Leben in der Megastadt: Wie die größten Städte der Welt

Allianz Risk Pulse
Leben in der Megastadt:
Wie die größten Städte der
Welt unsere Zukunft prägen
November 2015
LEBEN IN DER
MEGASTADT:
WIE DIE
GRÖßTEN
STÄDTE DER
WELT UNSERE
ZUKUNFT
PRÄGEN
30. November 2030: Wer hat sich nicht schon mal
Gedanken gemacht, wie das Leben in Zukunft aussieht.
Stellen Sie sich vor, Sie würden in einer modernen
Megacity wohnen, mit vielen Millionen anderen
Menschen. Was hätte sich im Vergleich zu heute
verändert? Oft sind es die alltäglichen, unscheinbaren
Dinge, die am Ende am meisten ins Gewicht fallen.
Springen wir also in das Jahr 2030. Wenn Sie früher
nach dem Aufstehen vielleicht nur E-Mails und Posts auf
ihrem Smartphone kontrolliert haben, werfen Sie heute
zusätzlich einen Blick auf den Wandmonitor. Der sagt
Ihnen: Akku für die Wohnung zu 80 Prozent geladen. Die
Sonnenkollektoren und die Algenbioreaktoren, die sich
auf dem Dach Ihres Hochhauses befinden, funktionieren
problemlos. Es gibt auch genügend Wasser – aufgefangen
während des Regengusses in der vergangenen Nacht.
Sie schauen aus dem Fenster: Seit das neue Gesetz zur
Dachbegrünung in Kraft getreten ist, hat sich der Ausblick
deutlich verbessert. Dabei fällt Ihnen ein, dass das Gemüse
im gegenüberliegenden Wolkenkratzer reif zur Ernte ist.
Was waren das noch für Zeiten, als Gemüse und Obst
ausschließlich vom Land kamen. Heute erstrecken sich
die Felder über verschiedene Stockwerke in sogenannten
vertikalen Farmen.
1
Es ist ein strahlend schöner Herbstmorgen. Allerdings
droht an solchen Tagen auch eine besonders hohe
Luftverschmutzung. Deshalb hat das intelligente
Verkehrsmanagementsystem der Stadt den privaten
Autoverkehr beschränkt. Das macht aber nichts. Mit dem
Rad zum Bahnhof zu fahren, hält fit. Bevor Sie losfahren,
leeren Sie noch Ihren Müll aus: Lebensmittelabfälle in
den Kompostschacht, den Rest in den Schacht für das
örtliche Heizkraftwerk.
Draußen radeln Sie an selbstfahrenden Autos vorbei,
die für ältere Mitbürger reserviert sind. Mittlerweile sind
15 Prozent der Weltbevölkerung über 60 Jahre alt.1 Hin
zum nächsten Nahverkehrsanschluss nehmen Sie einen
Weg, der komplett aus Sonnenkollektoren besteht.
Anschließend passieren Sie eine Baustelle, auf der mit
Hilfe von 3D-Druckern ganze Wohnblocks entstehen. Als
Sie am Bahnhof ankommen, entscheiden Sie sich doch
für den Schnellbus. Die Magnetschwebebahn, die Sie
eigentlich nehmen wollten, ist zwar noch schneller, doch
heute völlig überfüllt. Während der Bus an den langen
Verkehrsstaus vorbeibraust, lehnen Sie sich in Ihrem
Sitz zurück und bereiten sich ganz entspannt auf einen
neuen Tag in der Megacity vor.
UN, 2014. Population Facts No. 2014/4 – Population ageing and sustainable development www.un.org/en/development/desa/population/publications/pdf/popfacts/PopFacts_2014-4.pdf
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Von Städten zu Megastädten bis hin zu Gigastädten
Heute lebt bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung
in Städten.2 Und dieser Trend setzt sich fort: 2030 werden
es schon zwei Drittel sein. Die meisten dieser Stadtgebiete
werden in den Industrieländern Nordamerikas (82 Prozent
der Gesamtbevölkerung), in Lateinamerika und den
Karibikstaaten (80 Prozent) sowie in Europa (73 Prozent)
liegen. Auch wenn große Teile Afrikas und Asiens immer
noch ländlich geprägt sind, gehören die Städte in diesen
Regionen zu den am schnellsten wachsenden der Welt.
Es gibt immer mehr Megacitys, also Städte mit mehr
als 10 Millionen Einwohnern. Die Urbanisierung
schreitet immer schneller voran. Schon gibt es eine
neue Kategorie: Gigacities. Damit sind Megapolen mit
mehr als 50 Millionen Einwohnern gemeint. Das ist eine
kaum vorstellbare Zahl, und doch schon Realität – zum
Beispiel in China: In einigen Jahren wird es dort vier
Ballungszentren geben, die zusammen mehr Einwohner
haben als ganz Deutschland. Im Großraum Shanghai
könnten 2020 möglicherweise über 170 Millionen
Einwohner leben.3
Diese extreme Konzentration an Menschen stellt eine
große Herausforderung dar, insbesondere im Bereich der
nachhaltigen Entwicklung.4 Nach Angaben der Vereinten
Nationen nehmen die größten Städte der Welt nur
zwei Prozent der weltweiten Fläche ein, sind aber für 70
Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.5
Wie schaffen wir ein Gleichgewicht zwischen Wachstum,
Lebensqualität und Klimaschutz? Wie muss die Stadt
der Zukunft aussehen, um lebenswert zu sein? Es gibt
kein Patentrezept, aber zahlreiche interessante Ideen
und Ansätze für die Bewältigung der drängendsten
Herausforderungen im Bereich Demografie und
Mobilität. Dieser ‘Allianz Risk Pulse’ nimmt sie etwas
genauer unter die Lupe.
