Bemerkenswert die vielen Orinoco-Gänse, die sich bei Annäherung recht scheu verhalten. An einer Stelle ruft ein Trupp von etwa 120 Amerikanischen Scherenschnäbeln, die dann auffliegen, eine Runde drehen und sich erneut niederlassen. An einer kleinen Wasserstelle haben sich in bestem Foto-Licht ein paar Hoatzins eingefunden, die trinken, mit den Flügeln schlagen und dann in schwerfälligem Flug im benachbarten Baum landen. Mehrere Blatthühnchen balancieren auf einem Wasserschwein, ein Cocoi-Reiher breitet seine Flügel zum Trocknen aus. Wie im Flug vergeht die Zeit, da wird es schon dunkel. Zum Abendessen gibt es leckeren Pacu, einen typischen Fisch aus der Region. Dann brechen wir noch zu einer Nachtfahrt auf. Überall leuchten uns im Scheinwerferlicht die Augen der zahllosen Kaimane entgegen. Hoch oben auf einem Baum sitzt ein Viginia-Uhu, wenig später finden wir noch einen zweiten (oder ist es derselbe?). Mehrere Nachtschwalben fliegen über den Weg, nur wenige setzen sich. Nachtschwalben-Bestimmung ist eine schwierige Sache, die meisten dürften jedoch die weit verbreiteten Pauraque-Nachtschwalben sein. Ein kleiner Fuchs – Zorro genannt – kreuzt unseren Weg. Im Dickicht am Ufer sehen wir kurz einen Kahnschnabel, einen eigentümlichen Reiher mit kahnartigem Schnabel; leider verschwindet er schnell wieder in der Dunkelheit. Zurück in unserem Quartier sitzt im Baum direkt vor uns eine Schleiereule, und ein Opossum läuft von uns entdeckt rasch einen Baumstamm hinauf. Ein sehr gefüllter Tag geht zu Ende. 18. November Vor dem Frühstück gehen wir noch einmal über das Gelände, beobachten Vögel und entdecken einige Brüllaffen, die sich in guter Foto-Entfernung zeigen. Ansonsten steht der ganze Tag im Zeichen des langen Transfers zurück in unser Standquartier Casa Maria. Stundenlang lassen wir die Landschaft der Llanos noch an uns vorüberziehen. Um die Mittagszeit machen wir eine etwas längere Pause, die wir zu einer ganz besonderen Exkursion nutzen. In der Nähe der Stadt Camaguán wollen wir versuchen, ein sehr seltenes Säugetier zu beobachten. Und wir haben Glück - schon nach relativ kurzer Zeit taucht das erste dieser Tiere auf, dann ein zweites, am Ende werden wir wohl drei Individuen dieser selten zu beobachtenden Spezies gesehen haben. Sogar ein paar ganz leidliche Fotos sind geglückt. Um welche Art es sich handelt, das soll an dieser Stelle einmal nicht verraten werden... Abends erwartet uns in Casa Maria der nun schon gewohnt herzliche Empfang und ein leckeres Abendessen. Dies schmeckt uns umso mehr, als wir nach einiger ReiseErfahrung im Land mitbekommen haben, wie schwierig es im sozialistischen Venezuela ist, selbst einfache Lebensmittel zu organisieren. Immer wieder haben wir Menschen in langen Schlangen um Brot anstehen sehen, in den Restaurants gibt es oft so gut wie keine Auswahl, selbst Hotels haben oft keine Milch, keinen Kaffee oder Tee. Heute sind wir durch einen Supermarkt gegangen – die Regale müssen per Gesetz voll sein, also stehen dort regalmeterweise immer dieselben nicht nachgefragten Waren, während grundlegende Lebensmittel wie Milch oder Reis überhaupt nicht vorhanden sind. Dem gegenüber fühlen wir uns hier in Casa Maria fast wie in einem Stückchen Paradies... wohl wissend, daß unsere Gastgeber das jeden Tag hart erarbeiten und organisieren müssen. 