Das Publikum im Dialog mit • • Prof. Dr. Ingo Froböse Prof. Dr. Christoph Klotter Anke Feller Dankeschön Prof. Dr. Klotter. Und jetzt darf ich auch Herrn Prof. Froböse noch einmal mit nach oben bitten. Wir möchten Ihnen jetzt die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen. Was sind Ihre Vorstellungen? Wir haben ja ganz, ganz viele Menschen, die als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren fungieren - die mit Gruppen in Sportvereinen oder an Schulen arbeiten usw. - was sind Ihre Visionen? Wie muss in den Bereichen Ernährung und Bewegung das Zusammenspiel laufen? Wo kann es hingehen? Prof. Dr. Ingo Froböse Ja, wenn wir das alles so wüssten, wo es so hingehen könnte. Es ist ja so, dass wir seit vielen Jahren verschiedenste Strategien haben. Sie haben es gerade beschrieben, es werden enorme Ressourcen hineingesteckt in Dinge, wo wir möglicherweise vermuten, dass etwas funktioniert. Herr Prof. Klotter, Sie haben es gerade relativ schön gesagt, der Mensch bzw. das Individuum steht im Mittelpunkt. Das Individuum arbeitet immer gemeinsam in einer sozialen Situation, in einer Umweltsituation. Diese Umweltsituation bestimmt letztendlich sein Verhalten und seine Prägung und auch das, was wir unter Gesundheit verstehen. Dementsprechend ist es ganz wichtig, dass wir diese Top-Down-Geschichte, die wir im Kopf haben – nach dem Motto: wir regeln alles von oben, es nicht funktionieren kann. Gesundheit oder insgesamt Lebensqualität, wenn man es einmal unter dieses Synonym fassen würde, entwickelt sich immer von unten heraus. Und von unten heraus das heißt aus der jeweiligen Gruppe heraus. Die Gruppe ist so individuell, dass sie an sich keine Vorgaben von uns braucht, andererseits aber vielleicht eine gewisse Moderation von uns benötigen würde. Und Moderation heißt, moderierend Wege aufzuzeigen, die dann individuell gefunden werden müssen. Diese sollte am besten von der Politik unterstützt werden. Anke Feller Eine Frage an Sie Herr Prof. Klotter: Es gibt immer wieder neue Erkenntnisse, neue Studien, welche Ernährung wie sinnvoll ist, was sie bewirkt, was gerade besonders angesagt ist. Das ändert sich im Laufe der Zeit relativ schnell. Diese Tatsache führt auch zu einer gewissen Verunsicherung. Jetzt ist zum Beispiel eine besondere Diät als Trend angesagt. Die prozentuale Verteilung, wie viel Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße wir pro Tag einnehmen, unterliegt immer einem stetigen Wandel – d.h. wir können uns darauf nicht fest einstellen. Diese Verunsicherung ist kein guter Zustand. Was würden Sie da entsprechend den Teilnehmenden der heutigen Regionalen Fachkonferenz raten? Was sollen sie da propagieren? 1 Prof. Dr. Christoph Klotter Ich würde vorschlagen, sich ein gegen diese ganzen tausend Ratschläge ein bisschen zu immunisieren. Die machen doch sonst verrückt. Ständige Widersprüche, es gibt zu jedem Lebensmittel ein Gefahrenpotential, dass es gefährlich oder ungesund ist etc. Fencheltee für Kleinkinder ist total gefährlich, das ist absurd. Es sind immer einzelne Studien, die solche Sachen belegen. Essen Sie das, was Ihnen schmeckt. Seien Sie offen, essen Sie abwechslungsreich und alle anderen Dinge sind relativ schlecht evidenzbasisert, das heißt das Essen lädt ein zu Sektenbildung, zu Ideologien und jeder rät etwas anderes. Damit meine ich, dass Essen heute ein Teil der Identitätsbildung ist. Wenn ich Rohkostler bin, dann habe ich meine Identität über die Rohkost. Das ist ja gut und nett, aber darüber muss ich keinen