Warum Megacitys so bedeutsam sind
„Wie wir in Zukunft leben, entscheidet sich in
Megastädten. Dort entstehen die Trends von morgen“,
prognostiziert Axel Theis, Vorstandsmitglied der
Allianz SE. „In den großen Metropolen zeigt sich, wohin
der Städtebau steuert; aber auch wie man Verkehr,
Energieversorgung, Kultur und Wirtschaft organisiert.
Die Allianz wird bei der urbanen Entwicklung eine
wichtige Rolle spielen, da sie ihre Kunden in die Megacitys
begleitet. Durch die sich wandelnden Lebensbedingungen
entstehen neue Bedürfnisse, die wir als Versicherer
bedienen müssen. Dieses Verständnis verpflichtet uns
zum Handeln. Insbesondere was das Risikomanagement
von Naturkatastrophen, sowie die Unterstützung von
Infrastrukturprojekten und Klimaschutz angeht.“
Aber die Herausforderungen sind enorm – ebenso wie die
Dimensionen: 1950 gab es nur zwei Ballungsräume mit
über 10 Millionen Einwohnern – New York und Tokyo. 2015
sind es schon 29, davon liegen 16 in Asien. Bis 2030 liegt die
Zahl bei 41 (siehe Abbildung 1).
Megacitys sind eine Liga für sich. 2010 lebten in ihnen 6,7
Prozent der Weltbevölkerung. Genauso hoch war auch
ihr Energieverbrauch. Dabei verbrauchten sie drei Prozent
des globalen Süßwassers.6 In ihnen wurden jedoch
14,6 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes
generiert. Die mächtigsten Megacitys – New York,
London, Tokyo und Paris – verfügen über eine größere
Wirtschaftskraft als die meisten Länder. New York trägt mit
1,4 Billionen USD und London mit 836 Milliarden USD zur
Gesamtwirtschaftsleistung bei.7 Der OECD zufolge ist es
nur eine Frage der Zeit, bis die wirtschaftliche Stärke vieler
Riesenstädte größer ist als die der meisten OECD-Länder.8
In den Megacitys konzentrieren sich Chancen, Talente und
Investitionen. Ein großer Teil des geschätzten verwalteten
Vermögens von 100 Milliarden USD dürfte bis zum Jahr
UN, 2014. World Urbanization Prospects. Highlights. 2014. 3 www.welt.de/wirtschaft/article139351977/Mega-City-China-baut-schon-an-Giga-Staedten.html
UN, 2014. World Urbanization Prospects. Highlights. 2014. 5 UN HABITAT, 2014. Hot Cities: battle ground for climate change.
6
Kennedy, Christopher A. et al., 2015. Energy and material flows of megacities. Proceedings of the National Academy of Sciences, vol. 112, no.19. www.pnas.org/content/112/19/5985.abstract
7
Citylab.com, 2015. Sorry, London: New York Is the World’s Most Economically Powerful City. www.citylab.com/work/2015/03/sorry-london-new-york-is-the-worlds-most-economically-powerful-city/386315/
8
OECD, 2015. The Metropolitan Century: Understanding Urbanisation and its Consequences. www.oecd.org/regional/regional-policy/the-metropolitan-century-9789264228733-en.htm
2
4
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2020 in den Wachstumsregionen umgesetzt werden. „Wir
rechnen damit, dass die Vermögenswerte insbesondere
in Asien noch weiter wachsen werden“, sagt Jay Ralph,
Vorstand der Allianz SE. „Bis Ende 2014 stammten 11
Prozent unseres für Kunden verwalteten Vermögens
aus dieser Region. Schon jetzt profitieren wir von der
steigenden Nachfrage einer immer größer werdenden
Zahl wohlhabender Anleger. Laut Schätzungen der OECD
wächst die Mittelklasse in Asien von heute etwa 500
Millionen bis 2020 auf 1,75 Milliarden Menschen. Ein
weiterer Trigger für das Wachstum wird die steigende
Nachfrage nach Altersvorsorgeprodukten sein, denn die
asiatischen Gesellschaften altern schnell.”
Aber in den Megastädten konzentrieren sich
nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. „Die
Entwicklung dieser Städte erfordert nicht nur enorme
Infrastrukturinvestitionen“, gibt Axel Theis zu bedenken.
„Die hohe Wertekonzentration in den Megacitys
führt automatisch zu Kumulrisiken – besonders bei
Betriebsunterbrechungen. Dies stellt eine große
Herausforderung für Versicherer dar, vor allem in von
Naturkatastrophen bedrohten Gebieten.“ Die meisten
Megacitys befinden sich in tiefer gelegenen Küstengebieten,
die die Folgen von Extremwetterlagen und Klimawandel
besonders zu spüren bekommen (siehe Kasten „Megacitys
von Überschwemmungen bedroht“, S.12).
