Berliner Kurier

10 Berlin
BERLINER KURIER
DIENSTAG, 20. OKTOBER 2015
Die alte Lungenheilanstalt
Grabowsee: Die Duschen sind
schon lange abgestellt.
Ein Nackt-Kalender zeigt
Badewannen-Models
in Berlin. Der Erlös soll
afrikanische Kinder vor
dem Verdursten retten
Von ROLF KREMMING
O
pa Willi aus Pankow
kann’s kaum fassen.
Was macht die Badewanne mit der Nackten
vor der East Side Gallery? „Das
glaubt mir keener“, murmelt
Willi vor sich hin. Er greift zum
Handy, knipst munter drauflos.
76 Jahre ist er alt geworden, aber
so was hat er noch nie erlebt.
„Schuld“ an Opas Erlebnis ist
Kristian Liebrand (42). Tagelang
zog der Bocholter Fotograf
durch Berlin. Er suchte verlassene Orte für künstlerische Badewannenbilder: „Wir stellen einen Kalender zum Thema Wasser her. Die Fotos sollen zum
Nachdenken anregen. Denn
nicht überall auf der Welt ist
Wasser in solcher Fülle vorhanden wie bei uns. Es gibt Regionen, da verdursten Menschen.“
Die Kindernothilfe stellt in
Awassa elektrische Wasserautomaten auf und verteilt die Chips
dafür kostenlos an äthiopische
Kinder. Der Erlös des Kalenders (25 Euro) geht als
Spende an das Hilfsprojekt. Mit einem einzigen
Kalender kann ein Kind
lebenslang mit frischem
Wasser versorgt werden.
Liebrand möchte für so
viele Kinder wie möglich
Zugang zu Trinkwasser
schaffen. Dazu muss er
aber mehr als die Kamera schleppen und auf
den Auslöser drücken.
Mit Heinz Hasenkamp,
Chef einer Sanitärfirma,
schleppt er die 65-KiloWanne an die Orte des
Geschehens. In einem
verlassenen Parkhaus
bis in die 6. Etage. Noch
Kristian Liebrand
mit Asmara (li.) und
Marta in der alten
Fleischfabrik.
Echt heiß an der
East Side
Gallery: Das
Nackt-Shooting
(gr. Foto) für
den SpendenKalender 2016
(kl. Foto re.).
Baden
mit Botschaft
anstrengender war das Shooting
auf dem Dach des ORWO-Hauses in der Frank-Zappa-Straße.
Eine Wanne als Symbol für
Wasser. Ein nacktes Model für
die Verletzlichkeit. Die verlassenen Orte als Symbol für die verlassenen Kinder in Äthiopien.
Liebrand hat alles durchdacht.
Dass es zwischendurch wiederholt Probleme gab, ließ den
Fotografen und seine Modelle
Marta und Asmara nicht verzweifeln. Der eigentlich zum
Transport der Wanne gekaufte
Bollerwagen wurde am ehemaligen „Blub“ in Neukölln von Jugendlichen zerstört. An einigen
Orten gab es keinen Strom, an
anderen fror das Team in alten
Gemäuern – ein Abenteuer.
Auch der Transport der Wanne
über eine schmale Eisenstiege in
der alten Fleischfabrik in Lichtenberg war nicht ohne Gefahren. „Erst wurden wir vor den
Hunden gewarnt, dann sahen
wir den dunklen Eingang und die
eiserne Treppe. Unser erster Gedanke: Da kriegen wir die Wanne
nie rauf.“ Doch wo ein Wille ist ...
Die wohl schönste Station aber
war eine alte Papierfabrik: „Wir
schoben 65 Bürostühle zusammen und baten den Baggerführer
vor Ort, die Schaufel so zu stellen, dass sie über Wanne und
Model schwebt. Erst zögerte er,
aber dann warf er den Motor an.“
Schließlich griff auch er zum
Handy – und knipste drauflos.
6 www.mehr-als-eine-badewanne.de
Berlin 11
Auch Kanzlerin
Angela Merkel
schaffte es in
den Kalender:
Sie blickt als
Che Guevara
auf das nackte
Wannen-Model.
Fotos: Liebrand/zVg, Kremming
Der WannenKalender von
Kristian
Liebrand
entstand an
verlassenen
Orten in und
um Berlin.
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