Krieg führen. Prof. Dr. Ingo Froböse Das Essen ist ja leider zur Nahrungsaufnahme verkommen. Im Augenblick sehr stark, indem wir bestimmte Vitamine zu uns nehmen, bestimmte Mineralien diskutieren. Aber Essen ist Kultur und Essen sollte auch immer Kultur bleiben. Und wir ‚hypen’ es ein bisschen, gerade in die Richtung, dass wir es als ganz großen Einflussfaktor für unsere Gesundheit betrachten, daher hat es sicherlich auch eine bestimmte Größe. Ich glaube, dass wir uns zu stark beeinflussen lassen. Prof. Dr. Christoph Klotter Noch ein Wort dazu: Es gibt eine wunderbare Studie aus Norwegen, die sagt, wenn Kinder partizipativ beteiligt werden, wenn sie sozusagen mitentscheiden können im Alter zwischen 3 und 5, was sie essen, wie es zubereitet wird, wenn sie mitkochen, dann haben sie 20 Jahre später als junge Erwachsene eine bessere Ernährung, einen besseren Gesundheitsstatus. Es geht weniger um den einzelnen Inhaltsstoff, sondern um die Komposition und Spaß am Essen und nicht darüber, dass wir alles quantitativ bestimmen. Das ist gesund, das andere ist ungesund, das führt in einen Gesundheitswahn hinein. Prof. Dr. Ingo Froböse Vielleicht als Ergänzung noch: Grundsätzlich ist das so, dass wir das Essen als wunderbare Schraube gefunden haben, um unser Gesundheitsverhalten, welches wir haben und auch haben wollen, in den Mittelpunkt zu rücken. Essen ist ein wunderbares Konsumgut. Ich kann nämlich über bestimmte Dinge, dass ich etwas kaufe, das andere nicht kaufen, bestimmte Verhaltensregeln erkennen nach dem Motto: Das hast Du wieder gut gemacht, einen Apfel zu kaufen und zu essen. Das war gesundes Verhalten. Das ist es aber nicht. Denn es ist letztendlich nicht das Kaufen des Konsumgutes, sondern Gesundheit, Lebensqualität, Lebensstil hat immer etwas mit Handeln zu tun, mit Selbstmachen und gestalten. Dementsprechend ist die Bewegungsreduktion, die Bewegungsinaktivität, das viel größere Problem. Wenn ich alles verbrennen würde, ist es fast egal, ob ich nun eine Grünkernschnitte oder einen Sauerbraten esse. Denn ich verbrenne es ja fast. Wenn ich es aber nicht verbrenne, wird es irgendwo gespeichert und gebunkert. 2 Anke Feller Wo müssen wir denn da genau ansetzen? Da muss man doch schon viel, viel früher ansetzen, oder? In den Kindergärten, sollte sich da schon etwas tun? Ist das vielleicht auch Ihre Vision, welche Sie sich wünschen würden? Prof. Dr. Ingo Froböse Ich habe eben von dem Bewegungsvirus gesprochen. Ich habe den als Kleinkind irgendwann implantiert bekommen. Sie vielleicht auch? Das erlebe ich immer mehr, dass die Kinder den nicht mehr haben. Oder die Erwachsenen auch nicht mehr haben. Wir machen ganz viel über Vorbilder. Vorbilder fehlen uns. Ich würde mir mehr Ministerinnen wünschen, die morgens laufen würden. Ich könnte mir unsere Bundeskanzlerin auch einmal joggend vorstellen. Bewegungsvirus heißt für mich, ich muss das Gefühl wieder bekommen, dass Bewegung zum Leben gehört. Reize, Stimulus gehören zum Leben. Einer meiner Sprüche heißt ja immer, wer sich keine Zeit für seine Bewegung nimmt, wird sich ganz viel Zeit für seine Krankheiten nehmen müssen in Zukunft. Und so ist es auch. Anke Feller Und das wollen wir nicht! Prof. Dr. Ingo Froböse Das wollen wir eben nicht! Anke Feller Genau. Noch eine Antwort und dann wollen wir unseren Teilnehmenden noch die Möglichkeit geben, Fragen an Sie zu stellen. Prof. Dr. Christoph Klotter Es ist vorhin schon angeklungen. Die Verhältnisprävention, die Bewegungsräume schaffen will und nicht zu