Abbildung 1 Ausgewählte aktuelle und künftige Megacitys 2015 bis 2030
Moskau, Russland
12,1 Mio 12,2 Mio
Los Angeles, US
12,3 Mio 13,2 Mio
New York, US
18,5 Mio 19,8 Mio
Chongqing, China
13,3 Mio 17,3 Mio
Dehli, Indien
25,7 Mio 36 Mio
London, GB
10,3 Mio 11,4 Mio
Paris, Frankreich
10,8 Mio 11,8 Mio
Kairo, Ägypten
18,7 Mio 24,5 Mio
Bogotá, Kolumbien
9,7 Mio 11,9 Mio
Lagos, Nigeria
13,1 Mio 24,2 Mio
Mexiko-Stadt, Mexiko
21 Mio 23,8 Mio
LEGENDE
Aktuelle Megastädte
Sao Paulo, Brasilien
21 Mio 23,4 Mio
Luanda, Angola
5,5 Mio 10,4 Mio
Karatschi, Pakistan
16,6 Mio 24,8 Mio
Chengdu, China
7,6 Mio 10,1 Mio
Lahore, Pakistan
8,7 Mio 13 Mio
Bangkok, Thailand
9,2 Mio 11,5 Mio
Ahmedabad, Indien
7,3 Mio 10,5 Mio
Mumbai, Indien
21 Mio 27,8 Mio
Kinshasa, Kongo
11,5 Mio 20 Mio
Rio de Janeiro, Brasilien
12,9 Mio 14,1 Mio
Künftige Megastädte
Bevölkerung 2015
Tokyo, Japan
38 Mio 37,1 Mio
Shanghai, China
23,7 Mio 30,7 Mio
Manila, Philippinen
12,9 Mio 16,7 Mio
Hyderabad, Indien
8,9 Mio 12,7 Mio
Bevölkerung 2015
Bevölkerung 2030
Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
7,3 Mio 10,2 Mio
Peking, China
20,3 Mio 27,7 Mio
Johannesburg, Südafrika
9,7 Mio 11,9 Mio
Jakarta, Indonesien
10,3 Mio 13,8 Mio
Buenos Aires, Argentien
15,1 Mio 16,9 Mio
Bevölkerung 2030
Quelle: World Urbanization Prospects: The 2014 Revision
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Wachstumsmuster der Megacitys
Über 12 Prozent der globalen Stadtbevölkerung leben
schon heute in den 29 Megastädten. Das sind mehr als
470 Millionen Menschen.9 Tokyo (38 Millionen), Delhi
(25,7 Millionen) und Shanghai (23,7 Millionen) sind
die drei größten. Daran wird sich auch bis 2030 nichts
ändern. Allerdings werden in dieser Zeitspanne zwölf
weitere Megacitys entstehen, allein zehn davon in
Asien und Afrika. Die Megacitys in Afrika und Asien
sind die am schnellsten wachsenden Metropolen: Delhi,
Dhaka und Lagos werden jeweils um 10 Millionen
Einwohner wachsen. „Momentan ist das Wachstum der
Megacitys vor allem ein asiatisches Phänomen. Sechs
der zehn einwohnerstärksten Städte befinden in diesem
Teil der Erde“, ergänzt Ralph.
Im Gegensatz dazu vergrößern sich japanische,
amerikanische und europäische Megacitys kaum noch.
London, Paris und New York werden bis 2030 jeweils um
gerade einmal eine Million Bürger wachsen (siehe Abbildung
2). In Tokyo und Osaka geht die Bevölkerung zurück.
Alle Megacitys folgen demselben globalen Muster: Zum
einen schrumpft die Größe der Haushalte, gleichzeitig
steigt aber auch deren Zahl. Damit explodiert die
Nachfrage nach Wohnungen und Infrastruktur. Der größte
Wohnungsbedarf entsteht bis 2025 in Peking, Shanghai
und Tokyo.10 Dem drohenden Wohnungsengpass setzt
das chinesische Unternehmen Yingchuang New Materials
eine besonders innovative Lösung entgegen: mit Hilfe von
3D-Druckern sollen Häuser aus Bauschutt entstehen.11
Abbildung 2 Wachstum der 10 größten Megacitys plus London und Paris
40m
1. Tokyo
2. Dehli
35m
3. Shanghai
4. Sao Paulo
30m
5. Mumbai
6. Mexiko-Stadt
25m
7. Peking
8. Osaka
Bevölkerung
20m
9. Kairo
10. New York-Newark
15m
25. Paris
28. London
10m
5m
0m
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
2015
2020
2030
Jahr
Quelle: United Nations Population Division: World Urbanization Prospects, the 2014 revision
United Nations Population Division, 2014. World Urbanization Prospects, the 2014 revision
McKinsey Global Institute, 2011. Urban world: Mapping the economic power of cities. www.mckinsey.com/insights/urbanization/urban_world
11
Computerworld, 2014. 3D-Drucker errichtet 10 Gebäude aus Recyclingmaterial in einem Tag www.computerworld.com/article/2489664/emerging-technology/3d-printer-constructs-10buildings-in-one-day-from-recycled-materials.html
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LIEFERUNG
PER DROHNE
Kurierdienste
für kleine Pakete
BEGRÜNTE DÄCHER
Nehmen Wärme
auf, filtern
Luftschadstoffe und
CO2. Das gewonnene
Regenwasser kann für
Toilettenspülungen
verwendet werden
SOLARZELLEN AUF
GEBÄUDEFASSADEN
Erzeugen Strom, der in
Akkus gespeichert wird
VERTIKALE
LANDWIRTSCHAF
Verbraucht weniger
Fläche, Wasser
und Strom für die
Nahrungsmittelprodu
REGENWASSERKANALISATION
Verringertes Überlauf- und
Überschwemmungsrisiko.
Regenwasser kann für die urbane
Landwirtschaft verwendet werden
INTELLIGEN
Speichert und
über Solar-, A
Abfallquellen
ERHÖHTE
FUSSGÄNGERZONEN
Fußgängerwege verbinden
Infrastrukturelemente
ohne mit dem
Straßenverkehr in die
Quere zu kommen
UNTERIRDISCHE LANDWIRTSCHAFT
Pestizidfreier Anbau unter Tage auf
wassersparenden Hydrokulturen und mit
Hilfe energieeffizienter LED-Beleuchtung
UNTERWASSERTURBINEN
Gezeitenturbinen in Flüssen
speisen Strom in ein
intelligentes Netz ein
Nachhaltige Lösungen
für Megacitys
Um auch in Zukunft ein Inkubator für Fortschritt zu sein, müssen sich die
Megacitys an die Bedürfnisse ihrer Bewohner anpassen. Hier eine Auswahl von
Lösungen, die Megacitys grüner, effizienter und lebenswerter machen.
