Eine Frage der Geduld

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11.07.2008
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SCHWERPUNKT HEIDEIMKEREI
Kleines Schwarm-Glossar
Eine Frage der Geduld
Magazinimker versuchen, Schwärme zu verhindern, Korbimker fördern sie – um mit
möglichst vielen Völkern in die Heide starten
zu können.
Vorschwarm: Die alte Königin verlässt mit
einem Teil des Volkes den Korb. Der Vorschwarm zieht meist Anfang Mai aus. Die
Bienen haben bis zur Heidetracht schon viel
Wabenwerk gebaut. Die Bienen der Vorschwärme ergeben gute „Leibimmen“: So nennt man
die Bienen der Überwinterungsvölker.
Nachschwarm: Die Jungkönigin verlässt mit
einem weiteren Teil des Volkes den Korb. Ein
Volk kann mehrere Nachschwärme abgeben.
Nachschwärme bauen zur Zeit der Heidehonig-Ernte noch am Wabenwerk – das ergibt
gutes Jungernwachs mit Heidetracht: perfekt
zum Verkauf als Scheibenhonig.
Heidschwarm: Wenn der Vorschwarm bis zur
Heidesaison selbst wieder schwärmt, bezeichnet man das als Heidschwarm. Auch
diese Völker sind gut für Heide geeignet, da
sich die Bienen zur Tracht noch in der Bauphase befinden.
Was haben Heideimker und tibetische Mönche gemeinsam?
Ganz einfach: die Seelenruhe. Im Frühjahr warten die Heidjer wochenlang darauf, dass die Völker schwärmen. Das tun sie auch — aber dann,
wenn es ihnen passt. Bis dahin heißt es: abwarten, Kaffee trinken
und mit dem Nachbarn schwatzen.
und vermutlich ein Grund für ihren Rückgang:
Mit einem gefüllten Terminplan lässt sich
diese Arbeit nicht vereinbaren.
Mit den Bienen als Naturvolk leben
Berufsimker Adolf Stegen zählt zu den wenigen Imkern, die noch Schwarmfang auf traditionelle
Art betreiben. Im Frühjahr sitzt er mehrere Wochen bei seinen Völkern.
Fotos: Silke Beckedorf
V
on neun bis halb fünf dauert der Arbeitstag von Adolf Stegen im Mai und Juni.
Stundenlang sitzt der 78-Jährige auf
seinem Stuhl vor den Bienenvölkern, die hinter seinem Wohnhaus in Bispingen nahe
Hamburg stehen. Nebenbei flickt er ein paar
unbenutzte Körbe, zieht Speile ein oder erledigt kleinere Arbeiten – immer mit einem
Blick auf die Völker. Ab und an schaut ein benachbarter Imker vorbei. Dann tauschen sich
die beiden über ihre Bienen aus. Oft beobachtet Stegen einfach nur aufmerksam die Fluglöcher und wartet auf ein Zeichen, dass das
Schwärmen beginnt.
Stegen den Korb auf die Seite, verschließt das
Flugloch mit Moos und den Boden mit einem
Tuch. Am späteren Abend, wenn die Flugzeit
vorbei ist, stellt er den Korb in die Lagd.
Eine gewisse Seelenruhe braucht man in der
Schwarmzeit: Manchmal schwärmen an einem Tag mehrere Völker; manchmal gar
keines. Der Schwarmfang ist ein fester Bestandteil der traditionellen Heideimkerei –
Adolf Stegen gefällt diese Arbeit. Dem Imker,
der im Sommer mit den Bienen, im Winter
als Hausschlachter arbeitete, ist die Zeit
noch nie lang geworden. „Das ist noch richtig Natur“, sagt er. „Als Kastenimker diktiert
man den Bienen, was sie machen sollen. Als
Korbimker muss ich mit den Bienen als Naturvolk leben.“ Mit dem Mittagessen ist es allerdings schwierig. Ziehen rechtzeitig Wolken
auf, verlässt er dafür manchmal seinen angestammten Platz. „Aber die Bienen merken
das wohl“, sagt er. „Wenn man ihnen nur
kurz den Rücken zudreht, kommen sie raus
und sitzen im Baum.“
Bec
Schnelle Reaktion notwendig
„Wenn es losgeht, laufen die Bienen unruhig
um das Flugloch“, sagt Stegen. Dann muss er
schnell reagieren: den Schwarmfangbeutel
mit vier Ösen vor das Flugloch stecken, das andere Ende an eine Forke hängen und straff
ziehen, damit im Beutel genug Platz für die
Bienen bleibt. Sobald sich alle Bienen in dem
Beutel befinden, knüpft Stegen den weißen
Stoffsack vom Korb, schnürt das Vorderende zu
und hängt ihn mit den unruhig summenden
Bienen darin für einige Stunden im Schatten
auf. Haben sich die Bienen beruhigt, werden
sie in einen Stülper eingeschlagen. Dann legt
DEUTSCHES BIENEN-JOURNAL 8/2008
Links: Beginnen die Bienen auszuziehen, wird der Schwarmfangbeutel vor dem Flugloch festgesteckt. Rechts: Der Beutel mit dem Schwarm hängt für einige Stunden im Schatten.
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