sagen, Du bist faul, Du läufst nicht. Wir haben eine bewegungsarme Umwelt, das Sanitary Lifestyle ist unser Leben. Wenn wir davon sprechen, sollten wir nicht sagen, Du musst mehr laufen, sondern wir schaffen Bewegungsräume, wo es möglich ist, etwas zu machen. Anke Feller Also einfach einmal häufiger die Rolltreppen abstellen und die Kollegen ein paar Etagen wandern lassen. Da müssen echte Vorbilder her und über Leitungsfunktionen solche Maßnahmen auch ins Leben gerufen werden. An das Publikum gerichtet: Sie haben jetzt die Möglichkeit, Fragen an unsere beiden Experten hier vorne auf der Bühne zu stellen? Die dürfen Sie jetzt sehr, sehr gerne stellen. Publikumsaussage: Es ist einfach stimmig, das was gesagt wurde. 3 Anke Feller Das ist doch wunderbar, das ist doch schön. Kompliment für die beiden. Publikumsfrage: Ich würde gerne ganz kurz von meiner Schule erzählen. Wir sind auch auf einem sehr guten Weg. Wir haben auch den Schulenentwicklungspreis „Gute gesunde Schule gewonnen“, wir sind ein Berufskolleg. Sie können sich vorstellen, dass es etwas schwieriger ist im Berufskolleg dieses Konzept umzusetzen, als vielleicht in einer Grundschule im Ganztag. Aber wir haben auch Ganztag. Wir haben das Projekt Ganztag in gesunder Schule – wir machen das mit den Friseurinnen und Friseuren. Auch hier ist klar, diese Gruppe ist nicht unbedingt motiviert, viel Bewegung zu machen, das wissen wir alle. Wir haben viele verschiedene Ausbildungen, aber auch vollzeitschulische Bildungsgänge. Wir haben es inzwischen geschafft, dass wir nicht nur eine Mensa haben, wo nur wenige sitzen, sondern die auch gefüllt ist. Wir setzen den Schülern auch keine Menüs vor, sondern die stellen sich ihr Essen selbst zusammen. Sie haben ein Salatbuffet. Wir haben 2 Menüs zum Auswählen und im wunderschönen Schülercafé eine PC-Ecke, wo die Schüler sich auch hinsetzen. Seit einem Jahr haben wir das und es ist noch nie irgendwie Schmutz gekommen oder irgendwie verunreinigt worden. Was wir auch gemacht haben: Bewegung ist ja ein wichtiger Punkt für uns. Wie schaffen wir das, in einem Berufskolleg? Wir haben vollzeitschulische Bildungsgänge. Wir haben aber auch diejenigen, wie die Friseure und Friseurinnen zum Beispiel, die nur an einem Tag kommen. Wir machen regelmäßig einen Sponsorenlauf. Wir laufen für ein bestimmtes Ziel, nämlich für Afrika. Wir haben dort eine Partnerschule. Was ich sagen will, wir sind lange nicht dort, das will ich nur allen zur Motivation geben. Kinder, die bewegen sich sofort, lassen Sie kleine Kindergartenkinder in eine leere Halle rein, die fangen an zu rennen, das legt sich später. Wenn die Schüler zu mir in die Sporthalle kommen, dann setzen die sich erst einmal. Danke. Anke Feller Als Zusammenfassung: Wir müssen Visionen haben und wir müssen auch Gedankengänge haben, wir müssen es angehen und Möglichkeiten bieten. Die verschiedenen Möglichkeiten werden vermutlich sehr, sehr schnell aufgegriffen werden und entsprechend, wenn wir diesen Bewegungsvirus von dem Prof. Dr. Froböse auch gesprochen hat, einfach in uns implementiert haben, dann hat das Ganze auch Zukunft. Keine weiteren Fragen? Publikumsappell: Rückmeldungen zu den beiden Vorträgen, die inhaltlich wirklich sehr rund für uns waren und zwar für diejenigen, die in diesen Bereichen schon seit Jahren tätig sind. Es gab eine Menge Projekte, die angestoßen wurden – teilweise auch von Ministerien in der Pilotphase finanziert. Das eigentliche Problem, um auf Ihre Frage zu antworten, was eigentlich zu tun ist. Ein