19. November Nach dem langen Fahrttag gestern bleiben wir heute überwiegend „zu Hause“. Vormittags gehen wir noch einmal durch das Nebelwald-Aufforstungsgebiet, und wie immer ist der Wald schwieriges Terrain. Gerade mal 14 Vogelarten kriegen wir zusammen. Aber es tut gut, hier die Seele baumeln zu lassen. Ein kurzer Nachmittags-Ausflug zum Canoabo-Stausee bringt noch einmal 24 Arten auf die Tagesliste, darunter einige schöne Beobachtungen von Samenfressern und Schwalben. Der Wasserstand des Sees ist jetzt, am Ende der Regenzeit, erschreckend niedrig – für die Menschen, die von diesem See leben, wird das in der kommenden Trockenzeit ein großes Problem! Abends baut Norbert noch einmal den Leucht-Turm auf, diesmal auf einer Garage im Nebelwaldgebiet, 100 Meter von unserem Quartier entfernt. Und obwohl die Nacht kühl und zum Falter-Locken nicht optimal ist, kommen noch interessante Falter, darunter Schwärmer der Gattungen Xylophanes und Syssphinx, sowie auch ein großer Bockkäfer ans Licht. 20. November Der letzte Tag dieser Naturgucker-Reise ist gekommen. Oben an der Bug Paradise Lodge kontrollieren wir noch einmal die ausgebrachten Schmetterlingsköder. Einige alte Bekannte haben sich eingefunden, aber auch ein paar schöne neue Arten sind dabei. Eine ganze Weile sitzen wir einfach still da und beobachten die Umgebung eines mit vergorener Banane eingeschmierten Baumstammes. Der Duft lockt einige Besucher an: ein großer, schön gezeichneter Nymphalide läßt sich blicken, ein schwarz-rot gezeichneter Falter namens Catonephile numilia bleibt eine Weile und läßt sich fotografieren, leider sehr unstet flattert immer wieder ein rötlich gefärbter Blattfalter vorbei. Zu den schönsten kleineren Arten zählen die Nummernfalter aus den Gattungen Callicore und Diaethria. Von letzterer läßt sich heute die Art marchalii gut fotografieren: die Oberseite schwarz mit metallisch blauer Zeichnung, die Unterseite mit einer kunstvollen schwarzen Schnörkelzeichnung, aus der man eine 88 herauslesen könnte. Viele der grossen Arten, zum Beispiel die Preponas und Archaeopreponas, sind unterseits braun gezeichnet, mit helleren und dunkleren Bereichen und oft einigen Stricheln. Sie klappen beim Sitzen immer sofort die Flügel zu und sind dann bestens getarnt. Im Flug aber zeigen sie ihre auffällig blau schillernden Oberseiten, mit denen sie weithin sichtbare Signale senden. Aufgrund ihres schnell und erratisch flatternden Fluges sind sie dennoch für Vögel nicht leicht zu erbeuten – und wenn, dann kriegt der Angreifer oft nur einen Teil des Flügels zu fassen, darum sehen etliche der Falter auch ziemlich gerupft aus. Dieselbe Farbkombination wie hier haben wir früher schon bei Bananenfaltern und dem Blauen Morpho gesehen, sie ist bei tropischen Waldfaltern häufig zu finden. Die fünf Kilometer Rückweg nach Casa Maria machen wir heute zu Fuß. Was uns Chancen gibt, entlang des Weges in offenerem Gelände noch einige Vögel zu sehen. Überhin kreist ein auffallend hell gezeichneter, groß gezeichneter Bussard: es handelt sich um den seltenen Black-and-White Hawk-Eagle. Und auch zwei BauchschnabelTyrannen mit ihren großen Schnäbeln kommen neu auf unsere Tour-Liste. 20. November Früh morgens schauen wir noch einmal an der Leuchte vorbei. Es sind nicht viele Falter da, aber einige Vögel, die sich dort einen Happen zum Frühstück holen. Nur kurz taucht ein Pärchen Guira-Tangaren auf, als neue Art notieren wir eine GraukopfTangare, die normalerweise im dichten Wald kaum je zu sehen ist und uns insofern hier einen seltenen Anblick bietet. Das Frühstück ist lecker wie immer, herzlich der Abschied von Casa Maria – dann folgt der Transfer nach Caracas und der Heimflug nach Deutschland. Alle Beobachtungen wie immer unter www.naturgucker.de/birdingtours filtern nach „Venezuela“. Chris & Andrea Engelhardt
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