Kinder und Jugendliche im Museum «Kunst oder was?» Bildnerisches Gestalten im Spannungsfeld von Therapie und Kunst 13. September 2015– 16. Mai 2016 Farbexplosion, 1997, Arbeit aus dem Archiv der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen Die Ausstellung «Kunst oder was?» zeigt über 200 Werke aus den Psychiatrischen Kliniken Bellevue, Kreuzlingen (ca. 1960-1980) und Münsterlingen (ab 1980). Im Zentrum steht das Verhältnis zwischen Kunst und therapeutischem Material, welches die Gestaltung von Bildern oder Objekten zur Behandlung von psychischen Störungen einsetzt. Auch im Kanton Thurgau kamen kunsttherapeutische Methoden früh zu Anwendung. Schon in der berühmten Sammlung Prinzhorn, die kurz nach dem 1. Weltkrieg zusammengestellt wurde, finden sich Beispiele bildnerischer Arbeiten von Patientinnen aus der Privatklinik Bellevue. Das Archivieren der vielfältigen gestalterischen Therapiearbeit wurde in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen fortgesetzt. Allerdings ist längst nicht jedes Bild, das während einer Therapie entsteht, ein Kunstwerk. Die Ausstellung «Kunst oder was?» fragt danach, ob die besondere Emotionalität, die Menschen in der Psychiatrie oft bestimmt, ausreicht, um aus einer Zeichnung ein Kunstwerk zu machen. Die Werkauswahl ist nach Themen überschaubar gruppiert und zeigt in drei Räumen gleichzeitig auf, wie sich in den letzten 50 Jahren die Therapiearbeit verändert hat. «Kunst oder was?» zeigt ein breites Repertoire an gestalterischen Ausdrucksformen und bietet für alle Altersstufen ein anregendes Erkundungsfeld! Kunstmuseum Thurgau Museumspädagogik / Kulturvermittlung: Brigitt Näpflin weitere Informationen sind zu finden unter: Kartause Ittingen, 8532 Warth [email protected] www.kunstmuseum.ch und www.kartause.ch Inhalt Themen der Ausstellung 3 Bilderbogen 4 Vorerfahrungen mit Kunst? 5 Vorbereitung vor dem Museumsbesuch 6 Stichwort 1 – Was ist Kunst? Stichwort 2 – Kunst in der Psychiatrie Stichwort 3 – Adolf Wölfli Ausstellung «Kunst oder was?» erkunden 7 Vorschlag 1 – Erster Eindruck Vorschlag 2 – Ein Bild oder Objekt unter der Lupe Vorschlag 3 – Kunst oder nicht Kunst? Vorschlag 4 – Stimmungen Vorschlag 5 – Objekte erzählen Geschichten Vorschlag 6 – Geschichte erfinden Praktische, gestalterische Vertiefung 8 Im Atelier 1 – Fortsetzung… Im Atelier 2 – Input / Output Im Atelier 3 – Mein Thema Im Atelier 4 – Spiegelbild Publikationen, Informationen zur Ausstellung 9 2 Themen der Ausstellung «Kunst oder was?» Die Ausstellung gibt in drei Räumen Einblick in die Entwicklung der therapeutischen Arbeit in der Psychiatrie: Raum 1 «Atelier Münsterlingen» Die Werke in diesem Teil der Ausstellung wurden durch Patientinnen und Patienten aus dem «Offenen Atelier» in Münsterlingen ausgewählt und inszeniert. Das Offene Atelier ist ein Ort, wo Patientinnen und Patienten freiwillig hingehen können, sich treffen, austauschen, zusammen gestalterisch tätig sind oder auch nur Kaffee trinken und miteinander reden. Sie entscheiden selbst, wann sie dort hingehen, was sie machen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu therapeutischen Gruppen, die auf Verordnung gestalterisch tätig sind. Die Rolle des Atelierleiters ist die, für das da zu sein, was drinnen passiert; dh. Unterstützung zu bieten, um Ideen zu verwirklichen, Material zur Verfügung zu stellen, präsent zu sein, so dass die Gruppe aktiv sein kann. Raum 2 «Schwarzer Keller» Dieser Ausstellungsraum gibt Einblick in Therapieformen, die Silvio Lütscher 1981 und in den folgenden Jahren in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen entwickelte. Raum 3 «Atelier im Bellevue» Ein Raum präsentiert Arbeiten aus der Privatklinik Bellevue, Kreuzlingen. Besonders