ENERGIEERZEUGUNG
DURCH ALGENKULTUREN
Aus CO2-absorbierenden
Algenkulturen in Hausfassaden
wird Biokraftstoff erzeugt
MÜLLHEIZKRAFTWERK
Müllverbrennung erzeugt
Strom, der lokal in ein
intelligentes Netz gespeist wird
LADESTATION FÜR
ELEKTROFAHRZEUGE
FT
uktion
ENTSORGUNGSRÖHREN
Ladestationen werden
durch das intelligente
Netz mit Strom versorgt
Ein pneumatisches Röhrensystem saugt
Müll aus Wohnungen und Büroräumen
und transportiert ihn zu Recyclingstationen
und Verbrennungsanlagen
HÄUSER AUS DEM
3D-DRUCKER
NTES STROMNETZ
d verteilt Strom, der
Algen-, Wasser- und
n erzeugt wird
Riesige 3D-Drucker schaffen
erschwinglichen Wohnraum
aus recyceltem Bauschutt
SELBSTFAHRENDE
AUTOS & BUSSE
E-Fahrzeuge werden drahtlos über
die mit einem intelligenten Netz
verbundenen Straßen aufgeladen
MIETFAHRRÄDER
Stationen mit Mieträdern
an U-Bahnhaltestellen/
Bahnhöfen und am Stadtrand
STAU- UND
SCHADSTOFFSENSOREN
BARRIEREFREIE
INFRASTRUKTUR
Rolltreppen, Aufzüge
und Gehwege für
Städte mit hoher
Alterungsrate
Senden kontinuierlich Daten an ein
städtisches Verkehrsleitsystem. Sie sind
an Bussen, Straßenlampen oder anderen
Infrastrukturelementen angebracht
MAGNETSCHWEBE-U-BAHN
HochgeschwindigkeitsNahverkehrssystem, das
mit Magnetschwebetechnik
angetrieben wird
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Länger leben, länger arm?
Die Altersstruktur zwischen den Megacitys unterscheidet
sich enorm (siehe S. 13). Viele Gesellschaften altern
rapide. Wenn sich der Altersdurchschnitt eines Landes
erhöht, werden natürlich auch die Einwohner von Städten
zunehmend älter. Aber dieser Trend lässt sich nicht Eins-zueins auf die demographische Entwicklung von Megacitys
übertragen, denn die Bewegung der Bevölkerung innerhalb
eines Landes führt zu unterschiedlichen Altersstrukturen.
Im Allgemeinen sind es eher die Jungen, die ihr Glück in
den Städten suchen. In den ländlichen Gebieten bleiben
die Alten zurück. Die urbane Bevölkerung altert daher
langsamer.
Wichtig ist in diesem Kontext ist auch, dass die
Herausforderungen, die sich aus einer alternden
Bevölkerung ergeben, in Städten möglicherweise
einfacher zu bewältigen sind. Städte verfügen über
eine für Ältere wichtige Infrastruktur: Krankenhäuser,
Pflegeeinrichtungen und soziale Infrastrukturen.
Bauliche Maßnahmen lassen sich häufig in Großstädten
einfacher realisieren als auf dem Land. So ist es zum
Beispiel in urbanen Zentren weniger problematisch
und kostenaufwendig, Straßen mit Bürgersteigen
auszustatten, die den Anforderungen einer immer älter
werdenden Bevölkerung gerecht werden.
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2010 befanden sich mindestens 80 Prozent der
Bevölkerung in Chinas Megacitys im erwerbsfähigen
Alter. Dabei war der Anteil der Kinder – nicht zuletzt
wegen der Einkindpolitik – relativ gering. Momentan
besteht die größte Herausforderung darin, genug
Arbeitsplätze und Wohnungen zu schaffen.
Möglicherweise kann jedoch die Wohlstandsentwicklung
mit der Altersentwicklung nicht mithalten. Armut
droht. Der Kindermangel könnte dazu führen, dass es
langfristig weniger Arbeitskräfte geben wird, die das
Wirtschaftswachstum vorantreiben. Auch dürfte es an
Pflegekräften für die Alten fehlen.
„Bis 2035 wird die Zahl der über 60-Jährigen in China
die Bevölkerung der USA übertreffen, “ sagt Jay
Ralph. Shanghai wird 2025 voraussichtlich zweimal
so viel Senioren zählen wie New York.12 Das hat auch
deutliche Auswirkungen auf die finanzielle Situation
der Rentner. Da asiatische Gesellschaften schnell altern
und gleichzeitig die Lebenserwartung steigt, werden
die Menschen für Betreuung oder Wohnen zunehmend
auf ihr Erspartes zurückgreifen müssen. Eine steigende
Lebenserwartung bedeutet auch mehr Zeit im
Ruhestand, für die man vorsorgen muss.
In Indien ist die Geburtenrate ist mit 1,8 Kindern
pro Frau unter das Reproduktionsniveau gefallen.13
Dennoch ist der Kinderanteil an der Bevölkerung
in Indien (25 Prozent der Gesamtbevölkerung in
Delhi und 22 Prozent in Mumbai) viel höher als in
Chinas Megacitys , so dass dort auch in den nächsten
zwei bis drei Jahrzehnten aus demografischer
12
13
Sicht große Alterskohorten von Erwerbstätigen
den unterhaltsberechtigten Senioren und Kindern
gegenüberstehen. 2025 werden 72 Prozent der
Einwohner Delhis im Erwerbsalter sein. Dagegen
werden nur neun Prozent älter als 65 sein.
In den Megacitys Asiens und Afrikas machen
Kinder unter 15 Jahren mindestens ein Viertel
der Bevölkerung aus. In diesen Regionen sind
eine grundlegende medizinische bzw. energetische
Versorgung, Gesundheitswesen, Bildung und
Transportdienstleistungen von entscheidender
Bedeutung für die Entwicklung der Jugend. Nur so
werden aus Kindern produktive Mitglieder einer
Gesellschaft, die ihr demografisches Potenzial im vollen
Umfang zu Geltung bringt.
