Junger UnternehmermitBiss

Junger Unternehmer mit Biss
Nils Remer (34) aus Wismar kehrte dem Westen den Rücken,
um in Mecklenburg selbstständig zu werden
„Vielleichtmuss man erst lernen, dass es nicht immer nur
bergauf geht, um sich über Gutes wirklich freuen zu können."
Seine Arbeit hat Nils Remer aus
Wismar lieben gelernt, Arbeiten
an sich ist für ihn Spaß und Lebenssinn zugleich. Geld wird
nebensächlich, wenn sein Unternehmen - eine Werbeagentur
in Schwerin-gebucht wird, weil
sie verlässlich Qualität liefert,
sagt der junge Mann.
Der Weg dorthin war kurvenreich und steinig. Begonnen hat
er in Leipzig. Die politische
Wende 1989 markiert für den
Mecklenburger auch eine persönliche, hat er doch am Rande
der sächsischen Stadt erst ein
Jahr zuvor mit 16 Lenzen fern
der Eltern seine Berufsausbildung mit Abitur zum Elektroniker begonnen.
,,Erstwar das nicht so toll", erinnert sich Remer.Aber dann genießt er die Freiheit, die Zeit mit
den Kumpels,er beginnt, auf eigenen Füßen zu stehen. Bis in
die Leipziger Innenstadt brauchen die jungen Leute eine Viertelstunde mit der S-Bahn, so gehen sie - natürlich - auch mal
zur ,,Montagsdemo". Politische
Debatten füllen die Schulstun-
das andere in den eigenen vier
Wänden vor dem Fernseher.Wir
waren doch alle gut informiert
über die BRD!"
Nach der Lehre 1991 geht er
zum Arbeiten in den Westen,
nach Itzehoe. Freunde und Familiefehlen.Einsamhabe er sich gefühlt, erst recht, da seine Kollegen
keinerlei Interesse arn Osten zeigen. Krach mit dem Chef kommt
hinzu,am Ende ist erfroh überdie
Kündigung und den schnellen
Wechsel in eine andere Firma. Da
läuft es besser, doch Remer bleibt
ein Pendler zwischen den Welten.
Der Bruch kommt hart: 1993
stirbt der Vater mit 54 Jahren am
Herzinfarkt, nachdem die ABM laut Remer „eine Arbeit für den
Papierkorb" - endete und der Elektroingenieur zu Hause saß.
Remer zieht zurück zur Mutter
Nils Remer : ,,Manche Gelegenheit kommt nie wieder!"
und bleibt in Wismar:Spät, doch
den, im Unterricht für „Zivilver- aber gar nicht." Die DDR? „Da nicht zu spät erfüllt er sich seiteidigung" (ZV) fällt das Schie- wurde so viel gelogen,das konn- nen Traum - zu studieren. Fünf
ßen aus, weil die Waffen wohl te doch nicht mehr lange gut ge- Jahre Elektrotechnik an der
aus Furcht vor Missbrauch ein- hen'', meint Remer. Wenngleich: Hochschule Wismar. „Super
kassiert wurden, vermuten die Heute wird auch wieder gelogen, schwer war das, ich war lange
Lehrlinge damals. Am Wochen- vor allem, wenn die Politik den raus", gesteht er. Doch er beißt
ende nach der Grenzöffnung Arbeitslosen Arbeit verspricht, sich durch, zumal er endlich angekommen ist, wo er sich hin gefährt Remer im Trabi nach Lü- die es gar nicht gibt.
Doch zurück: „In der DDR hörig fühlt. Die Professoren
beck,wie viele erscheint er Montag darauf nicht in der Berufs- führten viele ein Doppelleben - kümmern sich noch persönlich
schule. „Viel Ärger gab's dann eins in Schule oder Betrieb und um die Studenten. „Heute ist das
ganz anders", meint Remer: „Zu
viel Partygesellschaft, zu wenig
Motivation, und die Erkenntnis
fehlt, dass Zeit kostbar ist." Erst
im Studium empfindet Remer
nun Lernen als Luxus, lernt
sinnvolle Arbeit zu schätzen.
„Auch mein Vater hatte seinen
Job immer geliebt, heute geht
mir das auch so."
Der Weg in die Selbstständigkeit scheint logisch, zumal der
junge Mann im Technologiezentrum die Chance bekommt,
sich ein Jahr als „Innovationsassistent"
freizuschwimmen.
„Manche Gelegenheit kommt
nie wieder!"Remer greift zu.
Noch während seiner Assistenz-Zeit hebt 1998 in Schwerin
„Auttec"aus der Taufe, eine Firma junger Querdenker, Arbeitswütiger, Computerfreaks,die für
andere programmieren, planen,
entwerfen. Mal mit mehr, mal
mit weniger Erfolg, auch Existenzkampf ist Remer - inzwischen verheiratet und zweifacher Vater - nach wie vor nicht
fremd. „Doch auch mit weniger
Geld muss es gehen", ist er überzeugt. Wichtig sei nur, dass Arbeit anregt und Spaß macht.
„Sonst können keine neuen Ideen geboren werden!"