zu erwähnen sind die Werke der Bildhauerin Edina Anson (1923 – 1978), die wiederholt als Patientin in der Klinik lebte und ab 1971 das offene Atelier bis zu ihrem Tod 1978 leitete. Eine zweite Werkgruppe zeigt eine Serie von Stanley. Auch er war langjähriger Patient im Bellevue. Der Korridor gibt Einblick in die Vielfalt von Arbeiten, die in den letzten 50 Jahren entstanden sind. Damit die Fülle überschaubarer und lesbar wird, sind die Werke nach Themen geordnet. Farbe und Emotion Material – Form – Geste – Malen - Schmieren Schreiben und Geschriebenes Kritzeln – Dichten – Erzählen – Beschwören – Postulieren Geometrie und Ornament Ordnung – Struktur – Muster - Ornament - Symmetrie – Wiederholung Welt und Raum Landschaft – Natur – Pflanzen und Tiere - Stadt – Architektur PORTRÄT und Spiegel: Gesicht – Fratze – Maske – Selbstbild – Identiät - Spiegel der Seele – Fragment Geschichten und andere Erzählungen Mythen – Märchen – Vom Lauf der Welt – Ich in der Welt Von Familien, Märchen und anderen Erzählungen Der Mensch in der Gruppe Familiäre und universale Geschichten 3 Bilderbogen 4 Die abgebildeten Werke stammen aus dem Archiv der psychiatrischen Privatklinik Bellevue, Kreuzlingen (ca. 1960 – 1980) und der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen (ab 1980). Fotos: Mirjam Wanner 5 KUNSTPÄDAGOGISCHE ANREGUNGEN Vorerfahrungen mit Kunst? Welches sind die bisherigen Begegnungen mit Kunst? Wurde bereits früher eine Ausstellung in einem Kunstmuseum besucht? Gibt es Künstler die man von Büchern, Filmen oder gar persönlich kennt? Sind die Begriffe «Aussenseiterkunst», «Psychiatrie» und «Therapie» bekannt? Vorbereitung vor dem Museumsbesuch Stichwort 1 – Was ist Kunst? Den Begriff «Kunst» gibt es nicht als eindeutige, allgemein gültige Umschreibung. Ebenso wenig ist klar, welche Kriterien ein Werk erfüllen muss um Kunst zu sein. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Eine persönliche Umschreibung für Kunst suchen und formulieren. Kunst ist… Die unterschiedlichen Definitionen auslegen, ordnen und vergleichen. Welche Definitionen kommen mehrfach vor? Gibt es zwischen Aussagen von Mädchen und Knaben Unterschiede? Stichwort 2 – Kunst in der Psychiatrie Schon im frühen 20. Jahrhundert begannen gestalterische Ausdrucksformen, die von Menschen mit psychischen Problemen entstanden sind, zu faszinieren. Der Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn veröffentlichte 1922 sein erstes und einflussreichstes Werk, das Buch «Bildnerei der Geisteskranken». Aufgabe vor dem Museumsbesuch: In Kunstbüchern und im Internet recherchieren, was über Hans Prinzhorn zu finden ist. Was hat er gesammelt? Was interessierte ihn? Stichwort 3 – Adolf Wölfli Hinter dem heute viel beachteten Werk von Adolf Wölfli steckt eine bewegte Biografie. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: In Kunstbüchern und im Internet nachlesen, wo Adolf Wölfli aufgewachsen ist, welches seine Stationen waren und wann sein Werk zum ersten Mal Beachtung fand. Weshalb fasziniert das Werk von Adolf Wölfli wohl bis heute? 6 Ausstellung «Kunst oder was?» erkunden Vorschlag 1 – Erster Eindruck Alleine, einen oberflächlichen Blick durch den Gang und die 3 Ausstellungsräume schweifen lassen und einzelne, spontane Begriffe auf einen Papierstreifen schreiben. Alle Papierstreifen ordnen und gemeinsam untersuchen, wo Überschneidungen und wo gegensätzliche Aussagen zu finden sind. Vorschlag 2 – Ein Bild oder Objekt unter der Lupe In einer Kleingruppe, zu zweit oder zu dritt ein einzelnes Objekt oder ein Bild auswählen. Was ist zu sehen? Wie ist das Objekt oder Bild entstanden? Welche Materialien waren notwendig? Welche Gedanken löste das Werk aus? Das Werk vorstellen und die