In den Megastädten Japans, Tokyo und Osaka, ist die
Situation eine komplett andere. Dort ist jeder fünfte
Einwohner 65 Jahre oder älter. Diese Städte müssen
Straßen, Gehwege, Transportdienste und Kreuzungen
an die Bedürfnisse der älteren Menschen anpassen. Der
Begriff Erreichbarkeit bekommt dann eine völlig neue
Bedeutung. Die wichtigsten Dienste müssen in der Nähe
von Verkehrsdrehkreuzen liegen. Auch die Steuer- und
Sozialsysteme stehen vor einschneidenden Reformen.
Immer weniger Erwerbstätige müssen für immer mehr
Rentner aufkommen. Der Alterungsprozess erfasst alle
gesellschaftlichen Bereiche, auch die früher typischen
Jugend-Szenen - wie beispielsweise die Popkultur: Heute
gibt es bereits Gruppen mit Künstlern, die über 90 Jahre
alt sind.
McKinsey Global Institute, 2011. Urban world: Mapping the economic power of cities. www.mckinsey.com/insights/urbanization/urban_world
James, K.S. & Kavitha, N., 2015. View from a fast-growing nation: What demographic change means for India, in ‘Our World and Us: How our environment and our societies will change’, Allianz SE.
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Drei Entwicklungsstufen von Megacitys
Viele Megacitys durchlaufen verschiedene Lebensphasen,
ähnlich wie der Mensch. Andere stagnieren in ihrer
Entwicklung. Der Reifegrad von Megacitys lässt sich grob
in drei Kategorien einteilen: niedrig, mittel und hoch. „Je
nach Reifegrad variieren auch die Herausforderungen
für die Megacitys sehr stark (siehe Abbildung)“,14
erläutert Tina Baacke, Global Head of Catastrophe
Risk Management, bei Allianz Global Corporate &
Specialty (AGCS). „Dabei spielen Bauvorschriften,
Katastrophenvorsorge und Aufrechterhaltung wichtiger
Infrastruktursysteme eine Rolle.“
Megacitys niedrigen Reifegrades wie Dhaka,
Kinshasa und Lagos wachsen schnell mit einem
hohen Anteil junger Bewohner, vielen ungeplanten
Slums, minimalen Bauvorschriften und erheblicher
Schattenwirtschaft. Enorme Ungleichheiten,
schwache Verwaltung, rudimentärer öffentlicher
Nahverkehr, viele Staus und ein Mangel an
grundlegenden Diensten kennzeichnen diese Städte.
Entwicklungsgrad
Eigenschaften
Risiken &
Herausforderungen
Megacitys mittleren Reifegrades wie Shanghai,
Sao Paulo und Mexiko-Stadt verzeichnen ein deutlich
schwächeres Wachstum. Sie fangen an zu altern.
Zum einen sind sie wohlhabender und besser geführt
als Megacitys niedrigen Reifegrades, verfügen aber
nicht unbedingt über eine bessere Infrastrukturund Stadtplanung. Eines der Hauptprobleme ist der
ungezügelte Verkehr. Immer mehr Menschen können
sich ein Fahrzeug leisten. Die Folgen: Staus, Chaos und
Luftverschmutzung.
Megacitys höheren Reifegrades wie Tokyo, New
York, London und Paris zeichnen sich durch eine
alternde Bevölkerung aus. Auch die Infrastruktur
ist teilweise arg in die Jahre gekommen und bedarf
dringend einer Sanierung. Ihr großes Plus ist ihr
Wohlstand. Diese Städte haben die Mittel, um in
innovative Lösungen zu investieren. Ein Beispiel
ist die Thames Barrier, die London vor Sturmfluten
schützt. Das öffentliche Transportsystem ist weit
entwickelt, aber oft nicht mehr im besten Zustand.
Negativ wirken sich die steigenden Lebenskosten
aus. Sie vergrößern die Kluft zwischen arm und reich
und führen zu gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Niedrig
Mittel
Hoch
Beispiele:
Dhaka, Kinshasa, Lagos
Beispiele:
Shanghai, Mexiko-Stadt, Rio de Janeiro
Beispiele:
London, New York, Tokyo
Geringe Wachstumsrate
Kontinuierliches Wachstum
Flache oder negative Wachstumskurve
Junge Bevölkerung
Anzeichen alternder Bevölkerung
Alternde Bevölkerung
Ungeplante Slums
Sichtbare Städteplanung
Koordinierte Städteplanung
Begrenzter Personennahverkehr
Erweiterter Personennahverkehr
Gut ausgebauter Personennahverkehr
Rudimentäre Steuerung
Koordinierte Steuerung
Zentrale Steuerung
Schwache Infrastruktur in den Bereichen
Energie-, Gesundheitsversorgung und
Bildung
Verbesserte Infrastruktur in den Bereichen
Energie-, Gesundheitsversorgung und
Bildung
Etablierte Infrastruktur im Bereich
Energie-, Gesundheitsversorgung und
Bildung
Extreme Armut
Armutszonen
Sich vergrößernde Ungleichheit
Extreme gesellschaftliche Ausgrenzung
Chronische gesellschaftliche
Ausgrenzung
Alternde Infrastruktur erfordert CO2-arme,
intelligente Alternativen
Ungleicher Zugang zu Grundversorgung
und Infrastruktur
Alternder Personennahverkehr muss
erneuert werden
Ineffiziente Zersiedelung
Luftverschmutzung erfordert
Verkehrskontrollen
Unangemessene Wohnverhältnisse
Verkehrsstau
Chronische Luft- und Wasserverschmutzung
Niedriges Gesundheitsniveau
Schlechte schulische Ausbildung und berufliche
Fähigkeiten
Schwache Steuerung, Korruption und Verbrechen
Hohes Katastrophenrisiko
Chronische Luftverschmutzung und
Staus
Anfälligkeit für Natur- und
Klimakatastrophen
Gebäude mit schlechter
Energieeffizienz
Wertekonzentrationsrisiken
Überarbeitet, aus: Ericsson. 2013. S. 4. Das nächste Zeitalter der Megacities. www.ericsson.com/res/docs/2013/the-next-age-of-megacities.pdf
UN Habitat report – The city we need mirror.unhabitat.org/downloads/docs/The%20City%20We%20Need.pdf
14
Ericsson, 2012. The Three Ages of Megacities. www.ericsson.com/res/docs/2012/ns_megacities_report_4.pdf
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WIE DIE
GRÖSSTEN
STÄDTE DER
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Mobilität in Megacitys: Kurze Distanzen sind das A&O
Die teilweise rasante Urbanisierung der Weltbevölkerung
stellt Politiker, Städteplaner und Verkehrsentwickler vor
unbekannte Herausforderungen.