Appell an Ministerien. Es ist doch wichtig, wie wir das Thema an die Schulen und Kindergärten bringen. Das System muss es wirklich aufgreifen, es wäre schade, wenn es in privater Initiative verbleibt. Bis jetzt tragen sich diese Projekte, nachdem sie meinetwegen 4 finanziert wurden, dann in der Verstetigung privat selbst, meistens über soziale Einrichtungen. Es kann es doch nicht sein, dass es im Gießkannenprinzip weiter geht. Es fängt oft mit der Initiative Einzelner an, aber es muss in das System, in den Bildungsauftrag. Anke Feller Ganz klarer Appell an dieser Stelle, genau! Publikumsfrage Ich arbeite im Bereich Gesundheitsförderung für einen Verein, der Projekte zur Gesundheitsförderung in Kitas, in Schulen, in Bildungsträgern initiiert. Wir sind natürlich angewiesen auf Sponsoren. Aber mal eine ganz andere Frage an dieser Stelle! Sie haben viel über die aid-Ernährungspyramide erzählt, über Zwischenmahlzeiten und entsprechend kritische Äußerungen dazu gemacht. Diese aid-Ernährungspyramide mit Zwischenmahlzeiten ist ja das, was in unseren Einrichtungen empfohlen wird. Meine konkrete Frage: Sind Zwischenmahlzeiten nun angesagt, ja oder nein? Wenn nein, warum nicht? Ein anderer Punkt: Essen, was Spaß macht. Wenn ich aber eine Empfehlung an Kitas geben soll, an die entsprechenden Erzieher und Erzieherinnen oder an die Lehrkräfte an den Schulen, die mit der Pyramide arbeiten. Welche Empfehlungen gebe ich dann? Essen muss ja nach irgendwelchen Richtlinien gehen. Die Pyramide war eigentlich eine gute Richtlinie dafür. Steht die jetzt zur Diskussion? Wenn ja, wo finde ich Informationen dazu? Und welche Informationen kann ich weitergeben? Prof. Dr. Christoph Klotter Was ich sagen wollte, ist sozusagen, dass die Ernährungspyramide alleine nicht ausreicht. Das Konzept ist eine gute Grundlage. Aufklärung ist immer etwas, was mit einem Plus ergänzt werden muss. Die ganzen empirischen Studien sagen relativ gut, alles was Gesundheitsaufklärung ist, hat ganz geringe Erfolge. Es muss ergänzt werden um Kompetenz, um Handlung, Handlungsorientierung, dann sind Erfolge besser. Ich wollte sozusagen nicht Diskreditieren, wir versuchen im Augenblick die Pyramide zu evaluieren. Nichts gegen die Pyramide, nur nicht alleine, das Plus muss sein. Sorry, wenn ich es vielleicht etwas zu polemisch ausgedrückt habe, das wollte ich nicht. Anke Feller Dann zu den Zwischenmahlzeiten. Ich habe einen kleinen Sohn, der freut sich auch über diese Zwischenmahlzeiten. Der sagt mir zwischen dem Mittagessen und dem Abendessen so zwischen drei und halb vier, ich habe Kohldampf. Er braucht diese Zwischenmahlzeit eigentlich auch. Prof. Dr. Ingo Froböse Grundsätzlich ist es so, dass ich trotz allem kein großer Freund der Pyramide bin. Deswegen auch, weil sie mir viel zu starr ist. Weil sie viele Dinge einfach nicht berücksichtigt und manchmal auch systemische Fehler impliziert. Aber dies ist ein völlig anderes Thema. Was auf wissenschaftlicher Seite noch diskutiert werden muss, weil Vieles noch offen ist, was wissenschaftlich die Evidenz betrifft. Vieles ist wie hier einfach eine subjektive Einschätzung. Subjektive Einschätzung in dem Sinne, dass man sagt o.k. wir haben Regeln gefunden, die 5 wir aufstellen, die einen gewissen Sinn machen könnten. Mehr aber auch nicht. Und es ist noch nicht der Gegenbeweis dafür angetreten. Ich habe mich nie nach einer Pyramide ernähren müssen und Sie auch nicht. Und ich glaube, das ist auch nicht nötig. Das zweite sind die Zwischenmahlzeiten. Zwischenmahlzeiten