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Der Affenkönig und der Wasserdämon (Achtsamkeit)
Einst weit weg in einem dichten Wald lebte ein Volk von 80.000
Affen. Sie hatten einen König, der ungewöhnlich groß war, so groß
wie ein Fohlen. Er war nicht nur körperlich groß, sondern auch „groß
im Geiste". Nach allem war er der Bodhisattva - das Erleuchtete
Wesen.
Eines Tages riet er seinem Affenvolk, indem er sprach: "Meine
Untertanen, es gibt giftige Früchte in diesem dichten Wald und
Teiche, die von Dämonen bewohnt sind. Wenn ihr irgendeine
unbekannte Frucht oder unbekannten See findet, esst nicht und trinkt
nicht, bis ihr mich zuerst gefragt habt." Da sie ihrem weisen König
große Aufmerksamkeit zollten, stimmten die Affen zu, seinen Rat zu
befolgen.
Später einmal kamen sie an einen unbekannten See. Sogar obwohl
sie alle müde und durstig waren von der Suche nach Essbarem,
würde niemand trinken ohne zuerst den Affenkönig zu befragen. So
saßen sie in den Bäumen und auf dem Boden rund um den See.
Als er eintraf, befragte sie der Affenkönig: "Hat irgendjemand Wasser
getrunken?" Sie antworteten: "Nein, Eure Majestät, wir befolgten
Eure Anweisungen." Er sagte: "Gut gemacht."
Dann wanderte er am Ufer entlang, rund um den Teich. Er
untersuchte die Fußspuren der Tiere, die ins Wasser gegangen waren
und entdeckte, dass niemand wieder herauskam! So bemerkte er,
dieser Teich musste von einem Wasserdämon besessen sein. Er
sprach zu den 80.000 Affen: "Dieser See wird von einem
Wasserdämon beherrscht. Niemand darf hineingehen."
Nach geraumer Weile erkannte der Wasserdämon, dass kein Affe ins
Wasser ging, um zu trinken. So erhob er sich aus der Mitte des
Teiches, in Gestalt eines fürchterlichen Monsters. Er hatte einen
großen blauen Bauch, ein weißes Gesicht mit hervorspringenden
grünen Augen, und roten Klauen und Füßen. Er dröhnte: "Warum
sitzt ihr noch herum? Kommt in den Teich und trinkt gleich!"
Der Affenkönig sagte dem schrecklichen Monster: "Bist du der
Wasserdämon, dem dieser Teich gehört?" "Ja, bin ich." - "Frisst du
den auf, wer immer ins Wasser geht?" fragte der König. "Ja, mache
ich," antwortete dieser, "einschließlich sogar der Vögel. Ich fresse
alles. Und sobald ihr von eurem Durst bezwungen werdet, in den
See zu gehen und zu trinken, werde ich mich daran erfreuen, euch
zu fressen, den größten Affen am liebsten von allen!" Er griente und
Speichel tropfte sein behaartes Kinn herunter.
Aber der Affenkönig mit seinem gut geübten Verstand bewahrte
Ruhe. Er sprach: "Ich werde dich nicht mich fressen lassen oder
irgendeinen meiner Schützlinge. Und dennoch werden wir soviel
Wasser trinken, wie wir wollen!" Der Wasserdämon grunzte:
"Unmöglich! Wie werdet ihr das anstellen?" Der Affenkönig
erwiderte: "Jeder von uns 80.000 wird trinken, indem
Bambussprossen als Strohhalme benutzt werden. Und du wirst nicht
fähig sein uns zu berühren!"
Natürlich weiß jeder, der Bambus gesehen hat, es gibt eine
Schwierigkeit. Bambus wächst in großen Gruppen, einer nach dem
anderen, mit einem knorrigen Stück dazwischen. Jede einzelne
Gruppe ist zu dürftig, so dass der Dämon den Affen ergreifen, unter
Wasser ziehen und verschlingen könnte. Aber die knorrigen Stellen
machen es unmöglich, durch mehr als eine Gruppe Wasser zu
schlürfen.
Der Affenkönig war etwas Besonderes, darum folgten ihm so viele.
In der Vergangenheit hatte er Gutsein praktiziert und übte seinen
Geist mit solcher Achtsamkeit und Anstrengung, dass er sehr gute
Geistesgaben entwickelt hatte. Darum sagte man übe ihn "groß im
Geiste" zu sein, nicht weil er einfach ein großes Gehirn hatte.
Das Erleuchtete Wesen war in der Lage, die guten Geistesgaben zu
pflegen und ein sehr unerwartetes Ereignis zu erzeugen - ein
Wunder. Zuerst nahm er einen jungen Bambusspross und blies
hindurch, und die knorrige Stelle verschwand, und er nutzte es,
Wasser aus dem Teich zu schlürfen. Danach, so erstaunlich es
klingen mag, winkte er mit der Hand und alle Bambussprossen rund
um diesen einen Teich verloren ihre Knorren. Sie wurden zu einer
neuen Art von Bambus.
Da pflückten all seine 80.000 Anhänger Bambussprossen und ganz
einfach tranken sie sich voll aus dem Teich. Der Wasserdämon
traute seinen grünen Augen kaum. Sich selber grollend glitt er
zurück unter die Oberfläche, nur gurgelnde Blasen zurück lassend.
Die Moral lautet: "Man muss Wasser testen, bevor man
hineinspringt."