Das verbessert nicht nur das Klima, sondern bietet auch
Raum für Freizeitaktivitäten und die Produktion von
Lebensmitteln.“
Der Schlüssel für die Stadt der Zukunft liegt für viele
Wissenschaftler in ihrer Kompaktheit. Gleichzeitig
warnen sie vor Desurbanisierung. Damit meinen
Experten weitläufige Siedlungen ohne Anbindung
an öffentliche Verkehrsmittel, wie viele Vororte in
westlichen Ländern, oder gar die leerstehenden Areale
der Retortenstädte Chinas.
Auch wenn sie nicht zu den Megacitys zählt, ist Singapur
für viele Experten ein Musterbeispiel für die Idealstadt,
so auch in puncto Kompaktheit. Mit dem sogenannten
‘Interlace’ wurde ein vertikales Dorf in der Stadt
geschaffen. Statt die Wohnblocks nebeneinander
zu bauen, wurden sie aufeinandergestapelt, inklusive
Dachgärten, Spielplätzen und Höfen.
„Mit dem Bau besser verbundener, kompakterer Städte auf
Basis des öffentlichen Personenverkehrs können in den
nächsten 15 Jahren über drei Billionen USD an eingespart
werden. Diese Maßnahmen verbessern nicht nur die
Wirtschaftsleistung, sondern senken auch die Emissionen.
Damit erhöht sich die Lebensqualität deutlich.“ Zu diesem
Schluss kommen die Autoren des aktuellen ‘New Climate
Economy’ Reports.15
Wie der Mensch den Verkehr langsam in den Griff
bekommt und den zurückgewonnenen Lebensraum für
sein Wohlergehen nutzen kann, lassen Projekte wie der
‘High Line Park’ in New York, die City-Maut in London oder
das öffentliche Leihsystem für Elektroautos in Paris erahnen.
„Die ideale Stadt besteht aus eigenständigen Zentren“,
sagt Klimaexperte Thomas Liesch von Allianz Climate
Solutions. Er ist ein Freund kurzer Distanzen. Nach seiner
Vorstellung „arbeiten und leben die Menschen in der
Stadt der Zukunft jeweils in ihren Vierteln. Das spart viel
Zeit, Energie und reduziert das Verkehrsaufkommen.
Weniger Autos bedeuten mehr Platz für Fußgänger. Ein
Netz aus Grünflächen verbindet die einzelnen Stadtteile.
Allerdings sieht die Realität in den meisten
aufstrebenden Megacitys anders aus. Beispiel HoChi-Minh-City. Die größte vietnamesische Stadt
beheimatet aktuell rund 7,3 Millionen Menschen und
nach Einschätzung der UN werden es 2030 mehr als
10,2 Millionen sein (siehe Grafik Seite 4). Das entspricht
in etwa der heutigen Bevölkerungszahl von London.
Die britische Hauptstadt verfügt mit 400 Kilometern
Gesamtlänge über das drittlängste U-Bahnsystem der
Welt. In Ho-Chi-Minh-City dagegen wird die U-Bahn erst
gebaut: Geplante Inbetriebnahme ist 2018.
Oben: High Line Park in New York
Links: Dachgarten in Singapur
15
Quelle : newclimateeconomy.net/content/press-release-economic-growth-and-action-climate-change-can-now-be-achieved-together-finds
10
LEBEN IN DER
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GRÖßTEN
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Gebäudefassade in
Mexiko-Stadt
Foto: elegant
embellishments/Alejandro
Cartagena
Der Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln ist
vor allem in aufstrebenden Megacitys signifikant.
Die Folgen: Verkehrskollaps und Smog-Alarm. Die
niedrigste Schadstoffbelastung in Neu-Delhi war 2014
höher als der höchste Wert im ohnehin schon für Smog
berüchtigten Peking.16 PKWs sind die Hauptursache für
Feinstaubemissionen. Und diese wirken sich bekanntlich
am stärksten auf die menschliche Gesundheit aus. Das
Risiko ist enorm: Allein in London starben 2010 fast 9500
Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung – trotz
aller Bemühungen der Stadt, das Verkehrsaufkommen
einzudämmen. Das fand das King’s College London
heraus.17
Neben London haben auch andere Städte den Kampf
gegen den Feinstaub aufgenommen. In Mexiko-Stadt
zum Beispiel wird die Entwicklung einer Hausfassade
getestet, die mit Hilfe eines chemischen Prozesses die
Feinstaubbelastung von 1.000 Autos pro Tag neutralisiert
(siehe Foto).
Staus und Schmutz – diese beiden Phänomene werden
hoffentlich nicht mehr mit dem Auto von morgen
in Verbindung gebracht. Für ein saubereres Image
sollen vorläufig effizientere Verbrennungsmotoren
sorgen. Noch einfacher lassen sich Emissionen
reduzieren, wenn man das Auto gleich ganz stehen
lässt oder Fahrgemeinschaften bildet. Langfristig aber
planen Ingenieure eine Revolution des Autofahrens.
Selbstfahrende Autos könnten schon bis 2030 die Regie
auf den Straßen übernehmen, meinen Experten.