sind natürlich in bestimmten Phasen des Lebens sinnvoll. Man hat sie eingeführt unter dem Aspekt, damit wir relativ viel an Ballaststoffen an Gemüse und Obst bekommen. Deswegen haben wir gesagt, o.k. wir verteilen das in etwa auf fünf Mahlzeiten auf den Tag. Dann sind die Portionen klein und so weiter und so fort. Aber das ist für mich keine Begründung, Zwischenmahlzeiten einzuführen. Die Einführung der Zwischenmahlzeiten dienen ausschließlich der Kompensation eines Defizites in anderen Bereichen der Ernährung; erstes Problem. Zweites Problem ist, dass ich noch nicht erkenne, welchen Sinn es machen sollte Zwischenmahlzeiten zu essen, wenn man Hauptmahlzeiten vernünftig gestaltet. Sie machen im Wachstum vielleicht temporär Sinn, könnte sein, aber in bestimmten Wachstumsphasen aber überhaupt nicht. Aufgrund von hormonellen Veränderungen, die sich aus Zwischenmahlzeiten ergeben, wie z.B. die Insulinmast als Argument. Ich bin immer der Meinung, dass wir aufgrund dessen, dass unser Energieverbrauch zu gering ist, wir nicht noch Zwischenmahlzeiten nutzen sollten, um dann noch mehr Mastprodukte in den Körper hineinzutragen und die Zellen weiter zu mästen. Wir entleeren sie nicht, also sollten wir sie auch nicht mästen. Anke Feller O.k. Weitere Fragen? Publikumsaussage Ich habe ein Problem in meiner Kita. Ich quäle jetzt mein Personal in die Richtung, dass es sich selbst gesund ernährt einschließlich der Kinder. Die Schwierigkeit sehe ich gerade bei ganz jungen Leuten, die bei uns anfangen, die nämlich genau in dieser FastfoodMaschinerie mit groß geworden sind. Das heißt ich muss schon beim eigenen Personal hohe Bildungsarbeit leisten. Dann habe ich das Dilemma, wenn ich die erste Hürde genommen habe, habe ich die Eltern auf meiner Gegenseite. Und zwar an dem Punkt, wenn sie von einem weichen Toast die Rinde abschneiden, damit das Kind dann nicht so schwer kauen muss. Daraus ergeben sich Sprachprobleme, das Thema haben wir also auch. Das heißt, wenn ich das dann wieder durchgezogen habe und ich dann vielleicht einen Schwung von Eltern endlich auf meine Seite gebracht habe, dann sehe ich die Bewegungskindergärten als eine Sondereinrichtung. Das heißt ich habe Kinder, die nicht mehr in der Lage sind, sich altersgerecht zu entwickeln und eine altersgerechte Leistung zu erbringen. Und jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Problem. Wenn so ein Industrieland, wie Deutschland, im Rahmen der Globalisierung der Wettbewerbsfähigkeit usw. Leistungen bringen muss und auch Leistung fordert, warum verdammte Hacke gibt es da nicht so etwas, wie einen TÜV für Lebensmittel, der nur bestimmte Dinge überhaupt nicht auf dem Markt zulässt? Warum ist dann ständig diese Versuchung da, sich mit solchen Nahrungsmitteln, ich sage einmal voll zu dröhnen und dass dann der ständige Kampf an den Bildungseinrichtungen liegt, den 6 Eltern gegenüber zu erklären, Leute lasst das, das ist böse. Wenn das böse ist, warum ist es dann überhaupt in diesen Märkten noch vertreten? Anke Feller Natürlich! Prof. Dr. Christoph Klotter Das klingt gut, ist aber eine Gesundheitsdiktatur, was Sie vorschlagen. Und unser ganzes Leben ist durchreglementiert und erfüllt von Zwängen. Max Gebert spricht vom stahlharten Gehäuse der Moderne. Jetzt wollen Sie sozusagen das letzte Refugium, was wir haben, die Ernährung auch noch unter Staatskartell stellen. Das finde ich extrem problematisch. Ich setze auf den mündigen Bürger, auf den mündigen Konsumenten und diese Kraft ist zurzeit zu