wichtigsten Feststellungen mitteilen. Vorschlag 3 – Kunst oder nicht Kunst? Mit zwei Textstreifen ausgerüstet in der Ausstellung nach passenden Werken suchen; ein Werk erhält die Zuschreibung «fasziniert», ein Werk die Bezeichnung «fasziniert nicht». In der Kleingruppe untersuchen und begründen, weshalb ein Werk beeindruckt oder eben nicht. Welches sind die Kriterien für Kunstwerke die faszinieren? Die ausgewählten Werke vorstellen und begründen. Ev. lassen sich Kriterien ableiten für Kunstwerke, die faszinieren. Vorschlag 4 – Stimmungen Es wird angenommen, dass Menschen, die in der psychiatrischen Klinik malen und gestalten bestimmte emotionale Zustände in ihren Werken zum Ausdruck bringen. Zu zweit oder zu dritt auf die Suche nach einem Werk gehen, das in besonderer Weise einen Gefühlszustand auszudrücken scheint. Welche Gefühle drückt das Werk aus? Mit welchen Mitteln und Symbolen sind die Gefühle dargestellt? An einem konkreten Beispiel, die ausgedrückten Gefühle im Werk deuten. Vorschlag 5 – Objekte erzählen Geschichten Alleine oder zu zweit in der Ausstellung ein Objekt suchen, das anregt, den Inhalt zu entschlüsseln. Was ist dargestellt? Gibt es Personen, Symbole, Zeichen, Worte? Wie sind die Farben? Ist eine Handlung, ein Geschehen dargestellt? Welche Stimmung geht vom Werk aus? Über das Werk erzählen oder vorlesen. Vorschlag 6 – Geschichte erfinden Alleine oder zu zweit in der Ausstellung ein Bild suchen, das die Fantasie anregt, eine Geschichte zu erfinden. Wie beginnt die Geschichte? Welche Rolle spielen die Gegenstände, Symbole und Farben im Bild? Welche Figuren sind sichtbar und wie stehen sie zueinander? Was passiert? Was ist im Hintergrund, was im Vordergrund? Was ist der Hauptgegenstand, die Handlung? Welches sind die wichtigen Nebensächlichkeiten? Wie endet die Geschichte? Die Geschichte erzählen oder vorlesen. 7 Praktische, gestalterische Vertiefung Im Atelier – 1 Fortsetzung… Material: flüssige Farbe, Malkarton, Wasserglas, Zeichnungspapier A 3, A 2, A 1 und Papierbogen Weltformat Werkzeug / Hilfsmittel: Pinsel Eindrücke aus der Ausstellung mit Pinsel und Farbe weiter führen. Im Atelier – 2 Input / Output Material: Zeichnungspapier A 3, A 2, A 1, farbiges Papier, flüssige Farbe, Farbkarton, Wasserglas, Karton, Modelliermasse Werkzeug / Hilfsmittel: Pinsel, Schere, Leim, Modellierwerkzeug, Filzstifte. Ein Werk, ein Thema, eine Ausdrucksform, die besonders beeindruckte in eigener Version, in eigener Interpretation darstellen. Im Atelier – 3 Mein Thema Material: Zeichnungspapier A 5, A 4, A 3, A 2, A 1, farbiges Papier, flüssige Farbe, Farbkarton, Wasserglas, Karton, Modelliermasse, Zeitschriften Werkzeug / Hilfsmittel: Schreibstifte, Filzstifte, Kugelschreiber, Pinsel, Schere, Leim, Modellierwerkzeug, Filzstifte. Sich überlegen, was gerade im Moment aktuell ist oder was einen beschäftigt. Dieses Thema in frei gewählter Form mindestens in drei Variationen ausdrücken. Im Atelier – 4 Spiegelbild Material: Kartonunterlage, Zeichnungspapier A 3 auf Kartonunterlage geklammert, Kalkpapier Werkzeug / Hilfsmittel: Bleistift, Wachskreiden, Neocolor Zu zweit Rücken an Rücken sitzen. Beide beginnen ohne zu reden mit einem ersten Bild auf das Zeichnungspapier. Dies kann ein Gegenstand sein, eine Erinnerung, ein Raum, ein Symbol, ein Tier, eine Figur… Nach jeweils 10 bis 15 Minuten werden die Bilder ausgetauscht. Über jedes Bild wird ein Blatt Kalkpapier gelegt. Darauf wird weitergezeichnet, Details verstärkt, verändert, Neues hinzu gefügt... mit Respekt und Einfühlungsvermögen. Nach 5 bis 6 Durchgängen werden die Bilder in 2 Bildreihen ausgelegt. Austausch über diese Arbeitsweise und den Prozess. 8
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