Theoretisch könnten die selbstfahrenden Mobile ihre
Passagiere einfach am gewünschten Ziel absetzen
und dann den Stadtbereich verlassen, bis sie wieder
per App gerufen werden – im Prinzip wie Taxis. Das
wäre ein enormer Gewinn an Lebensqualität für alle
verkehrsgeplagten Städter. „Automatisches Fahren
ermöglicht eine effizientere Straßennutzung, da mehr
Fahrzeuge auf einer einspurigen Fahrbahn untergebracht
werden können. Man kann auf zwei oder drei Fahrspuren
verzichten, die dann schließlich mehr Raum für
Bürgersteige lassen. Zudem würden Elektroautos dazu
beitragen, Emissionen und Lärmpegel zu senken. Vormals
extrem unbeliebte Areale entlang stark befahrener
Straßen würden an Attraktivität gewinnen“, meint
Architekt Jürgen Mayer, Gewinner des Audi Urban Future
Award 2010.18
Eine digitale Infrastruktur mit Sensoren am Auto und
entlang der gesamten Verkehrswege soll Staus und
Parkplatznot bald vergessen machen. Laut einer Studie
von Navigant Research soll der Bestand sensorgestützter
intelligenter Parkplätze bis 2024 weltweit eine Million
übersteigen.19
Neben den Verkehrsadern richtet sich das Augenmerk
künftiger Investitionen auch auf die Energieversorgung.
Sie gilt als Achillesferse einer Stadt. Ein längerer
Stromausfall über Tage hinweg ist nicht nur ein Härtetest
für das zivilisierte Leben, sondern kann auch das ganze
System in die Knie zwingen.
Unter dem Gesichtspunkt der Widerstandsfähigkeit
haben Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsvertreter
die Vision der Smart City entwickelt. Das Nervensystem
der intelligenten Stadt von morgen basiert auf dem
Internet: Stromversorgung, öffentlicher Verkehr, Ver- und
Entsorgungssysteme sind elektronisch vernetzt. Häuser
produzieren ihren Strom selbst und speichern ihn auch,
zum Beispiel über leistungsstarke Batteriespeicher.
So entsteht ein dezentrales Energieproduktions- und
Speichersystem, das im Ernstfall auch die Auswirkungen
von Stromausfällen mindert. Verkehrsleitsysteme
Quelle: energydesk.greenpeace.org/2015/03/09/india-air-pollution-delhis-smog-still-worse-beijings/
Quelle: www.independent.co.uk/news/uk/home-news/nearly-9500-people-die-early-in-a-single-year-in-london-as-a-result-of-air-pollution-study-finds-10390729.html
18
Quelle: www.navigantresearch.com/research/smart-parking-systems
19
Quelle: www.allianz.com/en/about_us/open-knowledge/topics/mobility/articles/120418-future-car-logs-onto-city-streets.html
16
17
11
LEBEN IN DER
MEGASTADT:
WIE DIE
GRÖßTEN
STÄDTE DER
WELT UNSERE
ZUKUNFT
PRÄGEN
reagieren auf Echtzeitdaten, reduzieren den Verkehr und
leiten ihn bei Bedarf um (siehe Grafik Seite 5). Arbeitsplatz
und Zuhause verschmelzen. Lieferketten werden
optimiert.
Die dafür nötige Infrastruktur braucht einen sicheren
Rückhalt. Die Rolle der Versicherungswirtschaft besteht
darin, Menschen, Sachen und Systeme gleichermaßen zu
schützen – und zwar unabhängig von ihrer Komplexität
und Größe. Wenn man die Grenzen der Versicherbarkeit
verschiebt, kann das (Rück-)Versicherungsgeschäft einen
effektiven Beitrag zur Entwicklung von Megacitys leisten.
Auf diese Weise wird die Versicherungswirtschaft zu
einem kraftvollen Werkzeug, um die Widerstandsfähigkeit
lokaler und nationaler Wirtschaftssysteme und
Gesellschaften allgemein zu stärken.
Flutwarnung für Megacitys
An Küstenstreifen gelegene Städte sind laut einer gemeinsamen
Studie von Weltbank und OECD zunehmend der Gefahr von
lebensbedrohenden und kostspieligen Überschwemmungen
ausgesetzt. Als Gründe werden Klimawandel, rasche Verstädterung
und die Landabsenkung genannt. Wenn die Städte keine
entsprechenden Abwehrmaßnahmen ergreifen, könnten die
durchschnittlichen Verluste durch Überschwemmungen weltweit
von 6 Milliarden USD 2005 auf eine Billion USD jährlich in 2050
ansteigen.20 Besonders gefährdet sind küstennahe Megacitys
in Südostasien und im Osten der USA. In ihrer alle zwei Jahre
erscheinenden Studie „Revision of the World Urbanization Prospect“
rechneten die Vereinten Nationen 2011 mit insgesamt 890 Millionen
Stadtbewohnern, die derzeit von Naturkatastrophen bedroht sind.21
Für die Versicherungsindustrie hat sich eine völlig neue
Risikolandschaft entwickelt, erklärt Axel Theis: „Häufigkeit und
Intensität klimatischer Ereignisse haben in den letzten 50 Jahren
weltweit zugenommen – und gleichzeitig die Konzentration
der versicherten Werte. Dazu kommt, dass die Expansion der
Infrastruktur nicht mit den steigenden Bedürfnissen der Bevölkerung
Schritt halten kann. Dieses Missverhältnis macht die Städte extrem
anfällig für Naturkatastrophen, insbesondere in Asien. Bereits jetzt
sind Städte wie Peking, Delhi, Jakarta, Manila, Mumbai, Shanghai und
Taipei alle hochwasser- und wirbelsturmgefährdet.“
So ist das Risiko für Überschwemmungen und tropische
Wirbelstürme in Asien verglichen mit den USA 62 bzw. 40 Mal höher.