stärken. Weiterhin müssen wir die Ernährungskompetenzen der Bürger und Bürgerinnen stärken. Selektion durch den Staat lehne ich grundsätzlich ab. Anke Feller Und Nachfrage bestimmt den Markt. Gibt es noch weitere Fragen? Publikumsäußerung Es geht im Grunde auch auf die Anregung des Kollegen von vorhin. Ich denke, dass es ein Problem ist, wenn wir ganz viele Informationen gar nicht bekommen, die wir über die Ernährung bekommen könnten. Als Stichwort möchte ich zum Beispiel die Lebensmittelampel nennen, die da irgendwann einmal im Gespräch war, dann wieder vom Tisch ist. Sehr witzig fand ich persönlich letzte Woche, dass dieser Geflügelskandal so durch die Medien gegangen ist, das weiß man doch. Also ich denke, wenn man sich für die Ernährung interessiert, dann weiß man, dass diese Sachen passieren und dass diese Situationen so hoch gebauscht werden, das grenzt ja wirklich schon ein bisschen an Verdummung. Anke Feller Eine weitere Anmerkung von Ihnen? Publikumsfrage Ich habe eine Frage eigentlich an beide. Und zwar habe ich aus dem Vortrag von Prof. Froböse mitgenommen, ich soll mich mehr bewegen und auf der anderen Seite habe ich von Prof. Klotter mitgenommen das Lebensumfeld ist entscheidend. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich bin Ernährungsberaterin in Russland und mein Umfeld bewegt sich nicht. Wie kriege ich dann beide Empfehlungen unter einen Hut? Ich muss auf der einen Seite den inneren Schweinehund ja doch motivieren, habe aber diese lebens- oder gesundheitsfeindliche Umwelt. Da hätte ich gerne einmal eine Handlungskompetenz von Ihnen. Prof. Dr. Christoph Klotter Sie haben gerade versucht, unsere Intelligenz zu messen. Das ist eine sehr gute Frage. Ein Paradox, das machen wir daraus. Natürlich können wir nicht sagen, die sozialen Bedingungen schaffen alles, dann lassen wir es sein und gehen nach Hause. Aber es gibt 7 doch wunderbare Modelle der begleitenden Motivationssteigerungen. Es gibt motivationspsychologische Modelle von Öttingen, Gollwitzer, Demme, das transtheoretische Modell der Verhaltensänderung von Prochaska, die sehr hilfreich sein können, jemand zu begleiten. Eine eigene Motivation zu entwickeln. Das würde ich Ihnen an diesem Punkt sagen. Anke Feller Zwei Fragen noch und dann kommen wir auch langsam zum Ende. Publikumsaussage Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es wichtig ist, dass Kinder und auch manche Erwachsene besseres Essen auch trainieren. Also, dass dies nicht eben einmal so eine Geschichte ist, die man sich anhört, wo man über Nahrungsmitteldichte irgendwas erfährt, sondern dass das wirklich eine Trainingssache ist. Und dass es auch vor allen Dingen eine Sache des Genusses ist, das haben Sie eben auch angesprochen. Aber manchmal geht Menschen das Wissen über das Genießen auch verloren, weil manchmal die Bedingungen so sind, dass man sich nicht mehr mit dem Essen beschäftigt, weil es einem nicht mehr wert genug ist. Wenn man sich wohlmöglich selber nicht mehr genug wert ist, Essen selber zu machen oder Essen selber einzukaufen. Und das ist eine Geschichte, die kann man schon sehr früh in Kindergärten und auch in Grundschulen Kindern mit auf den Weg geben, das kann dann auf gar keinen Fall eine Eintagsfliege sein, sondern das muss eine Geschichte sein, die lange Zeit eine Wirkung haben und entfalten kann. 2 Jahre, denke ich, muss man da schon einplanen, damit Kinder und auch Eltern und Erzieher die Möglichkeit haben, Essen als Genuss zu trainieren und zu erleben. Anke Feller Dankeschön