Asien läuft Gefahr, noch größere Verluste bei Naturkatastrophen zu
erleiden. Gleichzeitig ist der Versicherungsschutz gegen Risiken aus
Naturkatastrophen immer noch lückenhaft
20
21
Katastrophen, wie die Überschwemmung in Bangkok 2011 mit
Schäden von 45 Milliarden USD zeigen, dass die Kumulrisiken
exponentiell steigen. Dabei fallen sogenannte ‘versteckte
Risiken’ wie Betriebsunterbrechungsschäden immer stärker ins
Gewicht.
Der Klimawandel wird die Situation in Asien noch verschärfen.
Ohne entsprechende Maßnahmen – dazu zählen vorrangig
Versicherungslösungen sowie Anpassung und RisikominderungsStrategien – werden das potenzielle Ausmaß der Schäden und
die Auswirkungen auf die Bevölkerung in den urbanen Zentren
Asiens erheblich sein. Während die Versicherungsdichte Dank
größeren Wohlstands weiter steigt, nimmt die Unsicherheit
in der Assekuranz zu, weil es an Daten zur Risikobewertung
mangelt.
„Um mit der rasant zunehmenden Risikokonzentration Schritt zu
halten, nutzen wir modernste Technologien und Modelle. Mittels
Satellitentechnologie und 3D-Imaging beispielsweise können
wir Risiken passgenau – bis auf die Ebene einzelner Gebäude –
verorten “ erklärt Theis. „Doch das beste mathematische Modell
der Welt wird nur dann funktionieren, wenn die verwendeten
Daten korrekt sind und das Risiko eindeutig identifizierbar ist. Die
Überschwemmung in Thailand war ein solcher Großschaden, der
nicht im Vorfeld simuliert werden konnte. Die Liegenschaften
zahlreicher Unternehmen standen unter Wasser, was zu einer
weltweiten Unterbrechung der Lieferkette führte. Um die Risiken
in Zukunft noch besser einschätzen zu können, sind zum Beispiel
Geocoding, aber auch der direkte Dialog mit dem Kunden
elementar.”
Quelle: www.worldbank.org/en/news/feature/2013/08/19/coastal-cities-at-highest-risk-floods
Quelle: www.un.org/en/development/desa/publications/world-urbanization-prospects-the-2011-revision.html
12
LEBEN IN DER
MEGASTADT:
WIE DIE
GRÖßTEN
STÄDTE DER
WELT UNSERE
ZUKUNFT
PRÄGEN
Die Megastädte der Welt: Bevölkerungsspitzenwerte
Megacity
Land
Bevölkerung Bevölkerung
Bevölkerungswachstum
in Millionen in Millionen
2030
2015
2030
Altersverteilung der
Bevölkerung (%) 2010
0-14
15-64
65+
Bevölkerungsdichte
pro km2 2010
Durchschnittliches
jährliches
Bevölkerungswachstum
(%) 2015-2020
Tokyo
Japan
38,00
37,19
(- 0,81)
12
69
19
4.400
0,17
Delhi
Indien
25,70
36,06
(10,36)
25
71
4
12.100
2,65
Shanghai
China
23,74
30,75
(7,01)
9
80
11
6.100
2,67
São Paulo
Brasilien
21,07
23,44
(2,37)
22
71
7
7.500
0,98
Mumbai
Indien
21,04
27,80
(6,76)
22
72
6
32.400
1,64
Mexiko-Stadt
Mexiko
21,00
23,86
(2,86)
25
68
7
9.700
0,81
Peking
China
20,38
27,71
(7,33)
9
80
11
5.500
3,43
Osaka
Japan
20,24
19,98
(-0,26)
13
67
20
5.400
0,28
Kairo
Ägypten
18,77
24,50
(5,73)
26
69
5
8.900
1,83
New York-Newark USA
18,59
19,89
(1,3)
19
68
13
1.800
0,21
Dhaka
Bangladesch
17,60
27,37
(9,77)
30
65
5
43.500
3,52
Karatschi
Pakistan
16,62
24,84
(8,22)
37
60
3
23.400
2,92
Buenos Aires
Argentinien
15,18
16,96
(1,78)
23
65
12
5.300
0,92
Kalkutta
Indien
14,86
19,09
(4,23)
26
69
5
12.200
1,13
Istanbul
Türkei
14,16
16,69
(2,53)
24
70
6
9.800
1,28
Chongqing
China
13,33
17,38
(4,05)
15
72
13
7.700
2,67
Lagos
Nigeria
13,12
24,24
(11,12)
32
65
3
14.500
4,17
Manila
Philippinen
12,95
16,76
(3,81)
31
66
3
15.300
1,48
Rio de Janeiro
Brasilien
12,90
14,17
(1,27)
21
70
9
5.800
0,65
Guangzhou
China
12,46
17,57
(5,11)
11
82
7
6.000
3,94
Los Angeles
USA
12,31
13,26
(0,95)
21
68
11
2.400
0,23
Moskau
Russland
12,17
12,20
(0,03)
12
74
14
3.500
0,50
Kinshasa
DR Kongo
11,59
20,00
(8,41)
46
51
3
19.900
3,95
Tianjin
China
11,21
14,66
(3,45)
11
78
11
5.400
2,68
Paris
Frankreich
10,84
11,80
(0,96)
20
68
12
3.800
0,77
Shenzhen
China
10,75
12,67
(1,92)
8
91
1
6.900
0,98
Jakarta
Indonesien
10,32
13,81
(3,49)
24
73
3
9.500
1,81
London
GB
10,31
11,46
(1,15)
18
68
14
5.900
1,01
Bangalore
Indien
10.09
14,76
(4,67)
23
73
4
8.400
3,20
Quellen:
United Nations Population Division: World Urbanization Prospects, the 2014 revision esa.un.org/unpd/wup/CD-ROM/
Altersverteilung: McKinsey Global Institute, Urban World v.1.1 mobile app www.mckinsey.com/insights/mgi/in_the_news/urban_world_app
Bevölkerungsdichte: Demographia World Urban Areas, 11th Annual Edition, 2015 demographia.com/db-worldua.pdf
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