Prof. Dr. Ingo Froböse Ich sage nur kurz etwas dazu. Wenn das Umfeld eine gute Ernährung hat, haben diese die Kinder automatisch auch. Das muss man nicht trainieren, das ist Selbstverständlichkeit. Anke Feller Genau. Und die abschließende Frage noch von Ihnen bitteschön. Publikumsfrage Claudia Werling, ich bin ernährungsmedizinische Beraterin und arbeite momentan in einem Projekt des Kreises Olpe, was heute Nachmittag von unserer Amtsärztin noch vorgestellt wird. Ich arbeite zurzeit in 12 Kindergärten und 6 Grundschulen genau zu dieser Problematik. Ich muss schon sagen, auch wenn Herr Prof. Froböse gegen die Zwischenmahlzeiten ist, dass für Kinder, um sie vernünftig an einen Zeitablauf zu gewöhnen, die Zwischenmahlzeiten doch ganz ratsam sind. Denn wir haben ganz viele Kinder in den Kindergärten und in den Grundschulen, die kommen morgens entweder ohne Mahlzeit oder nur vielleicht mit einem Getränk und sollten dann erst einmal bzgl. des Essens gefördert werden. Die Kinder, die kleinen noch, wir haben ja immer zunehmend kleinere Kinder, 8 können auch nicht so viel auf einmal essen und wenn die nachmittags noch einmal eine Obst oder Joghurtmahlzeit haben, denke ich, ist dagegen nichts einzuwenden. Was Herr Prof. Klotter sagt, das kann ich nur unterstützen. Einfach das Unterstützen und das Lernen des Genusses sind ganz wichtig. Die Kinder freuen sich, wenn sie etwas selber herstellen und dann in der Gruppe zusammensitzen und das gemeinsam essen können, das kennen viele unserer Kinder leider nicht mehr. Der eine ißt im Stehen, der andere vor dem PC. Die Kinder sitzen häufig alleine und das macht sehr viel aus, egal, ob jetzt mit oder ohne Pyramide. Die aid-Ernährungspyramide ist ein sehr guter Leitfaden und wir benutzen sie auch weiter. Wir möchten uns stärker informieren und unser Wissen ausbauen und sollte die Pyramide nicht verdammen. In den Einrichtungen, in denen wir sie verwenden und gebrauchen, denke ich, sind sie gut angebracht. Prof. Dr. Ingo Froböse Ich gebe Ihnen Recht, man braucht eine Orientierung. Nur wir verwalten auch ein Defizit, indem wir Dinge kompensieren, die wir als Träger möglicherweise gar nicht kompensieren müssten. Wir hätten ja einen anderen Auftrag. Da er aber zuhause in der Familie zum Beispiel nicht geleistet wird, muss ganz viel auf die Einrichtung übertragen werden, das ist unser Grundproblem. Dementsprechend heißt das, dass wir uns auch in Strukturen einbinden lassen „müssen“, die für die Biologie eher suboptimal sind. Und das, was ich Ihnen beschrieben habe, ist, dass Zwischenmahlzeiten nicht unbedingt zur Biologie gehören. Das braucht der Organismus nicht. Ich gebe Ihnen Recht, wir verwalten Defizite unter dem Aspekt, dass Kinder bestimmte Dinge nicht mehr erfahren, nicht mehr erhalten, das ist ein Aspekt ja – d’accord. Anke Feller Ihnen allen ganz, ganz herzlichen Dank und Ihnen beiden ganz besonders Prof. Dr. Froböse und Herr Prof. Dr. Klotter ganz, ganz lieben Dank. Wir haben viel über Theorie gesprochen, wie es so in der Praxis aussieht. Wir machen jetzt wirklich Praxis. Und wer vielleicht bei einer der ersten beiden Regionalen Fachkonferenzen schon mit dabei war, der weiß, wenn es um eine bewegte, aktive Pause geht, da gibt es keinen besseren Mann, als der Bewegungsanwalt, der uns alle hier so ein bisschen in Schwung bringen wird. Er hat schon einen Stuhl mitgebracht, er kennt sich bestens aus. Vom der Rückenschule Hannover, herzlich Willkommen Ulrich Kuhnt. 9
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